Monday, June 27, 2016

Kei + Colin LXXVII: A small indentation


In ihrem Zimmer angekommen kramte Kei nach frischen Kleidungs-stücken. Er fand eine nicht gelöcherte, leicht enge schwarze Jeans und ein dunkelgraues T-shirt. Zusammen mit frischen Boxershorts zog er beides an. Um den Hals trug er seine Plektrumkette und die alte Yenmünze. Beides nahm er nur sehr selten ab.
Colin fand im Schrank auch Socken, eine schwarze Jeans, ein schwarz-weißes Sex Pistols-T-shirt und Boxershorts für sich. Als er seine Haare aus dem Kragen des T-shirts zog, fühlte er darüber und wollte gleich in einen Spiegel sehen.
"Ich brauche einen Kamm. Oder stehen mir Dreadlocks?" Er schmunzelte dünn.
"Nimm den Kamm." Kei schmunzelte und suchte sich noch ein Paar Socken. Seine Haare ließ er nass und wirr von seinem Kopf hängen. Erst nach dem Anziehen fiel ihm auf, dass das T-shirt, das er trug, mit dem Logo der japanischen Band 'X' bedruckt war.
"Schau mal, Heimat zum Anziehen."
Colin lächelte matt. "Wem gehören die Kleider?"
"Keine Ahnung. Jetzt uns schätze ich." Kei zuckte mit den Schultern.
Nach einem zufriedenen Blick auf die beiden Anhänger, die vor Kei baumelten, öffnete Colin die Tür.

"Na endlich," rief Dennis vom Küchentisch aus. Vor ihm lag eine ausgebreitete Zeitung. Frau Quan saß auch am Tisch und hielt eine dampfende Tasse fest, während sie auf eine Zeitungsseite guckte. An der Küchenzeile neben dem Herd lehnte Delilah.
"Man wird ja wohl noch duschen dürfen," kommentierte Kei Dennis' Ausruf und setzte sich an den Tisch. Colin musterte alle Anwesenden vorsichtig und setzte sich zögerlich dazu, neben Kei. Dennis musterte ihn mit seinem gütigen, offenen Blick, Frau Quan lächelte fürsorglich und stand auf, und Delilah starrte Colin unverhohlen an. Sie hörte auch nicht damit auf, als sie ihren Kaffeebecher hob und daraus trank. Kei wendete sich dem Frühstück zu und ließ seine Verwandten unbeachtet. Er verhalf sich zu einer Tasse Kaffee. Irgendwann ging ein fragender Blick von ihm zu Delilah.
Frau Quan quakte ein bisschen in ihrer fremden Sprache, aber viel sanfter und netter als Kei sie bisher gehört hatte, und schien Colin damit sein Frühstück anzubieten. Der riss seinen Blick von Delilah los, um zu nicken und den Kopf zu schütteln, sodass nach dieser ziemlich einseitig scheinenden Verständigung schließlich eine Tasse Tee, Milch, Toast, Butter und Orangenmarmelade vor Colin standen.
"Thanks," murmelte er leise, fast unhörbar, aber Frau Quan schien das wahrgenommen zu haben, als sie sich lieb lächelnd wieder setzte.
Delilah traf Keis Blick mit ihrem ausdruckslosen, dann sagte sie etwas mit einer Hand. Kei schaute zu Dennis.
"Übersetzung bitte." Der Vampir war leicht genervt davon, dass Delilah nicht sprechen konnte, aber das konnte er nicht ändern. Dennis sah zu Delilah, mit skeptisch hochgezogener Augenbraue, und sie hob ihre eigenen und nickte streng.
"... War es das wert..." grummelte Dennis verlegen und kratzte sich am Kopf. Es war ihm offenbar unwohl bei der Äußerung.
Colin sah vom Milch- und Zuckereinrühren in seinen Tee zu Dennis auf, dann zu Delilah, die Kei weiter ungerührt ansah.
"War was was wert?" Kei mochte keine Rätsel. Er wollte ganze Aussagen, keine nicht mal halben.
Dennis atmete angespannt ein und kniff die Lippen zusammen, als er zu Delilah blickte, die ihre Tasse hinter sich gestellt hatte, um mit beiden Händen zu sprechen. Nun war ihr Gesicht nicht mehr so ausdruckslos, sondern sah beinahe vorwurfsvoll aus.
"Er dort, ihn im Badezim- nein, das übersetze ich nicht."
Delilah sah Dennis streng an und schlug neben sich auf die Arbeitsfläche.
"... dafür haben wir unser Leben aufs Spiel gesetzt und unsere Anonymität aufgegeben - Ist der da ein so guter - Das übersetze ich nicht!" Dennis wandte sich wieder seiner Zeitung zu, während Delilah ihn wütend anstarrte.
"Red weiter. Ich will's wissen," sagte Kei völlig unaufgeregt. Delilah nahm einen scheinbar wütenden Schluck Kaffee. Dennis sah vorsichtig zu Frau Quan, als ob er damit sichergehen wollte, dass sie wirklich kein Japanisch konnte, ehe er antwortete.
"... Ist er ein so guter Fick..." Er räusperte sich verlegen und guckte dann furchtbar beschäftigt in seine Zeitung. Delilah blickte herausfordernd zu Kei.
Colin spuckte seinen Tee zurück in die Tasse.
Kei fing an zu lachen. Er guckte Delilah mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Das müsstest du wissen, wenn du zugehört hast," entgegnete er. Dennis musste auch lachen. Colin sah amüsiert lächelnd zu Kei und dann zu Delilah. Die schaute verdutzt und musste dann ebenfalls schmunzeln.
Sie sagte etwas.
"Das war abgrundtief dämlich," übersetzte Dennis lachend.
"Was war abgrundtief dämlich?" fragte Kei, seinen Kaffee trinkend.
"Die Rettungsaktion. Zu gefährlich. Zu riskant," sagte Dennis.
"Ist dabei jemand..." meldete Colin sich leise zu Wort, und Dennis verstummte, um ihn anzusehen. "... ist dabei jemand gestorben? Oder verletzt worden?" Colin saß verkrampft da und sah Delilah vorsichtig an. Sie verneinte mit einem langsamen Kopfschütteln.
"Also... ich bin froh, dass ihr's gemacht habt," sagte Colin seinem Marmeladentoast.
Betretene Stille.
"Danke."
"Wäre sie ungefährlich gewesen, wäre ich nicht daran beteiligt gewesen," meldete Kei gelassen. Ich auch. Allein hätte ich das niemals geschafft.
Colin sah ihn an. Ernsthaft? Musst du jetzt einen auf Macho machen?
Dennis schmunzelte belustigt.
"Gern geschehen," sagte er.
Delilah stellte ihre Tasse wieder ab und ging forsch auf Colin zu. Kei schmunzelte leicht und widmete sich seinem Essen. Colin sah zu Delilah auf, vorsichtig überrascht. Sie streckte eine Hand aus. Zögerlich ergriff Colin sie. Sie nickte.
