| Maximum the Hormone - Zetsubou Billy |
| Michael Andrews - Burn it to the ground |
Erfolglos versuchte Colin, aus ihren leeren Gläsern noch ein paar
Tropfen herauszubekommen. Sie wurden ihm ein willkommener Vorwand, um
sich und seinen kochenden Hormonhaushalt von dem Vampir abzulenken,
und er brachte sie zur Bar zurück. Mit den Gläsern in den Händen
musste er auch nicht besonders drängeln. Die Frau dort hatte so viel
zu tun, dass sie Colin kaum einen Blick schenkte und ihm ohne
Umschweife das gab, was er bestellte. Dabei stellte er fest, dass
diese Getränke viel teurer waren, als der grimmige Schnelltrinker
behauptet hatte.
Um weit über tausend Yen erleichtert, trug Colin die neuen Getränke
zur Bühne zurück. Kei hatte kurz in seine Richtung geschaut und kam
ihm dann entgegen um ihm eines der Gläser abzunehmen. Colin lehnte
sich zu ihm.
"Willst du von mir trinken?" Sein Ton und sein Blick
machten offensichtlich, dass er nicht von seiner Rum-Cola sprach. Kei
grinste leicht. Sein Glas stellte er hinter sich auf der Bühne ab.
"Mit dem größten Vergnügen," sagte er. Dass sie von
nicht gerade wenigen Menschen umgeben waren, war ihm völlig egal.
Colin trank und stellte sein Glas ebenfalls ab.
"Später," sagte er, "zuhause." Er griff in Keis
Gürtel und küsste ihn. Kei grinste in den Kuss als er ihn erwiderte
und murmelte irgendetwas unverständliches, das ein "Ich nehm
dich beim Wort" werden sollte. Seine rechte Hand hielt Colin an
der Hüfte fest.
Um sie herum wurde in ihre Richtung kommentiert, gepfiffen oder
weiter Spaß gehabt.
Colin versuchte, selbst nicht zu breit zu grinsen, weil sein Gesicht
noch wehtat. Der Alkohol hatte schon der Abstumpfung gedient, aber
auf der anderen Seite war da Kei mit seinen Händen und der machte
alles zunichte. Wenigstens machte es ihm mittlerweile nichts aus,
dass Kei etwas Gewisses bemerken musste, als er sich an ihn drückte,
während er ihn gierig weiterküsste. Dem Vampir entging keineswegs,
dass der Jüngere auf Halbmast stand. Kei selbst hatte zwar
ordentlich was an Alkohol intus, jedoch war er noch sehr weit davon
entfernt, betrunken zu sein. Geschickt manövrierte er Colin
rückwärts in Richtung Bühne, nur um etwas zu haben, wo er ihn
gegendrücken konnte. Den Kuss dafür zu unterbrechen kam ihm nicht
in den Sinn. Beim Rückwärtsstolpern musste Colin fast lachen. Dabei
riss seine Lippe weiter auf.
"Au..."
Kei leckte über die Wunde und kommentierte das nur mit: "Das
verheilt wieder."
"Battle scars are good to have, though." Er vergrub eine
Hand in Keis Haaren. "Danke übrigens," sagte er in Keis
Ohr.
"Gern geschehen," sagte Kei und küsste Colin wieder.
Colin bemerkte nicht, wie Shin sich schräg hinter ihn stellte und
sich auf ein Bein kniete, oder wie einige der Umstehenden und
Umspringenden sich darüber amüsierten. Kei bekam Shins Anwesenheit
durchaus mit, ignorierte seinen Kumpel aber einfach und widmete sich
weiter Colin. Kurz darauf gesellte sich noch der Sänger hinzu, der
einen Fuß auf die Box neben ihnen stellte und zu ihnen herunter in
sein Mikrofon brüllte. Kei zeigte ihm den Mittelfinger und ließ
sich nicht von seinem Tun abbringen. Das brachte den Sänger kurz zum
Lachen, er sprang auf die Box und wieder herunter, Shin stand auch
wieder auf und lachte dann erst herzhaft (aber für die meisten fast
unhörbar), als der Sänger sich vor ihn kniete und während eines
kurzen Basssolos sowas wie einen Blowjob andeutete, indem er Shins
Beine hielt und so tat, als würde er seine Gitarre lecken. Shin
machte mit einer eindeutigen Hüftbewegung mit, ehe er seinen Part
als Gitarrist wieder aufnahm.
