Saturday, November 14, 2015

Kei + Colin LIV: Die Ruhe vor dem Sturm




Draußen sah Akira sich sorgfältig um, bevor er Kei vorn am Hemd packte und ihn hart küsste. Der Vampir erwiderte den Kuss und drückte Akira gegen den Zaun, der keinen Meter entfernt stand. Akira hielt ihn weiter fest und packte ihn mit der anderen Hand beim Nacken. Er murmelte etwas gegen Keis Lippen, das in dem ungeduldigen, gierigen Kuss etwas unterging. Kei war das in diesem Moment mehr als egal. Seine rechte Hand fingerte geschickt Akiras Hose auf, während er den Kuss weiterhin aufrecht erhielt. Akira keuchte Protest und drückte Kei weg.
„Halt, warte.“
„Hm?“
„Zu öffentlich. Wenn da gleich jemand rauskommt...“
„Dach? Da kommt keiner hin...“
Akira nickte.
Kei nahm ihn mit aufs Dach.
Er küsste ihn wieder. Gierig erwiderte Akira den Kuss, indem er Keis Lippen biss und leckte.
„Ich liebe dich.“
Mit einem leichten Lächeln erwiderte Kei ein „Ich dich auch,“ das man kaum verstehen konnte, da er es nicht für nötig hielt den Kuss zu unterbrechen.
„Ihr wart sehr gut,“ murmelte Akira gegen Keis Lippen. Seine Hand zerzauste Keis wertvolle Bühnenfrisur. Kei hielt Akira mit einer Hand im Nacken fest.
„Danke.“
Mit roten Lippen und Wangen zog Akira den Kopf etwas zurück, soweit Keis Griff das zuließ. „Wo hast du den Whisky?“
Kei deutete auf seine Tasche, die an der Gitarrentasche hing. „Da.“
Akira langte um Kei herum, um ihm die Taschen abzunehmen. Kei überließ ihm beides. Akira stellte sie vorsichtig in einem Meter Entfernung ab und stürzte sich dann wieder auf Kei.
Der entledigte Akira seines Shirts und küsste ihn wieder. Das T-shirt darunter zog Akira sich selbst noch aus, ehe er Kei wieder im Nacken packte.
„Ihr werdet noch berühmt.“ Anscheinend hatte er den Drang, weiterzureden, obwohl er das nicht bewusst in Auftrag gab. Sein Mund gab diese Worte einfach von selbst von sich, während er sich eigentlich auf Keis Mund konzentrierte. Und auf Keis Gürtel.
„Vielleicht, irgendwann mal,“ erwiderte er und machte weiter an Colins Hose rum, die er unten schon aufgemacht hatte.
„Dann zerlegt ihr Hotelzimmer-“ Akira öffnete Keis Gürtel, an welchem er sich dabei ausgiebig kratzte, und riss ihm die Hose auf.
„Hotelzimmer? Ganze Hotels.“ Er küsste ihn wieder.
„Die arme Versicherung.“ Akira sank auf die Knie. Dabei griff er in Keis Boxershorts.
„Welche Versicherung?“ grinste Kei. Akira antwortete nicht, weil sein Mund jetzt wichtigeres zu tun hatte. Kei hatte ein leicht versautes Halblächeln auf den Lippen. Mit halb geschlossenen Augen und nach hinten gekipptem Kopf blickte er in den Nachthimmel, an dem vereinzelte Sterne sichtbar waren. Eine Hand hatte er in Akiras Haaren vergraben und hielt ihn da, wo er war. Genüsslich leckte, saugte und nagte Akira an Keis bestem Stück, das er gleichzeitig mit der Hand rieb und streichelte, wobei ihn Keis Hand in seinen Haaren ein bisschen behinderte – aber nicht störte. Wenn er noch einen letzten Hinweis darauf gebraucht hätte, dass er alles richtig machte, wäre er das gewesen. Seine blutroten Haare fielen ihm ins Gesicht, aber diesmal brauchte er sie nicht als Schutzschirm. Von Kei kamen leise dies bestätigende Laute, mehr gen Nachthimmel gerichtet, aber in der Stille des dunklen Abends deutlich zu hören – wahrscheinlich auch von unten, würden dort Schüler, Lehrer oder Eltern eine Abkühlung suchen. Dem Vampir war das gekonnt egal. Man sah sie immerhin nicht. Er hielt den Kleineren weiterhin fest und bewegte sich leicht gegen ihn. Ermutigt machte Akira weiter und ließ Keis Hose los, um sich selbst anzufassen. Kei ließ seine Hand, wo sie war, während seine Bewegungen schneller wurden. Akira schloss seine Lippen um ihn und ließ den Vampir gewähren. Es blieb ihm sowieso nichts anderes übrig, denn bewegen konnte er seinen Kopf in Keis Griff kaum. Er konzentrierte sich auf das Atmen – wenn er damit aufhörte, hörte sein Herz auf zu schlagen und seine Erregung würde sofort abebben – und darauf, selbst nicht zu kurz zu kommen.
Ein Schuss löste sich. Die Kugel flog dicht an Keis Kopf vorbei.
„Sorry, wenn ich eure Privatparty störe, Jungs, aber -“
Akira brauchte etwa eine Sekunde, um Kei und sich selbst loszulassen. Er setzte sich auf die Fersen und sah sich um. Hinter ihnen, in einigen Metern Entfernung auf dem Dach stand ein jung aussehender Mann mit einer Waffe in der Hand.
„Lange nicht gesehen.“
„Ich hatte gehofft es würde so bleiben,“ sagte Kei gelassen, als er seine Hose richtete. Akira wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, während er den Mann musterte. Dann packte er sich auch wieder ein, stand aber nicht auf. Kei sah den ungebetenen Gast kalt an.
„Siehst du nicht, dass du störst? Verpiss dich einfach.“ Seine Stimme war ruhig.
„Tut mir Leid, aber das geht nicht.“ Er schaute Kei ins Gesicht. „Du siehst ihm viel ähnlicher als früher.“ Grinsend sah der Fremde ihn und Akira an.
„Halt die Fresse, Ryuji. Ich weiß nicht, was du hier willst, aber du wirst es nicht finden.“
Akira behielt Ryuji im Auge, während er nach seinem T-shirt und Sweatshirt griff, um sie sich wieder anzuziehen, während er weiter auf dem Boden kniete. Der hat keine Zeit verloren...
„Nicht zu glauben, wie du mit einem alten Freund umgehst... Was ist nur aus der japanischen Höflichkeit geworden? Tss.“
Kei, immer noch obenherum unbekleidet, ging um Akira herum und machte ein paar Schritte auf Ryuji zu.
„Alter Freund... Siehst du mich lachen? Wo hat das Arschloch sich verkrochen, hm?“
„Und der da?“ Er zeigte auf Akira. „Du und Beziehung? Weiß er, worauf er sich eingelassen hat?“ Ryuji ignorierte Keis Frage einfach und grinste gehässig.
Nö, beantwortete Akira Ryujis Frage in Gedanken ungerührt, als er sich die Haare aus dem Sweatshirtkragen zog. Was gibts da bitte zu grinsen?
„If I were interrupting private business with a gun on a school roof, I wouldn't question other people's life choices,“ murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart.
„Halt dich aus meinem Leben raus. Andererseits könntest du's bereuen. ich weiß, wie man dich töten kann.“ Was Akira murmelte verstand er so halb. Kei stand nun fast direkt vor Ryuji. „Verpiss dich.“
Akira stand vorsichtig auf und schob eine Hand zu seinem Messer in die Hosentasche. Er ließ Ryuji nicht aus den Augen.
„Wir sehen uns bald wieder, Sakai-kun. Sehr bald. Kira lässt Grüße ausrichten. Oh und Kleiner-“ Er richtete sich an Akira. „Lass das Messer stecken, damit kannst du mir gar nichts.“
Akira entspannte sich etwas. Eine Verabschiedung bedeutete hoffentlich, dass der Vampir nun ohne weiteres verschwinden würde. Jedoch behielt er seine Hand um das Messer in seiner Tasche geschlossen.
Tatsächlich verschwand Ryuji genauso schnell, wie er gekommen war. Kei nahm darufhin sein T-shirt zur Hand und zog es über. Akira blickte weiter zu der Kante des Daches, von der Ryuji verschwunden war.
„War das sowas wie... eine höfliche Ankündigung? ‚Hallo, wir sind da, nur damit du dich darauf vorbereiten kannst‘?“
„So in der Art, ja.“
„Hast du eine Idee, was als nächstes kommen könnte?“
„Ehrlich? Nein. Ich rechne mit allem. Verabschiede dich schon mal von der Stadt, wie du sie kennst.“
„Was meinst du?“ Akira runzelte die Stirn.
