Sunday, August 7, 2016

Kei + Colin LXXXIII: Detaillierte Spiele


Die Tür öffnete sich nur einen Spalt breit.
„Seid ihr nackt?“ fragte Dennis von draußen.
„Nein. Hätte ich sonst gesagt, dass Hereinkommen ungefährlich ist?“
„Du hast nur gesagt, dass die Tür offen ist,“ meldete Colin, der seine Beine in einen gemütlichen Schneidersitz sortiert hatte. Dennis kam herein und schloss die Tür hinter sich.
„Das ist ungefähr gleichbedeutend,“ erklärte Kei. „Was gibt's denn?“
„Ich hoffe, ich störe nichts wichtiges. Es geht um die Gala da unten. Solange die Fremden da sind, besonders die Gäste, müssen wir das Erdgeschoss und den Park meiden und hier oben bleiben. Es darf uns niemand sehen. Das gilt für uns alle. Unsere Wachen draußen halten sich auch versteckt.“
„Ich hatte nicht vor, runterzugehen,“ sagte Kei. Dass er unsichtbar bleiben sollte, wusste er schon. Dennis nickte.
„Die Geschichte läuft fast die ganze Nacht durch. Und abgebaut wird morgen früh. Ab zwölf können wir uns wieder frei auf dem Grundstück bewegen.“
„Uns wird schon nicht langweilig.“
Dennis' sanftes Lächeln wanderte von Kei zu Colin und wieder zurück. Dann blinzelte er langsam und nickte. Kei verabschiedete sich nonverbal von Dennis. Mit einem angedeuteten Winken. Seine Position erlaubte es gerade nicht, den Kopf zur Tür hin zu drehen.
„Kei untertreibt. Er ist gelangweilt,“ sagte Colin trocken.
„Ah,“ sagte Dennis, bevor er sich zur Tür wandte und sie öffnete, wobei er innehielt. „Kommt mal mit.“
Kei stand auf und ging ohne Eile zur Tür. Colin ging ebenfalls kommentarlos mit.
Sie folgten Dennis zum Ende des Korridors, wo er durch das Dienertreppenhaus in den Flur auf der anderen Seite der Galerie wechselte. Da man sie von der Eingangshalle aus auf der Galerie hätte sehen können, war es wohl klug, diesen kleinen Umweg zu machen. Schräg gegenüber der Tür zum Arbeitszimmer, in dem all die furchtbar wichtigen Besprechungen stattfanden, lag das Spielzimmer, das Kei auf seinen Streifzügen schon untergekommen war. Colin kannte es noch nicht. Als Dennis ihnen die Tür öffnete und Colin eintrat, betrachtete er die Einrichtung mit wachsendem Lächeln. Den Billardtisch, die Dartscheibe, die Tafel mit der Strichliste, das Sofa vor dem riesigen Fernsehschirm mit den verschiedenen Spielkonsolen...
„Anders als die Schlafzimmer ist dieser Raum hier gedämmt. Ihr könnt also machen, was ihr wollt,“ sagte Dennis trocken.
„Auf diese Idee hätte ich früher kommen sollen...“ kommentierte Kei lächelnd. Colin wurde rot, als ihm dämmerte, worauf Dennis anspielte, und tat so, als wäre er nicht da. Kei hatte die Anspielung in das Wörtchen Idee mit einfließen lassen. Das beinhaltete alles, was man in diesem Raum so anstellen konnte. Dennis' freundlicher Gesichtsausdruck änderte sich kein bisschen, als er kopfnickend eine Verbeugung andeutete und sich verabschiedete.
„Ich kann leider nicht mitspielen - was auch immer ihr hier machen wollt - sondern muss die Nacht mit Arbeit verbringen. Ich bin im Büro, falls ihr mich braucht.“
Für die meisten Dinge, die Kei sofort einfielen, war ein dritter Mitspieler nicht nötig. „Okay,“ sagte er und sah sich ein bisschen im Raum um. Er hatte ihn zwar schon gesehen, war aber nie lang hier drin gewesen. Colin nickte Dennis auch noch zu, der darauf zu bestehen schien, seine Anwesenheit wahrzunehmen, und war froh, als er die Tür endlich von außen geschlossen hatte. Kei machte es sich auf dem Billardtisch bequem. „Was probieren wir als erstes aus?“
Colin zeigte auf die große Musikanlage. Der Ausdruck ‚stereo‘ schien darauf nicht mehr anwendbar, denn sie hatte so viele Lautsprecher, die überall im Zimmer verteilt waren, dass man sie gar nicht alle auf Anhieb wahrnahm. Er ging auf den Schrank zu und suchte nach einem Knopf oder einer brauchbaren Fernbedienung. Dabei öffnete er einige der Schubladen und Türen, und starrte plötzlich fassungslos auf die Innenseite einer Schranktür. Soweit Kei sehen konnte, standen dahinter an die hundert CDs, aber nichts außergewöhnliches.
„Warum versteinerst du?“ wollte Kei wissen, der Colin beobachtet hatte und nur eine Reihe CD-Hüllen zu sehen bekam. Wortlos öffnete Colin die Schranktür weiter und trat etwas zur Seite, um den Blick auf sie freizugeben. Von innen war die Tür mit Postern und Bildkarten von Angel beklebt.