Kei lachte, als er die beiden sah. Er war sich ziemlich sicher, dass
diese Show nicht nur auf ihn und Colin gemünzt war und sie
tatsächlich was miteinander hatten, so oft, wie sie solche
Andeutungen auf der Bühne machten. Wieder küsste er Colin und hielt
diesen mit einer Hand dicht bei sich. Breit und glücklich lächelte
Colin dabei, trotz schmerzenden Gesichts. Für einen Schluck aus
seinem Glas wandte er den Kopf kurz ab. Seine Hand ließ er aber auf
Kei.
Nachdem er das Glas wieder abgestellt hatte, zog er Keis Hemd etwas
hoch. Kei grinste, während er eine Hand unter Colins Shirt schob und
ihm mehr oder weniger zärtlich in den Hals biss, allerdings ohne ihm
Wunden zuzufügen. Das einzige, was er hinterließ, waren blaue
Flecken.
Mit der freien Hand nahm er das Glas, trank einen Schluck und stellte
es wieder ab.
"Wann hast du Geburtstag? Ich schenke dir einen Maulkorb."
"Erst nächstes Jahr, das dauert noch," grinste Kei.
Colin lachte. "Nächstes Jahr ist in einer Woche." Er
grinste dreckig. "Soll ich das Lederband abmachen, damit du
besser drankommst?" Sein Ton war ein wenig herablassend.
"Damit ich mir wieder anhören kann, dass du
Geschlechtskrankheiten hast?" Kei grinste. "Mein Geburtstag
ist etwas später."
"Wann denn?" Nun war Colin wirklich interessiert. Seine
Hände fühlten sich ziellose Schleifen über Keis Haut. Es war so
etwas wie eine Forschungsexpedition für sie.
"Neunundzwanzigster Erster," sagte Kei. Das war gar nicht
mehr so lange hin, wie ihm auffiel. Er mochte das Gefühl von Colins
Händen auf seinem Körper, hatte ein leichtes Lächeln auf den
Lippen.
"Oh. Das ist ja bald. Soll ich dir einen Kuchen backen?"
fragte Colin unernst. Ebenso unernst, was für ihn völlig
ungewöhnlich war, erwiderte Kei: "Ja, einen dunkelroten."
"Klingt aufwendig. Ich glaube ich lass es." Er küsste Keis
Kehle.
Kei lachte ein bisschen, grinste dann und ließ seine freie Hand in
Colins Hosenbund verschwinden. Colin zog an Keis Arm.
"Du bist irre. Lass das."
Kei erwiderte darauf bloß: "Warum?"
Colin dachte kurz nach, während er Keis Arm weiter festhielt.
"Du wirst dir den Appetit verderben," sagte er scherzhaft.
Dass ihm das hier so in der Öffentlichkeit nun doch peinlich wurde,
wollte er Kei nicht auf die Nase binden. "Wenn die Vorspeise
schon sattmacht, hast du keine Lust mehr auf den Hauptgang." Er
zuckte mit den Schultern.
"Ach was," grinste Kei, ließ seine Hand, wo sie war,
machte aber sonst nichts - für den Moment. Das lag allerdings mehr
daran, dass Shin und seine Kollegen wieder ankamen und versuchten ihn
dazu zu animieren, wieder herumzuspringen anstatt an Colin zu kleben.
Colin selbst versuchte das nun auch, denn nach der Parkepisode mit
dem gefährlichen Nachspiel der Widerlichkeit war er nicht darauf
erpicht, ein noch öffentlicheres Spektakel aus sich zu machen.
Wieder zog er an Keis Arm.
Kei nahm seine Hand aus Colins Hose, grinste aber immer noch. Seine
andere Hand ließ er da, wo sie war und hielt den Kleineren weiterhin
fest.
Shin bekam einen Mittelfinger und Colin einen Kuss, bevor er seinen
Freund endgültig losließ. Schließlich waren sie eigentlich wegen
der Musik hierher gekommen. Gleichzeitig enttäuscht und erleichtert
atmete Colin auf und trank noch mehr. Kei widmete sich etwas mehr der
Musik und war bald darauf wieder am Herumspringen und gestikulierte
ein wenig mit dem Gitarristen der versuchte, weiterhin seiner Arbeit
nachzugehen.