„Ryuji ist nicht hier um freundlich Hallo zu sagen. Er will irgendwas. Meine Theorie ist, dass er Macht will. Wenn hier viele Vampire herumlaufen, die keine Lust haben, sich unter Menschen zu verstecken, was glaubst du, passiert?“
„Wie viele gibt es denn?“ Akira begann zu ahnen, dass das, worauf er sich eingelassen hatte, ihn womöglich in das Auge eines Sturms befördern und damit vielleicht sogar eher schützen würde als seine Existenz als braver Schüler mit Mama und Papa unterm Weihnachtsbaum. „Meinst du, er ist unterwegs gewesen um Vampire zu suchen...“ Er sprach langsam und zweifelnd, denn es hörte sich in seinen Ohren ein bisschen bescheuert an, „die sich ihm anschließen, um Tokyo zu erobern? Kanto? Japan? Asien?“
„Klingt nach schlechtem Film, kann aber sein. Zutrauen würd ich's ihm. Das kann genausogut auf Kiras Mist gewachsen sein.“
„Würde es helfen, wenn ich verschwinden würde?“ Es musste sehr schlecht sein, dass Ryuji sie beide so gesehen hatte. „Was die Yakuza kann, können die beiden erst recht...“
„Und mich mit denen allein lassen? Außer, dass sie eh jeden umzubringen versuchen werden, der nicht zu ihnen gehört, passiert dir nichts.“ Kei grinste.
„Ich kann höchstens sterben. Es geht nicht darum, was mir passieren kann.“ Akira zuckte mit den Schultern und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Es geht um dich. Ich muss dir doch nicht im Weg sein.“ Er war sehr gelassen. Und sehr ernst.
„Du bist mir nicht im Weg.“ Akira war dem Vampir wirklich ein Rätsel, manchmal.
„Ich bin eine Angriffsfläche. Eine sehr breite und offensichtliche,“ versuchte der Junge zu erklären.
„Das ändert nichts an dem, was sie vorhaben, vielleicht nutzt Kira das aus, weil er ein beschissenes Arschloch ist, aber das bereut er doppelt,“ dachte Kei laut.
„Du überschätzt dich,“ sagte Akira ungerührt.
„Versuchen kann man's. Er hat's verdient.“
„Was hat er verdient?“ Akira hob Keis Rucksack und Gitarrentasche auf.
„Zu sterben.“
Akira hielt kurz inne, dann schulterte er die beiden Taschen, den Blick auf den Boden geheftet. Kei schaute ihn fragend an. „Was?“
Ach, nichts. Er justierte die Taschen, sodass das Glas im Rucksack sachte klapperte. „Was machen wir?“
„Wir könnten da weitermachen, wo der Penner uns gestört hat,“ schlug Kei mehr oder minder ernst gemeint vor. Das bescherte ihm einen strafenden Blick. Kei hob halbernst abwehrend die Arme. „Ich bin offen für Vorschläge.“ Er lächelte.
„Ich dachte mehr an sowas wie einen Schlachtplan,“ sagte Akira ausgesprochen humorlos.
„Hm, das ist gar keine schlechte Idee,“ sagte er ruhig. Trotz allem fand er seine Idee besser, behielt das aber für sich.
„Schade, sonst bin ich der König der schlechten Ideen,“ sagte Akira augenrollend. Kriegsrat zu halten kam ihm als das einzig vernünftige vor. Wie kann der Irre jetzt noch scharf sein? „Lass uns hier abhauen.“
„So wie's aussieht musst du den Titel abgeben.“ Kei steckte ebenfalls die Hände in die Taschen. „Wo willst du hingehen?“ Keis erster Gedanke war, dass Akira meinte, sie sollten aus Japan verschwinden.
„Weiß ich nicht, nach Hause, runter vom Dach -“ zählte er ungeduldig auf.
Kei nahm ihn mit nach unten.
„Willst du mein Zeug bis nachhause tragen?“ fragte er irgendwann.
Das ist doch scheißegal, wers trägt! Allmählich wurde Akira nervös. Unschlüssig wirkte Akira so, als wolle er losmarschieren, wisse aber nicht, wohin, und er sah Kei nicht direkt an.
„Lass uns nachhause fahren,“ bestimmte Kei und ging gelassen los. Er steuerte die nächste U-Bahnstation an. Es begann zu regnen. Mehr um der Anonymität willen als wegen des Regens setzte sich Akira die Kapuze auf und ging dankbar mit. Kei lief schweigend neben ihm her.
„Also, wie verhalten wir uns?“
„Wir passen auf uns auf. Weglaufen bringt nichts, sie finden mich und wenn sie mir wehtun wollen, dann auch dich. Wenn sie angreifen: Verteidigen oder abhauen, je nach Angreifer. Ansonsten leben wir. Ihre Zerstörung aufzuhalten, wäre zu zweit völlig utopisch,“ erklärte Kei.
„Woher weißt du, was sie vorhaben? Zerstörung...“ Er sah auf den Boden vor sich und war froh, dass Kei ihm nicht direkt ins Gesicht sah. „Wenn sie mir wehtun wollen, dann auch dich...“
„Eine Horde Vampire angeführt von einem egoistischen, machthungrigen Arschloch. Was solln sie sonst wollen?“
Akira kam ein Gedanke und er sah zu Kei auf.
„Haben sie versucht, dich zu rekrutieren?“
„Nein. Ich hab Ryuji und Kira seit Jahren nicht gesehen.“
„Woher weißt du dann, was sie vorhaben?“
„Weil ich Kira kenne.“
Akira blieb kurz stehen. Ich habe Angst. Aber das wollte er nicht sagen. Er ging weiter.
Kei schlenderte ein bisschen in seinen Gedanken verloren neben ihm her. Warum tauchst du ausgerechnet jetzt auf?
Ich muss Shingo anrufen, fiel Akira ein, als sie in der Station angekommen waren und auf die Bahn warteten.
Die Bahn kam und Kei stieg ein. Die Hände immer noch in den Taschen. Um seinen Hals hingen das Plektrum und die Münze. Die Fahrt würde nicht allzu lange dauern, zehn Minuten vielleicht. Er setzte sich auf einen freien Platz und sah aus dem Fenster, ab und zu zu Akira.
Was willst du? Tokyo? Mich? Meinen Tod? Macht? Spielen? Warum jetzt?...
Akira saß neben ihm, mit der Gitarre auf dem Schoß, und sah ernst auf das gegenüberliegende schwarze Fenster, in dem sich der nur halb gefüllte Waggon spiegelte.
Kei konnte seine Fragen nicht benatworten, er wusste nur, dass es wahrscheinlich alles das war.

Als sie sich Keis Haus näherten und schließlich hineingingen, konnte Akira nicht anders, als sich mehrmals umzusehen. In der Wohnung wartete er, bis Kei die Tür geschlossen hatte, bevor er sachte ausatmete und die Taschen an der Wand abstellte, damit er sich die Schuhe ausziehen konnte.
„Hier is niemand,“ sagte Kei ruhig. Er spürte die Anwesenheit Anderer meist sofort, wenn er nicht abgelenkt war.
„Gut,“ sagte Akira leise. Seine Schuhe schob er mit einem Fuß an die Wand, dann ging er zum Telefon.
Kei zog seine Schuhe aus und nahm die Taschen mit ins Wohnzimmer, wo er sie auspackte und den Inhalt wegräumte. „Sag ihm, er muss auf sich aufpassen.“
„Ja.“
Shingo brauchte nicht lang, um abzunehmen.
„Ich bins. Wir können uns nicht treffen. ... Das wäre zu gefährlich. ... Es ist noch irgendwas anderes am Laufen, das ich nicht verstehe. ... Tu am besten so, als hättest du mich gar nicht gekannt. Oder besser, als wären wir nicht befreundet gewesen.“
Kei gönnte sich einen großen Schluck Whisky und ließ die Flasche auf dem Tisch stehen. Aus seiner Hosentasche fingerte er ein Zigarettenpäckchen und zündete sich eine an, als er sich aufs Sofa fallen ließ.
Akira hatte schon leise gesprochen, und nun klang er auch matt und traurig. „Nein, das hier nicht. ... Das sollte ich dir besser nicht sagen. Pass einfach gut auf. ... Geh nicht allein raus und so...“
„Wenn du willst, behalte ich ein Auge auf ihn, dann passiert ihm nichts,“ sagte Kei leise. Er hasste es, wenn Akira traurig war. Er konnte damit nicht umgehen.
Nach einer langen Pause murmelte er noch etwas ins Telefon, dann legte er auf und blieb so stehen.
„... Ja. Aber das darf nicht offensichtlich sein,“ sagte er leise.