„Da hat jemand fleißig gesammelt... scheint so, als hättest du ordentlich für Aufmerksamkeit gesorgt.“ Für Kei war das kein Grund zum Erstarren. Er wusste zwar nicht, woher Rupert von Colin wusste, oder dass er das überhaupt vor seiner Ankunft hier getan hatte, aber Menschen kannten sich über viele Ecken.
Mit einem leichten Hauch von Besorgnis im Gesicht wandte sich Colin den CDs zu, auf denen ein paar Fernbedienungen für die Anlage lagen. Er hielt sie Kei hin. Kei schaltete die Anlage ein und ließ Colin Musik aussuchen. Nach einiger Zeit des stummen Durchsuchens gab er Kei ein paar CDs mit unterschiedlicher Filmmusik.
„Er hat alles von mir. Nicht nur die beiden Alben aus Bolivien.“
Kei fand das irgendwie gut. Er wählte aus den CDs eine aus und legte die anderen beiseite. „Warst du damals irgendwie medial präsent bevor wir unterwegs waren?“
„Klar. Warst du nicht mal heimlich bei einem Konzert?“ Colin schmunzelte etwas. „Du hast mich mit Geld beworfen. Ich muss also gut gewesen sein.“
„Ich hatte vom Dach aus keine Kameras gesehen.“ Kei war kein Medienkonsument. Dass Colin medial sichtbar gewesen war, war ihm nie wirklich aufgefallen.
„Das Konzert wurde auch nicht aufgezeichnet. Aber wir hatten vorher etwas im Studio gemacht. Und ich hatte davor schon zwei Geigenalben.“ Colin schlenderte zum Sofa und setzte sich von hinten auf die Rückenlehne.
„Manchen Leuten gibt man Geld, damit sie aufhören.“ Kei schmunzelte. Er wusste, dass Colin wusste, dass er seine Musik mochte und ihn nur aufzog. Colin grinste und verschränkte die Arme.
„Das waren nur hundert Yen. So viel kann dir deine Ruhe dann doch nicht wert gewesen sein. Und die wolltest du dann auch noch wiederhaben.“
„Hätte ich Ruhe haben wollen, wäre ich nicht da gewesen.“ Kei winkte ab, lächelnd.
„Ich wollte Ruhe haben, an dem Abend. Geige spielen hilft.“ Colin stieß sich von der Sofalehne ab, um zu einem der Fenster zu gehen, deren Vorhänge nur jeweils einen schmalen Spalt in der Mitte freiließen. Vorsichtig linste er schräg nach draußen. Von hier aus konnte man einen Teil des Parkplatzes für die Gäste und die Laternenbeleuchtung sehen.
„Siehst du was Interessantes?“ erkundigte sich Kei und folgte Colin mit den Augen.
„Einen alten Mann an einem neuen Aston Martin. Er hat einen Frack an, glaube ich.“ Colin drehte sich wieder zurück. „Wir sind wie Aschenputtel. Versteckt in der Dachkammer, und dürfen nicht zur Party mit dem Prinzen.“
Kei stand auf und ging zum Fenster, um den Wagen zu begutachten. „Kannst dich ja verkleiden, wenn du dahin willst.“
Colin lachte leise. „Rupert und Dennis würden beide einen Herzinfarkt bekommen.“
„Dennis doch nicht. Oh - es sei denn, du siehst umwerfend aus und keiner erkennt dich.“
Colins belustigtes Schmunzeln blieb. „Umwerfend aussehen ist kein Problem. Das mit der Anonymität wird aber schwierig. Ich bin unverwechselbar.“
„Dann darfst du dir nicht ähnlich sehen.“ Kei schmunzelte ebenfalls. Mit Kopfkino. Colin musterte ihn mit amüsierter Skepsis.
„Was...?“
„Wenn du nicht wie du aussiehst, dann kannst du unerkannt umwerfend aussehen.“ Keis Kopfkino hatte nichts mit einer eventuellen Verkleidung Colins zu tun, sondern vielmehr damit, was man auch auf Bällen so alles anstellen konnte. Colin senkte den Kopf etwas, um Kei schräg von unten anzusehen.
„Ich kann sehen, dass du gerade fantasierst. Die Geschichte muss ich hören.“
„Wenn du siehst, dass ich fantasiere, dann weißt du auch worüber,“ schmunzelte Kei böse. Mit einem verlegenen Lächeln musste Colin plötzlich blinzelnd wegschauen. Und sich gleich wegdrehen. Auch Vorhänge konnten gut angegrinst werden. Kei grinste seinerseits. In seinem Kopf drückte er Colin, in nicht colintypischer Verkleidung, die trotzdem balltauglich war, gegen eine Flurwand neben dem Ballsaal.
In der Realität stand Colin vor dem langen, schweren Vorhang und schob mit verlegen hochgezogenen Schultern die Hände in die Hosentaschen. Wenn Herzschlag nicht alltäglich war, waren der Lärm und das Pochen, das er in manchen Momenten verursachte, manchmal ein kleines bisschen überwältigend.
Kei hörte Colins Herzschlag grinsend zu und bewegte sich direkt hinter ihn. Colin kniff kurz die Augen zusammen und kaute auf seiner Unterlippe. Das liegt nur am Cello... Die Musik ist zu gut...
