Die Tür öffnete sich nur einen Spalt breit.
„Seid ihr nackt?“ fragte Dennis von draußen.
„Nein. Hätte ich sonst gesagt, dass Hereinkommen ungefährlich
ist?“
„Du hast nur gesagt, dass die Tür offen ist,“ meldete Colin, der
seine Beine in einen gemütlichen Schneidersitz sortiert hatte.
Dennis kam herein und schloss die Tür hinter sich.
„Das ist ungefähr gleichbedeutend,“ erklärte Kei. „Was gibt's
denn?“
„Ich hoffe, ich störe nichts wichtiges. Es geht um die Gala da
unten. Solange die Fremden da sind, besonders die Gäste, müssen wir
das Erdgeschoss und den Park meiden und hier oben bleiben. Es darf
uns niemand sehen. Das gilt für uns alle. Unsere Wachen draußen
halten sich auch versteckt.“
„Ich hatte nicht vor, runterzugehen,“ sagte Kei. Dass er
unsichtbar bleiben sollte, wusste er schon. Dennis nickte.
„Die Geschichte läuft fast die ganze Nacht durch. Und abgebaut
wird morgen früh. Ab zwölf können wir uns wieder frei auf dem
Grundstück bewegen.“
„Uns wird schon nicht langweilig.“
Dennis' sanftes Lächeln wanderte von Kei zu Colin und wieder zurück.
Dann blinzelte er langsam und nickte. Kei verabschiedete sich
nonverbal von Dennis. Mit einem angedeuteten Winken. Seine Position
erlaubte es gerade nicht, den Kopf zur Tür hin zu drehen.
„Kei untertreibt. Er ist gelangweilt,“ sagte Colin trocken.
„Ah,“ sagte Dennis, bevor er sich zur Tür wandte und sie
öffnete, wobei er innehielt. „Kommt mal mit.“
Kei stand auf und ging ohne Eile zur Tür. Colin ging ebenfalls
kommentarlos mit.
Sie folgten Dennis zum Ende des Korridors, wo er durch das
Dienertreppenhaus in den Flur auf der anderen Seite der Galerie
wechselte. Da man sie von der Eingangshalle aus auf der Galerie hätte
sehen können, war es wohl klug, diesen kleinen Umweg zu machen.
Schräg gegenüber der Tür zum Arbeitszimmer, in dem all die
furchtbar wichtigen Besprechungen stattfanden, lag das Spielzimmer,
das Kei auf seinen Streifzügen schon untergekommen war. Colin kannte
es noch nicht. Als Dennis ihnen die Tür öffnete und Colin eintrat,
betrachtete er die Einrichtung mit wachsendem Lächeln. Den
Billardtisch, die Dartscheibe, die Tafel mit der Strichliste, das
Sofa vor dem riesigen Fernsehschirm mit den verschiedenen
Spielkonsolen...
„Anders als die Schlafzimmer ist dieser Raum hier gedämmt. Ihr
könnt also machen, was ihr wollt,“ sagte Dennis trocken.
„Auf diese Idee hätte ich früher kommen sollen...“ kommentierte
Kei lächelnd. Colin wurde rot, als ihm dämmerte, worauf Dennis
anspielte, und tat so, als wäre er nicht da. Kei hatte die
Anspielung in das Wörtchen Idee mit einfließen lassen. Das
beinhaltete alles, was man in diesem Raum so anstellen konnte.
Dennis' freundlicher Gesichtsausdruck änderte sich kein bisschen,
als er kopfnickend eine Verbeugung andeutete und sich verabschiedete.
„Ich kann leider nicht mitspielen - was auch immer ihr hier machen
wollt - sondern muss die Nacht mit Arbeit verbringen. Ich bin im
Büro, falls ihr mich braucht.“
Für die meisten Dinge, die Kei sofort einfielen, war ein dritter
Mitspieler nicht nötig. „Okay,“ sagte er und sah sich ein
bisschen im Raum um. Er hatte ihn zwar schon gesehen, war aber nie
lang hier drin gewesen. Colin nickte Dennis auch noch zu, der darauf
zu bestehen schien, seine Anwesenheit wahrzunehmen, und war froh, als
er die Tür endlich von außen geschlossen hatte. Kei machte es sich
auf dem Billardtisch bequem. „Was probieren wir als erstes aus?“
Colin zeigte auf die große Musikanlage. Der Ausdruck ‚stereo‘
schien darauf nicht mehr anwendbar, denn sie hatte so viele
Lautsprecher, die überall im Zimmer verteilt waren, dass man sie gar
nicht alle auf Anhieb wahrnahm. Er ging auf den Schrank zu und suchte
nach einem Knopf oder einer brauchbaren Fernbedienung. Dabei öffnete
er einige der Schubladen und Türen, und starrte plötzlich
fassungslos auf die Innenseite einer Schranktür. Soweit Kei sehen
konnte, standen dahinter an die hundert CDs, aber nichts
außergewöhnliches.
„Warum versteinerst du?“ wollte Kei wissen, der Colin beobachtet
hatte und nur eine Reihe CD-Hüllen zu sehen bekam. Wortlos öffnete
Colin die Schranktür weiter und trat etwas zur Seite, um den Blick
auf sie freizugeben. Von innen war die Tür mit Postern und
Bildkarten von Angel beklebt.