In ihrem Gesicht war noch der Ansatz eines freundlichen Lächelns zu erkennen. Colin konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, genau so etwas schon einmal gesehen zu haben.
Kei leerte seine Tasse.
Als sie seine Hand losließ, blickte Colin von Delilah zu Dennis, und dann zu Kei. Die drei weiter reihum musternd, begann er damit, sein Marmeladenbrot zu essen. Kei betrachtete die Szene essend. Er hatte ganz vergessen, dass Blut, Zigaretten, Colin und Alkohol nicht das einzige auf der Welt waren, das schmeckte. Auf Colins Blick hin zuckte er mit den Schultern. Delilah war ihm ein Rätsel.
"Ihr seht alle gleich aus," sagte Colin plötzlich.
Dennis blickte auf. Colin erschrak.
"Äh. Ich meine-"
"Wir sind alle verwandt," merkte Kei an.
Colin nickte.
"Die zwei haben den gleichen Vater wie ich," erläuterte Kei, um letzte Verwirrung aus dem Weg zu räumen.
Colin nickte wieder. Und musste grinsen.
"Was?" Kei blickte ihn fragend an.
Dennis sah ihn an und grinste auch, sah dann aber schnell wieder auf die Zeitung. Delilah stellte ihre Tasse in die Spüle und ging einfach aus der Küche. Frau Quan blätterte gemütlich um und schien sich um nichts um sie herum zu scheren. Colin schüttelte den Kopf, musste sich aber zurückhalten, um nicht noch ein Geräusch zu machen und womöglich gar zu kichern.
Kei beschloss, dass es sinnlos war, weiter zu fragen und aß seinen Teller leer. Colins Gedanken waren sicher interessant.
Sie waren ein paar Jahre zurückgeschweift, als Kei ihm erzählt hatte, dass er keine Familie hatte, oder jedenfalls keine von der er wusste. Seitdem waren sie seinem Vater, seiner Tante und ihren zwei Kindern, und jetzt noch zwei Geschwistern begegnet.
Für Kei war diese ganze familiäre Situation, wenn man es denn so nennen konnte, sehr ungewohnt. Er hatte wirklich geglaubt, keine Geschwister oder Verwandten mehr zu haben - die Tatsache, dass er allein lebte, obwohl er minderjährig war, hatte seine Theorie unterstützt. Sein Leben kannte keine Ordnung, also blieb einfach fast nichts, wie es mal war.
"Wem gehören die Kleider?" fragte Colin schließlich, als die vorzügliche Toastscheibe verschmaust war.
"Wie viele Geschwister habe ich eigentlich? Ich bezweifle, dass es nur euch und die Plagen von meinem lieblichen Tantchen gibt."
Dennis rieb sich nachdenklich das Kinn.
"Hm. Weiß ich auch nicht. Deine Mutter hatte keine anderen Kinder, das weiß ich. Aber was Kira so getrieben hat... ich kenne auch nur dich, Delilah und Misato. Das heißt aber nicht viel."
Kei vermutete, dass nicht alle seine vielleicht existierenden Verwandten ihm so freundlich gesonnen waren, wie diese beiden. Er war so frei, sich weiterhin als Einzelkind zu betrachten.
"Er wird jedenfalls nicht noch mehr zeugen."
"Danke nochmal dafür. Applaus," sagte Dennis leichtherzig. "Das sind übrigens meine Kleider. Gewesen." Er nickte zu Colin, der daraufhin an sich hinuntersah. Kei musterte seinen Freund, dann Dennis.
"Du hattest einen guten Musikgeschmack."
"Hatte?" Dennis hob die Augenbrauen. Kei lachte darauf einfach nur. Colin grinste.
"Später kommt noch die richtige Nahrung," sagte Dennis ruhig. Kei nickte knapp.
"Wie geht's jetzt eigentlich weiter?" wollte er wissen. Ewig konnten sie schließlich nicht hierbleiben.
"Wir müssen hier noch ein bisschen ausharren, bis wir sicher sein können, dass wir unentdeckt geblieben sind. Dann können wir ins Schloss zurück."
Frau Quan faltete ihre Zeitung zusammen und stand auf. Nach einer weiteren stummen Konversation mit Colin gab sie ihm mütterlich lächelnd noch zwei Scheiben Toast, die er gleich großzügig einzubuttern begann.
"Gut, soweit war ich auch, aber was machen wir dann?"
"Dann geht der Kampf weiter. Hoffentlich mit dir."
"Hm." Kei fragte sich, wie lange das wohl so gehen würde, aber gegen Straßenschlachten mit Vampiren hatte er nichts einzuwenden. Der Körper des Vampirs wollte Blut statt Toast. Den Hunger befriedigte Kei sonst mit Zigaretten, das half ein wenig.
Dennis musterte ihn gespannt. Keis Reaktion schien ihn zu freuen. Dann wandte er sich Colin zu.
"Gleich kommt ein Arzt für dich," sagte er mit einer Hand am Kinn, Colin vorsichtig musternd. Colin hielt mit dem Marmeladentoast im Gesicht inne, biss dann ab und nickte.
Frau Quan räumte klappernd um den Herd herum auf.
Kei drückte den Stummel seiner Kippe aus und wandte sich Colin zu. Musterte ihn und dann Dennis. Ich find nicht, dass er einen Arzt braucht, aber gut... Er nahm sich noch ein Brot und beschmierte es mit Mett. Essen brachte nichts, schmeckte aber.
Dennis las gemächlich weiter seine Zeitung, während Frau Quan aufräumte und saubermachte und Colin und Kei aßen.

Nach etwas über zehn Minuten klingelte es an der Tür. Dennis stand auf und ging aus der Küche. Colin hatte den Rest seines Tees ausgetrunken und sah angespannt zur Küchentür. Frau Quan schien sich nicht darum zu kümmern.
Aus dem Flur kamen Männerstimmen. Kei drehte sich in Richtung der Stimmen. Eine Gefahr konnten die Männer nicht sein, da keiner sich groß zu kümmern schien.
"Kei, Frühstück," meldete Dennis von nebenan, aus dem Wohnzimmer, wo allgemeines Rascheln andeutete, dass sich mehrere Personen versammelten und niederließen. Der Japaner stand auf und ging nach kurzer nonverbaler Verabschiedung von Colin in den Raum, aus dem Dennis' Stimme kam. Das wurde auch langsam Zeit, seine letzte richtige Mahlzeit lag bestimmt drei Tage zurück.
Im gutbürgerlich eingerichteten Wohnzimmer saßen zwei Männer in grauen Overalls auf den Sesseln und ein dritter, ebenfalls in Handwerkermontur, stand vor dem Kamin. Sie sahen zu Kei und grüßten ihn.
