Saturday, July 23, 2016

Kei + Colin LXXXI: Risse und Schnitte


Kei verließ die kleine Grotte und ging wieder in Richtung Eingang. Auf dem Weg zündete er sich eine Zigarette an. Als er den Hof mit dem Springbrunnen erreichte, hatte er noch über eine Stunde Zeit, bis er sich mit Rupert treffen sollte. Sein silberner Audi stand allerdings bereits herrenlos neben dem Brunnen herum. Da Kei nicht wusste wie spät es war, ging er hoch in sein Zimmer um auf die Uhr zu sehen, die dort an der Wand hing. Es war kurz nach ein Uhr. Kei setzte sich auf sein Bett und sah aus dem Fenster in den Garten. Er war sich sicher, dass Colin noch in der Höhle saß.

Damit hatte er Recht.
Colin hatte sich das eingerahmte Foto seiner Mutter genommen und sich wieder auf die Bank gelegt. Er starrte es lange an, abwechselnd mit der Höhlenwand, und döste irgendwann ein, während es auf seiner Brust herumlag.

Nach einer ganzen Weile ging Kei wieder hinunter. Ein weiterer Blick auf die Uhr verriet ihm dabei, dass es fast zwei Uhr war. Wartend betrachtete er das unauffällige europäische Auto vor der Tür.
Bald trat Rupert aus dem Nebeneingang bei den Garagen und kam gelassen auf ihn und den Audi zuspaziert. Ihm konnte man, wie auch Colin, den jahreszeitbedingten Temperaturabfall an seiner Kleidung ansehen - seinem kurzen Mantel, dem Schal und der Schiebermütze. Im Unterschied zu Colin trug er die warmen Kleider allerdings nicht aus Gewohnheit und um nicht aufzufallen, sondern aus Notwendigkeit. Als er näherkam, piepte der silberne Wagen und seine Scheinwerfer leuchteten kurz auf.
"A guitar, was it? Anything else on your agenda today?" fragte Rupert freundlich, während er zur Fahrerseite ging. Kei schlenderte zur Beifahrertür.
"No, nothing else," entgegnete der Vampir ebenfalls freundlich. Neue Zigaretten waren kein wirkliches Vorhaben. Er öffnete die Tür und stieg ein. Kei war nicht wetterfest angezogen. Seine Lederjacke war wasserdicht, aber nicht wärmend. Da er nicht fror war ihm das allerdings herzlich egal.
"Isn't Colin coming with us?" fragte Rupert, während er das Auto startete.
"He's sitting in the cave," entgegnete Kei. Ihm schien das als Antwort ausreichend. Rupert hielt inne. Ihm schien kurz der Atem zu stocken. Doch dann sah er sich um und fuhr los.
"Is he alright?"
"I don't think so. He often thinks reality is a dream and his nightmares are real."
Einige Minuten lang blickte Rupert nur ernst drein. Erst, als sie schon eine Weile in der Stadt waren, sprach er wieder. Er hielt am Straßenrand an. Es war der Haltebereich für Busse. Aus einer Innentasche zog er seine Brieftasche. "That street on the left there. There's a music shop." Zwischen zwei Fingern hielt er Kei eine Kreditkarte hin, während er sich die Brieftasche schon wieder einsteckte. Kei nahm die Kreditkarte mit einer leichten Verbeugung und leisem Danke an sich und steckte sie in seine Jackentasche. "We'll meet at the train station at six o'clock," sagte Rupert mit einem Blick auf seine Armbanduhr. "I'm afraid it can't be sooner."
"That's okay." Das waren zwar einige Stunden, aber das war nicht weiter schlimm. Kei konnte sich die Stadt ansehen und den Bahnhof finden, den Colin am vorigen Tag erwähnt hatte.
"The station is almost at the end of this street, it looks a bit like a church, you can't miss it," erklärte Rupert mit einem Vorwärtsnicken. Kei schaute in die gezeigte Richtung.
"Alright. You have something to do here?"
"Yes." Nun lächelte Rupert freundlich. "Now get out before I get a ticket."
Kei stieg aus dem Wagen und machte sich nach einem knappen "See ya later" auf den Weg in Richtung des Musikgeschäfts. Rupert verlor keine Zeit und fuhr wieder auf die Straße zurück, gerade als sich ein Bus näherte.
Kei folgte der Straße und sah sich dabei genau um, um sich nachher nicht unnötig zu verlaufen. Das Geschäft hatte er ziemlich schnell gefunden. Nach Tokyoter Standards war es nichts Großes, aber es hatte drei Stockwerke und war gut sortiert. Zwischen den Regalen, Aufstellern und Drahtgestellen an den Wänden standen viele verschlossene Vitrinen mit den wertvolleren Waren. Was Gitarren, Verstärker und Mikrofone anging - also das wofür sich die meisten jungen Kunden am ehesten interessieren mochten - gab es im Erdgeschoss nicht viel Auswahl, nur ausgesuchte Ausstellungsstücke als Appetitanreger. Doch ein schmales Schild am Fuß einer breiten, offenen Treppe gab preis, dass sich die entsprechende Abteilung im ersten Obergeschoss befinden solle. Kei sah sich lange um, bevor er sich für eine ganz schwarze ESP- Gitarre und einen kleinen Verstärker entschied, der bequem in eine Tasche passte. Mit seinem teuren Einkauf sah er sich eine Weile die Stadt an, bevor er sich langsam auf den Weg zum Bahnhof machte.
Zwischen anderen Autos stand der silberne Audi auf dem gut gefüllten Pendlerparkplatz vor dem uralten Bahnhofsgebäude. Rupert lehnte vor ihm an einer niedrigen Backsteinmauer und schien Zeitung zu lesen. Als Kei näherkam, blickte er auf und entriegelte das Auto. Er sah ernst aus.
"Put your things into the boot. We have something to take care of before we go back," sagte er. Kei packte sein Zeug in den Kofferraum.
"And what is that?"
"We need to find Colin. Apparently he's nowhere in the castle or on the premises. And we know he can't have been kidnapped again. So he must have run away." Er warf die Zeitung auf den Beifahrersitz und verschloss das Auto wieder. Kei stutzte.
"Did he leave something like a message?"
"No. So..." Rupert kam um das Auto herum zu Kei und sah ihn eindringlich an, wie ein zorniger Mordermittler unter Zeitdruck. "Did he say anything to you?"
"Yes. He mentioned something about leaving."
"Did he mention where he'd go, or what he would do?"
"He said something about Scotland."
Rupert hielt inne und sah Kei für eine Sekunde starr an, dann schnappte sein Blick auf das Bahnhofsgebäude. "You better pray he hasn't," murmelte er und zog rasch sein Telefon aus der Jackentasche.
"You think he's there? I'll have a look."
Rupert nickte nur und wartete, dass sein Anrufsziel abnehmen würde. Kei stieß sich vom Auto ab und joggte auf den nächsten Eingang des Bahnhofs zu. Er sah sich im ganzen Bahnhof um - sein erster Weg führte ihn auf die Gleise. Mit den zivilen Wegen hielt er sich dabei nicht auf, stattdessen sah er sich in Parkoursmanier auch überall dort um, wo Passanten üblicherweise nicht hingelangten. Von Colin fand er allerdings keine Spur.
Nach kaum zehn Minuten klingelte sein Telefon. Er zog es aus der Jackentasche und nahm ab. "Ja?"
"He's in Lancaster, somewhere just off the main campus area. Get back to Rupert, he'll drive you there. We're on our way, too. Remember, he can't be recognised by anyone!" Dennis legte auf, bevor Kei irgendetwas antworten konnte. Eilig lief er auf den Parkplatz zurück.
"Lancaster, campus area. Dennis is on the way, too."
"I know, hurry." Rupert war bereits beinahe vom Parkplatz heruntergefahren. Noch während Kei hineinsprang, fuhr er los.
Innerhalb von Minuten waren sie in der Nähe der Universität und Rupert hielt wieder bei einem Parkverbotsschild an. "You start looking on foot and I'll search the streets. There's a pub over there, seems as good a place as any to start." Er nickte auf eine Straßenecke, wo im Abenddunkel etwa ein dutzend junger Menschen herumstanden, die rauchten und teilweise lautstark herumalberten. Aus der Tür hinter ihnen drang laute Musik, wenn sie zwischendurch geöffnet wurde. Kei machte sich ohne weitere Worte auf den Weg dahin und zog sich beim Laufen die Kapuze ins Gesicht. Im Pub sah er sich ruhig um.
Es war kneipengerecht dunkel und laut. Die Gäste schienen allesamt Studenten oder zumindest Leute im passenden Alter zu sein. Es war auch ziemlich voll, aber nicht so sehr, dass man es nicht vermeiden konnte, jemanden anzurempeln. Der Alkohol floss in Strömen und die lauten Gespräche vermischten sich mit der dröhnenden Musik, die munter zwischen Rockklassikern, obskuren neueren Bands und aktuellem Pop wechselte. Hinter dem Schankraum, der voller durch Trennwände abgeteilter Sitzgruppen und Stehtische war, gab es noch einen Raum von ähnlicher Größe. Er hatte keine Bar und nur entlang der Wände einige abgewetzte Sessel und Sofas mit niedrigen Tischen. Hier war es noch etwas voller als im vorderen Teil. Beim Durchgang und entlang der Wände standen und saßen die Gäste nur, doch zur Raummitte hin wurde die Menge bewegter. Wer mutig, albern oder betrunken genug war, tanzte dort.
Colin auch.
Kei fand ihn ziemlich schnell und näherte sich ihm von hinten. „Wenn du einfach so verschwindest, mach ich mir Sorgen,“ teilte er ihm ins Ohr flüsternd mit. Colin hielt kurz inne, schien aber sonst nicht zu reagieren. Er hielt nur seine Mütze mit einer Hand fest, als er sich auf die Knie fallen ließ, während aus den Lautsprechern Ville Valo „The world was on fire and no one could save me but you“ sang und er dazu die Lippen bewegte. Kei ließ sich mit auf den Boden fallen. Colin hielt die Hände vor das Gesicht und beugte sich vor. Kei hockte hinter ihm und beobachtete ihn, während er sich nur leicht nach vorn beugte. Colin schien sehr betrunken, etwas verheult und geistig ziemlich abwesend zu sein. Kei entschied, dass es nicht viel bringen würde, mit ihm zu reden. Nicht zwischen all den Menschen und mit dem ganzen Alkohol im Blut. Er hob ihn beim Aufstehen hoch. Aber nicht ohne Widerstand. Während er ihn hochzog, versuchte Colin, sich aus seinen Händen zu winden und sich zu ihm umzudrehen. Das Umdrehen ließ Kei zu. Allerdings ließ er ihn nicht ganz los. Mit geröteten Augen und Lippen und insgesamt nassem Gesicht musterte Colin ihn erst verwundert, dann lächelte er plötzlich und fing an zu lachen.
„Was ist so lustig?“
Colin tippte ihm auf die Brust. „Du.“ Er strahlte ihn fröhlich an und warf die Arme auseinander. „Du enttäuschst mich nie! Ich möchte nicht mehr aufwachen,“ fügte er leiser hinzu, indem er sich dicht an Kei drückte.
„Du bist wach, nur betrunken,“ erzählte Kei ihm.
„Ja... natürlich bin ich wach. Und seeeeehr betrunken. Und ich bin heeeellwach...“ Er schaffte es, gleichzeitig zu schmunzeln und zu schluchzen und riss an Keis Gürtelschnalle herum, als wollte er sie öffnen.
„Versuch das, wenn du motorisch dazu in der Lage bist.“ Kei lachte ihn nicht aus, schmunzelte aber. Er nahm Colin mit nach draußen, schließlich wollte er wissen, was der Kleinere hier machte. Unterwegs wurde er von ihm ausgiebig befummelt.
„Meine Jacke ist noch drin,“ sagte Colin draußen mit dem Gesicht irgendwo an Keis Hals.
„Die holen wir später.“ Kei befand, dass Colin seine Jacke jetzt nicht brauchte und sie wohl in den nächsten Minuten nicht wegkommen dürfte. Er schlug den Weg ums Gebäude ein, wo sie nicht gesehen werden würden. Sein Vorhaben, ihn zum Weglaufen zu befragen, verschob er lieber. Als sie um ein paar Müllcontainer herumgegangen waren, blickte Colin seinerseits kurz um sich, bevor er Kei mit einem wissenden Schmunzeln bedachte.
„Du willst kein Publikum haben. Was für ein Gentleman. Mir hätte das aber nichts ausgemacht. Sie hätten überhaupt nichts wahrgenommen, weißt du? Was ich träume, gehört mir und ich kann damit machen, was ich will.“ Colin küsste Keis Kinn und kniete sich vor ihn.
„Wer weiß, ob deine Träume Eigendynamik haben.“ Da er wusste, dass die Leute nicht das Produkt von Colins Träumen waren und eventuell nicht alle einen Porno auf der Tanzfläche wollten, ließ er das unkommentiert. Ihm war bewusst, dass Colin Realität und Traum nicht auseinanderhalten konnte, aber jetzt gerade war das in Ordnung. Ob der Kleinere das auch auf ihn bezog, wusste Kei nicht - was das für Ausmaße annehmen würde, interessierte ihn aber schon.
„Dieser hier scheint eine zu haben.“ Colin schmunzelte dreckig, als er die Wölbung in Keis Hose befühlte. Als er wieder zu Kei hinaufsah, wurde sein Gesichtsausdruck plötzlich ernst und er hielt inne. Seine Hände zuckten zurück und er setzte sich verwirrt dreinblickend auf seine Fersen.
„Könnte daran liegen, dass ich real bin,“ sagte Kei und sah fragend zu ihm hinunter.
„Ich weiß,“ flüsterte Colin, während er auf Keis Stiefel vor sich starrte. „Du bist... ich glaube... hast du gerade wirklich...“ Er hielt sich eine Hand vor den Mund.
„Dich aus ‘nem Club entführt um zu vögeln oder gesagt, dass ich mir Sorgen um dich mache?“
Colin schauderte und sah ungläubig zu ihm auf.
Kei schaute zurück. „Du hast beides nicht geträumt.“
Mit knirschenden Zähnen und nun auch großzügig tränenden Augen stand Colin langsam auf, und vorsichtig, damit ihn dieses alkoholbedingte Schwindelgefühl nicht sofort wieder umwerfen konnte. Er starrte Kei dabei an, mal sein Gesicht, mal sein T-shirt oder seine Hose, aber er gab darauf Acht, ihn nicht zu berühren. Kei nahm ihn einfach in den Arm, auch wenn er eigentlich lieber etwas anderes getan hätte, aber Colins Laune hatte sich ja schlagartig gegen Intimitäten entschieden. Colin stemmte sich gegen ihn und versuchte, einen Schritt zurückzugehen.
„Lass mich sofort los,“ flüsterte er.
„Willst du wieder abhauen?“
„Ja.“
„Dann nicht.“
„Bitte.“
„Warum bist du einfach weggelaufen?“
„Ich kann machen, was ich will. Ich wollte ausgehen. Lass mich los.“
Kei ließ ihn los. „Kann ich mitkommen? Wir können ja zusammen saufen und uns auf der Tanzfläche blamieren.“
Colin nahm eilig ein paar Schritte Abstand und lachte schluchzend. „Nein.“
Kei sah ihn an. „Was ist los mit dir?“
„Nichts, ich bin bloß wach.“ Colin lachte fast ungläubig, als er Kei weiter anstarrte.
„Gut.“ Kei wandte sich in Richtung Straße, blieb aber stehen. Colin blieb wo er war und beobachtete ihn nur. „Du musst lernen, Realität und Träume auseinanderzuhalten.“
Colins Gesichtsausdruck wandelte sich von verzweifeltem Staunen zu verletztem Trotz. Schniefend wischte er sich mit den Ärmeln über das Gesicht. Kei hatte nicht beabsichtigt ihn irgendwie zu verletzen, aber wenn das half, ihn aus seinem komischen psychischen Traumland zu holen, war das gut.
„Ich geh Rupert Bescheid sagen, dass du dich nur besaufen wolltest und alt genug bist, das ohne Nachricht zu tun.“
„Okay. Ich gehe meine Jacke holen,“ sagte Colin leise und ging an Kei vorbei. Kei sah ihm nach und schrieb derweil Rupert in einer SMS, dass er Colin gefunden hatte. Keine zwei Minuten später kam Colin wieder heraus und stellte sich zu Kei an den Straßenrand, um geradeaus auf die gegenüberliegende Straßenseite zu starren. Die Hände hatte er in den Taschen des kurzen Mantels. Kei wartete stumm darauf, dass Rupert sie wieder einsammeln würde.
Kurz darauf hielt der silberne Audi vor ihnen und Colin öffnete ohne Umschweife die hintere Tür, um auf den Rücksitz zu klettern. Rupert sah ihn mit strengem Argusblick an und schien sich auf die Zunge zu beißen. Kei setzte sich auf den Beifahrersitz.
„Er war nur Saufen.“
Wie als Antwort darauf betätigte Rupert einen Knopf in seiner Tür, der sämtliche Türen klicken ließ, sobald die Jungs ihre beiden geschlossen hatten. Ohne ein Wort fuhr er los.
Kei sah die ganze Fahrt über wortlos aus dem Fenster. Colin tat es ihm gleich, wechselte jedoch zwischen der nächtlichen Aussicht und dem Anblick der stummen Halbprofile von Rupert und Kei vor sich ab.
„Kei. Ich bin wach,“ sagte er plötzlich ruhig. „I'm wide awake,“ fügte er noch für Rupert hinzu.
„Das ist gut,“ entgegnete Kei ebenfalls ruhig. „Dir dabei zuzusehen, wie du die Realität für einen Traum hältst ist schwer.“
„Ja... das hier tut mir wirklich Leid.“ Es raschelte kurz und ein leises glitschendes Geräusch ertönte, kurz bevor etwas warmes auf Ruperts linke Wange und durch den Spalt in Keis Kopfstütze auf dessen Nacken spritzte. Kei drehte sich um und sah auf Colin. Der saß mit zurückgeworfenem Kopf zuckend da und gurgelte leise, während ein dunkler Spalt in seiner Kehle großzügig troff und in kurzen Abständen ein bisschen sprühte. Rupert wischte sich verwirrt über die Wange und warf einen Blick in den Rückspiegel.
„The bloody fuck-“ Er trat das Gaspedal herunter und raste mit über hundert Sachen den langen Kiesweg zum Schloss hinauf.
„Fuck...“ war alles, was Kei herausbrachte. Das Zucken und Fließen flachten schnell ab und hörten bald ganz auf. Vor dem Haupteingang hielt Rupert kiesspritzend an, sodass Colins Körper nach vorn geschleudert wurde und er in den Fußraum rutschte.
„Get him the fuck inside!“
Kei stieg aus, packte Colin und trug ihn nach drinnen. „What's going on with him?“
„How the hell should I know? You know him best.“ Rupert eilte voraus und hielt ihm die Türen auf, bis sie in Colins Zimmer angelangt waren, dicht gefolgt von Dennis, der Colin mit großen Augen betrachtete.
„Well, he was killed and after that lived on human flesh but this never happend,“ erklärte Kei ruhig.
„You mean he‘s never tried to kill himself?“ Rupert klang gleichzeitig sarkastisch und aufgebracht.
„Leg ihn hin,“ sagte Dennis und deutete auf das Bett. In diesem Moment kam Delilah durch die offene Tür gelaufen. Sie glotzte wie Dennis, bis Rupert sie wütend anstarrte und sie ihm dafür schnell etwas in die Hand gab. Rupert starrte darauf und warf es dann auf den Boden.
„What's Colin doing with a switchknife?!“ wetterte er. „Is NOBODY taking ANY responsibility around here?!“
„He constantly tries to kill himself but he usually is not that effective. Not with a knife...“ versuchte Kei. Rupert riss sich die Mütze herunter, um sich durch die Haare zu fahren, während er den sehr leblosen, sehr blutigen Jungen auf dem Bett betrachtete. Auf einen Blick von Dennis hin nahm Delilah ihn beim Arm und führte ihn zu einem Stuhl. Danach schloss sie die Zimmertür. Dennis sah Colin an.
„Glaubst du, dass das auch wieder heilt?“ Er blickte kurz zu Kei.
„Das hat er immer getan, wieso nicht jetzt?“
„Weil er tot ist. Ist das zwischendurch mal passiert?“
„Er war gestorben bevor er so... untot war und eigentlich war er zwischendrin ständig klinisch tot, aber doch lebendig.“
Colins Körper schien nun eindeutig eine Leiche zu sein. Nichts an ihm regte sich, nur das Blut, das seinen Hals bedeckte und seine Kleidung großzügig durchtränkt hatte, schimmerte gelegentlich im Lampenlicht. Dennis stand still da und sah ihn mit ernster Besorgnis an. Delilah, etwas weiter entfernt, war sein perfektes Ebenbild. Rupert war unruhig. Er fuhr sich verzweifelt über das Gesicht und durch die Haare und saß so vornübergebeugt auf der äußersten Kante der Sitzfläche, als wollte er gleich aufspringen und zum Bett stürzen. Kei stand neben dem Bett und sah auf Colin. Stumm stand er da und musterte ihn.
„Ich finde das nicht lustig, Colin. Wach auf.“
Nichts bewegte sich.
Außer Rupert, der nun aufstand, aber von Delilah zurück in den Stuhl gedrückt wurde. „Do something, for christ's sake! Don't just stand there! Dennis!“
Kei setzte sich zu Colin aufs Bett, nachdem er ihn einfach so hingelegt hatte, dass er neben ihm sitzen konnte. Er legte eine Hand auf Colins Gesicht. Es war kühl und reglos. Seine Augen waren geschlossen, aber das waren sie die ganze Zeit gewesen. Kei legte seine Jacke auf Colin, auch wenn er wusste, dass einem Toten ein bisschen Wärme wohl egal war. Dann stand er auf und ging wortlos nach draußen.
Einige Minuten später kam er mit der neuen Gitarre und dem kleinen Verstärker zurück und setzte sich wieder auf Colins Bett, wo er anfing, leise Melodien zu spielen.
Delilah und Dennis hatten gerade den aufgelösten Rupert aus dem Raum entfernt, um Kei seine Ruhe zu lassen, und waren selbst auch nicht zurückgekommen. Wahrscheinlich kümmerten sie sich um Rupert, das Auto vor der Tür und die Blutspuren, die von dort zu Colins Zimmer führten. Womöglich hielten sie auch Kriegsrat. Was auch immer, sie ließen Kei jedenfalls die ganze Nacht lang in Ruhe. Und er spielte die ganze Nacht lang.

