Es waren einige Tage vergangen. Kei war meist schlecht gelaunt und
saß, wenn er nicht mit Dennis und co. trainierte, meist auf dem Dach
des gigantischen Hauses. Es war ihm nicht gestattet worden, das
Gelände zu verlassen und wenn er es versuchte, wurde er aufgehalten.
Den Tisch in seinem Zimmer gab es mittlerweile nicht mehr. Nur die
Trümmer zierten noch den Boden. Dennis hatte ihm vor Tagen
versichert, dass sie nach Colin Ausschau halten würden - mehr hat
man ihm nicht gesagt.
Seit drei Tagen ließ ihn jeder weitestgehend in Ruhe, wenn er nicht
trainieren sollte. Auslöser war eine brutale Schlägerei gewesen,
die Kei sich mit einem Vampir geliefert hatte, nachdem der ihn am
Verlassen des Geländes gehindert hatte.
Wie jeden Abend saß der junge Vampir nun auf dem Dach, eingehüllt
in seine Lederjacke, deren Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen
hatte.
Als es bereits nachtdunkel war, blitzten zwischen den Bäumen und
Hecken, die die schmale Landstraße säumten, über die er mit
Delilah hier angekommen war, winzige Lichter, die stetig näherkamen.
Sie bogen auf den Weg ein, der zum Schloss führte und stellten sich
als die Scheinwerfer eines silbernen Vauxhall heraus. Er kurvte um
den trockenen Springbrunnen herum, der auf dem kiesigen Platz
zwischen Haupthaus und Ostflügel stand, sodass er zum Herausfahren
nicht mehr rangieren musste. Ein junger Mann in Geschäftsanzug stieg
aus und ging gelassen, aber zielstrebig auf die Doppeltür zu. Kei
beobachtete ihn dabei und wartete bis der Mann im Haus war, ehe er
beinahe lautlos auf das Vordach sprang und sich kurz hinter ihm vor
die Eingangstreppe fallen ließ um ihm nachzugehen - sehr leise.
Als die Tür hinter ihm hallend ins Schloss fiel, drehte sich der
Mann, der bereits in der Mitte der Halle stand, zu ihm um. Es war der
Japaner, dem er in Brasilien begegnet war. Der Mann musterte ihn
freundlich. Keis Miene hellte sich nicht auf. Er nickte dem Mann
lediglich zu. Der Mann erwiderte den stummen Gruß, als Rupert von
der Galerie aus zu ihnen herunterrief: "You come alone?"
"Yeah," rief der Mann zurück und begann, die Treppe
hinaufzugehen. "The others are taking a detour."
Kei schlenderte die Treppe hinauf. Er wollte endlich wissen was los
war und wo sein Freund steckte. Er hatte das Hingehaltenwerden satt.
"Wir haben deinen Freund gefunden," teilte ihm der Mann auf
dem Weg nach oben mit. Er steuerte das Arbeitszimmer an, in dem Kei
bei seiner Ankunft aufgeklärt worden war. Rupert war schon
hineingegangen und hatte die Tür für sie offen stehengelassen.
Dennis kam ihnen auf der Galerie entgegen und machte ein erfreutes
Gesicht, als er die Nachricht hörte.
"Das wurde auch Zeit. Lebt er noch?" Keis Gesicht zeigte
keinerlei Emotionen, wenn man mal davon absah, dass er ständig
angepisst aussah.
Der Mann zögerte. Vielleicht auch deswegen, weil sie nun
gleichzeitig mit Dennis in den Raum eintraten und Dennis stark nach
frischem Blut roch. Er sah Dennis kurz an und setzte sich dann auf
einen der Sessel vor dem Kamin.
"Ja. Kann man so sagen." In seinem Ton schwang eine
unsichere Zweitbedeutung mit.
Dennis schloss hinter ihnen die Tür. Rupert saß hinter dem
Schreibtisch.
"Kann man so sagen?!" Kei wurde leicht sauer und ging auf
den mit ihm Eingetretenen zu. Der blickte zu ihm auf, blieb aber
unbeeindruckt. Er nickte.
"Ja. Er ist am Leben." Etwas in seinem Gesicht verriet
allerdings, dass ihm dieser Ausdruck nicht ganz passend erschien.
"Kommt noch jemand?" fragte er Dennis, der sich an den
Schreibtisch lehnte, wie es seine Art war, und den Kopf schüttelte.
Rupert sah ratlos zwischen den Japanischsprechenden hin und her und
senkte dann resigniert den Blick auf ein Schriftstück, das vor ihm
lag.