"These are Jimmy, Tom and Dave," stellte Dennis vor, indem er nacheinander auf jeden zeigte. Jimmy, der Stehende, schien der älteste von ihnen zu sein, um die vierzig vielleicht, und die anderen beiden schienen etwa zehn Jahre jünger zu sein. "This is Kei, my brother."
Die Männer nickten, aber nur Dave sagte knapp: "Hello."
Er und Tom krempelten ihre Ärmel hoch und legten ihre Arme auf die Armlehnen ihrer Sessel.
"They're allies, and they've agreed to this," erklärte Dennis.
"It seems that we have a lot of allies," kommentierte Kei, der sich ein umbringbares Frühstück erhofft hatte. Das behielt er jedoch lieber für sich. Hauptsache Blut. Töten war zweitrangig, zumindest heute. Dafür schrien seine Eingeweide einfach zu laut nach Nahrung.
Während Dennis sich vor den rothaarigen Tom kniete und dessen Unterarm nahm, erschien Colin in der Tür. Stumm ging er langsam zum Klavier in der Ecke, setzte sich dort auf den Hocker und sah zu. Kei bediente sich an Daves Unterarm. Er bekam Colins Eintreten zwar mit, war aber völlig mit seinem Tun beschäftigt. Frisches Blut. Er musste nur darauf achten, den Mann nicht umzubringen. Sich zu benehmen war so anstrengend!
Dennis trank von Tom, gemächlich und genüsslich, während der seinen Kopf auf die Lehne zurücklegte und die Augen schloss. Dave tat das gleiche. Kei trank etwa einen halben Liter Blut von ihm bevor er mit zufriedenem Blick von dem Mann abließ. Colins Blut war besser, aber dem konnte er nicht ständig welches abnehmen.
Als Dennis fertig war, leckte er sorgfältig über die Wunde in Toms Arm und sah zu, wie sie sofort zu bluten aufhörte. Tom und Dave atmeten beide auf. Kei war so freundlich, Daves Wunde ebenfalls zu schließen. Erst dann sah er in Richtung Colin. Mit leichtem Lächeln auf dem Gesicht. Colin lächelte ein bisschen zurück.
Dennis erhob sich und bedankte sich. Jimmy brummte und ging in die Küche, aus der er beinahe sofort wieder heraustrat, mit einem Tablett voller Essen und Getränke für Tom und Dave.
Kei stand auf und schlenderte zu Colin, küsste ihn. Etwas schüchtern erwiderte Colin den Kuss.
Die anderen, außer Dennis, sahen ihnen kurz zu, bis das Essen zwischen ihnen auf dem kleinen Beistelltisch stand. Kei ließ sich von ihnen nicht stören, doch Colin zog bald den Kopf zurück und drückte gegen Keis Schulter. Es schien ihm nicht richtig, diesen fremden Männern hier jetzt diese Vorstellung zu geben. Grinsend ließ Kei von ihm ab.
Verlegen schob Colin sich die verfilzten Strähnen hinter die Ohren und stand auf.
"Nice to meet you," sagte er leise zu den Männern und schob sich peinlich berührt an Kei vorbei. Die Männer sahen ihn nur an und nickten, teils lächelnd. Dennis schmunzelte etwas.
Kei lehnte sich an das Klavier. "Habt ihr noch mehr Instrumente?" Er richtete das Wort an Dennis.
"Nicht hier," antwortete der.
Colin schlich in die Küche zurück, wo er Frau Quan beim Aufräumen half.
Schade... "Hm..." Kei brauchte Ablenkung. "Kann man hier rausgehen?" Er wollte das wissen, bevor es wieder eine Prügelei gab. Er wollte sich bewegen und irgendetwas zu tun haben. Abwarten bekam ihm nicht.
Dennis legte wieder einmal seine Hand aufs Kinn und betrachtete Kei zum gefühlten hundertsten Mal nachdenklich, bevor er den Mund aufmachte.
"Verkleidet... ja. Aber nicht mit Colin," sagte er schließlich.
Kei fragte sich, was verkleidet heißen sollte. Nur ohne Colin nach draußen zu dürfen war auch beschissen. Es war fast egal, was er anzog. Die Leute, die sie suchten würden doch bei jedem männlichen, schlanken Japaner misstrauisch werden und ihn verfolgen. Vermeiden unter Leute zu gehen war die einzige Option, die er hatte.
Als Dave und Tom mit dem Essen fertig waren und auch ihre Gläser geleert hatten, standen sie allmählich auf.
Dennis bedankte sich noch einmal und verabschiedete die drei mit einem Händedruck, während sie sich ihre Jacken anzogen und wieder gingen. Sie nahmen dabei zwei Werkzeugkoffer mit, die sie anscheinend mitgebracht und in die Tür gestellt hatten.
Kei verließ ebenfalls den Raum und ging in das Zimmer, das er sich mit Colin teilte, setzte sich auf das Fensterbrett und schaute nach draußen.
Die Straße unter dem Fenster blieb relativ unbelebt. Ab und zu fuhr ein Auto vorbei und einzelne Personen gingen mit angeleinten Hunden oder allein, meist auf ihre Smartphones glotzend, auf dem Bürgersteig entlang.
Colin kam nicht herauf.
Kei fragte sich, ob es auffiele, wenn er aus dem Fenster springen und sich eine Weile die Beine vertreten würde. Vermutlich nicht. Ob diese Typen die Gegend absuchten?
Irgendwann drang von unten Musik gedämpft in das Zimmer herauf.
Kei lauschte der Musik.
Es klang nach wirklich altem Rock'n'Roll.
Der Vampir öffnete das Fenster und schloß die Augen. Eine Gitarre wäre auch gut, aber die gab es hier auch nicht.
Nach einer ganzen Weile klingelte es wieder an der Tür.
Kei schaute auf, bewegte sich aber nicht. Zum Türöffnen waren noch genug andere Leute da.
Kurz darauf näherten sich Schritte der Tür, und Colin öffnete sie. Hinter ihm stand Rupert mit zwei Taschen in den Händen.
"Hello there," sagte er zu Kei.
"Ohayo," erwiderte Kei und musterte die beiden.
"I'm glad this worked out well," sagte Rupert und stellte seine Taschen auf dem Bett ab, während Colin die Tür schloss. Er wirkte so ruhig und verschlossen wie den ganzen Morgen schon, als er sich stumm auf die Bettkante setzte.
"Was is los?" Kei schaute Colin fragend an.
"Das ist der Arzt," sagte Colin. "Er heißt Rupert Ingram." Er sah zurück zu Rupert, der sich den einen Stuhl im Raum heranzog und milde lächelte.
"Ah. Heilen deine Verletzungen nicht eh schnell von allein?"
"Ja. Er will sehen, ob sie etwas hinterlassen haben."
Rupert öffnete seine Taschen und zog ein Stethoskop aus einer, das er sich gleich um den Hals hängte.
"Please take your shirt off."
Kei gab ein 'Aha'-Geräusch von sich und sah dem Prozedere gelassen zu.