Erst als draußen der Himmel wieder allmählich von schwarz zu grau wechselte und ein, zwei Vogelstimmen durch die Fenster drangen, regte sich noch etwas anderes als Keis Hände.
Colins Kissen raschelte kaum merklich, kurz bevor er mit einem leisen Gurgeln Luft holte. Kei sah von seiner Gitarre auf und wandte den Blick zu Colin um zu prüfen, ob sein Gehirn anfing, ihm Streiche zu spielen. Sachte zuckte Colins Körper, während er mit gerunzelter Stirn schwach röchelnd hustete. Kei begrüßte Colin mit ein paar Akkorden und legte die Gitarre beiseite.
„Du hast mich erschreckt.“
Colins Kopf bewegte sich etwas, bis er Kei sehen konnte. Sein Blick war wach und so kühl wie sein Gesichtsausdruck. Kei musterte ihn.
„Bist du wieder richtig untot?“ fragte er. Er war äußerst erleichtert, dass Colin nicht tot im Sinne von leblos und verrottend war, ließ sich davon aber kaum etwas anmerken. Colin sah ihn ein paar Sekunden lang stumm an und drehte sich dann mit einem leichten Stirnrunzeln von ihm weg. Keis Blick wandelte sich zu einem fragenden.
„Du weißt aber wo du bist und wer ich bin, oder?“ versuchte er einfach mal.
Keine Reaktion.
Bevor ihm der Geduldsfaden riss, stand Kei auf und ging nach draußen, um Dennis zu suchen und ihm zu sagen, dass Colin wach war, ihn aber ignorierte.

