Tuesday, February 23, 2016

Kei + Colin LXIX: Genug erzählt


„Nein? Wie nennt man das dann?“
„Was?“ Darin, sich ahnungslos zu geben, war Akira immer noch Meister. Er sah Kei offen an.
„Mich solange anzuschauen, dass man nicht bemerkt, dass die Kippe runterbrennt,“ entgegnete der ruhig grinsend.
„Pff...“ Mit einem beinahe verlegenen Schmunzeln wandte Akira seinen Blick auf den Fußboden. Dann zuckte er mit den Schultern. „Du hast da was kleben.“
Kei schaute hin. „Wo?“
Akira beugte sich zu ihm und biss ihm kurz sachte in den Unterarm.
„Spucke. Da.“ Er zeigte drauf. Kei grinste wieder.
„Wie konnte ich das nur übersehen.“
Mit einem grinsenden ‚Wenn ich das nur wüsste‘-Ausdruck hob Akira die Hände. Kei schaute ihn mit einem ‚Ja ne, is klar‘-Ausdruck an.
„Soll ich‘s wegmachen?“ bot Akira hilfsbereit an.
„Ja.“
Akira beugte sich nochmal hinüber und leckte die Stelle ab.
„So.“
„Danke.“ Kei zog ihn ein Stück hoch und küsste ihn. Selbstgefällig lächelnd erwiderte Akira den Kuss. Kei vertiefte ihn und drückte Akira ein Stück Richtung Matratze. Der lehnte sich bereitwillig zurück, aber nur weit genug, um sich bequem auf die Hände zu stützen. Weiter wollte Kei ihn auch gar nicht haben, das reichte völlig.
Akira zog den Kopf leicht zurück. Kei ließ ihn und schaute ihn daraufhin einfach nur abwartend an.
„Du hast da noch was,“ sagte Akira leise und küsste seinen Hals.
„Dann machs weg,“ kommentierte Kei grinsend und stützte sich mit einer Hand auf den Boden.
„Geht nicht,“ murmelte Akira auf Keis Haut und küsste sie weiter. Sie war noch voller Meersalz. Keis Grinsen wollte nicht mehr wirklich verschwinden.
„Da bin ich mir noch nicht sicher.“
„Ich aber. Das geht nicht weg,“ erklärte Akira Keis Kehle.
„So'n Mist.“
„Och, ich glaub nicht, dass dir das was ausmacht.“ Die weiche Stelle unter Keis Ohr schien richtig lecker zu sein. „Das hast du da schon eine ganze Weile hängen.“
„Du hast mich ertappt. Was?“
„Mich,“ antwortete Akira, während er zärtlich zubiss.
Daraufhin grinste Kei genüsslich. „Das stört mich wirklich nicht.“
„Gut. Es geht nämlich wirklich nicht ab.“ Akira zog den Kopf zurück und sah Kei bierernst an. „Ich habe alles versucht,“ sagte er mit einem hilflosen Schulterzucken.
„Jetzt ist es weg,“ sagte Kei und klang dabei absichtlich beinahe schon traurig.
Akira lachte. Mit der Zungenspitze zwischen den Zähnen ließ er eine Hand unter Keis T-shirt kriechen.
„Oh guck, es ist nur verrutscht.“
Kei lachte daraufhin etwas. „Du hast Recht, wie geht das?“
„Ich habe keine Ahnung,“ flüsterte Akira mit geweiteten Augen. Seine Hand kratzte leicht und langsam über Keis Bauch.
„Du musst es aber wissen,“ entgegnete der mit zufrieden-genüsslichem Gesichtsausdruck.
„Warum?“ lachte Akira. „Also ich weiß ja, dass ich hier das Superbrain bin, aber alles weiß ich auch nicht.“ Das süffisante Grinsen war keine Absicht, es kam von ganz allein. Kei grinste noch immer leicht.
„Du bist Schuld daran, also musst du wissen, warum.“
Akira lachte leise. Seine Hand wanderte gemächlich auf Keis Rücken.
„So ein Quatsch. Du bist Schuld.“
„Ich? Wieso ich jetzt auf einmal?“ Kei lachte immer noch ein bisschen.
„Wer hat sich wem an den Hals geworfen?“ entgegnete Akira mit hochgezogener Augenbraue. Keis T-shirt wanderte etwas weiter nach oben.
„Geworfen würde ich das jetzt nicht nennen.“
Akira lachte. Puh, gut dass er nicht ‚Na du dich mir‘ gesagt hat.
Kei lachte ebenfalls.
„Du hast dir das hier trotzdem selbst zuzuschreiben,“ sagte Akira herablassend nickend. Er kratzte langsam über Keis Brust.
„Schuldig im Sinne der Anklage.“ Kei küsste ihn auf die Stirn.
„Na toll, jetzt hab ichs im Gesicht kleben.“ Er zog seine Hand zurück, um sich damit demonstrativ über die Stirn zu wischen. Kei gab ein leises Lachen von sich.
„Gern geschehen.“
Akira wechselte seine Stützhand und fuhr damit fort, Kei zu befummeln. Der tat mit seiner freien Hand ähnliches und machte sich an Akiras Kleidern zu schaffen. Akiras Hand kroch unterdessen zu Keis Hosenbund und öffnete den Knopf. Kei saß so, dass es gar nicht schwer war, ihn seiner Sachen zu entledigen. Geschickt öffnete er mit links Akiras Hose, ihm einhändig das Hemd über den Kopf zu ziehen, war zu umständlich. Dafür setzte Akira sich wieder auf, was ihn unweigerlich Kei verdammt nahe brachte. Er zog sich das T-shirt aus, ließ es einfach fallen und schob dann Keis Hemd hoch. Keis Mund war ihm zu nah. Den küsste er, zärtlich aber weniger geduldig als zuvor. Kei erwiderte den Kuss und hockte da ziemlich unbequem, aber das störte ihn momentan nicht sehr. Nachdem er Akiras Hosen beiseite gelegt/geworfen hatte, beugte Kei sich ein Stück runter und widmete sich wieder den Lippen seines Freundes.
Zuerst hielt Akira ihn beim Nacken, dann strich seine Hand über seinen Hals und er schien sich nicht entscheiden zu können, was und wie lange und wie er ihn wo anfassen wollte, bis er schließlich wieder bei Keis Hosenbund angelangt war, unter den er seine Hand schob. Kei positionierte sich bequemer, sodass zum einen Akiras Hand mehr Platz in seiner Hose hatte, und er zum anderen nicht mehr zusammengeknüllt dasaß. Das sorgte auch dafür, dass er mit der freien Hand, die er nicht zum Abstützen gebrauchte, besser an Akiras Oberkörper herankam, über den er seine Hand wandern ließ. Akira brach den Kuss ab um sich hinzulegen und öffnete eilig Keis Hose. Mit Händen und Knien schob er sie herunter. Der Vampir war so freundlich ihm dabei zu helfen und schob seine Hose nach dem Ausziehen woanders hin. Danach küsste er ihn wieder.
Akira versuchte, sich wieder etwas aufzusetzen und schob an Keis Schulter. Kei schaute ihn beim langsamen Zurückfallen fragend an.
That I could be on top doesn't even cross his mind, dachte Akira amüsiert, während er sich mit einem ebensolchen Lächeln aufsetzte und nun mit beiden flachen Händen nachdrücklicher wurde.
Kei grinste leicht und gab dem Kleineren nach einem Weilchen nach, zog ihn aber mit sich nach unten und küsste ihn. Akira kroch rittlings auf ihn und sorgte für möglichst viel Körperkontakt, während er weiter genüsslich an Keis Lippen nagte und saugte.
I wanted to stay here much longer...
Kei vertiefte den Kuss weiter, während er Akira im Nacken festhielt. Sein Kopf lag auf seinem T-shirt, aber das bemerkte er gar nicht. Mit der freien Hand hinterließ er Kratzspuren auf Akiras Rücken. Leise stöhnte Akira in den Kuss, biss Kei etwas auf die Lippe und begann unwillkürlich damit, sich an ihm zu reiben. Kei war selber nicht besonders geduldig, wo doch sein Gehirn nicht mehr gut genug durchblutet war, um ihn darauf zu bringen, Akira noch länger warten zu lassen. Grinsend biss Kei dem Kleineren auf die Lippe, während er in ihn eindrang. Zwischen ein paar der Bretter des Schuppens fiel ein bisschen Mondlicht, was den Raum aber nicht wirklich erhellte.