Colin war nun auch abgestumpft genug, um seinen misshandelten Körper
ohne Zucken und Wimmern weiter zu quälen und drängte sich in die
Menge, um mitzumachen. Mit einem Augenrollen nahm er den Austausch
zwischen Shin und Kei zur Kenntnis. Der Junge musste echt immer
nerven. Lass ihn seine Arbeit machen, meine Güte.
Kei, ein wenig angetrunken, sprang herum und hatte bald den Gefallen
daran verloren, Shin zu ärgern, weshalb er nun ein wenig mehr
herumsprang, sein Glas leerte und einem Typen an den Kopf trat, der
ihn im Herumspringen angegrapscht hatte. Der Typ flog ein wenig durch
den Raum, während Kei sich benahm, als wäre überhaupt nichts
gewesen. Tatsächlich schien so gut wie niemand etwas bemerkt zu
haben, und wer auch immer zugesehen hatte, dachte sich nichts dabei
oder hielt sich aus Selbstschutz zurück.
Kurz darauf trank der Sänger aus einer Plastikflasche und schüttete
sich ihren restlichen Inhalt über den Kopf. Dann schüttelte er die
Haare, während die Band das Lied ausklingen ließ und kündigte das
letzte Lied an.
Kei feierte ein wenig weiter, als der nächste Song losging. Der Typ,
der etwas mehr als seine Nase gebrochen hatte, wurde von irgendwem
aus der Halle gezogen.
Während der ersten Takte, die ein furioses Finale versprachen,
brüllte jemand im Publikum plötzlich: "WALL OF DEAAATH!"
Andere nahmen den Ruf auf und die Menge teilte sich in der Mitte. Auf
beiden Seiten der Kluft stellten sich Leute auf, einige Mädchen
beeilten sich, an den Rand des Geschehens zu wechseln oder wurden von
jemandem dahin gezogen, und Colin machte selbst große Augen. Davon
hatte er heute genug gehabt, außerdem mochte er seine Nase und
Finger ungebrochen, also eilte er hinterher.
Kei war mitten im Gesehen irgendwo in der Mitte der ersten Reihe fand
er sich schnell im Zentrum des lustigen Treibens wieder. Colin zog
sich auf die Bühne und setzte sich auf den Bühnenrand. Als sie alle
brüllend aufeinander losstürmten, zog er zur Sicherheit noch die
Füße hoch und stellte sie vor sich auf die Kante. Dabei nippte er
am Rest seiner Rum-Cola. Was für Vollidioten.
Dann entdeckte er Kei in der Masse. War ja klar.
Kei war einer der ersten, der in die anderen hineinsprang und
Ellenbogen im Gesicht hatte. Er hatte sichtlich Spaß dabei und
konnte sich - für seine Verhältnisse - sogar benehmen. Colin
stellte auch fest, dass sein Wahnsinniger sich sogar zurückzunehmen
schien. Er mochte Gewalt, war aber anscheinend sportlich eingestellt.
Jedenfalls fiel nicht auf, dass er eigentlich dazu in der Lage war,
noch viel mehr Schaden anzurichten.
Sein Glas war leer. Er stellte es ab.
Jemand packte ihn an der Schulter. Erschrocken sah er zum Sänger
auf, der ihn am Arm packte und auf die Beine zog. Er führte ihn zur
Mitte der Bühne, stellte da wieder einen Fuß auf einer Box ab und
beugte sich vor, um etwas ins Mikro zu brüllen. Dann hielt er dem
verdutzten Colin das Mikrofon hin. Dem fiel nichts besseres ein, als
das Gebrüllte zu wiederholen. Seine Stimme war nicht ganz für diese
Art Gesang gemacht, aber war ausreichend kratzig, fand er
erleichtert, und der Sänger schien auch damit zufrieden zu sein, so
wie er lächelte. Er setzte den Refrain fort und ließ Colin jeden
Vers wiederholen.