Dennis stand mit Delilah im Arbeitszimmer. Sie diskutierten in Gebärdensprache, als Kei sie mit seiner überraschenden Nachricht unterbrach. Dennis ging sofort zu Colin, während Delilah sich kopfkratzend und deutlich gemächlicher zu Rupert aufmachte. Zumindest nahm Kei das an, denn er hatte eigentlich keine Ahnung, was ihre Handzeichen bedeuteten. Kei folgte Dennis etwas langsamer und blieb im Türrahmen von Colins Zimmer stehen. Colin lag Dennis zugewandt da, der sich den Stuhl herangezogen hatte, und schien leise zu sprechen. Doch als Kei erschien, wanderte sein Blick kurz zu ihm und er verstummte. Dennis blickte zwischen beiden hin und her.
„Wenn du wegen gestern angepisst bist und ich dich in Ruhe lassen soll, kannst du‘s auch sagen,“ kommentierte Kei leise.
„Ich bin nicht angepisst,“ murmelte Colin, sodass es selbst für Kei schwer zu hören sein musste. Er verstand es dennoch.
„Was ist dann los mit dir?“ Kei blieb leise. Dennis senkte den Kopf und verhielt sich ruhig, um nicht zu stören. Colin schien nachzudenken. So langsam und lustlos wie er offensichtlich niedergeschlagen war. Kei wartete ab, und Dennis nahm diese Gelegenheit wahr, um sich leise an Kei vorbei- und hinauszuschleichen. Colin bewegte mit geschlossenen Augen stumm die Lippen.
„... Natürlich kann ich es fassen,“ murmelte er schließlich. „Das wusste ich doch...“
„Was meinst du?“ Kei schloss die Tür und kam ein Stück näher, blieb aber mitten im Raum stehen und setzte sich dort auf den Boden.
„Das ist keine Überraschung. Es tut nur weh. Und daran kann man sich nicht gewöhnen.“ Colins Stimme war nun etwas kräftiger, sodass man sich nicht mehr besonders anstrengen musste, um in diesem stillen Zimmer zu verstehen, was er murmelte. Kei hörte nur weiter zu, in der Hoffnung, Colin würde ihm oder dem Raum mitteilen, wovon er sprach. Sein blutbedeckter Körper krümmte sich und sein weißes Gesicht verzog sich kurz, bevor er die Augen öffnete, aus denen sofort Wasser herausquoll. „Das weiß ich. Ich weiß. Aber jetzt bin ich kaputt. Ich bin nicht mehr... ich bin dafür nicht mehr...“ wimmerte er.
„Nicht mehr was?“ Kei setzte sich neben Colins Bett, blieb aber auf dem Boden mit dem Verdacht, dass Colin seinen Zustand meinte und das, was gerade mit ihm passierte. Colin hielt inne und blickte suchend auf dem Boden neben dem Bett herum, knapp neben Keis Bein.
„... Ich habe Risse. Wenn du mich weiter trittst und schlägst, machst du mich kaputt.“
Kei rutschte auf dem Boden herum, sodass er in Colins Reichweite saß. „Ich gelobe Besserung.“
Colins Blick schien sein Gesicht abzusuchen. „... Meinst du das ernst?“ flüsterte er.
„Ich werd‘s ernsthaft versuchen.“
„Und wenn du‘s nicht schaffst...“
„Die Option habe ich nicht.“
„Warum?“
„Weil ich dann auch kaputtgehe.“
Langsam schloss Colin die Augen. „Du brauchst mich als Generator. Damit du nicht stirbst.“
„Nein. Ich existiere weiterhin. Aber du sollst nicht zerbrechen.“
„Zu spät.“ Er drückte das Gesicht etwas ins Kissen und zerrte ein wenig daran. Das war dem neuen Tränenschwall geschuldet.
„Ich weiß. Aber ich kann‘s wenigstens versuchen.“
Colin weinte weiter, aber sah Kei nun wenigstens wieder an, wenn auch mit großer Hilflosigkeit. Kei nahm eine von Colins Händen, blieb dabei aber auf dem Boden sitzen.
„Warum erst jetzt?“ Colin biss die Zähne zusammen und schaffte es noch, sein Gesicht wieder im Kissen zu vergraben, bevor er schluchzen musste.
„Ich bin ein gefühlskaputter Idiot,“ war Keis sehr interpretierbare Antwort. Colin zog Keis Hand, die seine hielt, zu seinem Gesicht und legte seine Wange etwas darauf. Das führte dazu, dass Kei im Ganzen etwas schief dasaß. Er wischte ein paar Tränen weg.
„Ich kann nicht aufhören,“ flüsterte Colin mit geschlossenen Augen. „Und das tut so weh.“
„Damit, dich umzubringen oder mit weinen?“ fragte Kei ruhig und leise.
„Dich zu lieben.“
„Ich hör damit auf dir wehzutun. Vielleicht wird‘s dann besser.“
Colin schluchzte wieder, lachte dabei aber ein bisschen.
„War das sehr lustig?“ Kei sprach immer noch sehr ruhig, das leichte, ganz leichte Lächeln war ihm aber anzuhören. Langsam schüttelte Colin den Kopf.
„Kein bisschen.“ Er lächelte. Kei lächelte ein kleines bisschen breiter. Er hing noch immer etwas verdreht halb auf dem Boden und mit einem Arm auf dem Bett. Colin schloss die Augen und blieb mit seinem kleinen Lächeln so liegen, auf Keis Hand. Die strich leicht über sein Gesicht.

Derweil zeigte Dennis, der im Arbeitszimmer mit einem Ohr an der Wand neben dem Kamin klebte, Delilah und Rupert mit einem erhobenen Daumen ein ‚OK‘ an. Rupert sank in seinem Schreibtischstuhl etwas zusammen.

Nach einer Weile streckte Kei sich nach seiner Gitarre und spielte ein bisschen darauf. Dafür ließ er Colins Gesicht los. Der Junge sah zwar so aus, als schliefe er friedlich, war aber sehr wach und hörte der Musik aufmerksam zu. Kei wechselte zwischen Rock und ruhigen Stücken hin und her.
Mittlerweile war die Sonne aufgegangen, und zwischen den Wolken sogar gelegentlich zu sehen.
Es klopfte am Türrahmen. Rupert stand in der Tür. Er sah sehr müde aus. Kei sah zu ihm auf und ließ sein Instrument verstummen.
„Shall I leave you two?“ Er wusste, dass Rupert Colin gern hatte und dachte, dass er vielleicht mit ihm reden wollte. Der besorgte Mann nickte dankbar.
„Please.“
Kei stand langsam auf und verließ den Raum, nachdem er sich mit leichtem Lächeln von Colin verabschiedet hatte. Colin sah ihm friedlich nach und beobachtete dann, wie Rupert hinter Kei die Tür schloss, auf ihn zuging und auf dem Stuhl neben dem Bett Platz nahm.
Kei setzte sich neben er Tür draußen auf den Boden und spielte weiter auf der Gitarre.

Rupert sprach leise mit Colin, der sich im Laufe der Erzählung allmählich aufsetzte und zwischendurch mit wachsendem Interesse und immer mehr Lebhaftigkeit Fragen stellte.
Kei achtete nur am Rande auf das Gespräch, das er nicht gut verstand, weil seine Gitarre zwar leise aber nicht geräuschlos war. Es dauerte lang. Rupert schien viel zu erzählen zu haben, und als nach etwa zwei Stunden aus dem Bedienstetentreppenhaus am Ende des Korridors die Köchin auf ihn zugeschlendert kam, war er immer noch nicht fertig.
„Got thrown out?“ fragte die junge Frau, ohne anzuhalten. Sie war in voller Küchenmontur und trug ein Klemmbrett mit eingesauten Zetteln unter dem Arm.
„They want to talk alone,“ erklärte Kei weiterspielend. Langsam begannen seine Finger zu bluten, da er das Plektrum vergessen hatte, aber das kümmerte ihn nicht weiter. Sie nickte gleichgültig und wanderte weiter, bis sie auf der Galerie abbog und außer Sicht war. Kurz darauf verstummte das Gespräch im Raum hinter ihm und die Tür öffnete sich.
Kei schaute auf, die Hände noch an der Gitarre. Rupert sah ihn etwas überrascht an. Er sah deutlich gelassener aus als bei seinem Eintreten.
„I‘ll draw him a bath. He needs one.“ Er schaute kurz unschlüssig über seine Schulter zurück in das Zimmer. „He said I should tell you.“ Sein Ton verriet, das er selbst das für überflüssig hielt.
„That he needs a bath?“ Auf Keis Gesicht zeichnete sich die Andeutung eines Grinsens ab.
„No, that I'm going to stay with him during. I don't have to tell you why he shouldn't be by himself.“ Rupert lehnte sich an den Türrahmen, ohne die Tür ganz zu öffnen oder loszulassen und versperrte so unauffällig aber effektiv den Weg und die Sicht in den Raum.
„I wasn't going to spy on him,“ kommentierte Kei Ruperts Im-Weg-Stehen, das aufgrund der Tatsache, dass Kei sich nicht groß bewegt hatte, völlig unnötig war. Zumindest aus seiner Sicht. Er hätte aufpassen können, dass Colin nicht versuchte, sich beim Baden umzubringen, aber da Rupert anscheinend der Meinung war, dass Kei für derlei Dinge nicht geeignet war, ließ er das Argumentieren einfach bleiben. Es war wichtiger, dass Colin überhaupt am Leben war. Rupert musterte ihn kurz ernst, nickte dann und wandte sich wieder zurück in den Raum.
Kei blieb tatsächlich auf dem Boden sitzen und spielte weiter leise auf der Gitarre. Der Verstärker war ziemlich leise gedreht, sodass man schon in Colins Zimmer nicht mehr gut vernehmen konnte, was er eigentlich spielte.