„Ich kümmer mich darum.“ Kei zog an seiner Kippe und legte sich aufs Sofa, er betrachtete Akira. Der zog sich das feuchte Sweatshirt aus und behielt es unschlüssig in der Hand. Er brauchte noch eine Weile, ehe er sich zu Kei umdrehen konnte, allerdings ohne ihn anzusehen. Er schluckte. Nicht weinen, Schwächling. Du hast genug geheult.
Kei hatte seine Sachen einfach anbehalten. Er sah nun aus dem Fenster. Akira folgte seinem Blick, dann ging er hinaus, um den beregneten Pullover loszuwerden. Und um Kei nicht auf die Nerven zu gehen.
Der hing seinen Gedanken lange nach. Der Tag war gut gewesen, bis auf das Ende.
Nachdem er den Pullover über die nächstbeste Heizung gehängt hatte, hatte Akira sich im Schlafzimmer auf das Bett gesetzt und übte stumpf, sein Messer schnell auf- und zuzuklappen. Das war einerseits sachdienliche Vorbereitung und half ihm andererseits dabei, seine Tränen zurückzuhalten. Shingo war sein erster richtiger Freund gewesen. Auch wenn er ihn nur kurz gekannt hatte.
„Akira! Wenn die Welt untergeht und du deinen Kumpel dran verrecken lässt, gibt's Ärger, klar?“ Ihm würde es nie einfallen, den Kleineren daran sterben zu lassen. Dem sollte das besser auch nicht in den Sinn kommen.
Akira hielt kurz inne und spielte mit dem Gedanken, etwas zu entgegnen. Doch was ihm in den Sinn kam, würde nicht gut ankommen. Kei wollte ihn bestimmt nur auf seine irrsinnige Art aufmuntern. Also hmfte er nur genervt und nahm seine Übung wieder auf.
Am besten schützt es ihn, wenn wir uns beide von ihm fernhalten.
Kei widmete sich wieder seinen Gedanken und seinem Telefon. Er rief seinen Boss an, um zu fragen, ob der Ryuji oder Kira kannte oder einen ihrer Verbündeten.
Akira kam ins Wohnzimmer zurück, mit dem Messer in der Hand. Er nahm sich die Flasche vom Tisch und trank einen Schluck, während er Kei beim Telefonieren zusah. Kei telefonierte eine Weile mit seinem Boss und legte nach ordentlicher Verabschiedung auf.
„Sie haben schon mal nichts mit der Yakuza zu tun.“
„Das ist gut für sie und schlecht für uns,“ bestimmte Akira und setzte sich neben Kei auf die Sofakante.
Kei gab nur ein „Hm“ von sich. Er wusste noch nicht so recht, was er davon halten sollte, dass diese Typen ganz allein agierten. Es war so auf alle Fälle schwerer etwas herauszufinden.
Akira nahm noch einen Schluck und blinzelte die aufkommende Nässe in seinen Augen weg. Er versuchte es, aber sie rann trotzdem heraus. Mit einem Räuspern kaschierte er das, indem er die Flasche wieder auf dem Tisch abstellte. Kei musterte den Kleineren und tat so, als hätte er die Tränen auf seinen Wangen nicht gesehen. Der stützte sich auf die Knie, fuhr sich mit der Hand durch die Haare und saugte an seiner Unterlippe.
„Also, ich bin bereit, und was ist mit dir?“
„Ich warte schon lange,“ entgegnete Kei.
Akira sah ihn verwirrt an. Kei sagte nichts dazu.
„Du hast damit gerechnet, dass dein Vater dich besuchen kommt, wenn er die Weltherrschaft an sich reißen will?“ Es klang unlustig, aber auch nicht vorwurfsvoll. Nur wie eine ehrliche Frage.
„Kann man so sagen. Er weiß, dass ich ihn tot sehen will.“
Akira nahm den Rest seiner Nerven zusammen und legte sich hin, auf Kei. Der legte die Arme um ihn. Er selbst trug noch immer das nasse Shirt.
I suffered death and abuse and all I got is this wet T-shirt. Mit dem Gesicht in dem feuchten Stoff vergraben, musste Akira kurz lachen. Kei hielt ihn fest und lächelte ein bisschen.
„Was is so witzig?“
Akira sah auf. „Du.“
„Wieso?“
„Keine Ahnung. Weil du surreal bist.“ Akira legte den Kopf wieder hin. „Du bist wie Morpheus aus der Matrix.“
Der Vampir hatte keine Ahnung, was Akira meinte und schaute ihn nur fragend an.
„Kennst du den Film nicht?“ Akira musterte ihn, mit dem Kinn auf die Faust gestützt.
„Nein,“ sagte Kei, sein Gesicht hatte einen entschuldigenden Ausdruck. Akira lächelte leise.
„In dem Film geht es darum, dass die Realität nicht die Realität ist, sondern eine... ein Programm, das uns vorgegaukelt wird, damit wir uns nicht auflehnen. In Wirklichkeit ist die Menschheit nämlich schon lange von Außerirdischen unterjocht worden und dient ihnen als Nahrung. Ab und zu werden einzelne Menschen von Rebellen aus der virtuellen Realität herausgezogen. Morpheus macht sowas. Er bietet dir an, weiter in der sicheren Illusion zu leben, oder aufzuwachen. Und dann wirds gefährlich.“
„Nur, dass unser Leben keine Illusion ist.“
„Nein. Wir sind aufgewacht.“ Akiras Lächeln schmolz ein bisschen. „Morpheus bietet dir die Wahl zwischen zwei Pillen an. Die blaue lässt dich weiterträumen und die rote lässt dich aufwachen.“ Er pickte die blutige Münze aus den Ketten heraus und hob sie etwas hoch. „Das ist meine rote Pille. Bemerkenswerte Parallele, oder?“
„Ja. Fast schon ein kleines bisschen unheimlich.“
„Unsere Lage ist auch ohne die Matrix unheimlich.“ Er ließ die Münze fallen. „Warum hast du eigentlich mein Blut draufgeschmiert?“
„Da war das Blut einer wichtigen Person drauf, bis du's abgeleckt hast, es musste neues Blut einer wichtigen Person drauf.“
„... Tut mir Leid.“ Akira richtete sein Gesicht wieder auf das fürchterlich interessante T-shirt. „... Da war ich noch nicht wichtig. Wage ich zu behaupten,“ sagte er zu Keis T-shirt.
„Damals war ich einfach sauer, jetzt klebt's da immer noch.“
„Wow, du bist so ein Wortkünstler.“
„Ja, bin so wortgewandt, dass nur Mist dabei rauskommt.“
„Stimmt.“ Akira schmunzelte.
„Nicht jeder kann in allem gut sein,“ schmunzelte Kei.
„Wie bescheiden du bist,“ gurrte Akira.
„Ist dir das noch nie aufgefallen?“
„Nein, nie. Ich habe dich immer für schrecklich eingebildet gehalten,“ erwiderte Akira zuckersüß.
Jetzt lachte Kei leise. „Wie großzügig.“ Er versuchte die zuckersüße Stimme des Kleineren nachzumachen, scheiterte jedoch kläglich. Akira musste lachen.
„Ich gestehe es gern ein, wenn ich mich geirrt habe,“ sagte er sanft und höflich.
„Hast du nicht - nicht ganz,“ sagte Kei.
Akira markierte Überraschung. „Huch! Willst du damit etwa sagen,“ er flüsterte fassungslos, „dass du wirklich... eingebildet bist?“
Kei lachte.
„Nun, dann lass dir gesagt sein, du hast keinen Grund dazu. Ich bin völlig unbeeindruckt.“ Er gähnte gelangweilt.
„Ja klar. Unbeeindruckt. Merk ich mir.“ Kei grinste ein wenig.
„Ich meine, einen amüsierten Unterton herauszuhören, so als ob du mir nicht glauben würdest.“
„Da könntest du eventuell richtig liegen.“
„Dann muss ich dir wohl - näh,“ Akira legte sein Gesicht wieder auf Keis T-shirt und winkte faul ab, „ich muss dir gar nichts beweisen, so unbeeindruckt bin ich von dir.“
Kei begann mit Akiras Haaren herumzuspielen. „Ich glaub's dir immer noch nicht.“
Demonstrativ begann Akira zu schnarchen.
Kei schmunzelte. „Ich glaub du gehörst ins Bett.“
„Das ist ja wohl die billigste und faulste Anmache, die ich je gehört habe.“
„Davon hab ich kein Wort gesagt.“ Kei grinste. Er hatte de facto vor, noch einmal nach draußen zu gehen.