Kei sprang weiter in die Menschenmenge, als er feststellte, was seine
Freunde angezettelt hatten. Er grinste ein wenig, als er Colin hörte
und fand, dass er sich nicht schlecht machte. Spaßeshalber sprang
Kei nun mehr auf die Menschen drauf, was denen nicht allzuviel
ausmachte, immerhin war Kei alles andere als schwer.
Beim zweiten Durchgang des Refrains war Colin textsicher genug, um
gleichzeitig mitzusingen. Der Sänger ließ ihn. Seine Stimme war in
den letzten Minuten ziemlich heiser geworden und er schien
erleichtert zu sein, dass sein spontaner Einfall tatsächlich
funktionierte. Er schüttelte die Haare während Colin sang. Nach dem
Refrain ließ er sich das Mikrofon zurückgeben und machte mit seinem
Job weiter. Colin zog sich wieder zurück, grinsend, und setzte sich
wieder an den Bühnenrand.
Kei war mal auf mal unter mal zwischen Menschen zu finden und machte
alles außer Anstalten damit aufzuhören. Während er herumsprang und
genausoviele Ellenbogen austeilte, wie er abbekam, klang der letzte
Song bald aus und die Masse wurde wieder ruhiger. Der Drummer und der
Bassist machten noch kurz weiter, während der Sänger sich bedankte
und verabschiedete.
Colin pfiff laut.
Kei schlenderte zu Bühne und lehnte sich dagegen, ehe er sich auf
dem Rand niederließ.
"Du solltest daran arbeiten, das war gar nicht schlecht,"
sagte er zu Colin.
"Gut genug für den Kirchenchor?" gab Colin schmunzelnd
zurück. Mit den Augen suchte er Kei nach Blessuren ab.
"Gerade so eben," gab Kei mit ähnlichem Gesichtsausdruck
zurück.
Tatsächlich hatte der Vampir einiges abbekommen und sah etwas
lädiert aus. Colin beugte sich zu ihm und küsste ihn. Kei erwiderte
den Kuss und lächelte ein wenig.
"Jetzt, wo du dich für mich schick gemacht hast," sagte er
in Keis Ohr, "lass uns gehen."
"Der ganze Aufwand umsonst, so ein Mist," sagte Kei leise
und drehte sich um, während er aufstand. Er nahm sein Glas zur Hand
und schaute Colin an, musterte ihn kurz. Seine Haare waren schon lang
nicht mehr hübsch gekämmt und der Riss in seiner Lippe war offen.
Er war gut angetrunken. Neben Kei sprang er von der Bühne, nahm sein
eigenes Glas und ging auf die Bar zu. Kei folgte ihm und stellte sein
Glas, an der Bar angekommen, auf eben jener ab. In seinem Kopf
herrschte eine Mischung aus Euphorie, dem Verlangen nach Blut, Colin
und Alkohol.
Colin ging zur Treppe zurück und kletterte wieder auf die Plattform
mit dem Sofa. Kei ging ihm nach, nahm aber die Abkürzung über das
Geländer, auf dem er sitzenblieb und Colin ansah.
"Ich war schneller," grinste er.
Colin schnaubte nur sanft. "Leck mich," entgegnete er,
während er seine Jacke vom Sofa aufsammelte.
Kei grinste noch immer. "Aber nicht hier," kommentierte er
das und nahm sich ebenfalls seine Jacke.
Colin wurde etwas rot und er wandte den Blick ab. Zurück auf dem
Boden ging er schnurstracks in Richtung Eingang.
Kei folgte ihm, verabschiedete sich auf dem Weg von Shin und dem
Barmann und legte draußen einen Arm locker um Colin. Der hatte sich
auf dem Weg seine Jacke angezogen und die Kapuze aufgesetzt. Er hatte
nichts dagegen, von Kei gehalten zu werden, aber er stellte sich vor,
dass es ihnen diese Nähe schwer machen würde, zügig zuhause
anzukommen. Also reagierte er darauf kaum - also sehr, aber nicht mit
Absicht - und steckte seine Hände demonstrativ in die Jackentaschen
und ging los. Kei hatte keine Mühe mit Colin mitzuhalten, auch, wenn
sein Arm um dessen Schulter lag.
Zügig steuerte er die U-Bahnstation an, die ihnen am nächsten lag.