Kei + Colin LXXX: Hirngespinst

| Ramin Djawadi - Light of the Seven (Game of Thrones) (Youtube) |

FREITAG
Ungefähr die zweite Nachthälfte verbrachte Colin damit, sich erst ausgiebig zu waschen und wieder anzuziehen, dann neben Kei zu sitzen und zu liegen und ihn stumm anzuschauen und dabei zwischendurch durch seine Haare und über seinen Rücken zu streichen. Als es der Uhr nach zu urteilen schon Morgen aber draußen noch nachtdunkel war, verließ er den Raum und trug seine neue alte Geige leise durch das stille Schloss, um einen Raum oder eine Nische zu finden, wo er spielen konnte, ohne ein Störenfried zu sein. Als sicherste Alternative fiel ihm die künstliche Höhle im Park ein, also machte er sich bald auf den Weg dorthin, gerade als der Himmel im Osten etwas blasser wurde. Kei schlief tief und friedlich wie tot.
Im Laufe des Morgens klopfte es an Keis Zimmertür. Kei gab darauf nur ein leises Grummeln von sich als Zeichen, dass er das Geräusch wahrgenommen hatte. Nach einigen Minuten wiederholte sich das Klopfen.
"Hello? Anybody alive in there?" erklang Ruperts Stimme aus dem Flur.
"Yeah... Come in..." gab Kei zurück. Inzwischen trug er Boxershorts, lag aber immernoch auf der Decke.
Zögerlich und mit einem vorsichtigen Rundumblick öffnete Rupert die Tür und betrat den Raum. Sein Blick blieb auf dem halbnackten Kei auf der misshandelten Bettdecke liegen.
"Good morning. Where's Colin? He isn't answering." Er zeigte mit einem Daumen in Richtung des gemeinsamen Badezimmers.
"Don't know exactly... Listen for his music, maybe he's taking a walk." Kei sah Rupert verschlafen an. Colin war nicht schwer zu finden, wenn Kei sich konzentrierte, konnte er ihn spielen hören.
"So you didn't kill him last night, that's a relief." Rupert nickte, scheinbar zufrieden mit der Antwort. "Tomorrow night there's going to be a gala - a ball of sorts, here in the castle. It's a local thing. You can attend if you like, but if not, then I'd appreciate it if you didn't wander around the castle for its duration."
Kei schmunzelte. "I wouldn't kill him... I couldn't do this again if he was dead... Would I scare your guests if I wandered around?" Kei war nicht der Typ für solche Feierlichkeiten - was am ehesten daran lag, dass er nie zugegen war, wenn sie stattfanden.
Rupert schmunzelte dreckig. Er schob die Hände lässig in die Hosentaschen.
"No, but you live here. So when there are guests around this is a public place, and it would be inappropriate. As I said, you can come down as a guest if you like, or stay up here in the... living quarters." Er sah kurz aus dem Fenster. "Or you could help Dennis. He and his people are providing additional security. Of the invisible kind." Hierbei wedelte Rupert geheimnisvoll mit einer Hand und wackelte konspirativ mit den Augenbrauen.
"So they are basically not to be seen. Sounds like a funny day. I'll find me a guitar if that's appropriate." Das wollte er eh schon eine Weile machen. Vielleicht war es ausnahmsweise mal kein Problem, wenn er in die nächste Stadt fuhr.
Rupert nickte. "I'll drive into town today anyway. I'll take you." Er sah auf seine Armbanduhr. "At two."
"Thanks. I'll be ready then. If you are still going to look for Colin, he's outside in the garden - this direction." Er deutete in die Richtung, aus der Colins Musik zu leise hören war. Rupert winkte nur friedlich ab, verabschiedete sich mit einem freundlichen Nicken und verließ den Raum. Kei stand bald darauf auf und ging duschen.

Die leicht verwilderte Wiese mit den Birken und Weiden, die die kleine künstliche Grotte umgaben, bot den perfekten Hintergrund für Colins Stimmung. Bis die Sonne vollständig aufgegangen war, improvisierte er irgendwas zusammen, das zu dieser Landschaft zu passen schien, und danach noch eine Weile. Er hätte noch den halben Tag da stehen können, wenn ihn nicht die Gedanken an Kei und an Essen zurücktrieben. Also ging er gemächlich zurück, diesmal zwischen den Beeten entlang.
Wie am Tag zuvor gab es Frühstück in diesem Salon. Der Tisch war nicht wieder so festlich gedeckt, aber dennoch ein Füllhorn an Appetitlichkeiten, das einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

Nach ausgiebiger Dusche zog Kei sich an und trocknete seine Haare. Seine Stiefel waren von der langen Reise ziemlich malträtiert und seine Hose war zwar sauber, aber an den Knien völlig zerrissen. Kei störte das nicht. Das silberne Plektrum, das Colin ihm vor Jahren in Tokyo gegeben hatte und die Yenmünze nahm er eigentlich nie ab. Ein schwarzes Tanktop und seine - ebenfalls schon lange mitgereiste - Lederjacke vervollständigten sein Outfit - kurzum, er sah eigentlich aus wie immer.
Langsam schlenderte er nach unten, nicht des Frühstücks wegen, er wollte eigentlich nur rauchen. Er passierte die offene Tür, während Colin gerade auf dem reich gedeckten Tisch herumschaute und sich hinsetzte. In einer abgedeckten Schüssel hatte er rohes Fleisch und Innereien entdeckt. Diese nassglänzenden Batzen hatten ihn etwas schockiert, aber er war sich sicher, dass das nur daran liegen konnte, dass er nicht damit gerechnet hatte, auf diese Weise berücksichtigt zu werden. Oder dass hier überhaupt jemand so genau über seine Essgewohnheiten bescheid wusste.
Von der Schüssel, die er dreist auf den Teller vor sich gestellt hatte, blickte er zur Tür auf, als Kei vorbeispazierte. Kei blickte kurz durch die Tür, sah zu Colin und lächelte leicht. Mit der Zigarettenschachtel in seiner Hand machte er deutlich, dass er nach draußen wollte. Colin nickte ihm zu und krempelte sich die Ärmel hoch. Das hier würde eine blutige, schleimige Angelegenheit werden.
Kei ging weiter. nach draußen vor die Tür. Ganz zivilisiert. Er zündete sich eine Zigarette an und sah sich auf dem Grundstück um, soweit er es zusehen bekam.
Nach wenigen Minuten folgte Colin ihm. Als die große Tür zur Eingangshalle zufiel und er draußen die Treppe hinunterwanderte, war er noch damit beschäftigt, sich die blutigen Finger abzulecken. Sein Sweatshirt war sauber, doch seine Hände waren bis zu den Unterarmen und sein Mund über die Wangen bis zum Kinn voller Blutflecken. Kei stand ein wenig abseits der Treppe als er Colins Schritte hörte. Der Geruch von Blut war schon oben wahrnehmbar gewesen, bevor er sein Zimmer überhaupt verlassen hatte. Kei wandte seinen Blick Richtung Tür. Colin betrachtete seine Hände, während er auf ihn zuging und sich neben ihn stellte. Kei hielt ihm die Schachtel hin und begutachtete die Sauerei auf Colins Gesicht. Leicht amüsiert. Colin zog sich eine Zigarette heraus. Kaum dass er sie im Mund hatte, war sie auch schon rotbeschmiert. Kei grinste leicht und musterte Colins Gesicht weiter.
"Du kannst doch nicht das ganze Blut verschwenden und dir das Gesicht beschmieren," merkte er an.
"Das meiste habe ich getrunken." Mit erhobenen Händen deutete er an, dass er es direkt aus der Schüssel getrunken hatte. "Zünd ma an hier." Er winkte mit der Zigarette. Kei grinste weiter, während er Colins Zigarette anzündete. Dann fing er an zu lachen. Colin blinzelte schmunzelnd durch den Rauch, der ihm in die Augen kroch. "Du siehst so echt gut aus, weißt du?"
Kei schaute ihn fragend an. Nicht wissend, ob Colin das Lachen oder die merkwürdige Normalität dieses Morgens meinte. Dass Kei als dastehendes gutaussehendes Wesen gemeint sein könnte, kam ihm nicht in den Sinn, da er nicht anders aussah als sonst.
Colin deutete vage auf ihn. "So... fröhlich."
Kei wusste nicht mehr, wann er das letzte Mal so drauf gewesen war. Musste eine Weile her sein. Ihm fiel auf, dass er zum ersten Mal seit Langem nichts an einem Tag auszusetzen hatte. Das war gut. Lange würde das sowieso nicht anhalten.
"Ich geh mich wieder waschen," kündigte Colin an und hockte sich hin, um den Stummel an der Treppenstufe auszukratzen. Kei stimmte ihm bei dieser Idee zu kopfnickend zu. Er kniete sich relativ elegant neben seinen Freund und küsste ihn. Colins Überraschung und das darauffolgende Grinsen dauerten ungefähr anderthalb Sekunden, bis er den Kuss erwiderte. "Nicht zu nah," murmelte er.
"Warum?" Wirklich viel Gelegenheit zum Antworten ließ er dem Kleineren nicht.
"Hmblut..." Dessen Rausch setzte nun auch richtig ein. Oder es war Kei. Egal.
Kei grinste daraufhin nur. Das war der Grund Colin eben nicht nicht zu nahe zu kommen. Er biss dem Kleineren auf die Lippe, nicht allzu fest, aber so, dass es blutete. Mit einem kleinen Brummen beschwerte Colin sich und wedelte etwas mit den Armen. "Du misshandelst mich," murmelte er schmunzelnd.
"Niemals," kam von Kei zurück, dem man das Schmunzeln anhören konnte.
"Wenn du deinen Freund auffressen möchtest, kannst du das bitte drinnen tun? Ihr seht gerade sehr nach Gewaltverbrechen aus." Dennis war scheinbar aus dem Nichts neben ihnen vor der Tür erschienen. Er trug einen schwarzen Anzug, einen Mantel und eine Sonnenbrille. Kei präsentierte ihm seinen Mittelfinger. Er war nicht wirklich daran interessiert, Colin in Ruhe zu lassen. Ihn aufzufressen war allerdings auch keine ganz optimale Lösung. Irgendetwas dazwischen war gut. Trotzdem ließ er kurz von seinem Freund ab und musterte Dennis. Zuhälter, war das erste, das ihm einfiel.
Diese Gelegenheit nahm Colin wahr, um hastig aufzustehen. Verlegen und ohne ihn anzusehen, ging er auf Dennis zu, der gerade die Tür aufstieß und Keis Finger mit einem kleinen Kuss in die Luft beantwortete. Kei erhob sich ebenfalls und drückte den Rest seiner Zigarette aus, die nicht mehr als solche bezeichnet werden konnte.
Hinter Dennis, der etwa zehn Sekunden brauchte, um die Treppe zu erklimmen und von der Galerie zu verschwinden, schlüpfte Colin in die Eingangshalle. Er brauchte für seinen ähnlichen Weg etwas länger.
Kei ging, ein paar Minuten und noch eine Zigarette später, ebenfalls wieder hinein. Bis zwei Uhr hatte er noch einiges an Zeit.