„Musst du auch nicht. Du denkst nie an was anderes.“
„Pff.“
Mit einem süffisanten Schmunzeln zog Akira sich hoch und küsste Kei kurz und keusch auf den Mund. Kei hielt ihn fest und küsste ihn richtig, aber nicht lang.
„Ich geh nochmal raus, aber nicht lange,“ sagte er leise.
„Nahrung?“ Er selbst war noch nicht wieder hungrig, aber es meldete sich dezenter Appetit.
„Yo, und ein bisschen Bewegung.“
„Ich weiß nicht, ob ich noch hier bin, wenn du zurückkommst.“ Akira lächelte.
„Warum?“
„Weil Ryuji ungefähr ab jetzt wissen könnte, wo du wohnst.“
„Wieso sollte er?“
Akira zuckte gelassen mit den Schultern.
„Alles was er machen muss, ist, in die Schule einzusteigen, auf deren Dach er dich gefunden hat, und da im Büro dein Stammblatt zu lesen. Das würde ich machen.“
„Er niemals. Du kannst ja mitkommen, oder wir hauen ab. Wohin weiß ich aber nicht.“
Akira zögerte und wurde ernst.
„Ich auch nicht. Warum meinst du, er würde nicht auf die Idee kommen? Ist er ein bisschen dumm?“
„Dumm nein, aber er denkt nicht nach, nicht über sowas.“
„Kira?“
„Wenn er mich finden will, tut er das überall.“
„Wie? Kann er dich wittern oder so?“ Akira setzte sich auf und lachte ein bisschen.
„Nein, also ich glaub nicht, aber er kennt überall Leute. Er findet mich, wenn er will.“
„Dann solltest du dich bei deiner Tour ein bisschen beeilen, glaube ich.“
„Ich hatte nicht vor, lang weg zu sein. Zwanzig Minuten höchstens.“
Akira stand auf und reichte Kei eine Hand. Der ergriff sie und stand ebenfalls auf.
„Viel Erfolg.“
„Danke. Bis gleich.“
Akira ging zu seinem Geigenkasten. Kei beobachtete ihn. Er kniete sich vor ihn, öffnete ihn und nahm das Instrument und einen Bogen heraus. Kei sah ihm noch ein Weilchen zu und drehte sich dann in Richtung Tür.
„Bis gleich.“
„Hoffentlich,“ entgegnete Akira ruhig. Er sah Kei nach, während er die Geige stimmte.
„Ich passe auf,“ sagte Kei und ging zur Tür, wo er seine Schuhe anzog und kurz darauf die Wohnung verließ.
Da es schon etwas spät war, übte Akira mit einem Tuch unter den Saiten und probierte nichts extravagantes. Langsam und durch das gefaltete Taschentuch gedämpft spielte Akira das kurze Stück, das er für Kei geschrieben hatte, in verschiedenen Geschwindigkeiten und Höhen durch.

Kei machte sich ohne Motorrad auf den Weg in einen etwas entfernten Park. Auf dem Weg begegnete er einem Polizisten, der ihm riet auf sich aufzupassen, da hier in letzter Zeit viele Morde begangen worden seien und überhaupt viel passiere.
„Ich komm schon klar,“ erwiderte Kei und ging weiter. Auf einer Bank tiefer im Park saß eine junge Frau. Sie weinte.
„Hallo,“ sagte der Vampir leise. „Du solltest nicht hier sein. Is zu gefährlich.“ Kaum, dass sie aufsah, war sie auch schon tot.
Nachdem er das Blut abgewischt hatte ging er langsamer nachhause. Er war etwa eine halbe Stunde, vielleicht ein bisschen länger, weggeblieben. Vorsichtig drehte er den Schlüssel um und betrat leise die Wohnung.
Akira spielte noch immer dasselbe Stück, leise und langsam.
Kei blieb im Flur stehen und hörte zu,
Die Mollmelodie hatte ausdrücken sollen, was Akira für Kei auf das Notenblatt geschrieben hatte, und nun probierte er immer noch verschiedene Tonhöhen aus. Nach ungefähr zehn weiteren Minuten und drei Durchgängen wurde er es leid oder war es zufrieden, ließ seine Nackenwirbel knacken und die Geige sinken.
Kei betrat den Raum, den Kleineren ansehend. „Da bin ich wieder. Ich hab nen Polizisten getroffen, der Passanten warnt, nicht alleine durch die Gegend zu laufen. Viel zu nützen scheint es nicht.“
„Und er war allein unterwegs?“ Akira machte ein halb amüsiertes, abschätziges Geräusch. Er saß auf einer Sofalehne und lächelte etwas.
„Ja. Soll er's weiter versuchen.“ Kei ließ sich hinter Akira auf das Sofa fallen, sein Gesicht sah zufrieden aus und ein leichtes Lächeln umspielte seine Züge. Akira drehte sich um und legte die Geige auf den Tisch.
„Hoffentlich passiert nicht ihm selbst was.“ Er beugte sich über Keis Gesicht.
„Bisher nicht,“ sagte Kei und zog den Kleineren ein Stück herunter um ihn zu küssen. Akira küsste ihn sanft. Kei erwiderte den Kuss und zog Akira auf seinen Schoß. Der legte ein Bein über Keis und die Arme hinter ihm auf die Rückenlehne.
„Du hast zugehört, oder?“ murmelte er auf Keis Lippen.
„Ja,“ entgegenete der leise lächelnd.
„Gut.“ Er küsste ihn weiter, langsam und sachte.
Kei intensivierte den Kuss ein wenig, ehe er er fragte: „Warum?“
Akira wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte, und überlegte. Kei schaute ihn ganz kurz fragend an und küsste ihn wieder.
„Weil es deins ist,“ flüsterte Akira währenddessen.
Während Kei den Kuss weiterführte sagte er: „Thanks.“
Akira lächelte. „Du machst mich nervös,“ gestand er leise. Sie würden beide wahrscheinlich bald ins Gras beißen, da konnte er auch mal die Wahrheit offenbaren.
„Gern geschehen.“ Kei grinste leicht. Akira öffnete kurz die Augen, schnaubte etwas beschämt und sah zur Seite. Kei lachte ein bisschen.
„Lach mich nicht aus, Arschloch.“
„Ich lach dich nicht aus.“
„Würde ich jetzt auch behaupten.“
„Dann sind wir ja einer Meinung.“ Kei lächelte leicht.
Darauf wusste Akira wieder nichts zu entgegnen. Anstatt etwas zu sagen, küsste er Keis Hals. Kei spielte ein bisschen mit Akiras Haaren herum.
„Bevor einer von uns endgültig dran glauben muss, wollte ich das gesagt haben. Auch wenn du dich drüber lustig machst. Du bist...“
Kei schaute ihn fragend an. „Wir werden nicht draufgehen,“ sagte er lächelnd.
„Das weißt du nicht.“ Akira patschte ihm leicht auf Nase und Mund. „Also lass mich ausreden, bevor ich aggressiv werde.“
„Okay okay.“ Kei lächelte immer noch.
Akira sah ihn an und biss sich auf die Zunge. So ging das nicht. Scheiß drauf. Frustriert sah er aus dem Fenster.
Kei drehte ihn einfach wieder herum. „Was?“
„Ich... du bist... kein Fehler gewesen,“ gab Akira kleinlaut zu. Das klang falsch.
Kei machte ein fragendes Gesicht. „Wie meinen?“ Zwar ahnte er, was Akira ihm sagen wollte, aber er konnte das nicht so ganz einordnen.
„Scheiße...“ Er konnte Kei nicht weiter ins Gesicht sehen und wandte seinen Blick abwärts. Das war nur marginal besser. „Es macht mich jedesmal fertig, wenn du mich ansiehst.“
„Wieso?“
Wieso? Akira runzelte die Stirn.
„Weil es mich nervös macht. Weil... du jemand bist... der sich einen Dreck um andere schert, aber... ausgerechnet ich falle dir auf. Das ist...“ Das wars, mehr geht nicht. Er wischte sich nervös über das Gesicht. Es fühlte sich schrecklich warm an.
Kei hatte nicht wirklich was zu erwidern. Er nahm Akiras Gesicht in seine Hände und küsste ihn. Dankbar erwiderte Akira den Kuss. Kei hatte ihn bestimmt verstanden. Kei machte sich daran, Akira seines Shirts zu entledigen. Der hob hilfreich die Arme. Kei ließ das Shirt durch den Raum fliegen und küsste Akiras Schlüsselbein. Akira schob Keis Hemd hoch und befummelte ihn dabei darunter nach allen Regeln der Kunst - sofern ein unerfahrener Teenager die beherrschen konnte.
„Es macht mir nichtmal was aus, dass bei dir alles auf Sex hinausläuft,“ murmelte er. „Das ist einfach die logische Konsequenz von-“
Von draußen waren weit entfernte Schüsse zu hören. So leise, dass Kei nicht wusste, ob Akira das überhaupt hörte. Kei war grade dabei. Akiras Hose zu öffnen.