Schließlich saß Colin nur noch in Boxershorts da und wurde minutenlang am ganzen Körper von Rupert abgehört und befühlt, zum Schluss auch im Stehen, während Rupert die ganze Zeit sehr ernst und konzentriert dreinblickte.
Kei betrachtete seinen Freund.
Colin sah blass und unverletzt aus wie immer. Er wirkte sehr gelassen und ruhig, hob bereitwillig Arme und Beine, sah dabei zu, wie Rupert nach irgendetwas zu tasten schien, und senkte auch brav den Kopf, als er seinen Nacken befühlen wollte. An seinem Hinterkopf brauchte Rupert etwas länger und tastete sorgfältig und langsam zwischen Colins verknoteten Haaren herum.
Kei sah ihm dabei zu.
"I have to look in here," sagte Rupert, "Turn around." Er kramte einen Rasierer aus seiner Tasche und suchte nach einer Steckdose.
Colin sah ihm zu, mit etwas geweiteterem Blick, und setzte sich im Schneidersitz mit dem Rücken zu ihm hin.
Kei sah weiterhin skeptisch zu.
Ohne sich um eine Unterlage für die Haare zu kümmern, setzte Rupert ein paar große Klingen auf den Apparat, den er dann neben dem Bett statt der Nachttischlampe in die Wand einstöpstelte, und legte eine Hand auf Colins Hinterkopf.
"Down. And don't move."
Colin warf Kei noch einen unsicheren Blick zu, ehe er den Kopf senkte und Rupert ihm den Kopf zu scheren begann.
Kei sah verwirrt drein. "Why do you cut his hair off?"
"There's something in the back of his head," sagte Rupert laut, um die Maschine zu übertönen.
Als die verfilzten Locken alle heruntergefallen waren, pustete er über die Klingen und wechselte den Aufsatz.
"What? You mean under the skin?" Kei musterte das Geschehen.
"Yes." Rupert fuhr damit fort, Colin eine waschechte Glatze zu verpassen. Der hatte die Schultern hochgezogen und die Hände auf seine Füße gestützt, die er die ganze Zeit stumm anstarrte.
Die nächste böse Überraschung... Kei seufzte.
Mit Colins T-shirt wischte Rupert ihm schließlich all die kleinen Haare vom Kopf und den Schultern. Nachdem er den Rasierer zur Seite gelegt hatte, nahm er eine Mappe aus einer der Taschen und entfaltete sie auf dem Nachttisch.
"Do I need to anesthetize you?" fragte er.
"No," sagte Colin leise, aber selbstsicher, nach dem Blick auf Ruperts geöffnete Instrumententasche mit glänzenden Skalpellen, Haken, Scheren, Fläschchen und Nadeln.
Rupert nahm sich ein paar weiße Nitrilhandschuhe aus einer Plastiktüte in der Tasche und zog sie sich über. Colin sah ihm dabei zu, wie er daraufhin ein Skalpell herauszog und mit einer langen Pinzette aus einer weiteren Tüte einen dichten weißen Stoffknubbel nahm.
Kei sah weiterhin zu und fragte sich, was wohl nächstes passieren würde, nicht an Colins Kopf, das wusste er, aber mit Colin. Was Gutes konnte das einfach nicht sein.
Auf Ruperts Signal hin sah Colin wieder nach vorn und senkte den Kopf. Rupert rutschte noch etwas näher heran auf seinem Stuhl und fand die verdächtige Stelle wieder, die ihm beim ersten Betasten aufgefallen war.
"I'm cutting now," sagte er ruhig und schnitt ein paar Zentimeter über der Wirbelsäule die Haut über Colins Schädel auf.
Kei sah zu.
Colin blickte wieder stumm auf seine Hände und Füße, während Rupert ihn weiter untersuchte. Der zog mit den Fingern die Haut auseinander und hebelte mit dem Skalpell ein bisschen unter die Haut, um darunterzusehen, und tupfte dabei mit dem Bausch an der Pinzette das herauslaufende Blut ab.
"It's gone," sagte er nach einer Weile irritiert.
"What was there?" fragte Kei.
"I don't know," sagte Rupert ein wenig abwesend. Und verärgert. "An emitter, a transmitter, receiver, a capsule, a blood clot, a tick... But it's gone now."
Kei schaute skeptisch. "I guess it had a certain purpose..."
"If it wasn't just a giant tick or a blood clot, then yes. But it's gone." Rupert wirkte ein wenig genervt. Er legte die kleinen Hautlappen wieder zusammen, wischte noch einmal mit dem Stoffballen darum herum und legte seine Utensilien dann weg.
Kei beruhigte das nicht. Er sagte aber nichts mehr dazu. Was auch immer das gewesen war, er hoffte, es würde sich bald herausstellen.
Colin befühlte den Einschnitt, der schon wieder zuwuchs, und sah Rupert dabei zu, wie er seine Sachen wieder aufräumte und wegpackte.
"You're clean, as far as I can tell," sagte er freundlich.
Kei schaute Colin an. "Alles okay?"
Colin erwiderte den Blick. Natürlich nicht. Aber das weißt du.
"Ja, klar."
Kei musterte ihn kurz, nickte leicht und sah dann wieder aus dem Fenster. Was für einen Scheiß habt ihr euch noch ausgedacht, he?Das einzige, was den Japaner erleichterte, war die Tatsache, dass das kleine Ding bei Entfernung nicht den sofortigen Tod herbeiführte – wer wusste schon, wie unsterblich Colin und er wirklich waren? Kei jedenfalls wusste es nicht. Und er wusste auch nicht, wie viele Veränderungen diese Typen an seinem und an Colins Körper vorgenommen hatten, während sie beide tot gewesen waren.
"If it's gone now, how come the wound was still there? I heal really fast," fragte Colin Rupert und sah ihn an. Rupert packte seine Taschen wieder zusammen.
"It was healed. There was no wound, just a little indentation in your skull. It wasn't injured."
"An indent- But how come that didn't heal?"
Rupert atmete aus und sah Colin an. "It wasn't injured. Your skull molded – it grew around it. So it's been there for a long time," erklärte er ruhig.
Kei hörte dem Gespräch zu, sagte aber nichts dazu. Er sah aus dem Fenster. Viel war da nicht zu sehen.
Als Rupert seine beiden Taschen geschlossen und auf dem Boden abgestellt hatte, setzte er sich wieder hin. Colin hatte sich zu ihm umgedreht.
"Do you have any idea when it might have come out? Did you have a head injury at some point?" fragte Rupert ernst. Colin zuckte mit den Schultern. Er dachte nach. Er hatte viele Verletzungen gehabt. Auch am Kopf. Aber dahinten...
"I only recall one in Havana. When we were still in Cuba, just before we came here." Er sah zu Kei. Er hatte keine Ahnung wie lang das her war. Denn er wusste nicht, wie lange er in der Grube festgehalten worden war. Rupert folgte seinem Blick zu Kei. Er schien auf eine Antwort zu warten.