Ganz leicht verlegen begab Colin sich still in sein Zimmer und von dort aus in das gemeinsame Badezimmer, wo er sich mit hochgekrempelten Ärmeln das Gesicht und die Hände mit einem Waschlappen gründlich sauberrubbelte. Seine Mütze lag derweil auf dem Bett herum.
Der Vampir ging auch langsam in sein Zimmer zurück. Das tat er jedoch nur, weil er Zeit totschlagen und ein neues Feuerzeug holen wollte – das alte war ziemlich leer, wie er festgestellt hatte. Danach ging er wieder nach draußen. Er setzte sich auf das Vordach des Haupteingangs und beobachtete die Leute, die kamen und gingen, wenn sie das denn taten. Derer gab es wenige. Um genau zu sein, nur zwei. Die erste Person war Jane, die einmal die Stufen hinaufjoggte und schon nach sehr kurzem Aufenthalt in der Eingangshalle wieder hinunterging, nur etwas langsamer. Sie bog zügig zu dem Gebäudeteil ab, in dem sich die Garagen und der Seiteneingang befanden.
Die zweite Person war Colin. Er trug nun zu seiner Mütze noch eine Jacke. Nachdem er zuerst oben auf der Treppe angehalten hatte um sich umzusehen, tat er nun noch das gleiche auf dem Platz vor ihr. Er schien nach etwas Ausschau zu halten. Und schien es nicht zu finden. Mit den Händen in den Jackentaschen wandte er sich wie Jane nach links und ging gemächlich los. Er schien es eilig zu haben, sich aber zu etwas ruhigerem Schritt zu zwingen.
„Wohin des Weges?“ rief Kei vom Dach seinem Freund hinterher. Der hielt plötzlich an und blickte sich ruckartig um, bis er Kei auf dem Vordach erspähte. Anstatt verbal zu antworten, zog er nur mit einem Lächeln eine Hand aus der Jackentasche und zeigte mit einem Finger auf Kei.
„Dann komm hier hoch,“ entgegnete Kei grinsend und beugte sich vornüber, Richtung Colin. Der legte nur mit trockenem Blick den Kopf etwas schief und zog eine Augenbraue hoch.
„Klar, ich nehm nur schnell noch Flugstunden,“ sagte er in moderater Redelautstärke, zuversichtlich dass der Vampir ihn gut genug hören konnte. Noch immer grinsend sprang Kei, sich mit einem Handstand vom Vordach rollend, hinunter und landete vor Colins Füßen.
„Die brauchst du nicht für die drei Meter.“
„Meinst du, das kann ich springen?“ fragte Colin mit zweifelndem Blick nach oben. „Leichtathletik ist nicht so mein Ding. Oder überhaupt Athletik.“ Er war innerhalb der letzten Wochen durch seine Flucht- und Grubenkampfsituation etwas wehrhafter, etwas stärker und beweglicher geworden, aber Fassadenklettern und Hochsprünge von mehreren Metern waren natürlich ausgesprochene Fantasterei.
„Springen nicht, okay, aber du kommst da hoch. Die Wand ist alt und bietet viele Haltemöglichkeiten.“ Für Kei war das einfach, er hatte keine Probleme mit Klettern, Springen, oder dem Erreichen von Festhaltemöglichkeiten. Die Wand wenige Meter hochzulaufen ginge auch noch. Nur Fliegen konnte er nicht.
Colin trat neben der Treppe an die Wand heran und blickte an ihr hoch. Kei folgte ihm dahin und blieb etwa einen Meter entfernt stehen. Colin hatte durchaus Lust, einen ernsthaften Kletterversuch zu starten. Die Fassade war alt und hatte viele kleine Vorsprünge und Haltemöglichkeiten in Form von Fensterbänken, Abflussrohren, verschiedene Nischen und Kanten im alten Mauerwerk und sogar Efeu. Doch sie waren hier Gäste, wenn er das richtig verstanden hatte, und wurden von Rupert aus reinem guten Willen ausgehalten. Er bot ihnen nicht nur diese Zuflucht, sondern fütterte sie auch durch und kleidete sie ein. Es wäre sehr respektlos, an seinem Haus herumzuklettern, besonders, wenn man es noch gar nicht konnte. Nach etwa einer Minute der Nachdenklichkeit sah Colin ihn mit neutralem Blick an.
„Du siehst aus, als wäre dir gerade ein sinnvoller Grund eingefallen, nicht an diesem Haus hochzuklettern,“ merkte Kei an, nachdem er Colins nicht viel sagendes Gesicht studiert hatte und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Es gibt hier sicher noch andere Möglichkeiten, wo du üben kannst.“
„Viele Bäume.“ Colin zuckte mit den Schultern. „Du kennst dich doch hier aus, oder? Was hat es mit dieser Höhle auf sich? Ist das ein Schrein oder sowas?“
„Weiß ich nicht, ich bin vielleicht einmal dort gewesen.“
„Sie ist interessant.“ Er hätte beinahe ‚schön‘ gesagt, wollte aber nicht sentimental wirken.
„Ich weiß nur, dass niemand oft dort hingeht. Du bist der Einzige, der sich öfters dahin verirrt.“
Colin legte den Kopf etwas schief. Er war zweimal bei der künstlichen Grotte gewesen, und nie war Kei dabeigewesen. Er hatte sie auch nie erwähnt. „Stalkst du mich wieder?“
„Nein, warum?“ Kei wunderte sich, wie Colin auf diese Idee kam. Er wusste einfach, dass sein Freund schon mehr als einmal dort gewesen war.
„Verarschst du mich jetzt? Woher weißt du, dass ich ‚öfter‘ da war?“ Colin sah skeptisch aus, aber ruhig.
Gute Frage. Kei dachte nach. Tatsächlich hatte ihm niemand erzählt, dass Colin dortgewesen war. Er war ihm auch nicht nachgelaufen oder zufällig dort vorbeigekommen.
„Keine Ahnung.“
Colins sardonischer Blick machte deutlich, dass er Kei nicht glaubte. Er wandte sich um und ging los.
„Wohin gehst du?“ erkundigte sich Kei ruhig. Er wusste es wirklich nicht. Wenn Colin ihm nicht glaubte, war das nicht sein Problem, auch wenn das, was er erzählte nicht wirklich glaubwürdig war. Das wusste er ja selbst, aber eine Beweispflicht hatte er nicht.
„Stalker!“ rief Colin in die Luft vor sich und marschierte weiter auf die Wiese zu, die die Blumenbeete säumte, hinter denen zwischen Gesträuch und Nadelbäumen die Birken und Weiden um die kleine Höhle herumstanden. Kei seufzte. Jetzt zu schreien: ‚Nein!‘ hätte keinen Zweck, also ließ er es, ging dem Kleineren aber nach.
Gemächlich, und Keis Anwesenheit bewusst, wanderte Colin zwischen den Beeten hindurch. Er fragte sich, ob er zu ihm aufholen oder ihn einfach nur verfolgen würde. Kei ging einen Schritt schneller, sodass er nach einer Weile zu ihm aufgeholt hatte. Wohl wissend, dass Colin ihn sowieso bemerkt hatte. Allerdings wollte er auch gar nicht unbemerkt sein. Stumm gingen sie langsam durch die wuchernden Pflanzen. Colin sah nachdenklich aus. Kei betrachtete ihn von der Seite.
Trotz des aufgeschlagenen Kragens und der Strickmütze, die Colin tief in der Stirn und über den Ohren saß, konnte man sehen, dass seine Haare immer noch kurze Stoppeln waren. Er behielt die Hände in den Jackentaschen und sah hauptsächlich vor seine Füße. Nur, wenn er nachschauen wollte, ob sie sich noch auf dem richtigen Weg befanden, schien er aus seinen Gedanken aufzuwachen und blickte kurz auf. Kei ging stumm neben ihm her und achtete nicht groß darauf, wo sie überhaupt hingingen. Nach nicht mehr als einer Viertelstunde traten sie zwischen die ersten Birken.
„Hier sind Blumen und Grabkerzen,“ sagte Colin leise. Wahrscheinlich wusste Kei das längst.
„Ob hier jemand beerdigt wurde?“ Kei kannte sich auf dem Gelände gut aus, sprach aber eigentlich nie über das, was er zu sehen bekam. Das Grab – wenn es denn eins war – kannte er tatsächlich schon, wem es gedacht war, wusste er nicht. Er war nicht besonders scharf darauf, in den Angelegenheiten von Toten herumzuwühlen, die Lebenden interessierten ihn mehr.
„Ich habe keine Gräber gesehen,“ sagte Colin. Die vertrockneten Blumen und die Lichter lagen, standen und hingen allesamt im Inneren der Grotte mit den als natürliche Felsform getarnten Reliefs. Er setzte sich auf die leere Steinbank in der Mitte. Neben dem Eingang stand ein Wasserschälchen, in dem ein paar frische weiße Blüten lagen.
„Irgendwer kümmert sich jedenfalls um diesen Ort, warum auch immer,“ sagte Kei, während er sich genauer umsah. Das war ein schöner Platz, kein Wunder, dass Colin ihn mochte. Der drehte sich gerade so auf der Bank herum, dass er sich bequem auf ihr auf den Rücken legen konnte. Die Hände faltete er auf dem Bauch und seine Füße standen auf beiden Seiten auf dem Boden. Kei trat an ihn heran und musterte ihn, ehe er sich auf das Stück Bank setzte, das Colins Beine zum Sitzen freigaben. Colins Blick schweifte von der Decke auf Keis Gesicht. Er lächelte ein bisschen. Auf Keis Gesicht war der Anflug eines Ausdrucks, der mal ein Lächeln werden wollte, zu sehen, wenn man genau hinsah. Kei saß etwas schräg auf der Bank um einigermaßen vernünftig sitzen zu können, weshalb Colin nur ein halbes Gesicht zu sehen bekam.
„Wohnen wir jetzt hier?“ fragte Colin nach einer Weile und ohrfeigte sich innerlich dafür, dass er eigentlich etwas ganz anderes hätte sagen sollen. Wollen. Oder vielleicht auch besser nicht. Er wollte nicht sentimental wirken. Er begnügte sich damit, Kei weiter zu mustern und seine Gedanken und Gefühle dabei hinter einer Maske aus neutralem Interesse und freundlicher Aufmerksamkeit zu verstecken.
„Dann müssen wir zum Duschen aber immer rein gehen,“ erwiderte Kei leise lachend. Sein Blick wanderte von Colin durch die ganze Grotte, soweit er sie einsehen konnte. Colin grinste.
„Ich meine das Schloss, du Genie.“
„Ach so. Ich denke schon. Ich finde zwar, es hat mehr von Hotel als von Zuhause, aber vielleicht ändert sich das ja noch.“ Kei kannte nur ein richtiges Zuhause, aber das hatte er ewig nicht gesehen und es existierte auch nicht mehr.
Du willst also mitmachen? Mit Dennis gegen die Instanz kämpfen?“ Colin stützte sich auf die Ellbogen, um Kei genauer anzusehen. Ich will darüber gar nicht reden. Vielleicht ist das hier das beste, das uns passieren konnte. Doch Colin wollte immer noch weglaufen und mit Kei irgendwo seine Ruhe haben. Wie in Brasilien. Die Highlands waren sehr einsam, und Kei wollte sowieso mal nach Schottland... Colin runzelte die Stirn und zwang den Gedanken weg. Zumindest versuchte er es halbherzig, malte sich aber immer noch aus, wie sie abgeschieden in einer Hütte auf einem grünen Hügel lebten, Schafe hüteten und am Abend auf einer Bank im Garten Pfeife rauchten und Whisky tranken. Wenn sie beide nun wirklich unsterblich waren, konnten sie so die Instanz überleben und vielleicht schon in ein paar Jahrzehnten als Fremde in die Zivilisation zurückkehren. Dann würden sie beide mit Musik ihr Geld verdienen, vielleicht mal wieder Freunde haben und Kei könnte endlich Rockstar werden.
Colin blinzelte und fokussierte Kei wieder. Er hoffte, dass er seine Antwort nicht vor lauter Träumen überhört hatte.
„Ich will nicht ständig wegrennen müssen und irgendwelchen Irren begegnen, die versuchen uns umzubringen. Und auf Einsiedlerdasein hab ich auch keine Lust.“ Kei sah an die Wand.
Colin musterte ihn stirnrunzelnd. Er hatte doch nichts laut ausgesprochen? Du Wichser kannst hypnotisieren und Gedanken lesen? versuchte er Kei auf einen idiotischen Impuls hin telepathisch mitzuteilen.
Kei, der immer noch Richtung Wand sah, spürte Colins Blick auf sich. Was auch immer der Kleinere jetzt für ein Problem hatte, Kei hatte keine Ahnung. „Was ist?“ fragte er ruhig.
„Was soll ich machen? Bloß hier versteckt bleiben? Mich wollen sie nicht dabeihaben.“
„Haben sie dir das gesagt?“ Kei würde nicht alleine dort bleiben und Colin allein gehen lassen. Ihm hatte das in Südamerika gereicht.
„Ja. Sie verstecken uns beide, aber mithelfen sollst nur du. Als ich Dennis gefragt habe, was ich tun kann, hat er nur gesagt, dass Rupert meine Gesellschaft sehr freuen würde und ich ja einfach ganz viel Geige spielen könnte.“ Colin richtete sich auf, bis er rittlings auf der Bank saß.
Sie glauben, dass du ihnen entweder nicht nützlich bist, oder sie haben einen Beschützerinstinkt entwickelt und wollen nicht, dass dir was passiert.“ Das will ich auch nicht. „Wenn du helfen willst, dann musst du mit ihnen reden... Ich werde dich nicht davon abhalten.“ Kei lehnte sich zurück, sodass er mit dem Kopf auf Colins Schoß lag.
„Das habe ich doch versucht. Ich glaube, dass sie mir nicht vertrauen wollen, nachdem... danach. Nach dem...“ Er winkte und wackelte etwas mit der Hand, an der er in seinen Kämpfen die Eisenklauen getragen hatte, dann ließ er sie sinken und streichelte Kei damit sachte durch die Haare. „Und weil ich mich im Schlaf selbst umbringen will... Ich bin nicht vertrauenswürdig. Das ist wahrscheinlich das Problem. Um ehrlich zu sein, habe ich auch gar keine Lust, an einem Krieg teilzunehmen. Aber wenn dus machst, lasse ich dich nicht allein.“
Für Kei war Colin die einzige vertrauenswürdige Person, die er kannte – und er kannte sehr viele Personen. Da war das suizidale Schlafwandeln egal. „Ich will keinen Krieg. Ich will ein Leben, aber das kriege ich nur, wenn die Wichser tot sind, denn vorher lassen sie uns nicht in Ruhe.“ Colins Zeigefinger strich über seine Lippen. Kei lächelte leicht.
Wer weiß, wie lange das dauern wird... Das überleben wir wahrscheinlich nicht, weißt du? Wir können zwar nicht mehr konventionell sterben, aber ich glaube nicht, dass wir unzerstörbar sind.“ Mit den Fingerspitzen zeichnete Colin langsam und sachte Keis Augenbrauen und die Konturen seiner Wangenknochen nach.
„Ich pass auf, dass du nicht draufgehst.“ Aufpassen, dass ihm nichts passierte konnte er zwar versuchen, aber das funktionierte ja nicht immer. Dass Colin starb, würde er schon verhindern – wenn sein Freund sich nicht in seiner Abwesenheit selbst äußerst effektiv umbrachte. „Wir können aber auch nicht weglaufen, nicht ewig. Die finden uns doch überall.“
Colin blickte bedauernd zur Seite und auf den Boden. Er wollte das nicht ganz glauben. In Südamerika waren sie der Instanz scheinbar über ein Jahr lang aus dem Weg gegangen, ohne überhaupt von ihr zu wissen. Vielleicht waren sie auch mit Absicht in Ruhe gelassen worden, aber das kam ihm unwahrscheinlich vor. Kei wollte abrechnen und Colin konnte ihm das nicht verübeln. Er hielt seine Knie und starrte nachdenklich auf die Wand, wo ein Ritter und eine in ein flatterndes Laken gehüllte Frau gegen einen verschnörkelten Lindwurm kämpften.
Kei sah an die Decke, die sich auch als verziert entpuppte. Wer auch immer diese Höhle geschaffen hatte, hatte sich sehr viel Mühe gegeben.
„Wenn wir sie soweit haben, dass sie uns nicht mehr nachrennen und uns suchen, gehen wir irgendwohin, wo wir Ruhe haben. Die Welt anzusehen macht keinen Spaß mit einem Gewehr im Rücken,“ sagte er leise. Lange an einem Ort bleiben konnte und wollte Kei nicht. Dafür war die Welt zu groß.
Colin schwieg noch ein paar Minuten.
Glaubst du nicht, dass wir vielleicht nicht... echt sind?“ fragte er schließlich leise. „Also... wir beide. Dass das, was wir haben, künstlich ist?“ Er starrte immer noch die Frau und den Lindwurm an.
„Wenn dem so wäre, würde ich dich nicht ständig vom unfreiwilligen Selbstmord abhalten... Der scheint dir ja irgendwie programmiert zu sein... Weißt du, wie spät es ist?“
„Keine Ahnung – was, wenn du das nur tust, weil du dazu programmiert wurdest, auf mich aufzupassen? Vielleicht muss bei denen nur einer mit den Fingern schnipsen oder ein Wort sagen und du vergisst das hier sofort alles? Was wenn -“
„Das wissen wir, wenn‘s soweit ist. Ich kann nicht hellsehen und ich hab keine Ahnung, was die mit mit uns gemacht haben – ich will einiges auch gar nicht wissen.“
„Aber wenn – wenn wir nur so eine Spielerei sind und alles was wir tun so vorgesehen war, dann ist das alles hier nur so eine Art Simulation und ich liebe dich gar nicht wirklich, und du liebst mich nicht -“
„Fresse, Colin! Du denkst zuviel.“
„Und du zuwenig!“ Colin rutschte auf der Bank zurück, sodass Keis Kopf von seinem Schoß herunterrutschte. Kei setzte sich auf.
„Was bringt es dir, all das wissen zu wollen, als schlechte Laune? Ich hab keine Antworten, niemand hier hat Antworten. Die kriegen wir nur, wenn die Instanz tot ist, also hör auf, dich jetzt damit verrückt zu machen.“
„Ich bin schon verrückt! Das alles hier ist wahrscheinlich nur Einbildung und ich bin in Wirklichkeit immer noch in der Grube -“ Colins weit aufgerissene Augen waren nun nass und sein Blick flackerte gehetzt durch die Höhle. „Ich habe jedesmal geglaubt, ich hätte das schwarze Loch nur geträumt und der Traum wäre Wirklichkeit -“ Kei drehte sich um und nahm Colin in den Arm.
„Du bist vielleicht verrückt, aber das hier ist die Realität.“ Er war kurz davor, seinem Freund eine zu scheuern, damit er wach wurde. Colin vergrub sein Gesicht in Keis Halsbeuge.
„Ich weiß! Solange, bis ein kleines Detail... nicht stimmt... und ich wieder aufwache. Wenn ich hier einschlafe, wache ich da auf, wenn ich da die Augen zumache, wache ich hier auf,“ murmelte er in Keis Kragen. Kei erwiderte nichts darauf. Sie wussten beide, dass Colin beschissen schlief und Alpträume hatte, das mussten sie nicht breittreten. „Eins davon ist real. Jetzt das hier, und du. Und heute nacht die Zelle. Was passiert, wenn ihr die Instanz nicht besiegt? Dann versaut ihr mir noch das hier und ich habe gar nichts mehr.“ Er umklammerte Kei fest und krallte seine Finger auf dem Rücken in dessen Jacke. „Dann ist diese Einbildung vielleicht für immer weg,“ flüsterte er eindringlich.
„Das ist keine Einbildung, aber es wird nicht lange dauern, wenn die Instanz uns nicht in Ruhe lässt,“ sagte Kei ruhig. „Ich will das nicht kaputtmachen, aber es soll länger sein als ein paar Tage.“ Ein paar Tage waren für Kei nicht lang. Sie waren für ihn wie längere Stunden und er hätte sehr gern länger Ruhe vor der Instanz als einen gefühlten Tag.
Colin wich etwas zurück, um Kei anzusehen. „Das hier ist Einbildung,“ erklärte er ihm mit nassen Augen. Dabei wirkte er so ruhig, dass er es nur ernst meinen konnte. Nun lächelte er traurig. „Bald wache ich wieder auf.“
„Nein. Es ist real, aber du wirst bald einschlafen und Alpträume haben.“ Kei sprach ebenfalls ruhig. Colins Zustand war bedenklich, aber ändern konnte er ihn auch nicht. Das musste Colin zu einem sehr großen Teil selbst machen – wenn er konnte. Kei konnte nur da sein und Colin erzählen, was echt war und was nicht. Glauben musste der Kleinere es selbst.
Das schien just in diesem Moment nicht der Fall zu sein, denn er lächelte Kei nur etwas mitleidig an, als er sagte: „Wir wohnen in einem Schloss, komm schon. Wie realistisch ist das? Rupert beschenkt mich mit Antiquitäten und Maßanzügen. Da drüben neben dem Eingang steht ein Foto von meiner Mutter auf dem Boden. Und du bist heute viel zu fürsorglich und gut gelaunt. Das kann nicht die Realität sein.“ Colin sah ihn an, als wolle er seine Reaktion beobachten.
„Ich kann auch gerne mies gelaunt sein, wenn dir das besser gefällt,“ entgegnete Kei. Das Schloss und die Geschenke ließ er unkommentiert. Reiche Leute gehörten in die Realität. Zugegeben, das alles war merkwürdig. Es wunderte ihn, dass ihm ausgerechnet seine bis vor Kurzem noch völlig unbekannten Halbgeschwister über den Weg liefen und ihm erklärt hatten, sie kämpften gegen die Typen, die für alles verantwortlich sind. Das war alles merkwürdig und eher Stoff für Filme, aber es war real. Kei wunderte nichts mehr. Er würde auch an die Existenz von Jedi oder Elfen glauben, wenn man ihm das beweisen konnte. Ein Mann, der zwei umherstreunende Jungs bei sich aufnahm, damit sie nicht getötet wurden, war wirklich nicht unnormal.
„Rupert mag dich einfach und er hat viel Geld, ich glaube, er kann es sich leisten, nett zu dir zu sein ohne böse Hintergedanken.“
„Ich unterstelle ihm keine Hintergedanken.“ Colin ließ Kei los. „Ich unterstelle ihm, ein Hirngespinst zu sein. Und dir auch.“ Er legte sich zurück und faltete wieder die Hände auf der Brust. Mit den Knien wackelte er ein bisschen, sodass sie ein paarmal gegen die Sitzflächenkante der Bank stießen. „Das ist aber okay. Ich schätze, es kann mir auch egal sein, ob du echt bist. Ich kann sowieso nichts ändern. Der echte Kei ist vielleicht längst tot oder froh dass ich nicht mehr da bin.“ Er zuckte mit den Schultern. „Und wenn nicht, dann kommt er schon über mich hinweg, schätze ich. Und ich habe dich, also komme ich wohl klar.“ Colin klang sanft und betont gleichgültig.
Und er brauchte einen Psychologen. Kei wollte nicht, dass Colin glaubte, die Realität, die ausnahmsweise mal nicht aus äußerster Lebensgefahr bestand, sei unecht, weil sie eben nicht furchtbar gruselig und tödlich war. Die Vorstellung, ein Hirngespinst zu sein behagte ihm nicht – vor allem, weil er wusste, dass er keins war.
Kei stand auf. Er wollte immer noch wissen, wie spät es war und mit Rupert in den Ort fahren um eine Gitarre zu kaufen. Ablenkung würde ihm sehr gut tun. Ein Anflug von Normalität vielleicht auch. Kei machte sich Sorgen um Colin, aber bei dem, was der durchgemacht hatte, würde es noch eine ganze Weile dauern bis er wieder normal denken konnte.
„Ich muss los.“
„Cheerio,“ ließ Colin mit einem lässigen Winken verlauten und betrachtete weiter die graue Decke.