Langsam und vorsichtig setzte Akira sich auf, nachdem er Kei noch einmal unsauber geküsst hatte. Auf Keis Gesicht war ein leicht versautes Grinsen und nur leicht geöffnete blaue Augen zu sehen, eigentlich sah man fast nur das Blau, da das Mondlicht nicht besonders stark war.
Dem Vampir schien seine Lage zu gefallen. Er begann damit, sich leicht gegen den Kleineren zu bewegen und beobachtete ihn mehr oder weniger unauffällig. Akira hatte die Augen geschlossen und nahm außer Kei in ihm, Keis Händen auf ihm und der kratzenden Musik aus dem Radio nichts wahr.
Keis Bewegungen wurden allmählich schneller, drängender. Die Musik hörte er kaum, er beachtete sie auch nicht. Mittlerweile schämte Akira sich nicht mehr für sein Stöhnen in solchen Momenten. Er war sich sicher, dass es seinem Wahnsinnigen mindestens egal war, wenn nicht sogar gefiel. Mit beiden Händen stützte er sich auf ihn, und er hob sich auf den Knien ein bisschen, um Kei unten zu halten und seine Stöße abzumildern. Das funktionierte sogar, wenn auch nur ein bisschen.
Kei war nicht egal, was sein Freund von sich gab, er nahm es eher mit Freuden wahr. Er selbst war nicht besonders laut, trotzdem würde man sie beide hören, wenn man sich denn in ihre Nähe verlaufen würde.
Als Kei etwas ruhiger zu werden schien, ließ Akira ihn wieder los.
„Heh...“ Er musste benebelt lächeln, als er im Zwielicht den blauen Schimmer aus Keis Augen sah.
Kei hatte mehr ein Grinsen im Gesicht als ein Lächeln und blickte in etwa so drein wie ein Heroinjunkie nach einem Schuss. Etwas langsamer und sanfter bewegte er sich weiter gegen Akira und ließ es nicht bleiben, ihn anzusehen. Akira kämpfte gegen den Drang an, die Augen wieder zu schließen, und sah Kei weiter berauscht an. Schwer atmend begegnete er seinen Bewegungen. Er war angespannt, aber schien es nicht eilig zu haben, fertig zu werden.
Kei auch nicht. Immerhin war dies wahrscheinlich ihre letzte Nacht in Brasilien und die musste ausgenutzt werden.
Mal erwiderte der Vampir Akiras Blick, mal hatte er die Augen zu, was blieb war der Rauschausdruck in seinem Gesicht. Allmählich wurden seine Stöße wieder schneller und härter, wenn auch nur ein bisschen.
Nun wurde Akira sich selbst doch etwas zu laut - er begann auf seiner Unterlippe zu kauen, um dem entgegenzuwirken, während er sich nun selbst anfasste. Der Vampir wurde noch etwas schneller, seine rechte Hand krallte sich dabei in Akiras Hüfte.
„Hng - wait, no - slow down...“
Einen Moment später kam Kei seines Freundes Begehren nach und wurde wieder etwas langsamer, er sah ihn aus halb geöffneten Augen an.
„Hah... hast du dein Messer?“ Was Akira meinte, war, ob das Messer in Reichweite war.
„Hosentasche...“ mit der nicht Akira festhaltenden Hand griff er nach seiner Hose. „Wofür?“ fragte er leise, als er das Messer aus der Tasche zog um es dem Kleineren zu geben. Der nahm es, ließ es aufschnappen und hielt es wieder Kei hin, mit dem Griff voran. Dabei deutete er mit dem Zeigefinger auf seine Brust.
Das brachte ihm ein versaut-tödliches Grinsen seitens Kei ein, der das Messer wieder an sich nahm. Er hielt es fast wie einen Stift und begann damit, im Rythmus seiner Stöße, seinem Freund Schnittwundenmuster zuzufügen.
Bei den ersten Malen zuckte Akira noch zusammen und stöhnte leise auf, aber bald wandelten sich sein Gesichtsausdruck und seine Stimme wieder in Rausch und Erregung und er vergaß schnell, bei seinen Bewegungen gegen Kei darauf zu achten, dass ihm vielleicht die Klinge ausrutschen könnte. Er fasste sich wieder an, diesmal sehr ungeduldig, und stützte sich mit der freien Hand wieder auf Keis Brust, wo er sich mit den Fingernägeln festkrallte.
Kei wurde ebenfalls langsam ungeduldig und seine messerführende Hand achtete auch nicht mehr darauf was sie tat, und so wurden die Schnitte tiefer und das Muster unordentlich. Seine Stöße wurden noch etwas härter und seine andere Hand krallte sich tiefer in das Fleisch an Akiras Hüfte.
„Hah...“ Akiras Stöhnen klang nun etwas verzweifelter. Plötzlich beugte er sich ohne Vorwarnung hinunter.
Keis Messer stach in Akiras Oberkörper, was Blut fließen ließ. Der Vampir merkte das kaum. Nur seine Hand wurde warm. Doch stören tat ihn das nicht, er wurde noch ein wenig schneller und vergaß fast, dass er gerade seinen Freund eigentlich abgestochen haben müsste. Akira zuckte zusammen und machte ein ersticktes, schmerzerfülltes Geräusch, packte dann Keis Messerhand und drückte sie weg, um sich tiefer zu ihm hinunterzubeugen. Kei ließ das Messer los, sodass es herunterfiel und küsste den Kleineren grinsend. Der erwiderte den Kuss nur kurz, bevor er sich Keis Ohr zuwandte.
„Come,“ flüsterte er schwer atmend und biss zu.
Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Nach nicht allzu vielen Sekunden kam er mit völlig benebeltem Gesicht und lautem Stöhnen, das bald darauf zu schwerem Atmen wurde. Akira küsste seinen Hals und leckte etwas von seinem eigenen Blut auf, das dort entlangrann. Er behielt sein Gesicht dort vergraben und hielt Kei bei den Haaren, an denen er unwillkürlich etwas zog, als ihm seine letzten harten Stöße den Rest gaben. Was auch immer er dabei unartikuliertes von sich gab, dämpfte er ab indem er in Keis Hals biss.
Kei legte einen Arm um ihn und hielt ihn im Nacken fest, damit er blieb, wo er war. Sein Gesicht zuckte etwas zusammen, als Akira ihn biss.
Schmerzen. Da war ja was. Die spürte er zwar nicht besonders stark, aber er nahm sie wahr. Akira ließ seinen Hals kurz darauf wieder gehen. Heiß und feucht atmete er schwer auf Keis nassen Hals und blieb auf ihm liegen.
Kei blieb, nachdem er sich beruhigt hatte, liegen wie er war und hielt seinen Freund weiterhin fest. Dessen Herz schlug schnell und pumpte hastig weiter kleine Schlucke Blut zwischen sie.
„Wehe dir du gehst jetzt drauf,“ gab Kei leise von sich und machte keine Anstalten, Akira loszulassen.
„Warum sollte ich jetzt draufgehen?“ flüsterte Akira unter seinem Ohr.
„Weil du verdammt viel Blut verlierst.“
Akira lachte leise und biss ihm sachte ins Ohr.
„Wenn du von mir trinkst, ist das gefährlicher.“
„Nur bedingt.“ Kei lachte ebenfalls, während er ihn weiter festhielt. Er hatte nicht wirklich vor, ihn loszulassen. Abhauen, was sie ja eigentlich vorhatten, konnten sie ein bisschen später auch noch.
„Ach was... wir können nicht mehr sterben. Hey-“ Akira hob ein bisschen den Kopf. Keis Griff ließ nicht viel mehr zu, als ihn ein bisschen zu drehen.
„Ach ja. Naja, das wissen wir nicht, ich hab's noch nicht wieder versucht.“ Der Vampir küsste Akira kurz.