„Da hat jemand fleißig gesammelt... scheint so, als hättest du
ordentlich für Aufmerksamkeit gesorgt.“ Für Kei war das kein
Grund zum Erstarren. Er wusste zwar nicht, woher Rupert von Colin
wusste, oder dass er das überhaupt vor seiner Ankunft hier getan
hatte, aber Menschen kannten sich über viele Ecken.
Mit einem leichten Hauch von Besorgnis im Gesicht wandte sich Colin
den CDs zu, auf denen ein paar Fernbedienungen für die Anlage lagen.
Er hielt sie Kei hin. Kei schaltete die Anlage ein und ließ Colin
Musik aussuchen. Nach einiger Zeit des stummen Durchsuchens gab er
Kei ein paar CDs mit unterschiedlicher Filmmusik.
„Er hat alles von mir. Nicht nur die beiden Alben aus Bolivien.“
Kei fand das irgendwie gut. Er wählte aus den CDs eine aus und legte
die anderen beiseite. „Warst du damals irgendwie medial präsent
bevor wir unterwegs waren?“
„Klar. Warst du nicht mal heimlich bei einem Konzert?“ Colin
schmunzelte etwas. „Du hast mich mit Geld beworfen. Ich muss also
gut gewesen sein.“
„Ich hatte vom Dach aus keine Kameras gesehen.“ Kei war kein
Medienkonsument. Dass Colin medial sichtbar gewesen war, war ihm nie
wirklich aufgefallen.
„Das Konzert wurde auch nicht aufgezeichnet. Aber wir hatten vorher
etwas im Studio gemacht. Und ich hatte davor schon zwei Geigenalben.“
Colin schlenderte zum Sofa und setzte sich von hinten auf die
Rückenlehne.
„Manchen Leuten gibt man Geld, damit sie aufhören.“ Kei
schmunzelte. Er wusste, dass Colin wusste, dass er seine Musik mochte
und ihn nur aufzog. Colin grinste und verschränkte die Arme.
„Das waren nur hundert Yen. So viel kann dir deine Ruhe dann doch
nicht wert gewesen sein. Und die wolltest du dann auch noch
wiederhaben.“
„Hätte ich Ruhe haben wollen, wäre ich nicht da gewesen.“ Kei
winkte ab, lächelnd.
„Ich wollte Ruhe haben, an dem Abend. Geige spielen hilft.“ Colin
stieß sich von der Sofalehne ab, um zu einem der Fenster zu gehen,
deren Vorhänge nur jeweils einen schmalen Spalt in der Mitte
freiließen. Vorsichtig linste er schräg nach draußen. Von hier aus
konnte man einen Teil des Parkplatzes für die Gäste und die
Laternenbeleuchtung sehen.
„Siehst du was Interessantes?“ erkundigte sich Kei und folgte
Colin mit den Augen.
„Einen alten Mann an einem neuen Aston Martin. Er hat einen Frack
an, glaube ich.“ Colin drehte sich wieder zurück. „Wir sind wie
Aschenputtel. Versteckt in der Dachkammer, und dürfen nicht zur
Party mit dem Prinzen.“
Kei stand auf und ging zum Fenster, um den Wagen zu begutachten.
„Kannst dich ja verkleiden, wenn du dahin willst.“
Colin lachte leise. „Rupert und Dennis würden beide einen
Herzinfarkt bekommen.“
„Dennis doch nicht. Oh - es sei denn, du siehst umwerfend aus und
keiner erkennt dich.“
Colins belustigtes Schmunzeln blieb. „Umwerfend aussehen ist kein
Problem. Das mit der Anonymität wird aber schwierig. Ich bin
unverwechselbar.“
„Dann darfst du dir nicht ähnlich sehen.“ Kei schmunzelte
ebenfalls. Mit Kopfkino. Colin musterte ihn mit amüsierter Skepsis.
„Was...?“
„Wenn du nicht wie du aussiehst, dann kannst du unerkannt umwerfend
aussehen.“ Keis Kopfkino hatte nichts mit einer eventuellen
Verkleidung Colins zu tun, sondern vielmehr damit, was man auch auf
Bällen so alles anstellen konnte. Colin senkte den Kopf etwas, um
Kei schräg von unten anzusehen.
„Ich kann sehen, dass du gerade fantasierst. Die Geschichte muss
ich hören.“
„Wenn du siehst, dass ich fantasiere, dann weißt du auch worüber,“
schmunzelte Kei böse. Mit einem verlegenen Lächeln musste Colin
plötzlich blinzelnd wegschauen. Und sich gleich wegdrehen. Auch
Vorhänge konnten gut angegrinst werden. Kei grinste seinerseits. In
seinem Kopf drückte er Colin, in nicht colintypischer Verkleidung,
die trotzdem balltauglich war, gegen eine Flurwand neben dem
Ballsaal.
In der Realität stand Colin vor dem langen, schweren Vorhang und
schob mit verlegen hochgezogenen Schultern die Hände in die
Hosentaschen. Wenn Herzschlag nicht alltäglich war, waren der Lärm
und das Pochen, das er in manchen Momenten verursachte, manchmal ein
kleines bisschen überwältigend.
Kei hörte Colins Herzschlag grinsend zu und bewegte sich direkt
hinter ihn. Colin kniff kurz die Augen zusammen und kaute auf seiner
Unterlippe. Das liegt nur am Cello... Die Musik ist zu gut...
„Aschenputtel ist mir ein bisschen zu langweilig,“ sagte Kei
leise.