„Aschenputtel ist mir ein bisschen zu langweilig,“ sagte Kei leise.
„... was wäre weniger langweilig?“ flüsterte Colin.
Kei kam dem Kleineren ein Stück näher, sodass er direkt hinter ihm stand. Er legte einen Arm locker um ihn.
„Schneewittchen,“ riet Colin, nachdem er Luft geholt hatte. „Der gestiefelte Kater?“
„Ehm, nein.“ Kei grinste.
Merkwürdigerweise half Keis amüsierte Stimme dabei, den Nervenrausch, den seine Nähe auslöste, etwas zu beruhigen. Colins Schultern senkten sich und er lehnte sich etwas zurück. „Dann musst du mir weiterhelfen.“
„Okay. Ich will ja nicht so sein.“ Kei küsste den Kleineren. Ein bisschen überrascht zog Colin erst den Kopf ein bisschen zurück, dann erwiderte er den Kuss aber, sanft und langsam.
„Das war wirklich interessanter,“ flüsterte er danach.
„Ich weiß,“ flüsterte der Vampir. Ohne seinen Arm abzustreifen, drehte Colin sich in Keis Umarmung um und erwiderte sie. Kei drückte ihn ein bisschen fester und küsste ihn wieder.
Das ist nicht das Cello... murmelte Colin in Gedanken, während er den Kuss innig erwiderte. Kei intensivierte den Kuss ein wenig und Colin zog den Kopf zurück. Kei schaute ihn fragend an. Beinahe lieb. Colin war ein bisschen rot geworden und musste nun schlucken.
„... Willst du... Pool spielen? Oder so?“ sagte er leise und sah dabei zwischen dem Billardtisch, dem Fernseher und Keis Kettenanhängern hin und her.
„Ja. Wollen wir um was spielen?“
„Was denn? Wir haben doch nichts,“ sagte Colin schulterzuckend.
„Ne Kleinigkeit. Whisky oder so was.“
Colin schien kurz nachzudenken, dann schmunzelte er und nickte. „Krieg ich eh immer wieder. Alles klar.“ Schon hatte er sich Kei entwunden und die drei Schritte zum Tisch gemacht, als er sich wieder zu ihm umdrehte, mit einem mysteriösen Blick. „Obwohl..."
„Ja?“
„Es ist doch kein richtiger Einsatz, wenn mans sowieso immer haben kann. Ich schlage etwas anderes vor.“ Er nahm die weiße Kugel, die als einzige schon auf dem blau bespannten Tisch lag, und rollte sie zwischen den Händen. „Der Einsatz ist... die Auszahlung findet im Bett des Siegers statt. Wenn ich gewinne, machen wirs wie ich will. Wenn du gewinnst...“ Er hatte wieder Mühe, Kei direkt ins Gesicht zu sehen.
„Einverstanden.“ Kei grinste. Mit leisem Schmunzeln drehte Colin sich um und legte die Kugel vorsichtig auf den weißen Punkt. Nun hoffte er, dass Kei noch nie Poolbilliard gespielt hatte.
Da hoffte er allerdings falsch. Kei war viel in Tokyos Nachtleben unterwegs gewesen. Wirklich gut war er nicht, aber eine Katastrophe auch nicht.
„Wir machens simpel: Die erste versenkte Kugel bestimmt, welche du loswerden musst. Reihenfolge egal. Die schwarze ist tabu. Mit der letzten eigenen versenkten ist das Spiel vorbei.“ Colin hob die Kiste mit den Kugeln aus ihrem Fach, setzte die Kugeln in die Schablone und rückte sie auf dem Tisch zurecht.
„Gut. Die richtigen Regeln kann ich eh nicht,“ sagte Kei grinsend.
Colin lachte. „Ich auch nicht. Das hier ist die Kinderversion. Die Geometrie ist aber die gleiche. Und in Mathe habe ich dir was voraus.“ Er zwinkerte.
„Das kann ich auch ohne Geometrie,“ versicherte Kei ihm. Sein Augenmaß war vorzüglich. Das musste reichen.
„Oho, große Töne.“ Colin stellte die Kugelkiste und die Schablone zurück unter den Tisch.
„Der erste Stoß is deiner.“ Kei war sich sicher, dass er gewinnen würde.
„Suit yourself.“ Oh bitte bitte bitte sei schlecht! Colin nahm sich einen Queue und kreidete ihn ein bisschen ein, um Eindruck und Zeit zu schinden, ehe er sich über die Tischkante beugen musste. Sein Anstoß war jedoch nicht das jämmerlich peinliche Kugelkuscheln das er von sich gewohnt war. Offenbar war er seit seinem letzten Billiardversuch mit Hiroki in Tokyo stärker geworden. Natürlich. Seine Arbeit in Bolivien war sehr sportlich gewesen. Und die Zeit in den Gruben... erst recht.