Friday, July 22, 2016

Kei + Colin LXXIX: Vergebung


Kei verließ den Raum eine Weile später und machte es sich auf dem Dach des Schlosses bequem, wo er oft gesessen hatte, bevor die Rettungsaktion für Colin begonnen hatte. Er legte sich hin. In T-shirt, Jeans und Stiefeln lag er auf dem Dach herum und hing seinen Gedanken nach. Er würde definitiv nicht auf Knien um Vergebung betteln.

Derweil hatte Colin kurz auf einem Fensterbrett in seinem Zimmer gelegen und in den grauen, windigen Nachmittag gestarrt. Aber nur ein paar Minuten lang. Dann beschloss er, das luxuriöse Badezimmer zu nutzen und begab sich hinein. Eine Viertelstunde später lag er in der großen Badewanne und betrachtete die dicke, duftige Schaumdecke von unten. Er versuchte, einzuatmen und seine Lungen mit Wasser zu füllen. Das würde ihn nicht umbringen. Er wollte nur wissen, wie es sich anfühlte.
Nicht angenehm. Er erstickte nicht, aber es fühlte sich dennoch so an. Er bekam plötzlich das dringende Bedürfnis, Luft zu holen und das warme Wasser wieder aus sich herauszuzwingen, und das tat weh. Eilig tauchte er wieder auf und spuckte das Wasser zuckend wieder aus.
Was soll ich hier eigentlich machen? Wir kämpfen gegen die Instanz, aber wie kann ich da helfen? Ich bin als Keis Anhängsel hier. Weil er ohne mich nicht mitmachen würde. Ich bin seine Batterie. Colins Gedanken schweiften nach Bolivien ab. Ohne Kei war er fantastisch klargekommen. Er war unglücklich gewesen, aber erfolgreich. Er war vor Allem seine eigene Person gewesen.
Das Wasser war längst kalt und schaumlos, als er es endlich ablaufen ließ und sich abduschte. Er fand einen großen, weichen blauen Bademantel, mit dem er in sein Zimmer zurückging, um darin herumzustöbern. Es langweilte ihn nur sehr schnell, und so zog er sich Dennis' Kleider wieder an – auch den Mantel und die Mütze – und machte sich auf, das Gelände um das Schloss herum zu erkunden.