Auf dem Weg, beim Warten und in der Bahn selbst vermied Colin es
weitgehend, Kei direkt ins Gesicht zu sehen. Er wusste nicht genau,
warum er jetzt so verlegen war, schließlich war er jetzt schon vier-
bis fünfmal keine Jungfrau mehr. Vielleicht, weil er sich bisher
noch nie mit ihm zusammen auf dem Weg dahin befunden hatte. Das war
neu. Es war ihm peinlich.
Der Vampir machte sich gar keine Gedanken über irgendwas in diesem
Moment. Seine Gedanken, wenn man das Wirrwarr in seinem Kopf so
nennen konnte, schrien eh immer das gleiche, besonders, wenn er viel
Alkohol im Blut hatte. Er war zwar nicht sonderlich betrunken, aber
das klar Denken funktionierte nicht mehr so besonders gut.
Als sie an seiner Heimhaltestelle ausstiegen und auf die Straße
gingen, ohne auch nur ein Wort gewechselt zu haben, musste Colin sich
daran erinnern, zu atmen.
Auf dem Weg kroch Kei ein mit schrumpfender Entfernung zum Haus der
Hammerers stärker werdender Blutgeruch in die Nase.
In einiger Entfernung zum Haus blieb Kei stehen.
"Colin, irgendwer ist an oder in eurem Haus am verbluten,"
informierte er den Kleineren, den er am Arm festgehalten hatte, um
ihn zum Stehenbleiben zu animieren. Aus Reflex und Überraschung
hielt der Junge an und sah Kei an.
"Was?"
In dem Haus lag eine Menge Blut offen herum. Frisch und viel.
Kei kletterte über den Zaun und ging zum Haus, nachdem er Colin
bedeutet hatte, zu warten, und sah durch ein Fenster hinein.
"Hier ist alles voll Blut," sagte er, laut genug, dass
Colin es hören konnte. Seinem ohnehin schon nebligen Verstand tat
das nicht gerde gut.
Colin stürzte zu dem verschlossenen Tor, das für Kei kein Hindernis
dargestellt hatte und öffnete es hastig.
Kei trat ein und sah sich um. Er versuchte, dem inneren Drang
durchzudrehen zu widerstehen. Im Flur boten sich ihm großzügige
Schleifspuren aus Blut, die am Fuß der Treppe begannen, wo die Wand
mit Blutspritzern verziert war und einige Bilderrahmen
heruntergefallen und zerbrochen waren. Sie führten durch einen
türlosen Türrahmen ins Wohnzimmer.
Colin lief eilig zur Haustür.
Kei sah sich weiter im Haus um. Folgte den Blutspuren.
Im Wohnzimmer hing Hiroki im Smoking quer über dem ersten Sessel.
Seine Arme, sein Bauch und seine Kehle waren geöffnet, und sein Kopf
hing knapp über dem Boden. Aus seiner Kehle tropfte es noch auf den
dunklen, nassen Fleck auf dem Teppich.
Ein anderer Teil der Blutspur führte vor den Fernsehtisch, wo Frau
Hammerer mit in merkwürdigen Winkeln verdrehten Armen und Beinen auf
dem Bauch lag. Ihr Abendkleid und die Unterwäsche darunter waren
zerrissen, die Haut darunter voller Blutergüsse und um sie herum
hatte sich ein dunkel glänzender Blutsee auf dem Parkett
ausgebreitet. Ihre Augen starrten blind auf das Sofa und ihre Haare
lagen zerzaust um ihren Kopf. Sie war offenbar daran gezogen worden.
Hinter dem Sofa begann es leise zu wimmern.
Sich mit Mühe nicht auf das ganze Blut um sich herum konzentrierend,
ging Kei zum Sofa hinter dem das Wimmern erklang und wusste noch
nicht, ob er wollte, dass Colin das hier sah.
Hinter dem Sofa lagen die Doggen. Die ältere war tot, voller Dellen
und Blutergüsse. Die andere lag auf der Seite und hatte auf der
Flanke einen großen dunklen Fleck unter der Haut sowie zertrümmerte,
blutende Hinterbeine. Mit den Vorderpfoten versuchte der Hund, sich
unter schmerzerfülltem Fiepen auf dem rutschigen Boden
voranzuziehen.
Kei erledigte den Rest und ging zurück zu Colin.