Mit dem ersten Stoß landete gleich die grün-weiße Vierzehn in einem Loch und er erhob sich lächelnd. „Die Halben sind meine.“
„Gut.“ Kei hatte ihn lächelnd beobachtet und nahm sich nun den anderen Queue. Colins nächster Stoß war weniger erfolgreich. Seine Kugeln waren alle irgendwie blockiert. Er schaffte es nur, eine von Keis Kugeln zur Seite zu schubsen. Keis erster Stoß war von größerem Erfolg gekrönt. Er lochte eine Kugel ein, die grüne Sechs, und versaute gleichzeitig Colin die Tour. Er lochte noch eine Kugel ein, diesmal die gelbe. Colin sah ihm ernst zu und verwünschte dabei, wie versiert und lässig Kei spielte, so als ob er das jedes Wochenende täte. Der gelben folgte beinahe die halbe rote Elf von Colin. Keis eigene verfehlte das Loch knapp. „Du bist.“
Grimmig nickte Colin und wanderte um den Tisch, um irgendeinen brauchbaren Winkel zu finden. Mit Keis Blauer konnte er vielleicht seine Rote verschwinden lassen. Er stieß die Zwei an und schaffte es damit, seine Elf einzulochen. Leider rutschte Keis Zwei noch weiter und landete im nächsten Eckloch. Mit geschürzten Lippen richtete Colin sich auf.
„Bitteschön,“ sagte er.
„Wie zuvorkommend,“ entgegnete Kei grinsend. Er wanderte um den Tisch herum. Seine rosa Kugel war die nächste. Gefolgt von der braunen mit verrenkender Einlage. Der nächste Stoß war nur dazu gedacht, Colin das Leben schwer zu machen.
„Das machst du doch mit Absicht,“ sagte Colin mit genervtem Blick, als Keis rote Kugel eine von seinen von einem Loch wegschubste, um selbst davor liegenzubleiben.
„Niemals.“ Kei klang wie die Unschuld vom Lande, wenn man ihn nicht ansah. Tat man das, sah man ein äußerst amüsiertes Gesicht. ... Das Colin unpassenderweise ziemlich anmachte. Mit genervtem Grunzen wandte er sich ab und dem Tisch zu. Seine Kugeln lagen nun etwas freier als vorhin, aber da das nur an ihrer vergleichsweise hohen Anzahl lag, freute Colin das nur mäßig. Er stieß seine Dreizehn an, die dann glorreich neben einem Eckloch abprallte und in die Tischmitte zurückrollte. Er seufzte.
„Danke.“ Kei nutzte Colins Dreizehn, um seine Fünf in Lochnähe zu bringen.
„I'd do anything for you, dear,“ seufzte Colin und schaffte es diesmal, seine Dreizehn loszuwerden. Sein nächster Versuch zielte auf die rosa Zwölf ab, streifte sie aber nur und traf dafür Keis Fünf, die sich daraufhin elegant in ihr Loch setzte. Colin hatte ein merkwürdiges, irres Lächeln drauf, als er zu Kei aufsah. „Das war natürlich volle Absicht.“
„Du hast fast verloren.“ Er brachte Colins Kugeln durcheinander. Mit seiner hatte er ja noch Zeit. Versenken tat er keine.
„Pah!“ verkündete Colin, indem er wie eine Primadonna den Kopf zurückwarf und sich mit wabbeligem Handgelenk zur Musikanlage umdrehte. „Fast! Aber noch lange nicht!“ Er schaltete an der Maschine herum, bis die CD aus war und dafür irgendwas von einem USB-Stick anging, der an der Seite steckte.
„Dann sorg dafür, dass das so bleibt,“ sagte der grinsende Kei, am Tisch lehnend.
Colin schaltete weiter herum, bis er ein Lied fand, das in seinen Ohren nicht grausig klang, bevor er zum Spiel zurückkehrte. Dabei kam er unnötigerweise sehr dicht an Kei vorbei. Nach zwei weiteren Schritten kam er rückwärts zurück und lehnte sich beinahe an ihn. Er legte den Kopf etwas zurück, um Kei direkt anzusehen. „Du willst doch nur, dass der Tisch möglichst leer ist, wenn du gewinnst,“ sagte er leise, mit dunklem Blick.
Kei schmunzelte böse. „Das hast du gesagt.“ Er hätte die Kugeln auch wegschieben können, aber so ging das natürlich auch.
„Deine dreckige Fantasie hat auf mich abgefärbt.“ Colin strich mit einem Finger über Keis Kinn und blickte süffisant zur Seite, ehe er sich einen guten Platz am Tisch suchte. Nach einigem Schätzen und Justieren versenkte er ernsthaft konzentriert, und mithilfe anderer Kugeln, Braun und Rosa, und hatte nun noch Blau und Gelb draußen liegen. Die Spielkugel streifte die Gelbe zu schwach, um sie nennenswert zu bewegen, und damit musste er sich zufriedengeben.
„Damit kann ich leben.“ Kei suchte sich einen Platz um seine letzte Kugel zu versenken. Klappte nicht, aber Colin konnte auch nichts versenken, wenn kein Wunder passierte. Zufrieden trat Kei zurück und beobachtete den Kleineren. Der stirnrunzelte ganz konzentriert auf dem Tisch herum, während er ihn wie Raubtier umkreiste, das nach einer Schwachstelle in der Verteidigung seiner Beute suchte. Als er sich zum vierten Mal hinunterbeugte und anlegte, machte er endlich einen Versuch und brachte seine blaue Kugel vor ein Loch. Als er sich aufrichtete und Kei ansah, war er wieder entspannt. Er knickste und trat für Kei vom Tisch zurück. Kei grinste noch immer.