"There were a few guys who wanted a beating – and Colin got smashed in a wall," erklärte Kei, ohne sich umzudrehen.
"Did you notice any changes after that?" fragte Rupert. Er sah zwischen Kei und Colin hin und her. Colin schien von seinen Haaren abgelenkt zu sein, die auf seinen nackten Beinen herumlagen und spielte an seinen verfilzten Locken herum.
"He turned into himself again." Kei war das nicht sofort aufgefallen, aber lange hatte es nicht gedauert bis er gemerkt hatte, dass Colin wieder Colin, und menschlich - obwohl anscheinend immer noch untot - war. Colin sah zu ihm auf. Rupert legte ebenfalls interessiert den Kopf schief.
"What do you mean?" fragte er.
Kei drehte sich zu ihnen um. "Well... After he died – back in Japan – he was not the Colin I knew. He was eating human flesh and enjoyed it. After that day in Havana he was behaving like a human again. He was disgusted by the dead man's arm he ate. Oh, but he is still trying to kill himself every now and then."
Mit fragend hochgezogener Augenbraue und gerunzelter Stirn sah Rupert Colin an, der ebenfalls ernst und ratlos dreinblickte.
"Sometimes, when I sleep... I wake up... and can't control my body. It just goes and tries to die. I dunno why. At first I could hold it back a little. But not anymore." Colin kaute sich auf der Unterlippe herum und verzog den Mund und blinzelte etwas, so als ob er sich unter Kontrolle zu bringen versuchte. Tatsächlich war ihm gerade sehr nach Heulen zumute.
Rupert sah ihn etwas schockiert an. Langsam stand er auf.
"You should talk to Dennis. He knows a lot about these experiments, maybe he can explain this, too." Mit einem etwas mitfühlenden Blick auf den nun glatzköpfigen blassen Jungen, der da fast nackt mit den Resten seiner strähnigen Kopfbehaarung auf dem Bett saß, nahm er seine Taschen und wandte sich zur Tür.
Kei stand auf, ging zu Colin und ließ sich neben ihm auf den Boden fallen.
"Falls es dich beruhigt, ich pass auf, dass du dich nicht ein zweites Mal selbst ganz umbringst," sagte er ruhig.
Colins Blick wandte sich von der geschlossenen Tür, hinter der sich Ruperts Schritte entfernten, zu Kei. Er stieß einen Laut aus, der wie ein halbes Lachen klang aber keines war, und wischte sich sofort über die nassen Augen.
"Wie kaputt bin ich eigentlich?!" Er stützte die Ellenbogen auf seine Beine und drückte die Handballen auf seine Augen. Dabei griffen seine Fingerspitzen über der Stirn ins Leere, nur auf nackte - vielleicht etwas stoppelige – Haut, wo gerade noch seine Haare gewesen waren.
"Du bist viermal entführt worden, einmal gestorben, hast diverse Male versucht, dich umzubringen, du warst 'ne Untergrundkäfig-kampfattraktion, sie wollten dich zu 'ner Crackhure machen, du hast deine abgeschlachtete Familie an Heiligabend gefunden, du bist seit zwei Jahren mit mir unterwegs, die Erpressung in Japan – Du bist also ziem-" Colins Faust landete zielgenau und hart in ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit in Keis Gesicht, so ungefähr auf seiner Nase, Wange und dem linken Auge. Und Colin selbst hockte nun vor ihm und drückte ihn bei der Kehle nach hinten.
Kei machte keine Anstalten, sich irgendwie zu wehren, mit dem rechten Auge musterte er Colin. Ein leichter Schmerz durchzog sein Gesicht, aber der störte ihn nicht weiter.
"Weiter mittig, wenn du mir die Nase brechen willst," sagte er ruhig. Nach hinten drücken ließ er sich nur leicht. Colin kniete auf seinen Schenkeln und krallte sich nun in seine Kehle, während seine rechte Faust wieder weit ausholte und nochmal zuschlug, wieder halb auf die Nase. Sein Gesicht war nass und sah wütend und gequält aus.
"Das findest du witzig, ja?! Zum TOTlachen, was?! So! Witzig!" Er schlug noch ein paarmal hart zu. Seine Kraft hatte während seiner Gefangenschaft scheinbar etwas zugenommen, doch Kei fing den letzten Schlag mühelos mit einer Hand ab.
"Du musst schneller sein, wenn du mir wirklich wehtun willst."
Colin ließ die Arme fallen und schluchzte. Das war ihm sofort peinlich, und er wischte sich mit dem Unterarm über die Augen. Er wollte Kei wirklich wehtun. Kei hatte ihm wirklich wehgetan. Irgendwie. Colin verstand nicht, wie genau. Aber das war egal. Er konnte Kei nie heimzahlen, was er ihm antat, wenn er nur so unbedacht den Mund aufmachte wie Kei das nunmal tat. Lustlos gab er ihm noch eine Ohrfeige, dann ließ er den Kopf sinken.
Kei setzte sich wieder aufrecht hin und verknotete die Beine zu einem Schneidersitz. Er nahm den Kleineren einfach in den Arm.
Im ersten Moment legte Colin die Stirn auf Keis Schulter, doch nach nur ein paar Sekunden stemmte er sich gegen ihn und machte Anstalten, aufzustehen. Das Gesicht wandte er zur Seite ab. Kei ließ ihn los und Colin stand auf und zog eilig die von Dennis geliehenen Kleider, Jeans, T-shirt und Socken, wieder an, ohne Kei anzusehen.
Kei stand auch auf. Wenn Colin beleidigt sein wollte, dann würde er dem kein Hindernis sein.
Colins Blick wanderte von selbst zu seiner Eisenklaue, die auf dem Holzschreibtisch lag, der unweit des Bettes an der Wand stand. Er hatte ein unbestimmtes Bedürfnis, sie wieder anzuziehen. Doch dann wurde ihm bei dem Gedanken etwas übel und er öffnete forsch die Tür. Kei wartete, bis Colin gegangen war. Er würde sich draußen etwas umsehen.

Kei + Colin LXXVI: Willkommen zurück


Im Erdgeschoss klickte die Haustür.
Kei hielt ihn fest und zog Colin auf seinen Schoß, nachdem er sich vernünftig hingesetzt hatte. Die sich öffnende Tür ließ ihn aufhorchen, aber er bewegte sich nicht.
Dennis' Schritte eilten die Treppe hinauf und hielten vor ihrer Zimmertür an. Es klopfte.
Colin zuckte zusammen und sah erschrocken zur Tür.
Kei hielt ihn fest. "Wer is da?" fragte er.
"Ich bin's nur, der Weihnachtsmann," sagte Dennis durch die Tür. "Schlaft ein bisschen, es scheint soweit alles in Ordnung zu sein. Jane und Delilah haben sich gemeldet."