Kei lag noch immer auf dem Dach. Dass es mittlerweile später geworden und dunkel war, störte ihn nicht im Geringsten.

Die Stunden bis zum Sonnenuntergang hatte Colin damit verbracht, durch den halbverwilderten Park und einen Teil des angrenzenden Waldes zu streifen. Dabei hatte er zwischen einer kleinen Gruppe von Birken und Weiden eine künstliche Grotte entdeckt, in deren Wände und Decke verwundene Figuren gemeißelt waren. Hinter dem Eingang hing knapp über Kopfhöhe eine kleine Laterne, in der ein trauriger alter Wachsklumpen lag, aber auf dem Boden waren vertrocknete Blumen und einige Grabkerzen verteilt, die zum Teil noch brannten. In der Mitte der kleinen Höhle stand eine breite Marmorbank. Colin nahm sich die leuchtenden Grabkerzen und stellte auf die Bank. Dann setzte er sich daneben und sah sich die merkwürdigen Formen an den Wänden an.

Kei blieb die ganze Nacht auf dem Dach sitzen, auch der einsetzende Regen vertrieb ihn nicht von dort. Auch nicht, als er klatschnass wurde und das Wetter sich nach einer Stunde Regen nicht zu bessern schien.

In der Tat wurde der Regen nur noch stärker – das Rauschen des Schauers auf den Blättern weckte Colin auf, der in der Höhle eingenickt war. Der Blick nach draußen verriet ihm nicht, wie spät es war, und Zeitgefühl besaß er sowieso nicht mehr, also beschloss er ganz willkürlich, dass es bestimmt längst Zeit zur Rückkehr war und ging zum Schloss zurück.
Er brauchte ein bisschen, um sich durch den grauen Regenschleier zu orientieren, fand den Weg aber leicht wieder und ging gemächlich durch den dunklen Park. Zwischendurch beschlich ihn der starke Verdacht, vom Weg abgekommen und in einem Blumenbeet gelandet zu sein, denn der Untergrund wurde zeitweise struppiger und matschiger, während er auf das große Gebäude zuging. In Gedanken entschuldigte er sich bei Dennis für das, was er seiner Hose und seinen Schuhen antat, als er sich gerade von etwas stacheligem, das er in der Finsternis nicht sehen konnte, losriss.
Es sind DocMartens. Die können das ab. Hoffte er.

Irgendwann war Kei in dem Regenschauer eingeschlafen, mit der Frage im Kopf, ob er sich eigentlich erkälten würde, wenn er da blieb. Egal...

Nach dem Abspülen der Schuhe und der Hose und anschließendem Aufhängen seiner Kleider im Badezimmer – Handtuchtrockner sind so praktisch – sah Colin nach, ob Kei nebenan angekommen war und nahm schulterzuckend zur Kenntnis, dass dies nicht der Fall war. Also legte er sich in seinem dicken Bademantel auf das Bett und sah aus dem Fenster, wo sich der dichte Regen langsam zu einem waschechten Herbststurm auswuchs.

Der nächste Morgen ließ viel zu lange auf sich warten, doch irgendwann kam er. Der Regen hatte aufgehört, doch der Himmel wurde schon wieder grau, sobald die Sonne aufgegangen war. Rupert hatte Colin abgeholt und zum Salon gebracht, wo die Nichtvampire üblicherweise ihre Mahlzeiten einnahmen. Nun saß Colin allein mit Rupert an einem sehr großzügig ausstaffierten Frühstückstisch, mit antikem Teeservice und silbernem Toastständer...
„Is it like this every morning or is this an exception?“ fragte Colin überrascht, während er vorsichtig mit einer silbernen Zange ein Stück Zucker aus einem Kristallschälchen in seine Meissener Teetasse beförderte.
„It's an exception,“ gab Rupert schmunzelnd zu. „All to impress you.“ Er grinste auf seine zusammengefaltete Zeitung, aber beobachtete Colin weiter aus dem Augenwinkel. „Didn't Dennis give you more clothes?“
Colin sah an sich herunter. Die Kleider waren noch etwas feucht und rochen auch so.
„No. It's not his job to clothe me, is it?“ Er zuckte mit den Schultern. Rupert grinste.
„No. If you want, I can take you into town today and we'll get you something.“

Als Kei aufwachte stellte er fest, dass er vollkommen durchnässt war. Er stand auf und machte sich auf den Weg in sein Zimmer, tropfte dabei den Boden voll und hinterließ eine nasse Spur, wo er entlangging.
Es klopfte an der Tür.
Kei, noch immer klatschnass, öffnete.
„Äh. Ist alles in Ordnung?“ Colin sah ihn ein bisschen überrascht an.
„Bin draußen eingeschlafen,“ antwortete Kei sein Aussehen erklärend und trat von der Tür weg um sich die nassen Kleider auszuziehen. Seine Haut war noch kälter als sonst.
Da er die Tür nicht geschlossen hatte, tat Colin das einfach mal, nachdem er eingetreten war. Er sah Kei beim Ausziehen zu, wobei er mit jedem bisschen Haut, das zum Vorschein kam, verlegener wurde. Ihm war nicht bewusst, wie er starrte, während er betont lässig aussehen wollte, mit den Händen in den Hosentaschen und auf seinen Lippen kauend.
Kei machte es nichts, von Colin angestarrt zu werden. Vollständig unbekleidet ging er ins Bad und nahm sich ein Handtuch um sich abzutrocknen.
„Du bist nicht nur hier um mich zu fragen, weshalb ich klatschnass durch den Flur laufe, oder?“
„Nein. Ich wollte wissen, wies dir geht,“ sagte Colin schulterzuckend. Er war ihm nachgegangen und stand nun in der Tür des Badezimmers. Augenblicklich kratzte er sich verlegen den Kopf, auf dem mittlerweile wieder Stoppeln sichtbar waren. Scheinbar juckten die etwas.
„Nass und kalt,“ sagte Kei leise, während er sich in ein großes Handtuch wickelte um wenigstens nicht mehr nass zu sein. Er hatte es tatsächlich geschafft – er fühlte sich unterkühlt! Das war neu.
Und ganz sicher nur möglich, weil er draußen eingeschlafen war. Nicht unbedingt wiederholungsbedürftig.
„Hmf,“ gab Colin von sich, der für das Handtuch dankbar war, denn er hatte große Mühe gehabt, seinen Blick nicht unter Keis Bauchnabel schweifen zu lassen. Aber etwas enttäuscht war er trotzdem. „... Und sonst?“ Er stand noch immer in der Tür.
Du willst die Entschuldigung immer noch, oder? Kei schob sich an ihm vorbei, aber nur, um sich trockene und sogar wärmende Sachen anzuziehen – eine Jogginghose, die er im Schrank gefunden hatte und eine Sweatshirtjacke. Unterwäsche hielt er nicht für notwendig. „Aushaltbar.“
Colin sah sich nach etwas stabilem um, mit dem er Kei bewerfen konnte. Dazu hatte er gerade Lust. Die Kristallflasche mit dem Rasierwasser schien ihm ungeeignet.
„Wunderbar,“ sagte er also nur und ging langsam durchs Badezimmer zu seiner Tür. „Ich bin mit Rupert weg.“
„Viel Spaß.“ Kei legte sich auf sein Bett und tat etwas, das er noch nie getan hatte. Sich aufwärmen. Zusammengerollt lag er da und wartete, bis unter der Decke die Kälte aus seinem Körper wieder verschwinden würde.
Nach einem fast neutralen Blick zurück schloss Colin seine Badezimmertür und holte sich Mantel und Mütze.

Rupert brachte ihn nach Lancaster hinein. Colin kam die Stadt größer und schicker vor, als er erwartet hatte. Rupert sagte, das liege an der Universität und dem Tourismus. Immerhin gebe es hier viele historische Bauten und eine direkte Verbindung zur Königin.
„She's the Duke of Lancaster, you know.“
Colin grinste. „I didn't. The queen's a duke, fancy that.“
Direkt am Fluss, wo selbst bei diesem bedeckten Himmel an einem Wochentag – Rupert sagte, es sei Donnerstag – auf einer Promenade vor den Geschäften viel los war, führte Rupert ihn lässig spazierend zu einer Boutique, die ziemlich teuer und exklusiv aussah. Als Colin bemerkte, worauf sie zusteuerten, hielt er kurz vor dem Eingang an.
„Just so we're clear on this: We're shopping for clothes – for you?“ Er sah belustigt aus. Rupert grinste und schüttelte den Kopf.
„We're getting you a fancy frock,“ korrigierte er. „I've got enough.“
„I know you're rich, but I'm not, and frankly, I'm not that into tailored tails,“ erklärte Colin abwinkend. „I'm not your age,“ fügte er hinzu, woraufhin Rupert sich mit gequältem Blick an die Brust packte.
„Not my age, ouch. How old are you then?“ Er schlenderte weiter die Schaufenster entlang, von dem feinen Zwirnladen weg. Colin musste etwas nachdenken. Seinen letzten Geburtstag hatte er als Angel in Bolivien verbracht. Da hatte er sechzehn werden sollen und nun war es wieder Herbst.
„About seventeen?“
„Hm, how old do you think I am?“
„About forty?“
„Shockingly accurate,“ gab Rupert nickend zu. Er nickte zu einem Schaufenster, in dem vage humanoid gestaltete Plastikröhren jugendlichere Kleidung zur Schau trugen.

Endlich aufgewärmt ging Kei durch das Haus. Auf der Suche nach Dennis, der ihm hoffentlich sagen konnte, wie man hier Langeweile loswerden konnte. Da er nicht wusste, wo hier wer war, rief er einfach durch die Gänge. „Dennis?“
Colin schien wirklich von ihm zu erwarten, dass er wusste, was er hören wollte. Kei schob den Gedanken für eine Weile beiseite.
Es antwortete ihm niemand.