Er wollte auf einen Gleichstand warten, was aber auch in die Hose gehen konnte. Mit merkwürdigen Winkeln brachte er seine Kugel in die Nähe eines Loches, das Colin ihm schwer wieder verbauen konnte. Colins misstrauischer Blick wanderte von der Kugel zu Keis Gesicht und zurück, bevor er sich an seinen Zug machte. Er versuchte, seine blaue Kugel verschwinden zu lassen und schaffte es sogar, aber nicht ganz mit Absicht. Die Spielkugel sollte sie direkt ins Loch stoßen, doch lag so weit von ihr entfernt, dass er sich verschätzte und die Blaue verfehlte. Allerdings prallte die weiße Kugel von der Bande ab und streifte sie auf dem Rückweg, sodass sie doch noch versenkt wurde. Mit beeindruckt hochgezogener Augenbraue schmunzelte Colin und sah Kei an.
„Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet,“ sagte dieser und wanderte um den Tisch herum. Die schwarze lag im Weg. Er sah sich alles in Ruhe an. Mit der weißen spielte er die schwarze über die Bande so an, dass sie die rote traf und gerade so versenkte. Ein siegessicheres Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit. Colin starrte dabei so hart auf die schwarze Kugel, als könne er sie damit dazu bewegen, hinterherzurutschen. Tat sie aber nicht. Sie blieb ganz knapp vor der Kante zum Loch liegen. Kei spielte die schwarze noch einmal an und wollte sie der roten hinterherschicken, scheiterte aber an der Ecke.
„Was machst du da?“
„Ich versuche zu gewinnen und scheitere. Dein letzter Versuch.“
„Aber du hast doch schon gewonnen.“ Ups.
„Muss ich die schwarze nicht auch noch versenken?“
„Keine Ahnung, aber ich sagte gerade sie sei tabu und wenn deine Kugeln weg sind, hast du gew- ... ja.“
„Oh - Ich dachte sie sei nur so lange tabu, bis die anderen weg sind.“ Das Grinsen in Keis Gesicht wurde nicht kleiner.
Ohne zu wollen, musste Colin mitgrinsen. „Das stimmt auch. Du hast erst gewonnen, wenn du die schwarze Kugel weggeschoben hast,“ sagte er eilig und laut mit einem großen Nicken.
„Dann hast du noch einen Versuch.“
„Mm-hmm!“ sagte Colin laut und beherzt und begutachtete die Situation seiner gelben Kugel. Wenn er die Bande anspielte, konnte er sie vielleicht irgendwo an den Rand schubsen. Er nahm also Maß und Winkel und ließ die weiße Kugel knapp an der schwarzen vorbeischießen, an die Bande, und sie streifte tatsächlich die gelbe. Und zwar so schnell, dass sie zur Seite rutschte und die schwarze Kugel ins Loch schubste. Colin hielt still und kniff die Augen zusammen. Aber er schmunzelte trotzdem. Kei schlenderte grinsend um den Tisch herum.
„Das war die falsche.“
„Ach!“ Colin konnte sehr viel Sarkasmus in einen sehr kurzen Laut packen. Er schickte noch ein genervtes Stöhnen hinterher, bevor er sich aufrichtete. Er seufzte zwar augenrollend, aber schien nicht allzu getroffen, dass er verloren hatte. „Ich verlange eine Revanche.“
Kei hätte das auch gewundert, wäre Colin wirklich betroffen gewesen. Sonst hätte er den Wetteinsatz nicht vorgeschlagen, sondern versucht, Kei diese Idee auszureden. Dennoch stand er voller Trotz da und forderte ein Rematch. „Aber in etwas, in dem nicht nur einer von uns talentiert ist.“ Colin war sehr bewusst, oder er vermutete zumindest stark, dass Kei seinen Sieg mit Absicht hinausgezögert hatte.
„Du sollst es kriegen, dein Rematch.“ sagte Kei. Die Gala fing gerade erst an und sie hatten noch sehr viel Zeit für alles mögliche. „Was schwebt dir vor?“
Colin blickte um sich.
„Karaoke,“ sagte er schließlich. Vielleicht war das ein kleines bisschen unfair, weil er im Singen viel erfahrener war als Kei, aber der hatte schließlich wirklich Talent und irgendwie musste die Billiardblamage ja ausgeglichen werden.
„Na gut, aber mit guter Musik.“ Kei wollte keine komischen Charts aus Amerika, da das in einer Blamage seinerseits enden würde. Karaoke selbst fand er spaßig.
„Das hängt von der Maschine ab,“ sagte Colin. Er stellte seinen Queue in die Halterung zurück und ging zur Musikanlage, um den Neunziger-Hip Hop, der von dort gerade aus den Lautsprechern waberte, auszuschalten. „Was sind die Regeln?“
„Der Text muss wirklich gesungen werden. Summen zählt nicht,“ entschied Kei. Ansonsten war ihm das egal. Colin rollte mit den Augen und lachte fast.