"Du bist auch tot, wenn wir ihn da zu spät rausholen,"
versicherte Kei dem Mann mit finsterem Blick.
Der Japaner sah Kei beinahe mitleidig an. Oder vielleicht war er nur
selbst etwas mitgenommen. Immerhin sah er ziemlich blass aus. Er sah
zu Dennis.
"Das irritiert mich gerade wirklich... ich hab solchen
Hunger..." murmelte er.
Dennis deutete mit einem Daumen über seine Schulter auf Rupert, der
von dem Gespräch keine Notiz zu nehmen schien.
"Du kannst gleich trinken. Rede erst."
Der Japaner lehnte sich erschöpft zurück und lockerte seine
Krawatte. "Er ist in London. Oder sie bringen ihn immer wieder
dahin. Kennst du noch den Club in Camden?"
Dennis' ernster Blick sah bestätigend aus.
"Nein. Sagt mir nichts," gab Kei von sich.
"Du warst auch noch nie da," sagte der Mann verwirrt. Er
wandte sich wieder an Dennis. "Ich habe ihn in den Grubenkämpfen
gesehen. Heute mittag. Das soll schon sein drittes Mal da gewesen
sein."
Dennis sah etwas bestürzt aus und runzelte dann verwirrt die Stirn.
"Aber er ist doch ein Mensch - und er lebt noch?!"
Der Japaner nickte ungläubig.
Kei stutzte. "Was?! London, ja? Ich hol ihn da raus." Er
sah die Leute im Raum an, wütend darüber, dass Colin erst jetzt
gefunden worden war.
"Nein nein nein, halt, warte mal." Dennis hielt eine Hand
hoch. "Das ist doch offensichtlich eine Falle. Sie würden ihn
doch nicht öffentlich vorführen, wenn sie dich nicht damit anlocken
wollten."
"Aber er ist -" Der Japaner setzte sich auf und rutschte
auf dem Sitz vor. "Nächstes Mal schicken sie ihn gegen das
Konstrukt. Von MacPherson." Er sah Dennis mit großen Augen an,
als könne er nicht glauben, was er eben selbst gesagt hatte. Dennis'
Augen wurden ebenso groß.
"Ist mir scheißegal! Die können mich nicht fangen, wenn sie
tot sind. Wenn er draufgeht, weil ihr nicht wollt, dass ich verrecke,
dann seid ihr alle tot - dann habe ich einen Grund dazu." Jetzt
seid ihr zu weit gegangen...
Alle sahen ihn erschrocken an, sogar Rupert. Dessen Blick drückte
aber mehr ahnungsloses Interesse als Schrecken aus.
"Wir holen ihn raus," versicherte Dennis ihm, wenn auch mit
großer Unsicherheit in der Stimme.
"Spinnst du?! Morgen mittag ist das Konstrukt dran und
MacPherson ist bestimmt auch selber da!" sagte der Japaner und
stand auf.
"Gut. Dann kriegt er mein Schwert zu fressen!"
Dennis schüttelte warnend den Kopf. "Das hilft nicht. Wir
brauchen einen ordentlichen Plan, also beruhige dich."
"Mein Freund ist halb tot und in der Gewalt von skrupellosen
Wichsern und du sagst mir, ich soll mich beruhigen!? Haha." Kei
sah den Japaner tödlich an.
'Setz dich hin,' befahl Dennis' Stimme in seinem Kopf.
"Warum sollte ich?" entgegnete Kei laut und blieb stehen,
die Arme vor der Brust verschränkt. Er hasste Dennis'
Telepathiespielchen - wenn er ihm damit auf den Sack ging.
"Weil du so keine Hilfe bist, sondern ein Rotzbalg mit dem
keiner was anfangen kann!" gab Dennis aufgebracht zurück, was
für ihn äußerst untypisch war. "Wenn du Colin retten willst,
müssen wir das vernünftig planen, sonst gehen er und du und wir
alle hier dabei drauf! Motoki. Wer ist mit dir zurückgekommen?"
Der Japaner setzte sich wieder.
"Delilah, Jane und Brian. Aber die werden da nicht mitmachen."
"Delilah schon. Und mehr brauchen wir auch nicht." Dennis
klang nun wieder gefasst und musterte Kei nachdenklich.
Hinter Dennis lehnte Rupert sich zurück und krempelte sich einen
Ärmel seines Flanellhemdes hoch.