„... was wäre weniger langweilig?“ flüsterte Colin.
Kei kam dem Kleineren ein Stück näher, sodass er direkt hinter ihm
stand. Er legte einen Arm locker um ihn.
„Schneewittchen,“ riet Colin, nachdem er Luft geholt hatte. „Der
gestiefelte Kater?“
„Ehm, nein.“ Kei grinste.
Merkwürdigerweise half Keis amüsierte Stimme dabei, den
Nervenrausch, den seine Nähe auslöste, etwas zu beruhigen. Colins
Schultern senkten sich und er lehnte sich etwas zurück. „Dann
musst du mir weiterhelfen.“
„Okay. Ich will ja nicht so sein.“ Kei küsste den Kleineren. Ein
bisschen überrascht zog Colin erst den Kopf ein bisschen zurück,
dann erwiderte er den Kuss aber, sanft und langsam.
„Das war wirklich interessanter,“ flüsterte er danach.
„Ich weiß,“ flüsterte der Vampir. Ohne seinen Arm abzustreifen,
drehte Colin sich in Keis Umarmung um und erwiderte sie. Kei drückte
ihn ein bisschen fester und küsste ihn wieder.
Das ist nicht das Cello... murmelte Colin in Gedanken, während
er den Kuss innig erwiderte. Kei intensivierte den Kuss ein wenig und
Colin zog den Kopf zurück. Kei schaute ihn fragend an. Beinahe lieb.
Colin war ein bisschen rot geworden und musste nun schlucken.
„... Willst du... Pool spielen? Oder so?“ sagte er leise und sah
dabei zwischen dem Billardtisch, dem Fernseher und Keis
Kettenanhängern hin und her.
„Ja. Wollen wir um was spielen?“
„Was denn? Wir haben doch nichts,“ sagte Colin schulterzuckend.
„Ne Kleinigkeit. Whisky oder so was.“
Colin schien kurz nachzudenken, dann schmunzelte er und nickte.
„Krieg ich eh immer wieder. Alles klar.“ Schon hatte er sich Kei
entwunden und die drei Schritte zum Tisch gemacht, als er sich wieder
zu ihm umdrehte, mit einem mysteriösen Blick. „Obwohl..."
„Ja?“
„Es ist doch kein richtiger Einsatz, wenn mans sowieso immer haben
kann. Ich schlage etwas anderes vor.“ Er nahm die weiße Kugel, die
als einzige schon auf dem blau bespannten Tisch lag, und rollte sie
zwischen den Händen. „Der Einsatz ist... die Auszahlung findet im
Bett des Siegers statt. Wenn ich gewinne, machen wirs wie ich will.
Wenn du gewinnst...“ Er hatte wieder Mühe, Kei direkt ins Gesicht
zu sehen.
„Einverstanden.“ Kei grinste. Mit leisem Schmunzeln drehte Colin
sich um und legte die Kugel vorsichtig auf den weißen Punkt. Nun
hoffte er, dass Kei noch nie Poolbilliard gespielt hatte.
Da hoffte er allerdings falsch. Kei war viel in Tokyos Nachtleben
unterwegs gewesen. Wirklich gut war er nicht, aber eine Katastrophe
auch nicht.
„Wir machens simpel: Die erste versenkte Kugel bestimmt, welche du
loswerden musst. Reihenfolge egal. Die schwarze ist tabu. Mit der
letzten eigenen versenkten ist das Spiel vorbei.“ Colin hob die
Kiste mit den Kugeln aus ihrem Fach, setzte die Kugeln in die
Schablone und rückte sie auf dem Tisch zurecht.
„Gut. Die richtigen Regeln kann ich eh nicht,“ sagte Kei
grinsend.
Colin lachte. „Ich auch nicht. Das hier ist die Kinderversion. Die
Geometrie ist aber die gleiche. Und in Mathe habe ich dir was
voraus.“ Er zwinkerte.
„Das kann ich auch ohne Geometrie,“ versicherte Kei ihm. Sein
Augenmaß war vorzüglich. Das musste reichen.
„Oho, große Töne.“ Colin stellte die Kugelkiste und die
Schablone zurück unter den Tisch.
„Der erste Stoß is deiner.“ Kei war sich sicher, dass er
gewinnen würde.
„Suit yourself.“ Oh bitte bitte bitte sei schlecht! Colin
nahm sich einen Queue und kreidete ihn ein bisschen ein, um Eindruck
und Zeit zu schinden, ehe er sich über die Tischkante beugen musste.
Sein Anstoß war jedoch nicht das jämmerlich peinliche Kugelkuscheln
das er von sich gewohnt war. Offenbar war er seit seinem letzten
Billiardversuch mit Hiroki in Tokyo stärker geworden. Natürlich.
Seine Arbeit in Bolivien war sehr sportlich gewesen. Und die Zeit in
den Gruben... erst recht.