„Das sollte klar sein. Ich meine, wann hat man gewonnen?“
„Ach so. Gewonnen hat, wer in zwei von drei Liedern mehr Punkte kriegt.“
„Eh?“
„Wie willst du das sonst entscheiden? Wenn es keine Punkte gibt, brauchen wir nen Schiedsrichter.“
Colin guckte kurz in die Luft. „Guck nach, ob es eine automatische Bewertung gibt.“
Das tat Kei dann auch, nachdem herausgefunden hatte, wie die Maschine funktionierte. „Wir müssen keinen Schiedsrichter suchen.“
„Schade. Dennis hätte meine Madonna unwiderstehlich gefunden.“
„Wir können ihn trotzdem fragen,“ kommentierte Kei das belustigt.
„Ich will ihn nicht allzu verlegen machen. Und dich nicht zu eifersüchtig,“ sagte Colin schulterzuckend und hockte sich zu Kei, um sich die Liederliste anzuschauen.
„Ihn in Verlegenheit zu bringen dürfte schwer werden.“
Colin schmunzelte dreckig. „Ich nehme Shakira.“
Kei suchte noch. Vor allem nach Liedern, die er kannte. Die Auswahl war zwar sehr groß, aber das meiste war Kei nicht so ganz geläufig. Eine Auswahl an Japanischem war praktisch nicht vorhanden und auch Genres der härteren Gangart, die Kei etwas näherlagen als alles andere, waren dünn gesäht. Colin allerdings fand für sich noch mehr Stücke, die er singen wollte. „Jeder drei Stück, ja?“ fragte er.
„Okay. Aber ich muss erstmal welche finden...“ Kei entschied sich wahllos dafür, den Zufall entscheiden zu lassen, weil eine Wahl nichts verändert hätte, da er eh nichts davon wirklich kannte.
„Was ist mit den Beatles? AC/DC oder die Stones oder so?“ schlug Colin vor. Kei durchwühlte die Liste noch einmal. Diesmal blieb er an Thunderstruck von AC/DC hängen, fehlten nur noch zwei. Er entschied sich für Aerosmith und Green Day, die er beim ersten Durchsehen übersehen hatte.
„Cool, cool.“ Colin rieb sich die Hände. Er hatte mindestens zehn Stücke gefunden, die er gut kannte und alle singen wollte. „Wer fängt an?“
„Du.“
„Sicher?“ Colin wackelte mit den Augenbrauen.
„Wenn ich keine Bonuspunkte für's Anfangen bekomme, ja.“ Kei lachte ein bisschen. Colin war sowas von im Vorteil, aber das war ihm egal.
„Alles klar.“ Colin schaltete durch die Lieder und markierte Head over feet von Alanis Morissette. Ehe er es losspielen ließ, fummelte er am Mikrofon herum und stellte die Lautstärke herunter.
Beim Singen blieb er vor dem Bildschirm knien, weil er die Texthinweise brauchte, nach und nach drehte er sich aber mehr zu Kei um. Kei hörte ihm zu und sah ab und zu auf den Bildschirm.
Colin machte sich einen Spaß daraus, Kei beim Singen anzuschmachten. Er hatte keine Schwierigkeiten, jeden Ton zu treffen und seine eigene Lautstärke mit seiner Entfernung zum Mikrofon zu variieren, ohne auf mehr als den richtigen Text zu achten. Kei nahm sich amüsiert heraus, Colins Anschmachtungen mit Gesten zu beantworten. Es war allerdings schwierig, dabei nicht zu lachen.
„Your love is thick, and it swallowed me whole...“ Colin hatte das gleiche Problem, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Auf seine Stimme hatte es allerdings keinen negativen Effekt, dass er sich zwingen musste, nicht laut zu lachen. Als das Lied mit immerer leiserem „Lalala“ rausfadete, nahm Colin langsam das Mikro herunter und wartete auf seine Bewertung.
Kei tat das gleiche. Sein erster Song war Cryin‘ von Aerosmith. Das würde sehr amüsant werden.
Colin nickte und schwankte mit. Er musste sich zurückhalten, nicht mitzusingen, ließ es sich aber nicht nehmen, stumm die Lippen mitzubewegen. Und mit Hand auf der Brust verzweifelt in die Luft zu greifen. Seine Herumalberei hörte allerdings auf, als Kei „Yeah you cry when we're makin' love“ perfekt herausschrie. Nun sah er ihm nur noch begeistert zu.
Bis zum Gitarrensolo. Das verlangte nach einem Luftgitarreneinsatz. Kei ließ das mit der Luftgitarre, weil er ein Mikro in der Hand hatte, hatte aber auch so sichtlich Spaß. Man verstand ihn erstaunlich gut. Colin schüttelte ein bisschen seine viel zu kurzen Haare dazu und fistete die Luft, als das Lied beendet war. Keis Punktzahl war nicht zu verachten.
Kei schaute erstaunt auf seine Bewertung. Er hätte damit nicht gerechnet.
„Du bist ein würdiger Gegner. Aber jetzt werde ich dich vernichten,“ kündigte Colin großkotzig an und machte sich Material Girl an.
„Das werden wir ja sehen. Hochmut kommt vor dem Fall, mein Freund.“
Das beantwortete Colin nur mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Hierfür musste er sich hinstellen.
Diesmal legte er auch eine etwas ernsthaftere Show hin, sofern das bei diesem Lied möglich war. Er kletterte dabei auf den Billiardtisch und legte sich hin, um sich dort beinwackelnd und armschlängelnd ein bisschen herumzuräkeln. Madonna war stimmlich weit weniger anspruchsvoll als Aerosmith und der Text war auch das Einfachste vom Einfachsten, also achtete er nicht im Geringsten auf den Bildschirm.