Motoki starrte derweil auf Ruperts Unterarm, bis er zum Schreibtisch
stürzte, sich vor Rupert auf die Knie fallen ließ und herzhaft in
das dargebotene Handgelenk biss.
Damit das noch länger dauert? Kei blieb weiterhin stehen und
entgegnete nichts weiter.
'Wir wissen nicht, wo sie ihn festhalten, wenn er nicht im Club ist,
und das ist erst morgen mittag wieder der Fall!' entgegnete Dennis
ihm in ärgerlichem Gedankenton. Er stieß sich vom Schreibtisch ab
und ging nachdenklich zum Kamin, dann zurück und setzte sich auf
einen der Sessel.
"Delilah und ich... Delilah, du und ich... vielleicht Jane...
Pass auf..." Er sah Kei an.
Kei drehte sich blitzschnell um.
"Was ist? Tick jetzt nicht wieder aus. Ich versuche hier einen
Plan auszutüfteln. Also pass auf: Wir müssen uns unkenntlich
machen. Uns drei kennt man."
Kei hätte beinahe den Türrahmen zertrümmert. Ließ das aber und
richtete seine Aggressionen gegen sich selbst. Schnelle
Heilungskräfte waren sehr praktisch, wenn man seine Wut nicht gegen
andere richten durfte, weil man sie noch brauchte. Stattdessen
landete das Messer aus seiner Hand in seinem Bein.
Dennis sah mit missbilligendem Blick zu. Motoki und Rupert nahmen die
beiden nicht mehr wahr. Rupert hatte die Augen geschlossen und den
Kopf auf die Stuhllehne zurückgelegt, während Motoki sich
genüsslich an seinem Blut labte.
"Ganz toll. Hast dus jetzt? Konzentrier dich. Colin muss sich
auf dich verlassen können," sagte Dennis ruhig.
Kei setzte sich auf den Boden und sah ihn etwas ruhiger an.
Dennis rieb sich die Augen.
"Danke. Also hör zu. Du, Delilah und ich gehen morgen mittag
dahin. Wir müssen überzeugend verkleidet sein, denn jeder weiß,
wer wir sind. Und diese Grubenkämpfe sind voll von den Leuten, die
wir vernichten wollen. Und die uns vernichten wollen. Kannst du mir
folgen?"
Hinter dem Schreibtisch ließ Motoki von Rupert ab und atmete
erleichtert durch. Indem er noch einmal über die Wunde leckte, hörte
sie auf zu bluten und er stand langsam auf. Rupert blieb noch etwas
in seinem Stuhl liegen.
"Ich bin nicht bescheuert. Red weiter."
"Mit voll von ihnen meine ich voll. Der Laden wird von
der Instanz und ihren Sympathisanten und Handlangern bevölkert sein.
Also keine Ausraster bitte."
"Ich kann nichts versprechen." Wenn ich durchdrehe, dann
gründlich... keine Sorge...
"Dann können wir uns nicht auf dich verlassen. Und Colin auch
nicht."
"Colin ja. Du nicht."
Dennis sah auf. "Delilah und Jane sind zurück."
Kei hob den Kopf ein wenig und zog dabei das Messer aus seinem Bein.
Nach einer kurzen Pause sah Dennis ihn wieder an. "Delilah ist
dabei. Aber nicht, wenn du mitkommst," informierte er ihn mit
einem neutralen Blick auf den blutenden Schlitz in Keis Hose.
"Dann wird sie wohl hierbleiben müssen," informierte Kei
Dennis gleichgültig. Er würde Colin da nicht hängen lassen.
Dennis betrachtete ihn ernst.
"Willst du das allein machen? Du spielst genau in ihre Hände
und machst das was sie wollen, wenn du da hingehst. Und die Chance,
Colin rauszuholen, ist verschwindend gering, wenn wir nicht dabei
sind."
"Du willst mir nicht erzählen, dass ich hier bleiben soll,
während ihr versucht ihn da rauszuholen."
"Genau das erzähle ich dir. Du bist unberechenbar und
unvorsichtig. Ohne dich haben wir eine Chance. Mit dir kann man nicht
arbeiten, also wärst du gezwungen, allein hinzugehen. Ich würde
dich mitnehmen, aber zu zweit ist das ein Selbstmordkommando."
Kei hörte ihm kaum noch zu.
Auf einmal tönte eine unbekannte weibliche Stimme in Keis Kopf:
'174 Camden High Street in Regent's Park.'
"Also, was sagst du? Willst dus allein machen und dich umbringen
lassen? Oder können wir uns auf dich verlassen?" fragte Dennis.