„Hm-“ Akira zog den Kopf weg und sah Kei ernst an. „Was, wenn wir doch noch sterben können, aber nur wenn wir‘s selber machen? Oder gegenseitig?“
Kei lachte. „Dann bringen wir uns halt nicht um.“
„Aye, sir. Ich versuch‘s. Seit Chile ist es jedenfalls nicht mehr vorgekommen.“
„Ich hinder dich eh daran.“
Akira nickte. „Dann fessel mich zum Schlafen am besten. Dann musst du mich nicht die ganze Zeit bewachen.“ Er schmunzelte dreckig.
„Das lässt sich einrichten, aber ich bin mir nicht sicher, ob du dann wirklich viel Schlaf bekommst.“ Auch der Vampir grinste.
„Warum? Bin ich ein Schlafarmwedler?“
„Nein.“ Kei grinste dreckig. „Das erfährst du dann.“
Akira hob die Augenbrauen. „Ach, du willst es machen?“
„Mach mir doch die Überraschung nicht kaputt.“ Jetzt schmollte Kei ein wenig. Akira lachte leise.
„Es gibt nicht mehr viel, das mich überraschen könnte.“
So behauptete Akira, und so dachte er auch, bis ihm plötzlich der Gedanke kam, wie Kei mit Blumenstrauß und Ringschachtel in den Händen vor ihm kniete. Er vergrub das Gesicht wieder an Keis blutbeschmiertem Hals und lachte.
In diesem Moment wünschte Kei einmal mehr, dass er Gedanken lesen könnte.
„Woran denkst du?“ wollte er wissen.
Bald würden sie hier los müssen, sehr bald sogar.
„Haha, etwas, das mich überraschen könnte,“ erwiderte Akira belustigt und gab Keis Hals noch einen Kuss. Er hatte nicht die geringste Absicht, sich zu bewegen. Noch nicht.
„Das muss ja was Irrsinniges sein.“ Kei schmunzelte amüsiert und nahm Akira in den Arm. „Wir sollten bald aufbrechen.“
„Ja...“
Gemächlich leckte Akira Keis Hals sauber. Mittlerweile blutete er nicht mehr. Der Stich war nun vermutlich längst verheilt, ohne eine Narbe zu hinterlassen. Diese Regenerationsfähigkeit war zwar ungemein praktisch, doch Akira fand es dennoch manchmal schade, dass es nie bleibende Spuren gab.
Kei ging es da ähnlich, wollte er doch, dass er sehen konnte, was er angestellt hatte. So blieb ihm nichts anderes übrig als seine Spuren häufiger mal zu erneuern. Nur hielten die auch nicht lange. Das war das einzige, was ihm am Untotsein nicht gefiel... Und Akiras Selbstmordanfälle, die aber seit einer ganzen Weile nicht mehr auftraten. Kei machte keine Anstalten, sich zu bewegen, aber das musste er bald, denn es wäre besser, vor dem Sonnenaufgang verschwunden zu sein.

Als Akira nach geraumer Zeit endlich meinte, sich genug an seinem eigenen trocknenden Blut auf Kei gütlich getan zu haben, stützte er sich auf die Hände und kletterte von dem Vampir herunter, bis er neben ihm auf der Seite lag. Er selbst war noch vom Nabel bis zum Hals verschmiert und verkrustet.
Was Kei änderte. Er half dem Kleineren zu gern dabei, das Blut vom Körper zu kriegen, indem er es ableckte, wo es noch nicht getrocknet war.
Wir haben noch ein bisschen Zeit... Es ist noch nicht morgens...
Jetzt müsste man schnurren können, dümpelte es in Akiras Kopf, während er auf einen Ellenbogen gestützt seinem Wahnsinnigen dabei zusah, wie er sich sein Blut schmecken ließ. Zwischendurch konnte er das geisterhafte Leuchten der blauen Augen sehen. Mit der freien Hand strich er ihm langsam durch die Haare. Kei ließ sich Zeit dabei, Akira von dessen Blut zu befreien, während in seinen Gedanken alles mögliche und wieder nichts vor sich ging.
„Hm,“ gab Akira schmunzelnd von sich. Wenn der so weitermacht... „Gut, dass wir‘s überhaupt nicht eilig haben...“ murmelte er und küsste Kei mitten auf den Scheitel.
„Bis zum Morgengrauen kann‘s noch eine Weile dauern,“ entgegnete Kei grinsend, wohl wissend, dass dem nicht so war.
„That's our deadline? I didn't know.“ Akira lächelte warm und rutschte etwas hinunter, um Kei richtig zu küssen.
„Yeah.“ Kei hatte diese Deadline sehr kurzfristig festgelegt, weil er es für sinnvoll hielt, morgens früh aufzubrechen, wenn die Welt noch am Schlafen war. Das war ein Vorteil eines verschlafenen Ferienörtchens gegenüber der Großstadt. Er erwiderte den Kuss lächelnd.
Trotz seiner um Kei geschlungenen Arme und Beine versuchte Akira zu ignorieren, wie sein Körper nach einer zweiten Runde schrie. Er küsste Kei nur wahnsinnig langsam und hielt dafür sein glückliches Grinsen in Schach, das der Anblick von Keis Gesicht und besonders seiner Augen verursachte. Das leichte Zwielicht in den Zwischenräumen der Bretter ihres Verschlags bemerkte er nicht.
Kei ignorierte das leichte kaum wahrnehmbare Dämmern nicht. Einen Moment erhielt der Vampir den Moment noch aufrecht, ehe er sich aufsetzte.
„Wir müssen gleich los.“
Genervt stöhnend ließ Akira sich zurückfallen. Das brachte Kei fast zum Lachen. Betont langsam und schwerfällig erhob Akira sich ebenfalls und stand gleich ganz auf. Dabei streckte er sich ausgiebig. Der Vampir tat es ihm gleich, wobei er dabei etwas verdreht aussah, da er beim Aufstehen nach seinen Kleidungsstücken angelte. Akira pickte sich seine Cargoshorts und das T-shirt aus dem Betthaufen, zog sie an und stopfte dann das meiste Übrige in seinen Rucksack, auf dem er zu guter Letzt noch den Geigenkasten festschnallte. Danach zog er sich Socken und Schuhe an.
Kei zog sich ebenfalls wieder an und hängte sich das Schwert um. Er hatte es lieber bei sich als am Rucksack. Nachdem er seine Stiefel geschnürt und die Kapuze ins Gesicht gezogen hatte, ging er zur Tür.
„Ich mochte es hier.“
„Ich auch. Es war friedlich,“ stimmte Akira zu, während er das Taschenradio ausschaltete und in eine Seitentasche seines Rucksacks schob. Seine buntgestrickte Mütze aufsetzend, ging er hinter Kei hinaus.
Friedlich war eine ganz neue Erfahrung für den jungen Vampir gewesen. Aber auch eine, von der er nicht wollte, dass sie ewig andauerte. Er mochte Aufregung lieber.
Ruhe mit Akira war gut.
Aufregung mit Akira war allerdings entschieden besser, so war er auch froh, bald wieder unterwegs zu sein.

Die Reise dauerte Wochen.
Wie lang genau, war beiden egal, und sie nahmen die Zeit auch nicht wahr. Nachdem sie lange zu Fuß durch Surinam gewandert waren – wahrscheinlich kreuz und quer – hatten sie irgendwann das Glück, auf einen Aussteiger zu treffen, der scheinbar als eine Art Tagelöhner und Wilderer durch den Dschungel reiste. In Begleitung eines jungen Japaners, bemerkenswerterweise. Dieser überredete seinen Muskelberg von Kumpan, der nach eigenen Angaben fahnenflüchtiger US-Soldat war, die beiden Jungs mitzunehmen. So durften sie die Landschaft von Guyana und Venezuela von einem Jeep aus betrachten, mussten ihr Gepäck nicht weiter selbst schleppen und mussten dafür nichts weiter tun, als ihre beiden Gönner Tashio und Ryan mit ihren jeweiligen Muttersprachen und etwas Musik zu unterhalten.

Vor zwei Tagen waren sie auf Kuba angekommen. Die Insel war voll mit Menschen, Touristen und Einheimischen, die den bald enden Sommer genossen und häufig bis in die Morgenstunden feierten. Für Kei war das ein schöner Ort. Der Vampir mochte ein pulsierendes Nachtleben. Aber es war nicht Tokyo. Sein Spanisch war kaum besser geworden, aber auf Kuba kam er mit Englisch weiter als in Südamerika, wie er an der Grenze feststellen konnte.