"Du solltest da vielleicht nicht reingehen," sagte er.
Colin war schon in den Flur gelaufen und starrte auf den Boden. Ohne
auf Kei zu hören, ging er auf das Wohnzimmer zu.
Kei ließ ihn. Blieb selbst im Türrahmen stehen.
Hinter dem Sessel mit Hirokis Leiche blieb Colin stehen und glotzte
mit leerem Gesicht. Er blieb eine Minute oder länger so stehen und
sah Hiroki, die Hunde und seine Mutter stumm an, bevor er sich
zitternd hinkniete und auf den Boden kotzte.
Kei besah sich das eine Weile, sagte aber nichts. Er ahnte zwar, was
in Colin vorgehen mochte, hielt aber dezent den Mund und wartete.
Da Colin in den letzten Stunden außer Cola mit Alkohol und ein
bisschen Bier nichts zu sich genommen hatte, gab es nicht viel zu
erbrechen, aber er blieb lange auf allen Vieren hocken, bis sein
Würgen zu einer Art fassungslosem Schluchzen geworden war.
Der Vampir blieb ruhig, gesellte sich aber zu Colin. Seine Gedanken
waren ganz andere als die, von denen er wusste, dass sie angebracht
wären. Zumindest unter Menschen.
Als Colin sich mit einem Ärmel über den Mund und die Nase wischte
und aufblickte, sah er erst zu den Hunden und dann hastig zu seiner
Mutter. Halb ging, halb kroch er zu ihr und tat, als würde er ihr
eine Hand auf den Rücken legen wollen, zog sie aber wieder zurück.
"Mum?" Sie war noch warm.
Kei wollte sagen: "Sie wird dir nicht antworten." Ließ es
aber.
Vorsichtig ging er zu Colin hinüber und spürte die schwindende
Wärme. Das ist noch nicht lange her....
Colin setzte sich auf seine Fersen, zog sich abwesend die Jackenärmel
über die Hände und starrte weiter fassungslos auf die Leiche.
Kei sah sich weiter um, fand aber außer noch mehr Blut, nichts
wirklich verwertbares. Hirokis Leiche war auch noch warm und die
Tatwaffen waren wohl mehrere gewesen. Mindestens ein Schwert war
dabeigewesen, wenn das wohl auch nur dazu dienen sollte, die Wunden
möglichst groß werden zu lassen. Kei hatte eine Ahnung, wer
dahinter stecken konnte, aber so ganz ohne Beweise behielt er seine
Vermutung für sich.
Colin tat nichts außer seine Mutter anzustarren und dabei an seinen
Ärmeln herumzuziehen.
Irgendwann reichte Kei das Herumgestehe mit leerem Magen.
"Willst du sie begraben lassen?" fragte er daher einfach in
den Raum.
Langsam wandte Colin den Blick zu ihm. Sein Mund formte "Warum?"
mit sehr wenig Stimme. Er glotzte verständnislos.
Kei wusste darauf keine Antwort. Es gab viele Gründe, aber keiner
schien ihm wirklich richtig zu sein.
Wozu begraben? fragte Colin sich. Die Idee kam ihm irgendwie
falsch vor. Er sah wieder die Leiche seiner Mutter an und versuchte,
sie herumzudrehen.
Kei stand daneben, die Hände in den Hosentaschen und hing der Frage
nach, wer das gewesen war, und viel wichtiger: Warum?
Er konnte sich vorstellen, dass das was mit dem Massaker im Garten zu
tun hatte, dass er veranstaltet hatte, aber wirklich glauben konnte
er das nicht, außer das war dazu gedacht Colin und damit ihm so
richtig wehzutun, nur traf das nicht so ganz zu...
Als er es geschafft hatte, seine Mutter auf den Rücken zu drehen,
wobei sich ihre verrenkten Gliedmaßen etwas um sie herumschlangen,
nahm Colin ihre Arme hoch und legte seinen Kopf auf sie, und ihre
Arme um sich.
Kei betrachtete das nur wortlos, nicht lange. Stattdessen ging er
nach draußen, um nicht noch durchzudrehen und nachzusehen, ob die
Täter irgendwas hinterlassen hatten, was eine Andeutung auf ihre
Identität sein könnte.
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