'Go through the Underworld Club, out the back door and down the
stairs,' sagte die monotone weibliche Stimme.
Kei überlegte. Er hatte die Adresse, nur was machte er jetzt damit?
Das allein zu machen war Selbstmord, das wusste er, aber er würde
auf keinen Fall rumsitzen und warten. Das ging einfach nicht. "Ich
komme mit und mir ist egal, was du davon hältst."
"Du folgst meinen Anweisungen," sagte Dennis bestimmt, mit
eindringlichem Blick.
"Nur, wenn sie nicht 'Warte draußen' sind," entgegnete
Kei.
Dennis atmete auf. "Nein. Keine Angst, du wirst arbeiten."
Er stand auf und ging zügig zur Tür. "Komm mit, es geht los."
Kei folgte ihm.
"Hol dein Zeug, wir treffen uns vor der Garage." Ohne eine
Entgegnung abzuwarten, eilte Dennis die große Treppe hinunter.
Kei ging in sein Zimmer und packte seine Waffen zusammen. Mithilfe
seiner Jacke und Stiefel verstaute er sie so, dass er fast
unbewaffnet aussah, als er zur Garage kam.
Delilah und eine knochige Frau mit blondem Kurzhaarschnitt standen in
Motorradmontur bei Dennis, der sich gerade seine Lederjacke überzog.
Er schien unbewaffnet zu sein. Delilah hatte jedoch ihre Pistole am
Oberschenkel und die andere Frau, die aussah als wäre sie vielleicht
Mitte dreißig bis vierzig, trug mehrere Messer und weitere schmale
Gerätschaften an Riemen an den Oberschenkeln und im Kreuz. Sie
setzten sich alle ihre Helme wieder auf.
"Jane und Delilah bringen uns hin und übernehmen das 'Draußen
Warten'," sagte Dennis und stieg auf. "Sie holen auch das
Fluchtauto."
Kei nahm sich ein weiteres Motorrad und einen Helm. Er hatte sein
Schwert dabei. "Gut."
Ohne weitere Umschweife fuhren sie los. Delilah übernahm die Führung
und Jane bildete die Nachhut.
'This time we'll take the direct route, because we have too little
time,' sagte die monotone Stimme in Keis Kopf, 'but we'll stop at a
safehouse to get your clothes. We're there in under three hours.'
Delilah hielt vorn drei lederumhüllte Finger hoch, damit alle hinter
ihr sie sehen konnten.
Nach wenigen Stunden Fahrt hatten sie in einem Vorort bei einem
Reihenhaus haltgemacht, wo Dennis und Kei sich Anzüge mit Krawatten
und edle schwarze Lederschuhe anziehen sollten. Die alte Frau in dem
Haus gab ihnen beiden auch noch schwarze Sonnenbrillen, nachdem sie
ihre leuchtend blauen Augen stirnrunzelnd begutachtet hatte. Zu guter
Letzt kam sie noch mit einer Schiebermütze und machte Anstalten, sie
Kei aufzusetzen. Dabei quakte sie etwas in einer asiatischen Sprache.
Kei, der sich schon wie ein Clown vorkam, lehnte winkend ab und
verwies darauf, dass seine Haare ganz schwarz seien wie für einen
Japaner nicht ungewöhnlich. In den letzen Wochen war er nicht dazu
gekommen, sich die Haare wieder bunter zu machen, weshalb die Farbe
seit ein paar Tagen komplett herausgeschnitten war. Im Anzug sah er,
seiner Meinung nach, seriös genug aus.
Die Frau ließ sich davon kaum beirren. Sie nahm zwar die Mütze
zurück und zwang sie dafür Dennis auf den Kopf, gestikulierte aber
weiter auf Keis Gesicht und sah dabei auf seinen Lippenring. Kei
schaute sie unbegeistert an. Da war ja was. Er nahm den Ring nur sehr
widerwillig ab und steckte ihn in sein Portemonnaie, das in seiner
eigenen Hosentasche steckte. Ihre Kleider würden sie hier lassen
können. Der Vampir ging davon aus, dass hier nichts wegkam. Die Frau
sah er mit einem 'Jetzt zufrieden?'-Blick an.
Sie musterte ihn mit einem sehr strengen, skeptischen Blick, hielt
dabei aber wenigstens den Mund und brummte schließlich. Dennis
musste den gleichen Blick über sich ergehen lassen. Endlich winkte
die Frau sie davon und sammelte ihre beiden Kleiderhaufen ein.