Akira und er waren vorerst in einer kleinen Herberge abgestiegen, die etwas außerhalb des Stadtzentrums lag. So würden sie nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, die ungebetene Besucher anlockt – Polizisten zum Beispiel.
Am Abend saß Kei auf dem großen Bett in dem ansonsten nicht sehr großen Raum und sah aus dem Fenster. Er wartete auf Akiras Rückkehr, der mit seinem kaukasischen Erscheinungsbild und US-Pass deutlich weniger auffiel als er selbst und damit auch besser dazu geeignet war, ihre Tabak- und Spirituoseneinkäufe zu erledigen. Außerdem konnte er besser Spanisch, was auch nicht schadete.

Die eben erstandene eiskalte Tequilaflasche wanderte zu den frischen Zitronen in Akiras bunten Strickbeutel, der ihm quer über die Schultern hing, und die Zigarillopackung wurde an Ort und Stelle aufgerissen, während der Händler ihn noch grinsend verabschiedete. Akira erwiderte den Gruß freundlich und rückte seine Strickmütze zurecht, ehe er sich abwandte und sich einen Zigarillo zwischen die Lippen klemmte. Gerade pulte er ein Streichholzbriefchen aus seiner Hosentasche, als er von einem asiatisch aussehenden Mann Mitte vierzig angesprochen wurde.
„Du bist nicht zufällig mit einem jungen Japaner unterwegs?“ fragte der Fremde direkt, blickte dabei freundlich-neutral drein. Er sprach Japanisch. Auf der Straße waren auch zu später Stunde noch viele Menschen unterwegs. Aus Reflex sah Akira sich um, ehe er den Mann genauer musterte und sich betont desinteressiert den Zigarillo anzündete. Oder er versuchte es zumindest, doch die lappenartigen dünnen Streichhölzer wollten nicht so recht mitmachen. Das ruinierte seinen Auftritt ein wenig.
„I'm sorry, I don't understand what you're saying,“ probierte er. Das Lügen hatte er immer noch nicht gelernt, aber immerhin war Englisch seine Muttersprache und wirkte so vielleicht überzeugend genug. Er zuckte mit einem gekonnt unschuldigen Lächeln mit den Schultern. Der Mann reichte ihm ein Feuerzeug und antwortete:
„Ich weiß, dass du Japanisch kannst, ich habe euch gesehen. Ich wollte dich lediglich warnen. Du weißt nicht, mit wem du deine Zeit verbringst.“ Er sprach ruhig und es klang so, als hätte er Akira gerade das Wetter der kommenden Tage mitgeteilt. Auf Akiras Gesicht wurden nun zartes Misstrauen und ein bisschen Neugier sichtbar, als er den Mann weiter musterte.
Einer von Ryujis Leuten?
„Was meinst du damit?“ Trotz des Alters des Mannes hielt er sich nicht mit Höflichkeit auf.
„Ich nehme an, du weißt nicht, was er gemacht hat, bevor ihr euch begegnet seid?“
„Du weißt doch gar nicht, wann wir uns begegnet sind,“ entgegnete der Junge mit einem amüsierten Stirnrunzeln. Er zündete sich den Zigarillo an und reichte dem Mann sein Feuerzeug zurück.
„Ich weiß, wann ich ihn das letzte Mal gesehen habe und das ist schon sehr lange her. Dich kann er erst später getroffen haben, nachdem er ein halbes Yakuzasyndikat zerfetzt hat – mit vierzehn Jahren,“ erklärte der Fremde, nachdem er sein Feuerzeug wieder an sich genommen hatte und musterte den Jungen daraufhin.
Akira blinzelte erstaunt und musste dann grinsen. Er wandte sich zum Gehen, aber so, dass es offensichtlich war, dass er das Gespräch noch nicht als beendet betrachtete.
„Und wer bist du?“ fragte er den Mann.
„Ein alter Bekannter von Sakai. Kein besonders guter. Ein damaliger Mitarbeiter von mir ist für dieses Bild verantwortlich.“ Er zeigte dem Jungen neben ihm hergehend ein Foto, auf dem ein Junge mit blauen Augen zu sehen war – nicht älter als zwölf Jahre. Er hatte Blut am ganzen Körper kleben und trug keine Kleidung. „Vielleicht erkennst du ihn wieder. Er sieht weniger gefährlich aus.“
Akira nahm das Bild. Seine Schritte verlangsamten sich, als er es genau betrachtete.
Wo sieht er weniger gefährlich aus – Jetzt oder auf dem Foto? Aber noch viel wichtiger -
„Warum ist er nackt?“ fragte er ernst.
„Dieses Bild ist unter unschönen Umständen enstanden. Einige Jahre zuvor hatte ihn jemand aufgesammelt und befand es als eine gute Idee, ihn als Spielzeug zu benutzen.“
Der Blick des Jungen auf dem Bild war absolut leer und ließ keine Spur von irgendeinem Gefühl vermuten, nicht einmal von körperlichen Schmerzen, die er gehabt haben musste. Akira sah das Bild genauer an. War das Blut auf ihm Keis eigenes?
Stirnrunzelnd sah er zu dem Mann auf.
Ein Mitarbeiter von ihm, ‚jemand‘ hielt es für eine gute Idee ihn als ‚Spielzeug‘ zu benutzen... Dieser Mann musste etwas damit zu tun gehabt haben.
„Was hast du damals davon gewusst?“ Akira schob sich das Foto in die Hosentasche.
„Teilweise... Ich wusste, dass er den Jungen bei sich hatte und ich wusste, dass er merkwürdige Neigungen hatte. Was er mit Sakai angestellt hat, war ein offenes Geheimnis,“ teilte der Mann Akira mit. Er würde ihm nicht alles erzählen, das er wusste.
Und was er erzählt hatte, reichte Akira schon beinahe. Er bog in einen schwach beleuchteten Pfad zwischen hoch umzäunten Hinterhöfen und Gärten ein, durch den man zu einer Parallelstraße kam.
„Und wovor genau willst du mich jetzt warnen? Vor dem kleinen missbrauchten Jungen, der es geschafft hat, sich zu wehren?“
„Ich wollte nur sichergehen, dass du weißt mit wem du deine Zeit verbringst, der Junge ist mit Vorsicht zu genießen. Richte ihm Grüße aus. Es gibt viele, die seinen Kopf rollen sehen wollen. Oh, und sag ihm, dass er besser seine Schulden zahlen sollte, wenn er an seinem verdammten Leben hängt... oder an deinem.“
Mit diesen Worten ging der Mann wieder seiner Wege und ließ Akira allein.

Kei vertrieb sich die Zeit des Wartens mit einer ausgiebigen Dusche. An deren Ende gesellte Akira sich zu ihm. Das tat er, indem er stumm eintrat, leise die Tür schloss, den Beutel auf den Tisch legte und auf dem Weg zur Dusche, die sich im selben Zimmer wie alles andere befand, nacheinander seine Sandalen, Mütze, T-shirt und Hose auf den Boden fallenließ. Er tastete nach der Öffnung im Duschvorhang und trat mit blutverschmiertem Gesicht und Armen hindurch.
„Du hast ‘ne interessante Definition von Alkohol kaufen,“ kommentierte Kei das blutige Eintreten seines Freundes. Akira trat dicht genug an ihn heran, um unter den Wasserstrahl zu gelangen.
„Ich habe Alkohol gekauft.“ Er wischte sich über das Gesicht und sah Kei an. Dann dachte er an das Foto in seiner Hosentasche. Und dann musste er unwillkürlich daran denken, wie sonderbar es war, dass selbstgerechte, sadistische Schwerkriminelle im mittleren Alter haargenauso schmeckten wie brave Bürger.
„Und auf dem Rückweg hast du dir ‘nen Imbiss genehmigt.“ Kei erwiderte Akiras Blick gelassen und betrachtete das an ihm herunterlaufende Blut. Akira zuckte mit den Schultern.
„Was soll ich sagen, er hat sich mir praktisch angeboten... Sag mal, erinnerst du dich an meine Entführung? Die in La Paz meine ich.“ Er musterte Kei weiter, dicht genug vor ihm stehend, dass er ihn bequem hätte umarmen können. Er selbst sah etwas nachdenklich und sehr ernst aus.