"Gut, danke." Kei sah zu Colin. "Das war Dennis, unser Fahrer von eben - und ein Teil meiner Verwandtschaft, der mich nicht umlegen will."
"Hm," sagte Colin und legte den Kopf wieder auf Keis Schulter.
"Gute Nacht," sagte Dennis gedämpft durch die Tür. "Und, Colin? Es tut mir Leid." Er ging ein paar Schritte weit weg, öffnete eine nahe Tür und schloss sie wieder.
Kei vergrub seinen Kopf an Colins Hals. Er erwiderte nichts auf Dennis' Gutenachtgruß.
"Es tut mir Leid," flüsterte Colin beinahe unhörbar.
"Dir muss gar nichts leidtun," entgegnete Kei ruhig.
Colin weinte weiter und ließ Kei ein bisschen los, um sich so zur Seite zu lehnen, dass es einfach zu verstehen war, dass er sich hinlegen wollte. Kei war so frei, Colin aufs Bett zu legen und setzte sich einfach daneben. Colin hielt seinen Arm und zog daran. Daraufhin legte Kei sich hin und umarmte ihn. Colin wischte sich einmal mit dem Unterarm übers Gesicht, erst über die Wangen und dann unter der Nase entlang, und rutschte dann dicht an Kei heran, die Arme und Beine eng angewinkelt. Er legte eine flache Hand mitten auf Keis Brust ehe er die Augen schloss und sich sein Atem beruhigte.
Die Hand behielt er genau da.
Ein Teil von Keis Verstand wünschte sich ganz andere Umstände, ein anderer war froh, Colin einfach bei sich zu haben. Er schloss die Augen. Er ist warm...

Mitten in der Nacht patschte es sachte auf Keis Schulter.
Kei wurde sofort etwas wacher. "Hm?"
Colin kniete neben ihm und wirkte angespannt. Peinlich berührt.
"Kannst du bitte mitkommen," flüsterte er.
"Klar... Wohin?" Kei richtete sich müde auf.
"... Zum Badezimmer... du musst nicht mit reinkommen..." Colin war es offensichtlich extrem peinlich. Aber er konnte Kei nicht einmal loslassen, geschweige denn sich ohne ihn aus dem Raum begeben, in diesem fremden Haus, zu einem Raum den er erst einmal finden musste... Er wurde ein bisschen rot.
Halbbewusst war er davon überzeugt, dass sich diese neuen Umstände sofort in Wohlgefallen auflösen und ihn wieder in seiner stinkenden, lichtlosen Zelle aufwachen lassen würden, wenn er Kei aus den Augen ließe.
"Okay." Kei erhob sich um Colin den Weg zum Bad zu zeigen. Der Vampir trug auch noch die Hose, mit der er eingeschlafen war. Colin blieb dicht bei ihm, als sie den Flur entlanggingen, und ließ den Blick prüfend durch das Badezimmer schweifen, nachdem Kei darin das Licht angeschaltet hatte. Colin ging hinein und ließ die Tür offenstehen. Leise und vorsichtig klappte er den Klodeckel hoch und öffnete seine Jeans.
Kei stand artig vor der Tür Schmiere und wartete auf Colin.
Als er mit Pinkeln fertig war und sich zögerlich die Hände gewaschen hatte, halb damit rechnend, dass jeden Moment ein Fallbeil oder etwas ähnlich unangenehmes auf ihn niederdonnern würde, knipste Colin das Licht wieder aus und schlüpfte sofort wieder zu Kei auf den Flur.
Kei ging mit ihm zurück in das Schlafzimmer. Er fragte sich, was man mit ihm gemacht haben musste, dass er sich nicht traute alleine pinkeln zu gehen. Colin sah zu, dass die Tür geschlossen war und bedauerte, dass in ihrem Schloss kein Schlüssel steckte. Auf dem Bett nahm er die gleiche Position wie vor ein paar Stunden ein und hielt wieder eine Hand auf Kei, bevor er die Augen zumachte.
"Kei," flüsterte er.
Kei lag neben Colin, noch nicht eingeschlafen. "Ja?"
"Tha gaol agam ort."
Kei schloss die Augen. "Anatamo."

Noch bevor die Sonne aufging, war Colin wach. Er blieb liegen und sah Kei an. Seine Hand lag immer noch auf ihm. Er hätte noch jahrelang weiterschlafen können, glaubte er, aber dieser Anblick im Halbdunkel vor ihm war erholsamer als das, was er sah, wenn seine Augen geschlossen waren. Er atmete ruhig und flach und betrachtete Kei.
Baden. Zähneputzen. Haare kämmen. Eine andere Hose anziehen. Erstmal eine neue Hose finden. Wäre es nicht gut, diese Sachen alle zu machen, bevor Kei aufwachte? Dafür würde er ihn loslassen und ohne ihn das Zimmer verlassen müssen.
Er blieb liegen und sah Kei weiter an.
Kei schlief friedlich weiter. Beim Schlafen hatte sich seine Hand um den Oberkörper des Kleineren geschlungen und ihn seitdem festgehalten. Nicht kräftig. Mit friedlichem Gesicht lag er da.
Über die folgenden Stunden nickte Colin immer wieder sachte ein und wachte bald darauf wieder auf, um Kei weiter zu betrachten. Dass er auch jedesmal mit dem gleichen Anblick aufwachte, mit dem selig schlummernden Kei vor seinem Gesicht und dessen Arm um sich, überraschte ihn und machte ihn unbeschreiblich glücklich.
Es vergingen noch einige weitere Stunden bis Kei es schaffte, wach zu werden, und langsam die Augen öffnete.
"Morgen..." murmelte er leise und drehte sich etwas in Richtung Colin, sodass er halb auf ihm lag. Colin atmete plötzlich aus, so als ob er entweder zu lachen oder zu weinen anfangen wollte. Er grinste gegen Keis Schlüsselbein, das ihm auf die Nase drückte. Kei gab ein Geräusch von sich, das in etwa bedeutete, dass er nicht vorhatte sich zu erheben. Grinsend blieb er liegen. Colins Arme krochen um Keis Körper herum und legten sich um seinen Rücken. Sachte küsste er die Schulter und den Hals über sich.
Es war so warm. Und Kei roch gut. Er selbst nicht, aber Kei.
Der Vampir umarmte seinen Freund umständlich und vergrub seinen Kopf in dessen Haaren. Aufstehen wollte und würde er jetzt nicht. Außer um mit Colin duschen zu gehen. Was ziemlich bald passieren musste. Denn Colins strähnige, knotige Haare waren voller Staub, Erde und getrocknetem Blut und boten nichts angenehmes.
Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit nuschelte Kei: "Duschen?" und begann sich ein wenig zu bewegen.
Ja, dachte Colin und ließ ihn los.
Dann fiel ihm auf, dass er gar nichts gesagt hatte.
"Ja," sagte er leise.