Dennis deutete zur Tür und schritt zügig voran.
Kei ging ihm nach. "Was kommt jetzt? Ne stilechte Limousine?"
kommentierte Kei seinen Aufzug, der nicht zu einer Rettungsaktion und
eigentlich auch nicht zu ihm passte.
Wie auf ein Stichwort warf Delilah, die am Straßenrand auf ihrem
Motorrad saß, Dennis einen Schlüssel zu, den er im Vorbeigehen
lässig auffing. Mit einem gedämpften Klicken leuchteten ein paar
Meter weiter die Scheinwerfer eines schwarzen Mercedes mit getönten
Scheiben auf.
"Waffen sind im Kofferraum."
Kei fühlte sich gleich besser. Das war ein realer Gangsterfilm.
Japan war so lange her!
"Ich fahre!" Er wollte immer mal mit so einem Auto
vorfahren, auch, wenn er Motorräder besser fand - das musste man
gemacht haben.
"Pff, niemals." Dennis lachte ein bisschen und stieg ohne
Umschweife auf der Fahrerseite ein. Aus der engen Gasse neben dem
Haus kam Jane herausgeschlüpft und verriegelte das kleine Holztor
mit einem Vorhängeschloss. Sie begab sich wieder zu ihrem Motorrad.
"Ich hab 'nen Führerschein!" protestierte der Vampir
leise, stieg auf der Beifahrerseite ein und verbannte damit
eventuelle Mitfahrer auf die Rückbank. Ob seine südamerikanische
Fahrerlaubnis hier überhaupt gültig war, interessierte ihn nicht
besonders.
Dennis schmunzelte etwas und stellte seinen Sitz und die Spiegel ein.
Er schaltete das Auto aber noch nicht ein, sondern sah Kei ernst an.
"Bevor wir das hier machen..."
"Was is jetzt schon wieder?" fragte Kei und sah nach
draußen.
"... muss ich etwas wissen."
"Was?"
"Warum ist dir der Mensch so wichtig?"
"Weiß ich nicht. Er ist es einfach."
Die Antwort schien Dennis nicht zu gefallen.
"Hast du begriffen, dass ihr konditioniert wurdet? Dass ihr
beide dazu manipuliert wurdet, Freunde zu werden?"
"Ist doch egal, warum. Das ändert nichts daran, dass er mir
wichtig ist."
"Dein Vertrauen in allen Ehren, aber genau das könnte etwas
daran ändern. Sofern wir wissen, könntet ihr im Handumdrehen wieder
umgedreht werden." Dennis schnippte mit den Fingern. "Wir
wissen schon, dass das hier eine Falle ist, aber vielleicht ist sie
noch viel ausgeklügelter als wir denken. Vielleicht braucht es nur
den richtigen Auslöser, um diese künstliche Verbindung aufzulösen."
Kei zweifelte daran, dass all das, was er mit Colin durchgemacht
hatte nur auf einer künstlichen Verbindung beruhte. Der Anfang von
allem, okay. Aber nicht alles. Das war einfach unmöglich.
Dennis sah ihn ernst an und schien sein Gesicht genau zu studieren.
Kei erwiderte den Blick.
"Sie werden ihn trotz Allem nicht umbringen. Ich hab ihm
versprochen, dass ich der einzige bin, der das jemals machen wird."
Dennis' Gesicht verzog sich zu einem beinahe komischen, schockierten
Ausdruck.
"Na, das ist ja beruhigend. Aber sei dir bewusst, dass Colin
sich mittlerweile geändert haben kann. Vielleicht will er gar nicht
mitkommen, wenn wir tatsächlich die Chance bekommen, ihn da
rauszuholen. Wenn das passiert, müssen wir ihn dalassen und
verschwinden. Unser Leben hängt davon ab, dass du das verstehst."
"Ich werde ihn schon überreden. Mach dir darum keine Sorgen."
"Er ist irgendwie zu einer Killermaschine geworden. Das hast du
mitgekriegt, oder?"
"Das wäre nicht das erste Mal. Bisher bin ich immer mit ihm
fertig geworden, und wenn ich ihn K.O. schlagen musste."
Dennis sah nach vorn und schien nachzudenken. Er sah nicht glücklich
aus.
"Wenn du einen dämlichen Alleingang startest, sind wir weg.
Verstanden?"
"Ja. Du erwähntest sowas bereits."
"Gut." Grimmig startete Dennis den Motor und fuhr langsam
los. Kei lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Wehe du stirbst. Ich prügel dich zurück ins Leben...
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