Bilder von den verschiedenen Männern, die er einfach wie am Fließband getötet hatte, gingen ihm durch den Kopf, und die Bilder, die Kei eigentlich vergessen wollte. Die meisten davon.
„Ja, warum?“
„Wie habe ich da ausgesehen?“ Akira drehte sich um und tapste nass zu seiner Hose.
„Blutverschmiert und unter Drogen.“
Mit spitzen Fingern zog Akira das Foto des kleinen Kei aus der Hosentasche, ließ die Hose wieder fallen und hielt es Kei entgegen.
„Ich war nicht ganz beisammen, also bin ich mir nicht sicher wie viele es waren, aber die ersten sechs habe ich mitgezählt.“
Wie viele was? Er weiß doch gar nicht, wovon du redest!
Doch. Der letzte steckte noch fast in mir drin als die Schießerei losging. Er wird ihn gesehen haben.
Akira klang wirklich gelassen. Ruhig und gefasst. Er musterte Kei weiter.
Das wollte Kei nicht wissen, er konnte es sich denken und das reichte ihm. Überrascht strarrte er auf das Foto. Nach einer Pause fragte er leise:
„Wo hast du das her?“
Niemals hätte er damit gerechnet, noch einmal mit diesem Bild konfrontiert zu werden. Nicht, nachdem er mit zwei Schusswaffen und einem Messer jeden lebenden Menschen, den er in diesem Haus gefunden hatte, umgebracht hatte.
„Von einem Japaner, der mich gerade draußen angesprochen hat. Er sagte, er wolle mich vor dir warnen. Du seist mit Vorsicht zu genießen, sagte er. Ich soll dir auch Grüße ausrichten und dir sagen, dass du irgendwas bezahlen sollst, wenn du deinen Kopf behalten willst. Und meinen,“ fügte Akira mit einem kleinen Seitwärtsnicken hinzu. „Das war mein Imbiss.“
Als Kei das Bild nicht anfasste, legte Akira es hinter sich auf den Tisch. „Du musst nicht alles für dich behalten,“ sagte er leise.
„Ich war eigentlich der Meinung, dass von denen keiner mehr übrig ist,“ sagte Kei leise.
Er wollte einiges für sich behalten, aber das schien nicht immer eine gute Idee.
Die können ja versuchen, sich ihr Geld zu holen... Oder mich... Dann ergeht es ihnen wie ihren Freunden damals.
Der Vampir ging nicht weiter auf das Bild ein.
Sie haben eine Drogenparty gefeiert... Viele bewaffnete Männer in einer dunklen Wohnung... Kei wusste nicht mehr, ob es Tag oder Nacht gewesen war oder wie viele Menschen damals wirklich auf dieser Feier waren. Relativ bald nach dieser Aufnahme waren alle von ihnen tot gewesen. Kei hatte an Bargeld alles mitgenommen, was er hatte finden können und einige teure Gegenstände zu Geld gemacht. Die Leichen hatte er einfach liegen lassen.
„Kei.“ Akira sah ihn an. Er drückte seine triefenden Haare aus, ohne seinen Blick abzuwenden.
Der Angesprochene sah Akira direkt an und wartete. Akira wartete auch. Mittlerweile fiel es ihm nicht mehr schwer, diesem außerirdisch blauen Blick standzuhalten, aber verlegen machte er ihn immer. Und sie waren beide nackt und nass.
Egal.
Nicht daran denken.
Irgendwann musste er doch den Mund aufmachen.
Der Vampir stand noch unter dem warmen fließenden Wasser und sah seinen Freund an, nicht musternd sondern eher leicht überfordert. Auch wenn er nicht wollte, dass Akira das mitbekam.
„Verbrenn das Bild,“ sagte er ruhig.
Ohne zu zögern, drehte Akira sich um und zog den Aschenbecher heran, zerriss das Foto und legte die Schnipsel hinein. Dann holte er das unzuverlässige Streichholzbriefchen aus seiner Hosentasche, zündete es an und legte es dazu.
„Du willst mir nichts erzählen?“ fragte er ruhig, während er beobachtete, wie der kleine Papierhaufen Feuer fing.
„Wenn er tot ist, wird er dir genug erzählt haben.“ Auch Kei sprach ruhig.
Und du hast das Bild gesehen... das erzählt genug...
Nachdenklich sah Akira dem Feuer zu und tropfte dabei noch ein bisschen.
Er ist nicht wahnsinnig, weil er ein Vampir ist.
Kei machte nach einer Weile das Wasser aus und nahm sich ein Handtuch um nicht Akiras Beispiel zu folgen und den ganzen Boden vollzutropfen. Aus der Dusche getreten nahm er sich eine Zigarette und zündete sie an.
„Das ist lange her,“ fügte er ruhig hinzu und setzte sich aufs Bett.
So acht, neun Jahre.
Akira setzte sich daneben und nahm sich auch eine Zigarette.
Rauchend sah Kei aus dem Fenster, während er sich fragte, warum der Typ noch bis vorhin am Leben gewesen war und ob noch mehr Yakuza von damals immer noch hinter ihm her waren.
„Was meinte er damit? Damit, dass du deine Schulden begleichen sollst?“ versuchte Akira, als Kei nicht weitersprach. Er setzte den Aschenbecher, in dem die letzten Reste des Fotos glommen, zwischen sie auf die Bettdecke.
„Ich hab‘ diese Penner um einiges Geld erleichtert... was anderes kann ich mir nicht vorstellen...“
„Du hast sie bestohlen? Wie? Warst du nicht gerade mal zehn oder so?“
„Ich war zwölf, aber Tote zu bestehlen ist einfach.“
„Ich kam mir gerade so einfühlsam vor...“ Akira rollte die Augen. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. „Glaubst du, dass du -“ Nein, das sollte ich nicht – scheiß drauf. „Glaubst du, dass du darum so brutal bist? Weil sie‘s dir so beigebracht haben?“
Beibringen war eine gute Formulierung, denn erzogen worden war Kei niemals wirklich.
„Möglich.“
Kurz entschlossen nahm Akira Kei die halbe Zigarette aus der Hand und drückte sie zusammen mit seiner aus.
„Hey!“ Kei sah Akira fragend an. Der setzte den Aschenbecher auf den Tisch zurück und rutschte näher.
Kei betrachtete das Gespräch einfach als beendet als von Akira nichts mehr kam und war diesem Umstand tatsächlich dankbar. Er legte einen Arm um Akira und zog ihn an sich. Akira küsste ihn, sanft und langsam.
Der Vampir erwiderte den Kuss wie der andere ihn begonnen hatte. Akiras Hand wanderte langsam und leicht Keis Arm und Schulter hinauf. Er fragte sich, ob Kei auch Blümchensex konnte.
Wahrscheinlich nicht. Mal sehen.
Er streichelte Keis Wange und durch seine nassen Haare. Sie waren mittlerweile schwarz-blond. Das Blau war komplett ausgewaschen. Der Japaner lächelte ein bisschen und zog den Kleineren leicht noch ein Stückchen zu sich. Mit einem warmen Lächeln legte Akira locker die Beine um Kei und zog ihm das Handtuch ab, ehe er ihn wieder küsste, kurz und keusch.
Zwei Jahre. Nach zwei Jahren muss mich ein Fremder auf der Straße anquatschen, damit ich davon erfahre.
Kei vergrub sein Gesicht in Akiras Halsbeuge und rutschte so aufs Bett, dass er ganz darauf saß. Seinen Freund zog er dabei ein bisschen mit.



Kei + Colin LXVIII: Wir werden Piraten

| Luis Vieira - Froreggae | 
| Luis Vieira - Bahiáfrika |

In den folgenden Tagen bekamen die Medien ein reiches Angelbüffet, im Zuge dessen ein kleines Hotel in der Innenstadt an den Rand des Ruins gezogen wurde, nachdem zwei seiner Mitarbeiter wegen Mithilfe zur Entführung und Menschenhandels verhaftet wurden.
Angel blieb abgeschirmt in einem nicht spezifizierten privaten Krankenhaus, wurde aber ziemlich schnell wieder entlassen. Kei war nur dort gewesen um sich die Kugeln aus dem Körper popeln zu lassen und war dann verschwunden. Er kam allerdings oft bei Akira in der Klinik vorbei, nachdem er herausgefunden hatte, wo er lag.