Am Nachmittag fuhr der silberne Audi vor, hielt neben dem trockenen Springbrunnen und spuckte Rupert und einen neu eingekleideten Colin aus. Seine zwei großen Tüten mit den alten und neuen Kleidern trug er beschwingt in sein Zimmer, wo er alles verstaute, bevor er nach Kei zu suchen begann. Der saß mittlerweile wieder in seinem Zimmer und langweilte sich. Das war grausam! Wie konnten die es hier nur den ganzen Tag aushalten... Bei der nächsten Gelegenheit würde er sich eine Gitarre besorgen.
Vom Badezimmer aus klopfte es an seiner Tür.
„Komm rein.“ Er wusste, dass das Colin war – jeder andere würde die Tür zum Korridor benutzen. Die zum Badezimmer öffnete sich nun und Colin trat hindurch und schloss sie sorgfältig hinter sich. Er trug eine schwarze Strickmütze, ein dünnes, enges schwarz-rotgestreiftes Hemd mit langen Ärmeln und Kapuze, enge schwarze Jeans mit Ledergürtel und ebenfalls neue Socken. Ohne großen Auftakt oder eine richtige Begrüßung ging er auf Keis Bett zu und kletterte darauf, um sich im Schneidersitz zu ihm zu setzen.
„Neu eingekleidet? Hast du auch was von dem Ort gesehen?“
„Ja, wir sind an der Lune entlanggegangen und waren zum Mittagessen beim Bahnhof. Der sieht von außen wie eine Kirche aus. Hier ist das meiste ziemlich alt. Und das Alte sieht hier sehr cool aus.“ Colin lächelte und zog sich die Ärmel über die Hände. „Was hast du gemacht?“
„Mich umgesehen und mich gelangweilt.“ Das tat er immer noch.
„Langeweile ist ein Symptom von Fantasielosigkeit.“ Hat meine Mutter immer gesagt. Und dann hat sie dafür gesorgt, dass ich keine Zeit mehr für Langeweile hatte.
Auf allen Vieren krabbelte er dichter an Kei heran, um eine Hand auf seine Wange zu legen und ihn zu küssen. Kei wollte protestieren und sagen, dass er keine fünf Jahre alt war und sich Spielchen ausdachte, weil er nichts zu tun hatte, kam aber nicht mehr dazu. Er erwiderte den Kuss von Colin gierig.
Damit hatte Colin nicht so richtig gerechnet. Er hatte den Kuss kurz und keusch halten wollen. Nun musste er eine Sekunde lang belustigt schmunzeln, bis ein beinahe schmerzhaftes, schäumendes Kribbeln über seine Haut und ihm durch die Brust geradewegs in den Schritt raste.
„Hm,“ sagte er fast stimmlos.
Kei warf Colins Plan über den Haufen ohne davon gewusst zu haben und zog den Kleineren noch ein Stück dichter zu sich. Das führte dazu, dass er entweder auf ihn fallen oder über ihn klettern musste, und er entschied sich für letzteres. Ohne den mittlerweile gar nicht mehr unschuldigen Kuss zu unterbrechen, setzte er sich rittlings auf Keis Schoß. Der fand das eine sehr gute Idee und erhielt den Kuss aufrecht während er Colins neues Shirt nach oben schob. Colins Arme lagen derweil auf Keis Schultern und bewegten sich kurz hinunter, als er den Kopf ein bisschen zurückzog, um sein Shirt wieder hinunterzuziehen.
„Entschuldige dich,“ flüsterte er.
„Entschuldigung. Ich bin ein Idiot,“ entgegnete Kei nicht lauter, während sich in seinem Kopf die Frage formte, ob Colin auch einen Entschuldigungsblowjob akzeptierte, wenn ihm eine verbale Entschuldigung nicht ausreichen sollte.
Tat sie aber anscheinend. Colin zögerte etwas, war aber von dieser simplen, winzigen, späten, oberflächlichen Einsichtigkeit so bezaubert, dass er Kei nur wieder küssen konnte. Er kannte diesen Irren jetzt seit zwei Jahren, da wusste er in etwa, was er von ihm erwarten konnte.
„Stimmt,“ sagte er noch Keis warmem Mund, bevor er den Kopf wieder zurückzog, um sich das Shirt selbst auszuziehen. Wundersamerweise rutschte seine Mütze dabei nicht mit herunter.
Kei hätte nicht damit gerechnet, schob das aber schnell beseite. Grinsend erwiderte er den Kuss und hielt Colin am Nacken fest, nachdem der sein Shirt ausgezogen hatte. Diese leichte Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit bewirkte bei Colin dasselbe wie etliche Male zuvor: Er bekam das dringende Bedürfnis, auch den Rest seiner Kleidung loszuwerden, und Keis noch dazu. Also rupfte er Keis Shirt an seinem Rücken hoch, während er sich ungeduldig an ihn drückte und dabei ausnutzte, wie nah die Beule, die sich deutlich in Keis Hose abzeichnete, seinem Schritt war.
„Idiot,“ murmelte er abwesend mit Keis Zunge zwischen seinen Lippen, „denk nach bevor du den Mund aufmachst...“
Kei ließ Colin los, sodass dieser ihm das T-shirt ausziehen konnte. Als Antwort bekam er ein zustimmendes „Hm...“ das soviel hieß wie 'Okay... nächstes Mal...'
Als Keis T-shirt irgendwo hinter Colin auf dem Bett landete, stieg er von Kei herunter, um hinter ihn zu kriechen. Das nutzte Kei dazu aus, seine Hose loszuwerden. Colins Hose konnte er schlecht loswerden, wenn der Kleinere hinter ihm saß, aber der konnte selbst dafür sorgen.
Seine Beine rechts und links von Kei sortierend, saß Colin hinter ihm und strich mit den Fingern und den Lippen sachte über seinen buntbestochenen Rücken. Dieses Kunstwerk war etwa anderthalb Jahre lang stetig gewachsen. Er wusste gar nicht mehr, wie viele verschiedene Tätowierer daran gearbeitet hatten. Und jeder hatte seinen eigenen Stil hinterlassen und die zarte Geisha bunter, plastischer und lebhafter gemacht. Dieses Bild hatten sie ihm in der Grube nicht vorgaukeln können, daran hatte Colin seine Halluzinationen immer entlarven können. Mit der Stirn auf Keis Schulter fuhr er mit ein paar Fingern die zierlichen Konturen der Geisha entlang. Kei lächelte leicht und lehnte sich einfach zurück. Gerade, als Colins Hand um ihn herum auf Keis Schritt gewandert war und in seine Boxershorts griff, klopfte es an der Tür. Colin ignorierte das Klopfen und machte gemütlich weiter, massierte ihn und küsste seinen Nacken. Kei tat es ihm gleich und ließ den Klopfer, wer auch immer das war, vor der Tür stehen. Eine kurze Weile genoss er, was Colin tat ehe er sich umdrehte, sodass er über seinem Freund kniete und küsste ihn fordernd.
Das Klopfen wurde auch nur einmal wiederholt und verstummte dann. Gierig erwiderte Colin den Kuss, nagte an Keis Unterlippe und zog an seinem Lippenring. Er zog seine Hand, die gerade noch über Keis Haut strich zurück, um sich aufstützen zu können. Der Vampir drückte Colin leicht in Richtung Matratze. Wenn der Klopfer was wichtiges wollte, würde er später wiederkommen. Grinsend machte Kei sich daran, mit einer Hand Colins Hose zu öffnen.
Colin legte sich zurück, in den weichen Kissenberg an seinem Rücken, und hob das Becken an um Kei zu helfen. Als seine Hosen und Socken sich schließlich zum Rest ihrer Kleidung gesellten, schmunzelte er und versuchte, zur Seite wegzukriechen. Kei hielt ihn leicht grinsend auf. Er gab sich dabei nicht wirklich Mühe, sondern wollte nur sehen, wie Colin reagierte. Der hielt inne und drehte sich dann um, um mit ausgebreiteten Armen sein Gesicht in den dicken Kissen zu vergraben. Das diente hauptsächlich dazu, sein etwas rotwerdendes Grinsen zu verbergen, und die Kissenbezüge waren angenehm kühl. Kei lachte.
„Das war nicht das, was du vorhattest.“
Colin begab sich auf alle Viere, damit er über seine Schulter Kei ansehen konnte.
„Naja, aber fast.“ Peinlich, peinlich, peinlich. Er kniete sich vor Kei hin, nahm ein kleines Kissen und drückte es sich aufs Gesicht. Kei schmunzelte belustigt und legte sich fast auf Colin, sodass er dessen Gesicht dicht an seinem hatte, während er ihn mit seinem Gewicht sanft vornüberbeugte.
„Und was hattest du vor?“
Verschämt schloss Colin die Augen. Keis dreiste Stimme kroch ihm kitzelnd ins Ohr. Und er lag fast nackt auf ihm. So ein Gefühl... Er wusste nicht, ob er jetzt sprechen konnte.
„So ungefähr... das hier...“ flüsterte er. Keis Gewicht war nicht hoch, aber es drückte ihn sicher und angenehm in den weichen Untergrund. Was genau er diesmal von Kei wollte, würde er nicht im Detail ausformulieren. Niemals. Aber das sollte auch nicht notwendig sein. Wenn er nun schon praktischerweise so splitterfasernackt auf dem Bauch unter ihm lag, würde Kei sehr bald von selbst auf die richtige Idee kommen.
Tatsächlich verging nicht wirklich viel Zeit bis Kei seine Boxershorts loswurde und zu den restlichen Kleidungsstücken auf den Boden verbannte. Das gestaltete sich als ein klein wenig umständlich, weil er seine Position über Colin nur minimal veränderte.
Grinsend biss er seinem Freund in die Schulter als er in ihn eindrang. Besonders vorsichtig war er dabei nicht.
Vorsicht wurde überbewertet.
Schmerz. Au... Colins Gesicht war praktischerweise bereits halb im Kissen vergraben, und so biss er hinein und dämpfte damit sein rauhes Stöhnen. Er versuchte, sich etwas zu entspannen und nicht von Kei weggedrückt zu werden. Heiß...
„Hh... ja, genau...“
Kei benötigte eigentlich gar keine ausformulierte Antwort seitens des Kleineren, dessen Stöhnen war eindeutig genug, aber er hatte nichts dagegen, verbalisiert zu kriegen, dass seine Tat gefiel. Mit einer Hand stützte er sich auf der Matratze ab und mit der Rechten hielt er Colins Hüfte fest, während seine Stöße bald schneller und härter wurden.
Der rauhe, drückende Schmerz war bekannt aber jetzt nach... Wochen? Nach der Reise, der Gefangenschaft und den Kämpfen und dem verbitterten Schweigen der letzten Tage sehr frisch und neu und das beste Gefühl, das Kei ihm geben konnte. Er stützte sich so gut er konnte auf, um Keis Stößen zu begegnen und nicht einfach in die weiche Matratze gerammt zu werden. Die Kissen behielt er mit den Armen fest umklammert, um damit sein Stöhnen und nun auch die Schreie zu dämpfen. Dass die Kissen dabei nass wurden und er auch weiter unten auf die Decke tropfte, nahm er nicht wahr.
Kei bemerkte nicht, dass auch seine Finger in Colins Haut blutige Spuren hinterließen - es war ihm auch schlichtweg egal, er war anderweitig beschäftigt, als damit, zu merken, dass er das Laken ruinierte. Kei war vermutlich unten noch zu hören, aber das war nur in sofern noch zu hören, dass niemand auch nur versuchen würde, an die Tür zu klopfen.

Draußen auf der Galerie über der Eingangshalle blinzelte die Köchin und blickte verwundert und halb amüsiert in den Gang zu den Schlafzimmern, während Rupert und der Butler durch konzentriertes Stirnrunzeln und häufiges Räuspern über ihre eigene Verlegenheit hinwegzutäuschen versuchten. Sie hatte längst verstanden, was sie von ihr wollten, aber tat aus bloßer Boshaftigkeit so, als bedürfe der Plan noch weiterer Erläuterung. Es machte einfach zu großen Spaß, dabei zuzusehen, wie die beiden sich wanden.

Mittlerweile zum zweiten Mal begann Colin zu zittern, und diesmal sackte er beinahe zusammen. Keis Krallen und, gelinde gesagt, der verdammte BAUMSTAMM in ihm hielten ihn davon ab.
"HELL YES..."
Keis Gesicht, das Colin nicht sehen konnte - glücklicherweise, wenn man Kei gefragt hätte - war eine Mischung aus Anstrengung, Erregung und Drogenvollrausch. Ungefähr zeitgleich mit dem Beinahezusammensacken seines Freundes, das er nur bedingt wahrnahm, kam Kei mit leicht heiserem Stöhnen. Mit einer durch die Kissen gedämpften Mischung aus Wimmern und Schluchzen verkrampfte Colin sich noch einmal zitternd und hielt dann still, als er versuchte, seinen rasenden Atem unter Kontrolle zu bringen. Gegen seinen donnernden Puls konnte er nichts machen. Er rollte den Kopf etwas zur Seite, auf eine kühlere, trockenere Stelle, und atmete zitternd durch. Kei ließ sich auf ihn fallen. Das machte nichts, denn der Vampir war viel leichter als er aussah. Colin konnte ihn problemlos hochheben, wenn er wollte. Er beruhigte seinen Atem etwas und lauschte dem Herzschlag des Kleineren.
Das angenehme Gewicht hinderte ihn am Zittern, das war Colin sehr recht. Die Nähe auch. Er wollte nach Kei greifen, einem Arm oder einer Hand, aber fand, dass er sich nicht so richtig bewegen konnte.
"Ich bin aus Pudding. Schaum," flüsterte er schließlich.
Er bekam "Gern geschehen," als Antwort. Kei legte seine blutige Hand neben die von Colin, das Blut daran realisierte er langsam aber auch nur, weil es klebrig wurde. Colins Finger krochen langsam zwischen seine blutigen.
"Make up sex is brilliant," nuschelte Colin.
Kei erwiderte leise grinsend: "Sex is always brilliant." Er blieb auf Colin liegen und legte sein Gesicht in Colins Halsbeuge ab.