Kei betrachtete Colins Show stumm lachend. Das war genial!
Und gut war es auch noch.
Colin hatte sichtlich Spaß. Als das Lied zuende war, kniete er sich auf den Tisch und hielt das Mikro mit divenhafter Geste - aber schmunzelnd - in Keis Richtung. Das gab Kei den Rest. Lachend nahm er es entgegen und brauchte eine Weile, bis er wieder damit aufhören konnte. Er gab Thunderstruck zum Besten und benutzte dabei auch den Billiardtisch als Bühne. Er zog dafür allerdings die Schuhe aus. Er wollte keinen Anschiss dafür kriegen, den Tisch zu versauen.
Colin spielte währenddessen Publikum und Luftgitarre. Kei sprang beim Singen bald wieder vom Tisch herunter. Er lieferte etwas gutes ab, vor allem, weil er den Text schon gut genug kannte. Colin hüpfte begeistert mit wedelnden Armen im Kreis, aber seine Alberigkeit wandelte sich bald in echte Bewunderung. Der gehört berühmt, schoss ihm dabei mehrmals durch den Kopf. Und wieder sagte Keis Punktzahl aus, dass der Junge sein ausgesuchtes Metier beherrschte. Colin schaute diesmal aber nur aus Interesse an Keis Darstellung hin, und nicht, weil er um seine eigene Siegerschaft besorgt war. Das war ihm nun ziemlich egal.
Kei war es auch egal, weil Colin nun höchstens noch ausgleichen konnte. Er hatte gerade einfach Spaß. Grinsend nahm er sich etwas zu trinken aus der gefundenen Minibar. Diese Zeit nutzte Colin, um sein letztes Stück weise auszuwählen. Als er es hatte, zeigte und nickte er auf das Sofa vor dem Fernseher, um Kei zu bedeuten, sich vor ihn zu setzen. Kei, mit Grinsen, das nicht mehr gehen wollte, tat wie ihm geheißen und setzte sich.
Das Intro verhieß nichts Gutes. Nichts Spaßiges, immerhin. Es klang verdächtig nach Country.
Colin stand ganz ernst da, obwohl er noch lächelte, und kniete sich plötzlich vor Kei hin, bevor er zu singen begann. Erst sah er ihn nicht an, erst beim Refrain.
„I said, cowboy, take me away, fly this boy as high as you can into the wild blue, set me free, ooh, I pray, closer to heaven above and closer to you. Closer to you...“ Seine Entscheidung, ‚boy‘ anstatt ‚girl‘ zu singen, wurde auch gleich mit ernstem Punktabzug bestraft. War ihm offenbar egal. In jedem Refrain – und er alberte kein bisschen herum wie zuvor – bestand er darauf, ‚boy‘ zu singen. Und er schien irgendwie alles ernst zu meinen.
Kei hörte zu. Der Song brachte ihn wieder etwas runter, wenn auch nicht für sehr lang. Er sah ein bisschen hypnotisiert aus, während er dasaß und zuhörte und Colin beobachtete. In diesen knapp fünf Minuten rutschte Colin näher, bis er zwischen Keis Knien saß. Und dann gab es nochmal drastischen Punktabzug dafür, dass er die Hälfte des letzten Refrains gar nicht mehr sang, weil er damit beschäftigt war, sich auf Keis Beinen hochzuziehen und ihn zu küssen. Kei erwiderte den Kuss lächelnd und hielt Colin fest, damit er nicht wieder herunterrutschte.
„Ich weiß, was wir morgen machen,“ sagte er dabei. Colin setzte sich auf ihn.
„Was?“ fragte er leise, während seine grauenhafte Punktzahl hinter ihm auf dem Bildschirm erschien.
„Wir gehen in die Stadt und nehmen Livemusik mit.“
„Wir dürfen nicht mehr raus. Also ich nicht. Seit gestern.“
„Warum?“
„Weil die Instanz alles über mich weiß und es die Gruppe in Gefahr bringt, wenn ich hier draußen herumlaufe. Ganz zu schweigen von mir selbst.“ Colin sprach ganz leise.
„Ach Mist. Naja, wir können auch im Garten ein Konzert spielen... Irgendwann haben wir Publikum.“ Kei hatte wieder ein Lächeln im Gesicht. Colin erwiderte das Lächeln und betrachtete das Mikrofon in seinen Händen.
„Rupert hat gesagt, dass er eine Überraschung für mich vorbereitet. Hat was Musikmachen zu tun. Vielleicht wird das ein kleines Hauskonzert?“
„Das wäre cool!“ Kei nahm ihm das Mikro ab. „Ich bin dran,“ verkündete er überflüssigerweise. Colin stand auf, damit Kei an der Maschine herummachen konnte, und setzte sich dafür auf das Sofa. Kei machte sein Lied an und gab einen spaßmachenden Green Day-Song zum Besten. Colin zog die Beine hoch und sah und hörte kopfnickend zu. Sein Schneidersitz half dabei, die drückende Wölbung in seinem Schritt etwas zu kaschieren, doch sein Gesicht sagte eigentlich genug. Kei sprang beim Singen etwas herum und Colin konnte nicht umhin, sich dazu die passende Bühne in einem ranzigen Clubkeller vorzustellen. Er wollte in Keis Stimme baden.