Mit dem ersten Stoß landete gleich die grün-weiße Vierzehn in
einem Loch und er erhob sich lächelnd. „Die Halben sind meine.“
„Gut.“ Kei hatte ihn lächelnd beobachtet und nahm sich nun den
anderen Queue. Colins nächster Stoß war weniger erfolgreich. Seine
Kugeln waren alle irgendwie blockiert. Er schaffte es nur, eine von
Keis Kugeln zur Seite zu schubsen. Keis erster Stoß war von größerem
Erfolg gekrönt. Er lochte eine Kugel ein, die grüne Sechs, und
versaute gleichzeitig Colin die Tour. Er lochte noch eine Kugel ein,
diesmal die gelbe. Colin sah ihm ernst zu und verwünschte dabei, wie
versiert und lässig Kei spielte, so als ob er das jedes Wochenende
täte. Der gelben folgte beinahe die halbe rote Elf von Colin. Keis
eigene verfehlte das Loch knapp. „Du bist.“
Grimmig nickte Colin und wanderte um den Tisch, um irgendeinen
brauchbaren Winkel zu finden. Mit Keis Blauer konnte er vielleicht
seine Rote verschwinden lassen. Er stieß die Zwei an und schaffte es
damit, seine Elf einzulochen. Leider rutschte Keis Zwei noch weiter
und landete im nächsten Eckloch. Mit geschürzten Lippen richtete
Colin sich auf.
„Bitteschön,“ sagte er.
„Wie zuvorkommend,“ entgegnete Kei grinsend. Er wanderte um den
Tisch herum. Seine rosa Kugel war die nächste. Gefolgt von der
braunen mit verrenkender Einlage. Der nächste Stoß war nur dazu
gedacht, Colin das Leben schwer zu machen.
„Das machst du doch mit Absicht,“ sagte Colin mit genervtem
Blick, als Keis rote Kugel eine von seinen von einem Loch
wegschubste, um selbst davor liegenzubleiben.
„Niemals.“ Kei klang wie die Unschuld vom Lande, wenn man ihn
nicht ansah. Tat man das, sah man ein äußerst amüsiertes Gesicht.
... Das Colin unpassenderweise ziemlich anmachte. Mit genervtem
Grunzen wandte er sich ab und dem Tisch zu. Seine Kugeln lagen nun
etwas freier als vorhin, aber da das nur an ihrer vergleichsweise
hohen Anzahl lag, freute Colin das nur mäßig. Er stieß seine
Dreizehn an, die dann glorreich neben einem Eckloch abprallte und in
die Tischmitte zurückrollte. Er seufzte.
„Danke.“ Kei nutzte Colins Dreizehn, um seine Fünf in Lochnähe
zu bringen.
„I'd do anything for you, dear,“ seufzte Colin und schaffte es
diesmal, seine Dreizehn loszuwerden. Sein nächster Versuch zielte
auf die rosa Zwölf ab, streifte sie aber nur und traf dafür Keis
Fünf, die sich daraufhin elegant in ihr Loch setzte. Colin hatte ein
merkwürdiges, irres Lächeln drauf, als er zu Kei aufsah. „Das war
natürlich volle Absicht.“
„Du hast fast verloren.“ Er brachte Colins Kugeln durcheinander.
Mit seiner hatte er ja noch Zeit. Versenken tat er keine.
„Pah!“ verkündete Colin, indem er wie eine Primadonna den Kopf
zurückwarf und sich mit wabbeligem Handgelenk zur Musikanlage
umdrehte. „Fast! Aber noch lange nicht!“ Er schaltete an der
Maschine herum, bis die CD aus war und dafür irgendwas von einem
USB-Stick anging, der an der Seite steckte.
„Dann sorg dafür, dass das so bleibt,“ sagte der grinsende Kei,
am Tisch lehnend.
Colin schaltete weiter herum, bis er ein Lied fand, das in seinen
Ohren nicht grausig klang, bevor er zum Spiel zurückkehrte. Dabei
kam er unnötigerweise sehr dicht an Kei vorbei. Nach zwei weiteren
Schritten kam er rückwärts zurück und lehnte sich beinahe an ihn.
Er legte den Kopf etwas zurück, um Kei direkt anzusehen. „Du
willst doch nur, dass der Tisch möglichst leer ist, wenn du
gewinnst,“ sagte er leise, mit dunklem Blick.
Kei schmunzelte böse. „Das hast du gesagt.“ Er hätte die Kugeln
auch wegschieben können, aber so ging das natürlich auch.
„Deine dreckige Fantasie hat auf mich abgefärbt.“ Colin strich
mit einem Finger über Keis Kinn und blickte süffisant zur Seite,
ehe er sich einen guten Platz am Tisch suchte. Nach einigem Schätzen
und Justieren versenkte er ernsthaft konzentriert, und mithilfe
anderer Kugeln, Braun und Rosa, und hatte nun noch Blau und Gelb
draußen liegen. Die Spielkugel streifte die Gelbe zu schwach, um sie
nennenswert zu bewegen, und damit musste er sich zufriedengeben.
„Damit kann ich leben.“ Kei suchte sich einen Platz um seine
letzte Kugel zu versenken. Klappte nicht, aber Colin konnte auch
nichts versenken, wenn kein Wunder passierte. Zufrieden trat Kei
zurück und beobachtete den Kleineren. Der stirnrunzelte ganz
konzentriert auf dem Tisch herum, während er ihn wie Raubtier
umkreiste, das nach einer Schwachstelle in der Verteidigung seiner
Beute suchte. Als er sich zum vierten Mal hinunterbeugte und anlegte,
machte er endlich einen Versuch und brachte seine blaue Kugel vor ein
Loch. Als er sich aufrichtete und Kei ansah, war er wieder entspannt.
Er knickste und trat für Kei vom Tisch zurück. Kei grinste noch
immer.