„Sie gucken nur noch, ob ich jetzt plötzlich süchtig bin oder so,“ erklärte Akira Kei bei einem Besuch. „Aber es ist alles sofort verheilt.“ Er zuckte mit den Schultern.
Kei hatte ihm schon offenbart, dass alle Menschen, die sich dort befunden hatten, wohin er entführt worden war, tot waren. Er nahm seinen Freund in den Arm. Einige von den Männern hatte er grausam hingerichtet, aber Akira brauchte nicht jedes Detail zu wissen.
Langsam strichen Akiras Finger durch Keis Haare. Er war nicht bei vollem Bewusstsein gewesen, als Kei dazugekommen war, aber er wusste, dass Kei in seinem Blutrausch und seiner Geschwindigkeit einiges entgangen sein musste. Er hielt sich selten mit Einzelheiten auf. Und diese bewussten musste er Kei auch nicht erzählen.
Kei setzte sich aufs Bett. Inzwischen hatte er sich eine Wohnung organisiert, weil er ja irgendwo schlafen musste.
Er hielt Akira leicht fest. „Wann kommst du hier raus?“
„Ich glaube, schon morgen. Ich weiß aber noch nicht, wo ich dann hingehe. Ich soll nicht ins Wohnheim zurück.“
„Du kannst mit zu mir kommen. Ich hab ne Wohnung gefunden.“ sagte Kei ruhig.
Die Medien waren dominiert von dem, was auf der alten Ranch passiert war, und Keis Aktion mit den Medienmenschen vor dem Wohnheim. Und allem, was sonst mit Angel und seinem mysteriösen Asiatenfreund zu tun hatte.
„Ist die schön geheim?“ fragte Akira und seinem ernsten Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er diese Formulierung mit voller Absicht gewählt.
„Außer mir weiß keiner, dass ich da wohne.“ Kei musste seinen Wohnort zwar melden, tat das aber unter falschem Namen. Sodass wirklich keiner wusste, wo er wirklich wohnte. Allein schon all der Polizisten wegen, die ihn gerne verknacken wollten.
Akira sah auf seine Knie, die unter dem schicken Krankenhauskittel hervorschauten.
„Dann kann ich da bestimmt mit einziehen... solange sie auch geheim bleibt.“
„Ich geb mir die größte Mühe, das geheim zu halten,“ sagte Kei. Akira lächelte.
„Lass uns rausgehen.“ Er rutschte vom Bett und stieg in ein Paar Plastiksandalen.
„Ja, draußen regnet es.“ Kei nahm Akira mit nach draußen, wo es in Strömen regnete. Hinter dem großen Vordach über der Terrasse. Darunter war es trocken. Die Terrasse war von Pflanzen mit riesigen glänzenden Blättern und merkwürdig geformten roten Blüten gesäumt. Ein paar bunte Vögel saßen auf einem dünnen Balken direkt unter dem Dach und zuckten mit den Köpfen, wenn das Prasseln zwischendurch zu laut wurde.
„Hast du dich inzwischen um deinen Kunden gekümmert?“ Akira zog sein Haargummi heraus und band sich den Pferdeschwanz neu.
„Ja, das hatte ich erledigt, bevor ich wieder nach La Paz gekommen war.“
„... Machst du denselben Job weiter?“
„Ja und nein. Anonym bleiben wollende Menschen zahlen sehr gut.“ Kei sah sich etwas um und betrachtete die bunten Vögel. Er wurde von Akira gemustert, der mit verschränkten Armen dastand, obwohl er nicht fror. Das war mehr etwas, das er tat, weil man das bei Regen so machte.


VIEL SPÄTER

Akira lag bäuchlings auf dem fast waagerecht stehenden Stamm irgendeines Baumes mit sehr großen, dicken Blättern, und las. Die Nachmittagssonne brannte genau von links schräg durch die Blätter und ließ die Buchseiten so leuchten, dass er seine Sonnenbrille brauchte. Vor ihm, hinter dem schmalen Strand, lag der Atlantik. Das abgegriffene Taschenbuch hatte er am Vormittag für ein paar Real auf dem Markt erstanden von wo er auch seine neuen, gefälschten schwarzen RayBans hatte. Kei lag im Wasser. Halb im Sand und halb im Wasser in Boxershorts. Seine Kleider lagen unter dem Baum, auf dem Akira wie ein dösender Jaguar lag.
Es war viel Zeit vergangen, seit sie in Brasilien angekommen waren, aber dem Vampir kam sie vor wie ein paar Wochen. Er verdiente sich ab und zu mal ein bisschen Geld dazu, mit allem, was so anfiel. In Brasilien war das einfach. Aber er hinterließ keine Nummern oder Namen. Auch seine Handynummer war eine neue, aber das Gerät benutzte er kaum noch.
So semizufrieden mit dem Abschluss des vierten Kapitels blickte Akira auf, sah Kei da herumliegen und sah sich nach weiteren Strandbesuchern um. Diese Gegend war nicht mit Hotels, Restaurants und asphaltierten Promenaden zugebaut, aber das lag nur daran, dass die Grundstücke hier zum größten Teil Privatbesitz waren oder von sehr edlen Resorts genutzt wurden, die mit der Naturbelassenheit dieser Gegend warben. Dieser Strandabschnitt war einer, der zu einer Ferienvilla gehörte, in der aber jedes Jahr nur wenige Wochen lang jemand wohnte. Sie war dennoch ständig gut bewacht und instandgehalten, nur der Strand war frei zugänglich.
In diesem Moment waren ein paar Spaziergänger unterwegs, denen man an Haar- und Hautfarbe sowie ihrer Kleidung ansehen konnte, dass sie Touristen waren. Kei drehte sich so, dass er die Leute sehen konnte, die dort herumgingen. Es war ein schöner Strand, aber extra hierher einen Ausflug machen? Er drehte sich noch ein Stück. Touristen.
„Wir haben Besuch,“ tat Kei kund.
„Hm,“ erwiderte Akira, „benimm dich.“ Er griff in eine Seitentasche seiner Cargoshorts und kramte eine Erdnuss heraus, ebenfalls vom Markt. „Dann gibt es ein Leckerchen.“
„Was soll ich mit ner Erdnuss?“ fragte Kei verdutzt und dachte an eine blutige Mahlzeit.
„Ich weiß nicht, essen?“ schlug Akira vor und demonstrierte ebendas. Er selbst hatte sich schon in der Nacht zuvor an einem jungen Saisonarbeiter gütlich getan und hatte keinen besonderen Appetit.
„Pff Erdnüsse. Die werden überbewertet.“ Kei wollte Blut und keine Nüsse oder Hülsenfrüchte oder was auch immer Erdnüsse waren. Obst. Egal. Aber er wusste auch, dass Touristen umlegen keine besonders clevere Sache war, wenn man nicht entdeckt werden wollte.
Schmunzelnd stützte Akira das Kinn auf eine Faust.
„Du kannst dich bestimmt auch ohne Belohnung zurückhalten. Ich glaube fest an dich.“ Er schnippte die Erdnussschalenhälften irgendwohin. Es gab sicher noch nicht vermisst werdende Geschöpfe in der Nähe - Nähe war ein dehnbarer Begriff, wenn man verdammt schnell war.
„Können ja.“ Der Vampir schmunzelte im Wasser liegend.
Das schlendernde Paar war umgekehrt und flanierte wieder in die Richtung, aus der es gekommen war. Lächelnd las Akira weiter. Kei schälte sich aus dem kalten Wasser.
„Ich lass die Touris leben,“ sagte er als er die nassen Boxershorts aus- und seine Hose anzog, gefolgt vom T-shirt und den Schuhen. Akira atmete enttäuscht aus. Kei schaute zu ihm hoch.
„Was?“
„... Du musstest dich doch nicht gleich anziehen.“
Darauf begann Kei leicht zu grinsen. „Ich zieh mich nachher wieder aus,“ versprach er.
Ein halbherziges Schulterzucken drückte gekonnt gelangweilte Gleichgültigkeit aus, die Akira noch unterstrich, indem er wieder ins Buch guckte. Dem Vampir entwich ein leises Lachen und er machte sich auf in die Richtung aus der die Passanten gekommen waren. Friedlich las Akira weiter.