„Nicht alles.“ ‚Aber viel‘ war deutlich zu hören, selbst wenn es nicht ausgesprochen wurde. „Von was?“ fragte er leise, während er sich weiter dem Oberkörper des Kleineren widmete.
„Von dir.“ Akira rupfte Keis Hose auf. Er hörte kein bisschen von draußen, nicht das geringste Geräusch, und selbst wenn, dann hätte es ihn kaum interessiert. Er küsste Keis Hals weiter.
„Ach so,“ grinste Kei, seine rechte Hand hatte Akiras Brustwarze gefunden, während die andere damit beschäftigt war, ihm die Hose ganz aufzumachen. Akira griff ihm in die Hose und packte ihn mit der anderen Hand am Hinterkopf, um ihn bei den Haaren zurückzuziehen und hart zu küssen. Kei erwiderte den Kuss wie Akira ihn begonnen hatte und zog den Kleineren noch ein Stück zu sich. Der kniete sich auf Kei. Das erschwerte das gegenseitige Ausziehen ein wenig, aber ihm reichte es gerade vollkommen, was ihre Hände da taten. Kei störte es nicht sonderlich, dass das Ausziehen erschwert war. Während er den Kuss aufrecht erhielt, spielte er weiter mit Akiras Nippel herum, wobei er nicht besonders zärtlich war. Mit einem unsanften Biss auf Keis Unterlippe revanchierte Akira sich. Ungeduldig massierte und rieb er Kei und hielt seinen schweren Atem zurück. Kei grinste leicht, als Akira ihn biss und küsste ihn weiter. Sämtliches Blut, dass er im Körper hatte, schien sich dort zu sammeln, wo Akira ihn so eifrig anfasste. Geschickt zog er dem Kleineren irgendwie einhändig die Hose aus. Was auch immer der Vampir da machte, es brachte Akira dazu, sich halb aufzurichten und führte irgendwie dazu, das er kurz darauf splitternackt wieder auf ihm kniete.
Kei hatte ein leichtes Grinsen auf den Lippen und biss den Kleineren zärlich, aber schmerzhaft auf die Unterlippe, als er begann es Akira gleichzutun und ihn zu massieren. Akira musste seufzen und das gleich übertünchen, indem er Kei gierig weiterküsste ohne Platz für mehr peinliche Geräusche zu lassen. Das ist doch niemals meine Stimme.
Kei hielt Akira mit der freien Hand im Nacken fest und so dicht bei sich. Er selbst atmete schnell, aber mehr Geräusche gab er kaum von sich. Dafür war sein Mund ein bisschen zu beschäftigt.
Warte, moment-
Plötzlich hielt Akira inne, schwer atmend, und versuchte, den Kopf zurückzuziehen.
„Kei, warte-“
„Hm?“ Der Vampir hielt inne, leicht überrascht.
„Ich verstehs noch nicht-“ flüsterte Akira gegen Keis Lippen.
„Was verstehst du nicht?“ erwiderte Kei leise.
„Ich weiß, warum ich dich - ich weiß nicht, warum - warum du mich-“ Vielleicht war das jetzt seine letzte Gelegenheit, das herauszufinden. Frag einfach!
„Du hast mich doch gar nicht nötig.“ Er küsste Kei noch einmal, wo sein Mund gerade so nah war. „Ich hätte mich an deiner Stelle nicht mit mir abgegeben, warum machst du die ganze Scheiße mit?“
„Hab ich nicht. Stimmt. Aber ich will dich haben.“ Er machte eine Pause. „Wenn du dafür ne rationale Erklärung willst, muss ich dich enttäuschen. Die gibt es nicht.“ Kei wusste wirklich nicht, warum. Nicht erklärbar jedenfalls und im Gefühle erklären war er nicht besonders gut.
Akira studierte sein Gesicht.
„Ich liebe dich,“ sagte er ernst und mit Nachdruck.
„Anatamo,“ erwiderte Kei ernst aber ruhig, während er Akira direkt in die Augen sah.
„Warum?!“ Akira flüsterte, aber scheinbar frustriert oder wütend, jedenfalls ver- „Hast du das gehört?“
„Was?“ Warum? Wie erklärt man das?...
Akira sah zum Fenster. Kei folgte seinem Blick. „Was is da?“
„Ich dachte, ich hätte etwas gehört,“ log Akira.
„Ach so.“ Du hörst die Schüsse nicht... Das weiß ich...
Warum muss ich alles kaputtdenken? Akira vergrub sein Gesicht in Keis Halsbeuge. Der hatte einen Arm um den Kleineren gelegt, zu sagen fiel ihm nichts ein.
„Entschuldige,“ murmelte Akira.
„Is okay,“ sagte Kei. Er lauschte der Schießerei draußen. Akira blieb so und strich nur sanft über Keis Hals und Wange und versuchte, sich zusammenzureißen.
Kei küsste ihn sanft. Zögerlich erwiderte Akira den Kuss.
„Ich habe dich nötig,“ sagte er sehr leise, ohne den Kuss zu unterbrechen oder die Augen zu öffnen.
Kei lächelte in den Kuss. Eine nonverbale Antwort war auch eine.
Die Schießerei draußen machte alles, außer leiser zu werden. Irgendwann war sie deutlich hörbar. Auch für Akira.
Der reagierte nicht, außer innezuhalten. Er behielt seine Arme um den Vampir gelegt.
Kei ließ ihn nicht los.


Kei + Colin LIII: Das Neujahrskonzert


MITTWOCH, 4. JANUAR
Sobald es die Tageszeit zuließ, begann Akira mit Putzen. Er hatte den Bogen zwar immer noch nicht ganz raus, aber fand diese Arbeit irgendwie meditativ und empfand sie diesmal sogar als kathartisch. Er konnte sich einreden, sie als eine Art milde Buße zu verstehen, und darüber hinaus war sie ein Dienst an - egal, er kam sich beim Wasserhahnschrubben jedenfalls nützlich vor.
Während es noch sehr früh war, behielt er die Türen zu den Räumen geschlossen und arbeitete leise, um Kei nicht zu stören.
Kei wurde wach als sein Wecker anfing Geschrei von sich zu geben. Langsam schälte er sich aus seinem Bett, schaltete den Wecker aus und schlurfte ins Bad.
„Morgen,“ grüßte er Colin, als er seine Sachen auf den Boden fallen ließ und duschen ging. Der heutige Tag war unterrichtsfrei, da die ganze Schule an den Vorbereitungen für das Konzert beteiligt war. Kei und seine Band hatten sich erst um neun Uhr für die letzte Probe verabredet - genug Zeit also. Immerhin zeigte die Uhr gerade mal sechs.
Akira grüßte zurück und sah Kei beim Entkleiden zu. Erst nachdem er sich längst unter das rauschende Wasser gestellt hatte, fiel Akira auf, dass er gaffte, und riss sich von dem Anblick los. Dafür starrte er entschlossen auf den Putzschwamm, den er nun rabiat ausspülte.
Kei duschte eine halbe Ewigkeit, ehe er das Wasser wieder abstellte und sich abtrocknete. Mit dem Handtuch locker um die Hüfte gewickelt trottete er, mit den Schlafkleidern unter dem Arm, ins Schlafzimmer und suchte sich ein Outfit zusammen. Es bestand aus einer schwarzen Hose und einem dunkelgrauen T-shirt mit schwarzem 'Fuck you'-Aufdruck. Akiras Kette mit dem signierten Plektron, die blutige Münze, Armbänder, und schwarze Stiefel mit Schnallen komplettierten das. Angezogen ging er zu Akira.
„Warum machst du so früh sauber? Konntest du nicht schlafen?“
„Nein. Ich war nicht mehr müde.“ Er brachte seine Utensilien gerade in die Küche, um dort weiterzumachen. Er musterte Kei. „No rest for the wicked,“ erklärte er schulterzuckend.
Kei gab ein zustimmendes „Hmm“ von sich, als er seine Haare trocknete. Danach rückte er ihnen mit dem Glätteisen zu Leibe. Immerhin wollte er was hermachen, wenn er sich schon vor der gesamten Schule auf eine Bühne stellte.
Akira sortierte währenddessen den Inhalt des Kühlschranks. Da das nicht viel war, war er damit schnell fertig und ging selbst ins Badezimmer. Seine eigene Dusche fiel kurz und effizient aus und das Trocknen seiner Haare bestand aus einem gleichgültigen Handtuchrubbeln. Er sah Kei ein bisschen zu. Faszinierend, wie eitel der Wahnsinnige war.