Er wollte auf einen Gleichstand warten, was aber auch in die Hose
gehen konnte. Mit merkwürdigen Winkeln brachte er seine Kugel in die
Nähe eines Loches, das Colin ihm schwer wieder verbauen konnte.
Colins misstrauischer Blick wanderte von der Kugel zu Keis Gesicht
und zurück, bevor er sich an seinen Zug machte. Er versuchte, seine
blaue Kugel verschwinden zu lassen und schaffte es sogar, aber nicht
ganz mit Absicht. Die Spielkugel sollte sie direkt ins Loch stoßen,
doch lag so weit von ihr entfernt, dass er sich verschätzte und die
Blaue verfehlte. Allerdings prallte die weiße Kugel von der Bande ab
und streifte sie auf dem Rückweg, sodass sie doch noch versenkt
wurde. Mit beeindruckt hochgezogener Augenbraue schmunzelte Colin und
sah Kei an.
„Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet,“ sagte dieser und
wanderte um den Tisch herum. Die schwarze lag im Weg. Er sah sich
alles in Ruhe an. Mit der weißen spielte er die schwarze über die
Bande so an, dass sie die rote traf und gerade so versenkte. Ein
siegessicheres Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit. Colin
starrte dabei so hart auf die schwarze Kugel, als könne er sie damit
dazu bewegen, hinterherzurutschen. Tat sie aber nicht. Sie blieb ganz
knapp vor der Kante zum Loch liegen. Kei spielte die schwarze noch
einmal an und wollte sie der roten hinterherschicken, scheiterte aber
an der Ecke.
„Was machst du da?“
„Ich versuche zu gewinnen und scheitere. Dein letzter Versuch.“
„Aber du hast doch schon gewonnen.“ Ups.
„Muss ich die schwarze nicht auch noch versenken?“
„Keine Ahnung, aber ich sagte gerade sie sei tabu und wenn deine
Kugeln weg sind, hast du gew- ... ja.“
„Oh - Ich dachte sie sei nur so lange tabu, bis die anderen weg
sind.“ Das Grinsen in Keis Gesicht wurde nicht kleiner.
Ohne zu wollen, musste Colin mitgrinsen. „Das stimmt auch. Du hast
erst gewonnen, wenn du die schwarze Kugel weggeschoben hast,“ sagte
er eilig und laut mit einem großen Nicken.
„Dann hast du noch einen Versuch.“
„Mm-hmm!“ sagte Colin laut und beherzt und begutachtete die
Situation seiner gelben Kugel. Wenn er die Bande anspielte, konnte er
sie vielleicht irgendwo an den Rand schubsen. Er nahm also Maß und
Winkel und ließ die weiße Kugel knapp an der schwarzen
vorbeischießen, an die Bande, und sie streifte tatsächlich die
gelbe. Und zwar so schnell, dass sie zur Seite rutschte und die
schwarze Kugel ins Loch schubste. Colin hielt still und kniff die
Augen zusammen. Aber er schmunzelte trotzdem. Kei schlenderte
grinsend um den Tisch herum.
„Das war die falsche.“
„Ach!“ Colin konnte sehr viel Sarkasmus in einen sehr kurzen Laut
packen. Er schickte noch ein genervtes Stöhnen hinterher, bevor er
sich aufrichtete. Er seufzte zwar augenrollend, aber schien nicht
allzu getroffen, dass er verloren hatte. „Ich verlange eine
Revanche.“
Kei hätte das auch gewundert, wäre Colin wirklich betroffen
gewesen. Sonst hätte er den Wetteinsatz nicht vorgeschlagen, sondern
versucht, Kei diese Idee auszureden. Dennoch stand er voller Trotz da
und forderte ein Rematch. „Aber in etwas, in dem nicht nur einer
von uns talentiert ist.“ Colin war sehr bewusst, oder er vermutete
zumindest stark, dass Kei seinen Sieg mit Absicht hinausgezögert
hatte.
„Du sollst es kriegen, dein Rematch.“ sagte Kei. Die Gala fing
gerade erst an und sie hatten noch sehr viel Zeit für alles
mögliche. „Was schwebt dir vor?“
Colin blickte um sich.
„Karaoke,“ sagte er schließlich. Vielleicht war das ein kleines
bisschen unfair, weil er im Singen viel erfahrener war als Kei, aber
der hatte schließlich wirklich Talent und irgendwie musste die
Billiardblamage ja ausgeglichen werden.
„Na gut, aber mit guter Musik.“ Kei wollte keine komischen Charts
aus Amerika, da das in einer Blamage seinerseits enden würde.
Karaoke selbst fand er spaßig.
„Das hängt von der Maschine ab,“ sagte Colin. Er stellte seinen
Queue in die Halterung zurück und ging zur Musikanlage, um den
Neunziger-Hip Hop, der von dort gerade aus den Lautsprechern waberte,
auszuschalten. „Was sind die Regeln?“
„Der Text muss wirklich gesungen werden. Summen zählt nicht,“
entschied Kei. Ansonsten war ihm das egal. Colin rollte mit den Augen
und lachte fast.
„Das sollte klar sein. Ich meine, wann hat man gewonnen?“
„Ach so. Gewonnen hat, wer in zwei von drei Liedern mehr Punkte
kriegt.“
„Eh?“
„Wie willst du das sonst entscheiden? Wenn es keine Punkte gibt,
brauchen wir nen Schiedsrichter.“
Colin guckte kurz in die Luft. „Guck nach, ob es eine automatische
Bewertung gibt.“
Das tat Kei dann auch, nachdem herausgefunden hatte, wie die Maschine
funktionierte. „Wir müssen keinen Schiedsrichter suchen.“
„Schade. Dennis hätte meine Madonna unwiderstehlich gefunden.“
„Wir können ihn trotzdem fragen,“ kommentierte Kei das
belustigt.