Kei ging eine Weile durch die Gegend auf der Suche nach einer Nachmittagsmahlzeit und blieb daher eine Weile verschwunden.
Solange es noch genug Licht gab - was noch einige Stunden lang der Fall sein würde - blieb Akira auf seinem Baum liegen und las weiter in seinem Mysteryroman. Wenn Kei nicht hierher zurückkäme, würde er sich irgendwann nach Hause begeben.
Mit Zuhause war dieser Tage ein windschiefer Verschlag gemeint, den sie vor einer Weile gemietet hatten. Eigentlich war der geräumige Schuppen zum sicheren Unterstellen von Booten, Surfbrettern und ähnlichem gedacht, doch was tatsächlich damit gemacht wurde, war dem Eigentümer egal, solange das Ding stehenblieb und er sein Geld bekam. Also wohnten sie darin. Eine Küche brauchten sie nicht, als Badezimmer dienten ihnen Strandduschen, Eimer, das Meer und der Rest der Landschaft, und zum Kleiderwaschen gab es im Ort einen Waschsalon, der hauptsächlich von den Saisonarbeitern genutzt wurde. Eigentlich brauchten sie auch diesen Verschlag nicht, jedenfalls nicht für sich selbst. Sie brauchten im Grunde nur einen Ort, an dem sie ihre Gitarre, Geige und Keis Waffen und Motorrad einschließen konnten. Und natürlich gelegentlich Privatsphäre.
Als die Sonne unterzugehen begann, schob Akira sich die schwarze Plastiksonnenbrille über die Stirn und betrachtete die Finsternis am Horizont, die unter den wenigen, orange angestrahlten Wolken langsam immer weiter am Himmel hochkroch.
Als die Sonne untergegangen war, kam Kei von seinem kleinen Ausflug zurück. Langsam schlenderte er in Richtung Strand, leise. Man hörte ihn selten, wenn er sich nicht absichtlich bemerkbar machte.
„Im Ort wird ein Fest gefeiert!“ rief er Akira zu.
„Was für eins?“ entgegnete Akira in normaler Redelautstärke. Er vertraute darauf, dass der Vampir ihn hören konnte.
„Keine Ahnung. Ich kann kein Brasilianisch,“ sagte Kei im Näherkommen und ließ sich unter dem Baum nieder. „Aber dort ist Musik und es sind viele Menschen da.“
Akira benutzte das zugeklappte Taschenbuch als Kissen. Er lächelte. „Willst du zurück?“
„Wir können es uns ja mal ansehen und dann entscheiden, ob wir da bleiben oder woanders hingehen.“
Akira atmete laut aus und ließ eine Erdnuss auf Kei fallen. „Überlass das Plänemachen mir.“
„Und wie sieht dein Plan aus, Meister des Planens?“ Der Vampir fing die Erdnuss auf, nahm die Schale ab und steckte sich die Kerne in den Mund.
„Wir gehen es uns ansehen.“
Mühselig richtete Akira sich auf und streckte sich. Stundenlang in derselben Position auf einem harten Baumstamm zu liegen, war nicht gerade eine Wohltat für die Muskeln. Er schob das Buch in die Seitentasche seiner Hose, in der nicht die Erdnusstüte steckte und guckte nach unten, um zu schauen, wo er landen konnte. Kei stand fast direkt unter ihm und schaute nach oben, halb zu Akira und halb in den Himmel darüber. Akira zog die Füße hoch und hockte sich auf den Stamm, richtete sich langsam auf und balancierte dahin, wo es schmaler wurde. Kei beobachtete das, in der ganz leisen Hoffnung, dass jetzt was dummes passieren würde. So wollte es die Schadenfreude, die unglaublich laut schreien konnte.
Über der nächsten freien Stelle hüpfte Akira hinunter in den Sand.
Auf dem Weg zu seinen Schuhen rempelte er Kei beinahe an, aber nur, um mit der Hand auffällig unauffällig dessen Bauch streifen zu können. Kei griff nach Akiras Handgelenk. Der blieb nach noch einem weiteren Schritt stehen. Der Vampir ging den letzten Schritt zu ihm und küsste ihn. Aber nur kurz.
Schmunzelnd erwiderte der Junge den Kuss, und mit einem leisen „Hm“ beschwerte er sich ein bisschen, als es vorbei war. Dann drehte er sich um und hob mit einem Räuspern seine Schuhe auf. Kei stand hinter ihm und wartete.
Mit den Turnschuhen per Schnürsenkel über die Schulter gehängt ging Akira los. Der Vampir folgte ihm und sah sich dabei um. Er konnte das Fest riechen. Rauch von den Feuern, all die Menschen und Tiere. Und die Musik war leise zu vernehmen, lag der kleine Ort doch nicht weit entfernt. Akira blickte während des sanften Stapfens vor sich auf den Boden. Er ließ Kei aufholen und streckte nach ein paar Minuten die ihm zugewandte Hand ein fast unmerkliches bisschen offen aus. Ohne ihn anzusehen.
Kei nahm Akiras Hand in seine und ging neben ihm her, den schmalen Weg entlang. Akira lächelte und errötete leicht. Was man in diesem Halbdunkel auch mit Keis Augen bestimmt nicht deutlich sehen konnte, wenn man nicht gerade darauf achtete. Wir halten Händchen... zum ersten Mal.
Kei achtete nicht auf Akiras Gesicht, er schaute sich im Dunkel des relativ unbeleuchteten Weges und des Grüns daneben um. Die Geräusche des Festes wurden immer lauter. Als sie sich den ersten im Boden steckenden Fackeln näherten, ließ Akira Keis Hand los, aber nicht gern. Er wollte nur keine unnötige Aufmerksamkeit erregen.
Auf dem Gelände, das nicht so sonderlich groß aber auch nicht wirklich klein war, tummelten sich viele Menschen und in einer Ecke stand eine kleine Bühne auf der Livemusik gespielt wurde. Es wurden Essen und Getränke verkauft, die Stimmung war ausgelassen und fröhlich. Der Vampir sah sich um. Das schien ein lokales kleines Fest zu sein. Alles war auf Brasilianisch und es gab nichts, aber auch gar nichts, das er verstand.
Obwohl seine letzte vernünftige Mahlzeit noch nicht lang zurücklag, führte Akiras Nase seinen Blick sofort zu einem der Stände mit Bastdach, in dem unter bunten Glühlampen über offenem Feuer Fleisch geröstet wurde. Ihm war nicht bewusst, dass er stehengeblieben war und wie sehr er starrte, während ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Die vielen heißen, atmenden und schwitzenden Menschen, die eine Menge nackter Haut zeigten, taten ihr Übriges dazu, seinen Appetit zu wetzen.
Kei blieb in seiner Nähe, während er sich weiter umsah.
„Vielleicht kannst du dir‘n rohes Stück holen,“ schlug er vor.
„Wäre das nicht ein bisschen zu auffällig? Ich fülle besser nur meinen Magen und betrinke mich. Dann... später... Willst du auch was?“ Er zog seinen unordentlichen Pferdeschwanz fest.
„Auch ‘ne gute Idee.“ Kei teilte seinem Freund mit, dass er gern etwas Alkohol hätte.
Sein Blick fiel aus dem Augenwinkel auf einen Asiaten, der einige Meter entfernt herumstand und sich mit jemandem unterhielt.
Akira nickte.
„Ich bin gleich zurück.“ Er ergriff Keis Handgelenk.
„Wo willst du hin?“ fragte Kei etwas perplex und drehte sich zu Akira um. Akira küsste ihn. Es war so gut, das einfach so, wann auch immer und wo auch immer tun zu können!
„Alkohol holen,“ entgegnete er schmunzelnd.
Kei erwiderte den Kuss und grinste ein bisschen.
„Mach das.“ Kei behielt den Typen im Auge, der ihn und Akira zwischendurch zu beobachten schien.
Schwungvoll drehte Akira sich zu dem Stand um, den er gerade gierig begafft hatte, und schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen zwischen den stehenden und tanzenden Menschen hindurch.
Kei wartete auf ihn, wo er war und sah sich weiter ein wenig um.