Als er fertig und zufrieden war, drehte er sich in Richtung Akira. Seine Haare waren ein bisschen toupiert.
„Fertig,“ verkündete er.
Mit einem leichten Schmunzeln betrachtete Akira ihn von dem Badewannenrand aus, auf dem er saß. Dasselbe Handtuch, das Kei benutzt hatte, hatte er selbst zum Abtrocknen benutzt und sich um die Hüfte gewickelt.
„Tadellos,“ kommentierte er.
Kei betrachtete Akira ungeniert. „Ich weiß,“ sagte er grinsend.
„Wie bescheiden.“ Akira grinste. Er stand auf und streckte eine Hand nach Keis Haaren aus...
Kei schaute ihn skeptisch an. Als wollte er sagen: ‚Anfassen okay, zerstören nicht so.‘
Akira biss sich auf die Lippe, aber konnte sein dreckiges Grinsen nicht zurückhalten, als er auf Keis Kunstwerk herumpatschte.
„Arschloch,“ gab Kei trocken von sich und zupfte einfach ein paar mal an seinen Haaren und sie saßen wieder. Akira markierte ein mitleidiges Gesicht und streichelte Kei über die Wange. Seine eigenen Haare hingen ihm in wilden feuchten Locken auf den Schultern.
Kei machte ein „Pfff“-Geräusch und küsste den Kleineren. Grinsend erwiderte der den Kuss, wobei er Kei zärtlich und leicht auf die Unterlippe biss. Der Vampir hatten ebenso ein Grinsen auf den Lippen, ein leichtes, als er einen Arm um Akira legte.
„Warum machst du dir die Mühe? Du wärst auch mit Fettsträhnen sexy.“ Das letzte Wort zog er lang, indem er die Brauen hochzog und mit einer Handgeste der ultimativen Geschmeidigkeit abwinkte.
Kei lachte ein bisschen. „Ne,“ erwiderte er knapp.
Akira blinzelte. „Wetten?“ Er tippte Kei auf die Brust. „Ich werde das beurteilen, und mein Urteil daran messen, wie scharf ich auf dich bin. Einverstanden?“
„Okay, aber dafür musst du mich erst mit fettigen Haaren erwischen, ein äußerst schweres Unterfangen.“
„Ach, kein Problem, ich hole eben das Öl aus der Küche-“ Er ging los.
„Nein, heb dir das für nen anderen Tag auf.“
„Na gut, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“
„Einverstanden.“
Akira verließ trotzdem das Badezimmer. Kei ging ihm nach, da er da drin fertig war. Er zog sich selbst an, in simplen schwarzen Jeans und Sweatshirt, und fuhr sich mit den Fingern durch die feuchten Haare.
„Musst du jetzt gehen?“
„Noch nicht, in ner Stunde.“
„Ich kann mich heute abend vor dem Konzert beim Fahrradschuppen verstecken,“ schlug Akira vor. Von dort könnte Kei ihn abholen, falls er einen Weg gefunden haben sollte, ihn ins Gebäude zu schmuggeln. Oder ihn nur treffen um ihm zu sagen, dass es nicht ging.
„Das ist ne gute Idee. Ich hol dich dann da ab.“
Er nickte. Dann fiel ihm etwas ein.
„Kommt der Rest von Rood damit klar, dass du so lange weg warst?“
„Ja, ich hab ihnen was von privaten Problemen erzählt und dann waren sie alle einverstanden mich nur selten oder gar nicht zu sehen.“
„Wie war das eigentlich...“ begann Akira, „in der Schule, als ich ... tot war?“
„Ich war nicht oft da, aber deine Freunde waren sehr traurig und einige haben spekuliert wie du wohl zu Tode kamst. In einer Theorie hatte ich dich auf dem Gewissen.“
Das brachte Akira zum Schmunzeln. Das Gegenteil war der Fall. Womöglich bin ich nur deinetwegen zurückgekommen.
„Was diesen Ryuji und seine Leute angeht. Warten wir jetzt einfach nur?“
„Erstmal ja. Das wird aber nicht lange dauern, bis er Chaos stiftet und dann lern besser auch schießen. Es wird nützlich.“
Ich will nicht. „Und Yukio. Soll ich wieder hin?“
„Jetzt könnte das interessant sein, meinst du nicht? Eine Herausforderung, für ihn. Er kann dir vieles an Technik beibringen, wissen musst du das letztendlich selbst.“
„Ist er damit einverstanden?“ Akira wollte den Meister nicht uneingeladen in Anspruch nehmen, und bezahlen konnte er ihn nicht.
„Ja. er findet immer Zeit. Für ihn ist das Trainieren von anderen mehr ein Hobby. Er trainiert die meiste Zeit allein.“ Yukio hatte Kei mal gesteckt, dass er oder Bekannte immer mal bei ihm anklopfen konnten. Ausrauben lassen würde er sich immerhin nicht.
„Dann wäre es in Ordnung, wenn ich heute unangemeldet zu ihm ginge?“
„Ja, das kannst du machen. Es kann aber sein, dass du ihn suchen musst. Irgendwo auf dem verwinkelten Grundstück wirst du ihn aber finden.“
Akira lächelte. Kei erwiderte das Lächeln leicht.
„So, ich muss bald los. Es ist gleich halb acht.“
„Das war noch keine Stunde,“ meldete Akira stirnrunzelnd an. Er ging auf Kei zu und zog sich dabei einen Ärmel hoch.
„Ich sagte ja auch nicht ‚jetzt‘,“ kommentierte der gut gelaunt. Akira nickte entschlossen.
„Genau, denn jetzt gibt es erstmal Frühstück.“ Er zeigte Kei seinen Unterarm. Kei grinste und griff nach Akiras Handgelenk. Mit Leichtigkeit biss er ihm in die Venen unter der Haut. Akira ballte die Faust und zeigte außer einer leichten Veränderung seines Gesichtsausdrucks keine Reaktion auf den Schmerz. Der wich ohnehin nach wenigen Sekunden allmählich einem wohligen, weichen Kribbeln. Er seufzte leise.
Kei hatte ein leichtes, für Akira nicht zu sehendes Lächeln im Gesicht und erleichterte seinen Freund gemächlich um ein großes Glas Blut. Akiras Hand entspannte sich, wie der Rest seines Körpers, und ein glückseliges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Als Kei wieder von ihm abließ hatte er einen ähnlichen Gesichtsausdruck wie Akira. Zufrieden lächelnd sah er ihn an, als er sich mit einem Finger das Blut aus dem Gesicht zu wischen gedachte. Benebelt sah Akira dabei zu und leckte sich die Lippen, ohne es zu merken. Kei küsste den Kleineren, noch immer klebte ihm ein bisschen Blut am Mund. Akira leckte es ihm sachte ab und legte ihm den blutenden Arm auf die Schulter.
„Wenn du eins deiner Opfer am Leben ließest, würde es sich bei dir bedanken. Nicht für das Leben, sondern für das hier,“ flüsterte er.
„Es liegt mir leider fern, so vielen einen Gefallen zu tun,“ erwiderte Kei lächelnd. Colins Blut versaute sein Shirt aber er befand das für in Ordnung. Verspätet hob Akira seinen Arm und hielt ihn auf dessen Schulter etwas hinter Kei hoch, als Vorwand dafür, noch dichter an ihn heranzutreten.
„Die Menschen würden danach süchtig werden,“ murmelte er.
Kei grinste. „Das würden sie aber auch nicht überleben.“
„Warum nicht? Soweit ich das beurteilen kann, könnte es unsterblich machen.“ Er schmunzelte verträumt.
„Ich würd sie vorher umbringen.“

Nachdem Kei in der Schule und dem kleinen Musikraum im Keller des Gebäudes angekommen war - seine Gitarre hatte er mitgenommen - fingen sie zügig mit den Proben an. Es gab doch mehr durchzugehen als gedacht. Die Setlist für den Abend entstand sehr spontan. Jeder warf zwei Songs in den Raum und die kamen darauf, fertig. Gegen ein Uhr am Nachmittag machten sie Mittagspause. Kei ging nach draußen und sah sich die Aula an, die schon für alles vorbereitet war. Ein paar Schüler hielten dort ihre Generalprobe ab, Keis Lieblingslehrerin beaufsichtigte die Meute. Frau Hasegawa.