„Ich will ihn nicht allzu verlegen machen. Und dich nicht zu
eifersüchtig,“ sagte Colin schulterzuckend und hockte sich zu Kei,
um sich die Liederliste anzuschauen.
„Ihn in Verlegenheit zu bringen dürfte schwer werden.“
Colin schmunzelte dreckig. „Ich nehme Shakira.“
Kei suchte noch. Vor allem nach Liedern, die er kannte. Die Auswahl
war zwar sehr groß, aber das meiste war Kei nicht so ganz geläufig.
Eine Auswahl an Japanischem war praktisch nicht vorhanden und auch
Genres der härteren Gangart, die Kei etwas näherlagen als alles
andere, waren dünn gesäht. Colin allerdings fand für sich noch
mehr Stücke, die er singen wollte. „Jeder drei Stück, ja?“
fragte er.
„Okay. Aber ich muss erstmal welche finden...“ Kei entschied sich
wahllos dafür, den Zufall entscheiden zu lassen, weil eine Wahl
nichts verändert hätte, da er eh nichts davon wirklich kannte.
„Was ist mit den Beatles? AC/DC oder die Stones oder so?“ schlug
Colin vor. Kei durchwühlte die Liste noch einmal. Diesmal blieb er
an Thunderstruck von AC/DC hängen, fehlten nur noch zwei. Er
entschied sich für Aerosmith und Green Day, die er beim ersten
Durchsehen übersehen hatte.
„Cool, cool.“ Colin rieb sich die Hände. Er hatte mindestens
zehn Stücke gefunden, die er gut kannte und alle singen wollte. „Wer
fängt an?“
„Du.“
„Sicher?“ Colin wackelte mit den Augenbrauen.
„Wenn ich keine Bonuspunkte für's Anfangen bekomme, ja.“ Kei
lachte ein bisschen. Colin war sowas von im Vorteil, aber das war ihm
egal.
„Alles klar.“ Colin schaltete durch die Lieder und markierte Head
over feet von Alanis Morissette. Ehe er es losspielen ließ,
fummelte er am Mikrofon herum und stellte die Lautstärke herunter.
Beim Singen blieb er vor dem Bildschirm knien, weil er die
Texthinweise brauchte, nach und nach drehte er sich aber mehr zu Kei
um. Kei hörte ihm zu und sah ab und zu auf den Bildschirm.
Colin machte sich einen Spaß daraus, Kei beim Singen anzuschmachten.
Er hatte keine Schwierigkeiten, jeden Ton zu treffen und seine eigene
Lautstärke mit seiner Entfernung zum Mikrofon zu variieren, ohne auf
mehr als den richtigen Text zu achten. Kei nahm sich amüsiert
heraus, Colins Anschmachtungen mit Gesten zu beantworten. Es war
allerdings schwierig, dabei nicht zu lachen.
„Your love is thick, and it swallowed me whole...“ Colin hatte
das gleiche Problem, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Auf
seine Stimme hatte es allerdings keinen negativen Effekt, dass er
sich zwingen musste, nicht laut zu lachen. Als das Lied mit immerer
leiserem „Lalala“ rausfadete, nahm Colin langsam das Mikro
herunter und wartete auf seine Bewertung.
Kei tat das gleiche. Sein erster Song war Cryin‘ von
Aerosmith. Das würde sehr amüsant werden.
Colin nickte und schwankte mit. Er musste sich zurückhalten, nicht
mitzusingen, ließ es sich aber nicht nehmen, stumm die Lippen
mitzubewegen. Und mit Hand auf der Brust verzweifelt in die Luft zu
greifen. Seine Herumalberei hörte allerdings auf, als Kei „Yeah
you cry when we're makin' love“ perfekt herausschrie. Nun sah er
ihm nur noch begeistert zu.
Bis zum Gitarrensolo. Das verlangte nach einem Luftgitarreneinsatz.
Kei ließ das mit der Luftgitarre, weil er ein Mikro in der Hand
hatte, hatte aber auch so sichtlich Spaß. Man verstand ihn
erstaunlich gut. Colin schüttelte ein bisschen seine viel zu kurzen
Haare dazu und fistete die Luft, als das Lied beendet war. Keis
Punktzahl war nicht zu verachten.
Kei schaute erstaunt auf seine Bewertung. Er hätte damit nicht
gerechnet.
„Du bist ein würdiger Gegner. Aber jetzt werde ich dich
vernichten,“ kündigte Colin großkotzig an und machte sich
Material Girl an.
„Das werden wir ja sehen. Hochmut kommt vor dem Fall, mein Freund.“
Das beantwortete Colin nur mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Hierfür musste er sich hinstellen.
Diesmal legte er auch eine etwas ernsthaftere Show hin, sofern das
bei diesem Lied möglich war. Er kletterte dabei auf den
Billiardtisch und legte sich hin, um sich dort beinwackelnd und
armschlängelnd ein bisschen herumzuräkeln. Madonna war stimmlich
weit weniger anspruchsvoll als Aerosmith und der Text war auch das
Einfachste vom Einfachsten, also achtete er nicht im Geringsten auf
den Bildschirm.