Langsam stand Kei auf.
"Ich komm auch mit," sagte er mit leichtem Grinsen auf den Lippen. Colin folgte ihm auf dem Fuße. Er lächelte.
Auf dem Flur begegneten sie Dennis. Er trug wieder seine eigenen Kleider - Jeans und Knöpfhemd mit DocMartens - und lächelte sie an.
"Guten Morgen. Frau Quan ist da. Sie hat angeboten, euch Frühstück zu machen."
Kei verzog das Gesicht. Nahrhaft war nur Blut, alles andere sättigte ihn nicht.
"Morgen." Er selbst trug noch immer seine Hose vom Vorabend und sonst nichts. Zum Dank für das Frühstücksangebot nickend ging er weiter in Richtung Bad. Colin nickte und lächelte Dennis dankbar an und ging eilig hinter Kei her. Dennis sah zu, wie sie im Badezimmer verschwanden und ging dann wieder die Treppe hinunter.

Mit dem Sonnenlicht kam Colin das Badezimmer wie ein ganz anderer Raum vor. Auf der Ablage über dem Waschbecken lag eine Packung mit nagelneuen Zahnbürsten, die in der Nacht noch nicht dagewesen war. Von besagtem Sonnenlicht gab es außerdem mehr als genug, da die Fenster nicht verhängt waren. Der Vampir ließ seine Hose mitsamt Boxershorts auf den Boden fallen und machte das Wasser in der Dusche an. Die Zahnbürsten waren ihm nicht aufgefallen. Colin hingegen nahm sich eine aus der Packung, fand auch eine Tube Zahnpasta auf der Ablage und begann damit, sich übergründlich die Zähne zu putzen. Währenddessen wurde er langsamer, als ihm auffiel, wie zivilisiert und normal das hier war, was er gerade machte, und wie gegensätzlich zu dem, was er in der letzten Zeit getan und erlebt hatte. Es kam ihm kurz in den Sinn, nachzufragen, wie lange es gedauert hatte, aber dann wollte er es überhaupt nicht wissen. Kei hatte sich im Auto dafür entschuldigt, dass es 'so lang gedauert' habe. Und ihm selbst kam es wie Wochen vor. Er wollte es nicht wissen.
Er spuckte aus, gurgelte, und nahm sich neue Zahnpasta auf die Bürste, um von vorn anzufangen.
Während das Wasser warm wurde, widmete Kei sich ebenfalls der Zahnpflege, wobei ihm ein Durchgang reichte und er dann unter das heiße Wasser stieg. Das tat gut. Ausnahmsweise gab es mal viel Platz in der Dusche. Das Schloss war sehr luxuriös gewesen, aber ansonsten hatte er wenig Luxus auf seinen Reisen erlebt. Dies war eine der komfortabelsten Unterkünfte.
Endlich ließ Colin es gut sein, als er beim Ausspucken ein bisschen Blut im weißen Schaum bemerkte. Er spülte die Zahnbürste aus, legte sie neben den Wasserhahn und sah sich um. Als Kei gerade nicht hinschaute, weil er sich friedlich am Wasser zu erfreuen schien, zog er sich die Hose aus, die er seit - nun ja, die ganze Zeit - getragen hatte, und ließ sie auf dem Boden liegen. Er kletterte zu Kei in die Badewanne und zog den Vorhang zu.
Er blieb außerhalb des Wasserstrahls stehen, weil Keis Anblick ihm etwas Ehrfurcht einjagte. Er wollte ihm gerade nicht zu nahe kommen um ihn mit seiner schmutzigen Nähe zu belästigen.
Kei war gerade dabei, seine Haare einzuschäumen, als Colin dazukam. Gern räumte er seinem Freund Platz unter dem Wasserstrahl ein. Er hatte noch niemanden erlebt, der eine Dusche so nötig hatte.
Grinsend spritzte er dem Kleineren Wasser ins Gesicht. Colin kniff die Augen zusammen und schnaufte.
Als Kei ihn dazu einzuladen schien, trat er vor und unter das Wasser. Es war erschreckend warm. Er schloss die Augen, senkte den Kopf und tränkte sich stumm in diesem heißen Rauschen.
Von seinen Haaren perlte die ersten Sekunden lang alles ab, ehe sich der Dreck daraus löste und langsam in grauen und braunen Schlieren an ihm herunterlief. Das gleiche galt für die Flecken auf seiner Haut. Kei begutachtete das eine Weile lang ehe er damit begann, Colins Körper mit Seife einzureiben. Er selbst war weit weniger dreckig.
Mit einem unhörbaren Seufzen lehnte Colin seine Stirn an die Fliesen. Er musste lächeln. Dass sein Wahnsinniger sowas machen würde... so fürsorglich. Er drehte sich halb um, um sich nach Shampoo umzusehen, und vergaß das sofort wieder, als er Kei sah.
Kei dachte eigentlich nicht fürsorglich, aber das wollte er Colin nicht sofort - okay das war gelogen, wollte er doch. Er befummelte den Kleineren eher als ihn sauber zu machen - das ging mit Wasser und Seife fast von allein. Grinsend stand er dicht hinter ihm.
"..." Colin wandte sich wieder der Fliesenwand zu, als er sein Gesicht wärmer werden spürte. Eigentlich wurde alles von ihm plötzlich wärmer. Er sah Keis Hand zu und drückte sich an ihn. Kei schloss einen Arm um Colins Körper und ließ die andere Hand über seine Haut wandern.
"Ich hab dich vermisst..." murmelte Kei.
Colin lächelte und weinte ein bisschen, aber das konnte man unter dem strömenden Wasser nicht sehen. Er merkte es auch kaum. In Keis Griff drehte er sich um, vorsichtig, um nicht auszurutschen, und umarmte ihn. Etwas festes drückte gegen seinen Bauch.
"..." Ich dich auch.
Das, was Kei an Blut in seinem Körper hatte, schien den Dienst zu quittieren und machte sich stattdessen in seiner Körpermitte bemerkbar. Seine rechte Hand strich langsam von Colins Oberkörper in Richtung Schritt. Das leichte Grinsen auf seinem Gesicht sprach Bände, wenn Colin es denn sehen konnte.
"Du bist so berechenbar," murmelte Colin schmunzelnd und packte Kei beim Nacken um ihn zu küssen.
Ich weiß. Wie gut, dass mir das egal ist... Kei erwiderte den Kuss gierig und drückte den Kleineren leicht an die Wand. Ausrutschen konnte er nicht, solange der Vampir vor ihm stand und Kei hatte nicht vor, diesen Umstand so bald zu ändern.