Das Lied war nicht allzu lang und deshalb war es leider schnell wieder vorbei. Während es ausklang, legte Kei das Mikro weg. Nebenbei verkündete der Punktestand, dass er seine Sache ziemlich gut gemacht hatte. Derweil lehnte Colin mit einem Ellenbogen auf einem Knie und lächelte ihn warm an.
„Du hast wieder gewonnen.“
Kei nickte. „Ich dachte wirklich, dass du das gewinnen würdest.“ Er lächelte und ließ sich schwungvoll auf den Boden fallen, sodass er genau vor Colin saß.
„Ich habe dich gewinnen lassen,“ sagte Colin unernst. Er sah irgendwie erwartungsvoll aus. Deine Stimme ist eben purer Sex. Die Maschine konnte das hören.
„Danke.“ Kei grinste. Dass er nicht wusste, ob Colin den zweiten Satz gerade wirklich gesagt hatte oder das sein Wunschdenken war, verwirrte ihn ein bisschen.
„Du redest nicht genug. Ich mag deine Stimme,“ sagte Colin leise. Ich bin süchtig nach deiner Stimme.
„Man sollte Drogen nicht ständig konsumieren, das ist ungesund,“ entgegnete Kei, sich noch immer wundernd, was Colins Stimme in seinem Kopf machte. Drehe ich jetzt durch?...
„Ich weiß. Es gibt nichts ungesünderes als dich. Ist mir so egal.“ Colin lächelte warm. Wann holst du dir deinen Gewinn ab?
„Gut, dass dir das egal ist,“ grinste Kei. Anstatt aufzustehen und Colin aufs Sofa zu drücken, zog er ihn zu sich nach unten, sodass Colin mehr oder weniger auf ihm saß, und küsste ihn.
Sich auf Keis Schultern stützend, sortierte Colin sich auf ihm, während er den Kuss möglichst langsam und sanft erwiderte. So konnte er weiter benebelt lächeln und Kei zwischendurch ansehen. Sein Fuß war leider noch im Weg, sonst hätte er sich gleich ganz an Kei gedrückt, aber vielleicht war das auch ganz gut so. Er wollte Kei schließlich nicht zur Eile ermutigen.
Kei vermisste Colins Haare in denen man die Finger so gut vergraben konnte. Er hielt ihn am Nacken fest und grinste ein wenig. Seine freie Hand schob Colins Oberteil ein bisschen nach oben. Die Berührung ließ Colin etwas schaudern. Er ließ Kei los um seine Arme zu heben. Kei befreite ihn von dem unnötigem Stoff und küsste ihn wieder. Und seine Arme legten sich wie von selbst um Keis Nacken. Seinen störenden Fuß zog er zur Seite, über Keis Bein, um noch etwas näher rücken zu können.
Es klopfte an der Tür.
Kei war so frei das Klopfgeräusch absichtlich zu überhören und widmete sich weiter Colin.
Diesmal benutzte Dennis die Faust, um gegen die Tür zu schlagen, und Colin zog den Kopf zurück.
„Was willst du?“ rief Kei genervt. Man konnte seinem Gesicht ansehen, was er gerade dachte.
„Nichts, ich soll euch nur etwas geben. Seid ihr angezogen?“ Dennis konnte man anhören, dass er auf diese Unterhaltung genauso wenig Lust hatte wie Kei oder Colin.
„Definiere angezogen.“ Kei war vollständig angezogen. Noch. Warum JETZT??
„...“ Dennis schien nachdenken zu müssen oder zögerte aus purer Genervtheit, ehe er die Tür einfach doch öffnete und eintrat. Er sah sie beide nur aus dem Augenwinkel und mit Absicht nicht direkt an, als er zwei große Papiertüten hinter Colin auf das Sofa warf. „Es ist unserem Gastgeber ein besonderes Anliegen, euch beide unten zu sehen,“ sagte er steif. Offenbar hielt er von der Idee nichts. „Sucht euch selber aus, was ihr für klüger haltet.“ Mit den Worten drehte er sich wieder um und ging hinaus.
Kei seufzte genervt. „Muss das jetzt sein?“
Colin hatte Dennis nur stumm angeguckt. Nun ließ er Kei los und drehte sich um, um neugierig die beiden Taschen zu durchwühlen. Kei fand Colin eigentlich interessanter, stand aber trotzdem auf um zu sehen, was in den Tüten war. Colin lief immerhin nicht weg.
Es waren Schachteln mit Utensilien, die zusammen einen vollständigen Abendanzug ergaben. Einen schicken sogar, wenn auch nicht direkt maßgeschneidert. Aber es waren eine Weste, Schleife und ein richtiger Frack dabei. Colin pfiff beeindruckt und machte sich dann an die zweite Tüte. Daraus fiel ihm zuerst eine rotblondgelockte Echthaarperücke in die Hände, und er suchte verwirrt weiter.
„Ich finde das nicht witzig,“ sagte er schließlich trocken, als er ein paar lange Spitzenhandschuhe und zierliche, viktorianisch anmutende Knöpfstiefel mit Absätzen ausgepackt hatte und nun den Ärmel eines grünen Kleides zwischen zwei Fingern hochhielt.


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