Shingo entdeckte Kei und wandte sich etwas nachdenklicher wieder seiner Arbeit zu - dem Bekleben von Stoffbahnen mit Klettstreifen am Bühnenrand - ehe er wieder zu ihm hinsah, als er zufällig näher gekommen war, und ihm grüßend zunickte. Kei grüßte nonverbal zurück. Frau Hasegawa warf ihm einen missbilligenden Blick zu, da er dort gerade nichts zu suchen hatte, und sie wusste, dass er nicht im Sinn hatte ihr zur Hand zu gehen (oder einem der anderen). Der Vampir ignorierte die Lehrkraft gekonnt. Sie wurde bald von ihm abgelenkt, indem eine junge Lehrerin und zwei Schüler sie auf irgendetwas organisatorisches ansprachen. Genervt ließ sie sich darauf ein. Shingo fuhr damit fort, die kurzen Vorhänge zu bekleben und den ersten an dem Ende der Bühnenkante zu befestigen, vor dem er stand.
„Sakai,“ sagte er.
Kei wollte gerade wieder verschwinden. „Ja?“
„Hast du ein Foto von Colin?“
Kei dachte kurz an die ihm zugeschickten vom misshandelten, halbtoten Colin. „Nein.“
„Er war noch nicht lange bei uns, darum gibt es keine Schulfotos mit ihm. Und wir wollen heute eins hier aufstellen,“ erklärte Shingo, während er den Vorhang der Länge nach mit dem Klettverschluss festdrückte. „Kannst du an eins kommen?“
„Ich kann mal schauen, ja.“ sagte er und dachte nach. Akira anrufen...
Shingo nickte trübsinnig.
Kei ging mal eben nach draußen und machte einen Satz aufs Dach, wo er sich setzte und Akira anrief, wozu er, hoffend dass der zuhause war, einfach seine eigene, selten genutzte Festnetznummer wählte.
Als das Telefon klingelte, sah Akira erschrocken vom Wäschekorb auf. Es war ihm völlig entgangen, dass es existierte. Er horchte erst auf das Klingeln und ging ihm nach, bis er unschlüssig vor dem Apparat stand und ihn ansah. Es war am klügsten, nicht dranzugehen. Also ließ er es bleiben. Er faltete weiter Wäsche zusammen.
Kei legte auf und versuchte es noch einmal.
Was, wenn es Kei war? Das Telefon hatte bisher nicht geklingelt, und Kei wurde immer auf seiner Mobilnummer angerufen. Unsicher ging Akira zum Telefon zurück und nahm den Hörer ab.
„...“
„Ich bin's,“ sagte Kei und fügte hinzu: „Wir haben, also eher ich, habe ein kleines Problem.“
Akira räusperte sich. „... Ein kleines Problem,“ wiederholte er intelligent.
„Ja, Shingo hätte gern ein Bild von Colin. Zum Aufstellen in der Schule für's Konzert.“
„... Und was ist das Problem?“ Akira sah keines.
„Ich hab keins. Das ist das Problem, hast du eins?“
„Hat denn keiner von euch Zugang zum Internet?“ Akira konnte nicht umhin, genervt die Augen zu rollen. „Da sucht ihr einfach nach ‚Colin Hammerer‘ und sucht euch was aus.“ Wenn ich bedenke, dass ich Angst davor hatte, ans Telefon zu gehen...
Kei musste lachen. „Ich werd's Shingo ausrichten.“
Akira grinste selbst. „Zwischen euch Intelligenzbestien kann es einem schwerfallen, die Nerven zu behalten.“
„Ich dich auch. Idiot,“ sagte Kei dazu und legte auf, hüpfte vom Dach und ging wieder durch die Aula. Als er an Shingo vorbeikam, sagte er: „Murata, versuchs mit googlen,“ und ging weiter. Shingo blickte ertappt drein und fuhr mit seiner Arbeit fort. Kei ging zu seinen Jungs zurück, wo weiter geprobt wurde.

Am Nachmittag machte Akira sich auf Umwegen auf den Weg zur Schule und schlich sich hinter den Fahrradschuppen, wo er sich mit einem Buch hinsetzte und wartete.
Gegen fünf Uhr kam Kei nach draußen und hatte Akira schnell gefunden.
„Hey. Also, die Aula hat einen Nebeneingang mit guter Sicht zur Bühne, der wird aber nur genutzt um dort Technik hinzustellen. Da die gesamte Aufmerksamkeit nach vorn gerichtet ist, ist man da quasi unsichtbar,“ erklärte Kei. Akira steckte sich das dünne Buch in eine hintere Hosentasche und nahm seine Kapuze ab.
„Wenn da Technikkrempel herumsteht, kommen dann nicht immer wieder Leute dahin um nach dem Rechten zu sehen?“ gab er zu Bedenken.
„Nein, da stehen Kabelrollen und ein großer Ersatzverstärker, nichts, was überprüft werden müsste.“
„Gut.“ Akira nickte. Dann lächelte er selbstgefällig. „Habt ihr das mit dem Foto hingekriegt?“
„Ich hab nicht nachgeschaut, ich trau‘s Shingo aber zu.“ Solange er nicht auch noch ne Rede hält...
„Da lehnst du dich aber weit aus dem Fenster,“ mahnte Akira, „In punkto Hirnschmalz macht er dir nämlich ernsthafte Konkurrenz.“
„Und ich dachte, das wäre unmöglich, so'n Mist.“
Akira stützte sein Kinn nachdenklich auf eine Hand und betrachtete Kei. „Dass man auf Blödheit stolz sein kann...“
„Pff.“
Akira schmunzelte.
„Lass uns reingehen. Drinnen herscht das totale Chaos bis dann mal alle ihren Platz gefunden haben.“
„Gut.“ Akira stand auf und küsste Kei sanft. Kei erwiderte den Kuss kurz und grinste leicht. Aus seiner Tasche zog er eine Flasche Whiskey.
„Auf einen gelungenen Abend.“
„Der hat doch noch nicht mal angefangen.“
„Nein, aber wenn er es tut haben wir keine Gelegenheit mehr drauf anzustoßen.“
Akira grinste. Kei kramte aus seiner Tasche noch zwei Gläser, und es waren tatsächlich Gläser, hervor, die er von den Vorbereitungen hatte mitgehen lassen und hielt Akira eines davon hin. Der nahm es beeindruckt entgegen.
„Hast du da drin noch eine Eismaschine versteckt?“
„Nein. So groß ist meine Tasche nicht.“ Er grinste bei der Vorstellung mit einer Eismaschine in der Tasche herumzulaufen.
„Macht nichts. Es ist kalt genug.“
Daraufhin grinste Kei ein wenig. „Vielleicht wäre ein vermeintlich wärmendes Getränk jetzt das Richtige.“
„‚Vermeintlich‘ wärmend trifft auf harten Alkohol zu, also her damit.“
Kei füllte behutsam Akiras Glas und danach sein eigenes.
„Wirst du eigentlich noch betrunken?“
Akira zog sein Glas leicht zitternd zu sich, als er unwillkürlich an die Neujahrsnacht mit seiner zweiten Menschenmahlzeit dachte.
„... Ja.“ Es war nicht nur Alkohol gewesen, aber der hatte auch eine Rolle gespielt.
Kei fand das interesant, untot konnte er also nicht sein. Schließlich brauchte er Nahrung und Alkohol machte ihn betrunken. Er nickte. „Damit scheidet untot aus,“ sagte er beiläufug.
„Das wäre außerdem, wissenschaftlich gesehen, ein Ding der Unmöglichkeit.“ Er hob das Glas. „Auf dass der Abend und so weiter. May you rock all their bloomers off.“
„Auf dass der Abend und so weiter,“ wiederholte Kei und prostete dem Kleineren zu, ehe er sein Glas halb leerte. Akira trank nur ein paar kleine Schlucke, nach denen er jedesmal ein bisschen das Gesicht verzog. Hauptsächlich sah er Kei an. Es würde ihn nicht wundern, wenn er in ein paar Jahren als Rockstar durch die Welt tourte - die Haltung und Ausstrahlung dafür hatte er schon drauf. Kei musterte ihn schmunzelnd, als er sein Glas ganz leer trank.
„So, lass uns reingehen. Sonst verpassen wir den besten Teil.“
Akira machte ein erschrockenes Gesicht. „Du hast nicht vor dich auszuziehen, oder?!“
Jetzt lachte Kei. „Eh nein. Tut mir Leid wenn ich deine Hoffnungen entäuschen muss.“
Akira gab Kei das endlich leere Glas zurück. „Hoffnungen? Nein, ich bin erleichtert. Die Erwähnung eines ‚besten Teils‘ hat mich nur auf eine falsche Fährte gelockt.“
Kei lachte ein bisschen als er das Gebäude ansteuerte. Akira ging mit ihm und setzte sich dabei wieder die Kapuze auf, die er sich tief ins Gesicht zog. Bei dem Seiteneingang spinxte er vorsichtig durch den Türspalt. Kei folgte ihm unauffällig und navigierte ihn zum sicheren Platz am Nebeneigang (einem von vielen). Akira fand eine Plastikkiste hinter einer praktischen Wand von größeren schwarzen Kisten, nahm eine Kabelrolle von ihr herunter und setzte sich drauf. Kei küsste ihn kurz ehe er hinter die Bühne verschwand. RooD waren nicht als erste dran, weshalb Kei noch ein bisschen Zeit hatte. Die Schulleitung hatte darauf bestanden mit etwas besinnlicherer Musik anzufangen.