Kei betrachtete Colins Show stumm lachend. Das war genial!
Und gut war es auch noch.
Colin hatte sichtlich Spaß. Als das Lied zuende war, kniete er sich
auf den Tisch und hielt das Mikro mit divenhafter Geste - aber
schmunzelnd - in Keis Richtung. Das gab Kei den Rest. Lachend nahm er
es entgegen und brauchte eine Weile, bis er wieder damit aufhören
konnte. Er gab Thunderstruck zum Besten und benutzte dabei
auch den Billiardtisch als Bühne. Er zog dafür allerdings die
Schuhe aus. Er wollte keinen Anschiss dafür kriegen, den Tisch zu
versauen.
Colin spielte währenddessen Publikum und Luftgitarre. Kei sprang
beim Singen bald wieder vom Tisch herunter. Er lieferte etwas gutes
ab, vor allem, weil er den Text schon gut genug kannte. Colin hüpfte
begeistert mit wedelnden Armen im Kreis, aber seine Alberigkeit
wandelte sich bald in echte Bewunderung. Der gehört berühmt,
schoss ihm dabei mehrmals durch den Kopf. Und wieder sagte Keis
Punktzahl aus, dass der Junge sein ausgesuchtes Metier beherrschte.
Colin schaute diesmal aber nur aus Interesse an Keis Darstellung hin,
und nicht, weil er um seine eigene Siegerschaft besorgt war. Das war
ihm nun ziemlich egal.
Kei war es auch egal, weil Colin nun höchstens noch ausgleichen
konnte. Er hatte gerade einfach Spaß. Grinsend nahm er sich etwas zu
trinken aus der gefundenen Minibar. Diese Zeit nutzte Colin, um sein
letztes Stück weise auszuwählen. Als er es hatte, zeigte und nickte
er auf das Sofa vor dem Fernseher, um Kei zu bedeuten, sich vor ihn
zu setzen. Kei, mit Grinsen, das nicht mehr gehen wollte, tat wie ihm
geheißen und setzte sich.
Das Intro verhieß nichts Gutes. Nichts Spaßiges, immerhin. Es klang
verdächtig nach Country.
Colin stand ganz ernst da, obwohl er noch lächelte, und kniete sich
plötzlich vor Kei hin, bevor er zu singen begann. Erst sah er ihn
nicht an, erst beim Refrain.
„I said, cowboy, take me away, fly this boy as high as you can into
the wild blue, set me free, ooh, I pray, closer to heaven above and
closer to you. Closer to you...“ Seine Entscheidung, ‚boy‘
anstatt ‚girl‘ zu singen, wurde auch gleich mit ernstem
Punktabzug bestraft. War ihm offenbar egal. In jedem Refrain – und
er alberte kein bisschen herum wie zuvor – bestand er darauf, ‚boy‘
zu singen. Und er schien irgendwie alles ernst zu meinen.
Kei hörte zu. Der Song brachte ihn wieder etwas runter, wenn auch
nicht für sehr lang. Er sah ein bisschen hypnotisiert aus, während
er dasaß und zuhörte und Colin beobachtete. In diesen knapp fünf
Minuten rutschte Colin näher, bis er zwischen Keis Knien saß. Und
dann gab es nochmal drastischen Punktabzug dafür, dass er die Hälfte
des letzten Refrains gar nicht mehr sang, weil er damit beschäftigt
war, sich auf Keis Beinen hochzuziehen und ihn zu küssen. Kei
erwiderte den Kuss lächelnd und hielt Colin fest, damit er nicht
wieder herunterrutschte.
„Ich weiß, was wir morgen machen,“ sagte er dabei. Colin setzte
sich auf ihn.
„Was?“ fragte er leise, während seine grauenhafte Punktzahl
hinter ihm auf dem Bildschirm erschien.
„Wir gehen in die Stadt und nehmen Livemusik mit.“
„Wir dürfen nicht mehr raus. Also ich nicht. Seit gestern.“
„Warum?“
„Weil die Instanz alles über mich weiß und es die Gruppe in
Gefahr bringt, wenn ich hier draußen herumlaufe. Ganz zu schweigen
von mir selbst.“ Colin sprach ganz leise.
„Ach Mist. Naja, wir können auch im Garten ein Konzert spielen...
Irgendwann haben wir Publikum.“ Kei hatte wieder ein Lächeln im
Gesicht. Colin erwiderte das Lächeln und betrachtete das Mikrofon in
seinen Händen.
„Rupert hat gesagt, dass er eine Überraschung für mich
vorbereitet. Hat was Musikmachen zu tun. Vielleicht wird das ein
kleines Hauskonzert?“
„Das wäre cool!“ Kei nahm ihm das Mikro ab. „Ich bin dran,“
verkündete er überflüssigerweise. Colin stand auf, damit Kei an
der Maschine herummachen konnte, und setzte sich dafür auf das Sofa.
Kei machte sein Lied an und gab einen spaßmachenden Green Day-Song
zum Besten. Colin zog die Beine hoch und sah und hörte kopfnickend
zu. Sein Schneidersitz half dabei, die drückende Wölbung in seinem
Schritt etwas zu kaschieren, doch sein Gesicht sagte eigentlich
genug. Kei sprang beim Singen etwas herum und Colin konnte nicht
umhin, sich dazu die passende Bühne in einem ranzigen Clubkeller
vorzustellen. Er wollte in Keis Stimme baden.