"Hm." Colin fühlte sich fast wieder wie er selbst. Er hielt Kei fest und stemmte sich mit den Schultern gegen die Wand. Kei schmeckte minzig und nach Duschgel und war so warm und nass und Kei. Er lachte beinahe und musste ihm ein bisschen auf die Lippe beißen. Kei biss einfach zurück. Es wäre ihm ein Leichtes Colin einfach hochzuheben aber er wollte diesen Moment auskosten. Dafür wurde er auch belohnt. Colins Hand, die, die sich nicht gerade in Keis Rücken krallte, rutschte über seinen Bauch und umfasste seinen Penis. Sein Bein hakte sich fast von selbst um Keis. Eine verfilzte Haarsträhne in seinem Gesicht zwang ihn dazu, den Kuss zu unterbrechen und sie zur Seite zu schütteln. Der Vampir hob Colin ein wenig hoch und bearbeitete dessen bestes Stück mit der freien Hand, die andere nutzte er um sich an der Wand abzustützen, gegen die er ihn gerade drückte.
Mit der wenigen Bewegungsfreiheit, die ihm seine Position in dieser glatten Badewanne erlaubte, stieß Colin gegen Keis Hand. Gleichzeitig versuchte er weiter, Kei nicht zu kurz kommen zu lassen. Er wandte sich von Keis Gesicht ab und seinem nassen Hals zu.
Kei stand so, dass er nicht bei jeder Bewegung ausrutschen würde. Das wäre jetzt sehr unvorteilhaft. Seine Hand bewegte er noch ein bisschen schneller. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Grinsen ab, das Colin verwehrt blieb, solange der sein Gesicht in Keis Halsbeuge vergrub.
Colin hielt inne, also seine Hand, und biss stöhnend in Keis Schulter. Nach ein paar weiteren, zuckenden Stößen kam er und krallte sich in seinem Rücken fest. Keis Grinsen wurde ein wenig breiter und sein Gesicht verzog sich kurz, als Colin ihn biss. Er hielt seinen Freund weiter fest, ließ ihm aber mehr Platz, sodass er sich mehr bewegen konnte.
Langsam lehnte Colin sich zurück gegen die Wand. Er blickte nach oben, um das Wasser sein Gesicht abspülen zu lassen, und packte dann wieder Keis Erektion, um weiterzumachen. Diese Idee gefiel dem Vampir. Die Finger seiner frei gewordenen Hand vergruben sich leicht in Colins Haut am Rücken. Eifrig rieb und drückte Colin, nun mit beiden Händen, und sah Kei dabei an.
Der hatte den Kopf ein Stück nach hinten gelegt und die Augen nur ganz leicht geöffnet, schien aber nirgendwo hinzusehen. Er bewegte sich Colins Hand entgegen und gab leise, lustvolle Geräusche von sich, während das Wasser sein Gesicht hinunterlief.
"...os," sagte Colin leise. Er wurde langsamer. Kei gab einen Laut von sich, der ein Quengeln hätte sein können.
"Hm?" Er wurde ebenfalls ein bisschen langsamer und richtete den Blick auf Colin.
"Lass los," sagte Colin noch einmal.
Kei ließ ihn los. Er rutschte hinunter, auf die Knie, und begann, Keis Penis zu lecken und zu küssen. Der Vampir ließ die Augen ganz zufallen und den Kopf nach hinten kippen. Es dauerte nicht lange bis sein Atem schneller und lauter wurde und er wieder anfing sich gegen seinen Freund zu bewegen.
Es klopfte an der Tür.
"Ist alles in Ordnung bei euch?" Dennis.
"... Ja..." Und jetzt geh wieder! Kei bereute gerade, die Tür nicht abgeschlossen zu haben. Colin schien überhaupt nichts gehört zu haben und machte einfach weiter. Mit Lippen und Zunge umschloss er fest die Eichel und saugte daran.
"... Ihr verbraucht zuviel Wasser," meldete Dennis noch trocken durch die Tür, ehe er verschwand.
Verpiss dich, Dennis... Verpiss dich einfach... Kei ignorierte den Penner vor der Tür einfach. Er hatte gerade besseres zu tun, antworten und geradeaus denken war kein Teil davon. Alles, was seinen Mund verließ war ein Stöhnen. Die freie Hand vergrub er in Colins Haaren. Mit den Händen massierte und rieb Colin weiter, während er soviel er konnte aufnahm und langsam und genüsslich saugte. Es schien enorm zu helfen, dass er nicht atmen musste.
Nach kurzer Zeit kam Kei mit einem, wahrscheinlich auch vor der Tür gut hörbaren, lauten Stöhnen. Dass gerade noch jemand vor dem Badezimmer gestanden hatte, hatte er schon wieder vergessen. Colin wich etwas zurück und wurde langsamer, schluckte und leckte aber alles auf, bis nichts mehr kam.
Kei schaute benebelt halb an die Wand und halb zu Colin. Nach einer kleinen Weile machte er das Wasser aus. Er zog Colin hoch, der gerade dabei war, langsam seinen Bauch zu küssen, und küsste ihn richtig. Zufrieden lächelnd erwiderte Colin den Kuss und bekam noch eine sanfte, warme Umarmung dazu.
"...ch auch vermisst," flüsterte er.
Kei biss ihm leicht auf die Unterlippe.
"Hn, hehe." Colins Zungenspitze fuhr leicht über Keis Lippe und seine Arme legten sich auf seine Schultern. Kei vertiefte den Kuss ein wenig, während Colins Finger langsam durch Keis triefende Haare fuhren. Sie mussten lächeln.
"Lass uns runtergehen," schlug Kei vor. Er wollte nicht, dass Dennis nochmal stören kam - und das Bad wurde langsam wieder kühl. Der Nachteil des Lebens war eindeutig, dass man merkte, wenn es kälter wurde.
Colin nickte. Er sah glücklich und benebelt aus. Wie als Gegenstück zu seiner bisherigen Verfassung: Vor Unsicherheit und Furcht gelähmt.
Er kletterte aus der Wanne. Kei kletterte hinterher und schnappte sich ein Handtuch, ein zweites gab er Colin. Willkommen zurück...
Colin bedankte sich mit einem Nicken und trocknete sich gemächlich ab. Dabei schnupperte er an dem Handtuch. Kei betrachtete das ein wenig amüsiert.
"Riecht es nach was besonderem?" fragte er nach und trocknete sich dabei ab.
"Ja. Ich weiß nur nicht genau, nach was," log Colin. Es roch nach dem Waschmittel, das Kei in Japan benutzt hatte.
"Das fällt dir wieder ein." Kei wusste nicht, was an dem Handtuchgeruch so besonders war. Es roch gut.
Colin roch noch etwas anderes. Kaffee. Und Speck. Er sah zur Tür. Kei ging zu eben jener.
"Frühstück. Und ein warmes." Kei band sich das Handtuch um die Hüfte und öffnete die Tür. Anziehen musste vor dem Hinuntergehen noch sein. Colin folgte ihm, nachdem er den traurigen Überrest seiner Hose in den kleinen Badezimmermülleimer gestopft hatte, allerdings ohne Handtuch. Seins legte er nur über den Badewannenrand.