Tatsächlich begann der Schulchor, von Frau Hasegawa dirigiert, mit zwei klassischen japanischen Liedern. Als er ein paar Zuschauer im Publikum gähnen sah, schmunzelte Akira. Ich habs doch gesagt.
Kei stimmte hinter der Bühne seine schwarze Gitarre, die keinerlei Musterung aufwies und hörte dem Chor zu. Soll das ne Trauerveranstaltung werden?
Als der Chor fertig war, wurde brav geklatscht, die Sänger verbeugten sich und Frau Hasegawa scheuchte sie von der Bühne, die nun der Schulleiter betrat, um eine kurze Willkommensansprache zu halten. Dabei erwähnte er Colin und deutete auf das gerahmte Foto, das besagten Jungen salutierend, mit Geige in der Hand und im traditionellen Kilt zeigte, welches Shingo zuverlässig ausgedruckt und mit einer Blumenschale auf den Konzertflügel auf einer Seite der Bühne gestellt hatte.
Danach sagte er ‚Raised out of dirt‘ an, was er so miserabel undeutlich aussprach, dass ein Junge im Publikum „Rood!“ rief.
Der Ruf wurde von den um ihn herum sitzenden Schülern aufgenommen und wiederholt.
„Rood!“
„Sag einfach Rood!“
Verlegen nickte der Schulleiter und sagte lächelnd ins Mikrofon:
„Rood,“ und ging von der Bühne.
Kei grinste, er und Saki stürmten die nicht allzu große Bühne als erste. Kei spielte ein kleines improvisiertes Intro während die anderen ihre Plätz einnahmen.
Sie begannen mit einem schnellen spaßigen Song und Saki animierte die Schüler zum Mitspringen. Von Ordnung war in der Aula nach zwei Minuten keine Spur mehr. Akira hielt sich vom Aufspringen und Pfeifen zurück und legte nur die Arme und das Kinn grinsend auf die große Kiste vor ihm und sah begeistert zu.
Um den nächsten Song anzuspielen, hatten sich alle um Tamas Drumset versammelt. Die Lichter gingen aus bis Aoi und Kei anfingen abwechselnd ein paar Akkorde zu spielen. Saki wurde beleuchtet, der so langsam, dass er fast nur sprach, die Zeilen von sich gab. Im nächsten Moment gaben Tama und Kenji noch was dazu und das Ganze wurde wieder schnell.
Haa... die können was! dachte Akira glücklich. Schade, dass ich nicht unterwegs noch bei einem Unterwäscheautomaten war.
Er entdeckte zwischen den Schülern, die sich zwischen den Stühlen und vor der Bühne drängten, auch ein paar Lehrer und Eltern und grinste.
Saki liebte Abwechslung und so kam es, dass der dritte Song ein sehr ruhiger war, angestrahlt wurden nur er und die beiden Gitarristen abwechselnd. Sie hatten geschlossen abgelehnt, etwas trauerfeieriges zu spielen, aber etwas ruhiges war drin. Während dieses Liedes setzten sich einige Zuschauer wieder hin, wenn auch nicht alle auf ihre angestammten Plätze, und die junge Lehrerin, die am Nachmittag mit ihrem Klemmbrett unterwegs gewesen war, hatte die Arme um einen Schüler und eine Schülerin gelegt. Sie wankten lächelnd hin und her und Akira musste fast laut lachen, als er das sah. Frau Hasegawa entdeckte er nicht. Die stand wahrscheinlich irgendwo hinter der Bühne.
Gegen Ende des Liedes nahm Kei seinem Sänger das Mikro weg und ließ ein tiefes Growlen hören, als Aoi und Tama den nächsten Song anstimmten. Saki schrie in das ihm zurückgegebene Mikro und die beiden Gitarristen quälten ihre Instrumente.
Die Schüler vor der Bühne sprangen wieder los und einige schlugen mit den flachen Händen vorn auf die Bühne, was dazu führte, dass sich Shingos sorgfältig angeklebter Vorhang löste und teilweise herunterrutschte. Einige Zuschauer guckten erschrocken, hielten sich die Ohren zu und ein paar der Eltern verließen unauffällig die Aula. Akira kam aus dem Grinsen nicht heraus.
Saki, Kei und co. gaben ihr dunkles Werk zum besten, das da hieß ‚The End Of Everything‘. Der semiverständliche Text handelte von einem psychisch getörten Kind, das mit Freude seine Familie massakriert. Diesen Song zu spielen war Keis Idee gewesen. Während Akira zuhörte, gefror sein Grinsen allmählich.
Was als nächstes kam, war etwas positiv gespieltes, auch wenn der Text, der keinen Titel hatte, ein Rückblick auf Keis Vergangenheit war. Der Song bestand aus viel Herumspringerei, was den Text abmilderte, der in erster Linie eine Botschaft war, eine Rachebotschaft, die aber so geschrieben war, dass sie auch als Aufruf zur Anarchie verstanden werden konnte. Akira fühlte sich nun alles andere als glücklich, hörte dafür aber weiter aufmerksam auf den Text.
Irgendwann waren sie beim letzen Song für diesen einen Abend angekommen. „Als Letztes möchten wir einen Song spielen, den wir dem traurigen Ereignis gewidmet haben, das dieser Feier vorangegangen ist,“ begann Saki und gab Kei das Mikro.
„Es ist nichts Trauriges...“ führte er fort, „Es hat nicht mal einen Titel, aber ich hoffe du magst es trotzdem.“
Er gab Saki das Mikro zurück und sie spielten einen lauten spaßigen Song voller Leben. Die Lichter waren bunt und genauso wild wie die Gitarren, denen sie folgen sollten. Akira wurde ein bisschen rot, als er wieder die Arme und den Kopf auf die Kiste legte, um richtig zuzusehen. Es war sowas ähnliches wie ein Liebeslied, Saki und Kei teilten sich die Vocals. Währenddessen vergewaltigte Kei artig seine Gitarre weiter und alberte ein bisschen mit Aoi und Kenji herum.
Sein Grinsen kehrte nicht zurück, dafür biss Akira sich großzügig auf die Zunge, während er zusah. Was musste der da oben so auf Tuchfühlung gehen?
Kei beließ es beim spielerischen Anfassen seiner Kollegen, immerhin hattte er noch eine Gitarre zu spielen. Die anderen ließen ihn auch bald wieder in Ruhe und zusammen ließen sie den Song ruhig ausklingen.
Am Ende wurde geklatscht und ein bisschen gepfiffen und gejubelt. Einige Gesichter drückten Verständnislosigkeit darüber aus, was dieses Stück mit dem Tod eines Mitschülers zu tun haben sollte, aber sie lächelten trotzdem.
Akira selbst klatschte zwar nicht laut, um nicht auf sich aufmerksam zu machen, deutete aber Applaus in Gebärdensprache an und hoffte, dass höchstens Kei ihn dabei sehen konnte, wenn er in seine Richtung sah.
Schüchtern kam der Schulleiter auf die Bühne zurück.
Kei schaute tatsächlich kurz in Akiras Richtung und lächelte leicht, was da hieß ‚Ich seh dich.‘
Saki grinste den Schulleiter an.
In sein Mikrofon sagte der Direktor seinen Dank an „... Rood,“ ehe er auf seinen kleinen Zettel blickte und den nächsten Auftritt ansagte: Eine Musicalnummer.
Kei verschwand mit seinen Kollegen, nachdem sie sich alle brav bedankt hatten, hinter der Bühne und kam kurz darauf ohne Gitarre zu Akira, unauffällig versteht sich.
Akira drehte sich zu ihm um, während sie da auf der Bühne in Glitzerkostümen herumhüpften.
„Ja,“ sagte er und lächelte.
„Ja, was?“ fragte Kei grinsend.
„Ja, ich mags.“
Kei grinste noch immer. „Willst du dir die Glitzershow noch ansehen oder wollen wir den Abend ausnutzen?“
„Ausnutzen,“ bestimmte Akira und stand auf.
„Hinterausgang. Es ist grad kein Lehrer hinter der Bühne.“
„Ich folge dir.“ Ich kleb mich einfach an deinen Hintern.
Kei ging vor und führte Akira durch die Gänge hinter der Bühne zu einem anderen Hintereingang als den, den sie hereingekommen waren. Seine Gitarre sammelte er dabei noch ein.