Das Lied war nicht allzu lang und deshalb war es leider schnell
wieder vorbei. Während es ausklang, legte Kei das Mikro weg.
Nebenbei verkündete der Punktestand, dass er seine Sache ziemlich
gut gemacht hatte. Derweil lehnte Colin mit einem Ellenbogen auf
einem Knie und lächelte ihn warm an.
„Du hast wieder gewonnen.“
Kei nickte. „Ich dachte wirklich, dass du das gewinnen würdest.“
Er lächelte und ließ sich schwungvoll auf den Boden fallen, sodass
er genau vor Colin saß.
„Ich habe dich gewinnen lassen,“ sagte Colin unernst. Er sah
irgendwie erwartungsvoll aus. Deine Stimme ist eben purer Sex. Die
Maschine konnte das hören.
„Danke.“ Kei grinste. Dass er nicht wusste, ob Colin den zweiten
Satz gerade wirklich gesagt hatte oder das sein Wunschdenken war,
verwirrte ihn ein bisschen.
„Du redest nicht genug. Ich mag deine Stimme,“ sagte Colin leise.
Ich bin süchtig nach deiner Stimme.
„Man sollte Drogen nicht ständig konsumieren, das ist ungesund,“
entgegnete Kei, sich noch immer wundernd, was Colins Stimme in seinem
Kopf machte. Drehe ich jetzt
durch?...
„Ich weiß. Es gibt nichts ungesünderes als dich. Ist mir so
egal.“ Colin lächelte warm. Wann holst du dir deinen Gewinn ab?
„Gut, dass dir das egal ist,“ grinste Kei. Anstatt aufzustehen
und Colin aufs Sofa zu drücken, zog er ihn zu sich nach unten,
sodass Colin mehr oder weniger auf ihm saß, und küsste ihn.
Sich auf Keis Schultern stützend, sortierte Colin sich auf ihm,
während er den Kuss möglichst langsam und sanft erwiderte. So
konnte er weiter benebelt lächeln und Kei zwischendurch ansehen.
Sein Fuß war leider noch im Weg, sonst hätte er sich gleich ganz an
Kei gedrückt, aber vielleicht war das auch ganz gut so. Er wollte
Kei schließlich nicht zur Eile ermutigen.
Kei vermisste Colins Haare in denen man die Finger so gut vergraben
konnte. Er hielt ihn am Nacken fest und grinste ein wenig. Seine
freie Hand schob Colins Oberteil ein bisschen nach oben. Die
Berührung ließ Colin etwas schaudern. Er ließ Kei los um seine
Arme zu heben. Kei befreite ihn von dem unnötigem Stoff und küsste
ihn wieder. Und seine Arme legten sich wie von selbst um Keis Nacken.
Seinen störenden Fuß zog er zur Seite, über Keis Bein, um noch
etwas näher rücken zu können.
Es klopfte an der Tür.
Kei war so frei das Klopfgeräusch absichtlich zu überhören und
widmete sich weiter Colin.
Diesmal benutzte Dennis die Faust, um gegen die Tür zu schlagen, und
Colin zog den Kopf zurück.
„Was willst du?“ rief Kei genervt. Man konnte seinem Gesicht
ansehen, was er gerade dachte.
„Nichts, ich soll euch nur etwas geben. Seid ihr angezogen?“
Dennis konnte man anhören, dass er auf diese Unterhaltung genauso
wenig Lust hatte wie Kei oder Colin.
„Definiere angezogen.“ Kei war vollständig angezogen. Noch.
Warum JETZT??
„...“ Dennis schien nachdenken zu müssen oder zögerte aus purer
Genervtheit, ehe er die Tür einfach doch öffnete und eintrat. Er
sah sie beide nur aus dem Augenwinkel und mit Absicht nicht direkt
an, als er zwei große Papiertüten hinter Colin auf das Sofa warf.
„Es ist unserem Gastgeber ein besonderes Anliegen, euch beide unten
zu sehen,“ sagte er steif. Offenbar hielt er von der Idee nichts.
„Sucht euch selber aus, was ihr für klüger haltet.“ Mit den
Worten drehte er sich wieder um und ging hinaus.
Kei seufzte genervt. „Muss das jetzt sein?“
Colin hatte Dennis nur stumm angeguckt. Nun ließ er Kei los und
drehte sich um, um neugierig die beiden Taschen zu durchwühlen. Kei
fand Colin eigentlich interessanter, stand aber trotzdem auf um zu
sehen, was in den Tüten war. Colin lief immerhin nicht weg.
Es waren Schachteln mit Utensilien, die zusammen einen vollständigen
Abendanzug ergaben. Einen schicken sogar, wenn auch nicht direkt
maßgeschneidert. Aber es waren eine Weste, Schleife und ein
richtiger Frack dabei. Colin pfiff beeindruckt und machte sich dann
an die zweite Tüte. Daraus fiel ihm zuerst eine rotblondgelockte
Echthaarperücke in die Hände, und er suchte verwirrt weiter.
„Ich finde das nicht witzig,“ sagte er schließlich trocken, als
er ein paar lange Spitzenhandschuhe und zierliche, viktorianisch
anmutende Knöpfstiefel mit Absätzen ausgepackt hatte und nun den
Ärmel eines grünen Kleides zwischen zwei Fingern hochhielt.
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