Wenig später spazierte Akira mit zwei Tequila-Bier-Mischflaschen und einem Pappteller mit einem außen fast verkohlten Batzen Fleisch zurück.
„Der hat mich recht doof angeguckt, als ich nur das Fleisch haben wollte.“
„Es soll Leute geben, die keine Beilagen mögen,“ entgegnete Kei grinsend. „Der Typ da hinten beobachtet uns seit ‘ner Weile,“ sagte er leise. Akira gab ihm eine der Flaschen und nahm einen Zug aus der anderen, während er um Kei herumlinste.
„Weil du auch Asiate bist? Und scharf?“ bot er an.
„Vielleicht, aber ich glaube er hat andere Gründe,“ mutmaßte Kei. „Wenn er was will, soll er ankommen.“
Akira zuckte mit den Schultern und trug seinen Pappteller zum nächstgelegenen Tisch, an dem ein paar Stühle frei waren. Der war nur ein paar Schritte entfernt. Dort stellte er seinen Krempel ab und setzte sich. Den unbenutzen Aschenbecher, den er daraufhin entdeckte, schob er vor den ihm gegenüberstehenden freien Stuhl. Auf diesen ließ sich Kei fallen und sah sich weiter um, während er sich eine Kippe anzündete.
Vor der niedrigen Bühne standen keine Tische oder Bänke, doch der Platz wurde gut ausgefüllt, indem dort viele Brasilianer und Touristen tanzten. Das Paar, das vorhin am Strand spazierengegangen war, war darunter. In der Band war ein stereotyp Jamaikanisch aussehender Trommler. Akira betrachtete diese Ecke des Platzes, nachdem er die krossen schwarzen Stellen von seiner Haxe abgepopelt und zu essen begonnen hatte.
Kei rauchte gemütlich, spürte aber förmlich die Blicke von mehreren Leuten an sich haften. Er sah Akira beim Essen zu und sich selbst ab und zu um. Der Asiate beobachtete ihn immer noch.
Akira schienen die Blicke kein bisschen zu stören, obwohl er sie wahrnahm. Er war ziemlich daran gewöhnt, seit er Angel gewesen war. Sie brachten ihn bloß dazu, möglichst langsam und vorsichtig zu essen, in kleinen Stückchen, gesittet, zivilisiert... und das fiel ihm schwer.
Kei widmete sich der Betrachtung seines Freundes und dessen, was der da gerade tat. Zivilisiert essen. Das hatte der Vampir lange nicht mehr gesehen. Schmunzelnd zog er an seiner Zigarette. Das brachte ihm einen strafenden Blick ein.
„Diva,“ grinste Kei und sah woanders hin.
„Hm. See if you get any tonight,“ gab Akira zurück und blickte demonstrativ zurück zur Bühne.
Daraufhin grinste Kei etwas breiter und sah kurz zu dem Fremden, der ihn immer noch ungeniert ansah und nicht zu wissen schien, was zu tun war oder ob er überhaupt etwas tun sollte.
Etwas in Richtung der Bühne und der Tanzenden schien Akira zum Lachen zu bringen.
„Kei, da.“ Mit seiner Tequila-Bierflasche deutete er auf eine Frau, die offensichtlich sehr betrunken war und ihre Hinterseite eifrig an einem Mann rubbelte, der sich dafür sehr zu schämen schien und immer wieder versuchte, ihre Arme zu fassen zu bekommen um ihr Einhalt zu gebieten.
Kei schaute auf und in ihm gedeutete Richtung... und begann zu lachen. „Was zum-?“
„Was haben wir heute Spaß,“ kommentierte Akira die Szene, die noch mehr amüsierte Zuschauer gefunden hatte. Der Mann lachte nun peinlich berührt und die Frau lachte mit, obwohl sie offenbar nicht genau wusste, was los war. Akira nahm einen großzügigen Schluck aus seiner Flasche.
Der Asiate, der sie beobachtet hatte, legte den Kopf etwas schief und runzelte leicht die Stirn.
Kei schaute ihn einmal direkt an.
„Der Typ da...“ Er deutete auf ihn. „... Ich komm gleich wieder.“
Akira nickte und widmete sich wieder seinem Snack und der Unterhaltung.
Der Asiate nahm zur Kenntnis, dass Kei ihn ausgemacht hatte und entfernte sich gemächlich in das Zwielicht der Büsche und Bäume, etwas abseits des Trampelpfades, auf dem Strandfackeln den Weg zum Meer beleuchteten.
Kei folgte ihm dahin.
„Was willst du?“
Der junge Mann in lässigen Bermudas und Hawaiihemd hatte die Hände in den Hosentaschen und musterte Kei ruhig.
„Ich gar nichts. Aber ihr seid vielleicht ein bisschen zu auffällig.“
„Und deshalb starrst du die ganze Zeit? Is klar, was willst du?!“ Kei war kein Meister der Geduld, im Gegenteil. Schon jetzt sah er den Mann alles andere als freundlich an, musternd.
„Wie gesagt, ich will gar nichts von euch.“ Beschwichtigend hob er ein bisschen die Arme. „Ich habe euch jetzt zum ersten Mal gesehen und schon weiß ich viel zu viel über euch. Du bist Keisuke Sakai und der blonde Junge ist Colin Hammerer.“
„Gratulation, du Genie.“ Kei verschränkte die Arme vor der Brust. Ihn zu erkennen war keine große Kunst, wenn man ihn kannte. „Woher weißt du das?“ Er dachte unweigerlich an die Drahtzieher hinter seiner und Akiras Entführung.
„Ihr seid berühmt.“ Der Mann schmunzelte etwas und zuckte die Schultern. „Für Informationen über dich gibt es ein beachtliches Taschengeld, scheinbar hat deine Familie Sehnsucht nach dir. Ich habe kein Interesse daran,“ fügte er schnell hinzu, „Ich bin gerade selbst dabei, die Füße stillzuhalten. Aber du solltest dich vielleicht nicht bei deinem echten Namen nennen lassen. Wenn ihr euch schon schon nicht trennen könnt - der Japaner mit dem Europäer, das ist wirklich ziemlich auffällig...“
„Ich fühle mich geehrt,“ sagte Kei mit ausladender Geste auf das Kopfgeld bezogen und fügte hinzu, dass er keine Familie mehr habe. „Falls du die Leute wieder treffen solltest, die Geld für meinen Kopf wollen, dann sag ihnen, ich fühle mich geehrt und sie können mich mal.“
Der Mann lachte. Kei guckte immer noch genervt.
Der Japaner zog eine silberne Schachtel aus einer Hosentasche und nahm einen Zigarillo heraus.
„Sie wollen dich unversehrt, wenn ich mir das richtig gemerkt habe. Darum habe ich von ‚Sehnsucht‘ gesprochen,“ erklärte er, während er sich den Zigarillo anzündete. Dabei wanderte sein Blick hinüber zu dem befackelten Weg, wo drei junge Frauen gibbelnd an ihnen vorbeigingen.
„Unversehrt? Beim letzten Familientreffen haben sie mich umgebracht...“ Kei grinste, es war kein fröhliches Grinsen, sondern eins, das Ungläubigkeit signalisierte. „Weshalb bist du hier?“
„Na, offensichtlich hat das nicht funktioniert. Ich bin aus dem gleichen Grund hier wie du. Unentdeckt bleiben. Das klappt aber wohl nicht so ganz. Ich sollte meinen Standort wechseln.“ Er blies Rauch in die Luft.
„Vielleicht solltest du das. Du bist übrigens auch nicht wirklich unauffällig, wenn du alle Leute so anstarrst, von denen du schon mal gehört hast...“
Der Mann schmunzelte amüsiert.
„Du bist wirklich hitzköpfig. Nicht alle, von denen ich mal gehört habe, haben ihre eigenen Väter ermordet und sind dann von der Bildfläche verschwunden. Ich werd‘ dann mal.“ Er hob eine Hand zum Gruß und begann, zum Weg zurückzuschlendern.
„Oh, ich war ihm was schuldig,“ sagte Kei dazu, als wäre er Kira ein Mittagessen schuldig gewesen. „Man sieht sich.“ Immer zweimal im Leben.
Der junge Mann ging gemächlich zum Strand und folgte - zumindest für Kei offensichtlich - den drei betrunkenen Frauen.
Ich und auffällig? Die drei wird sicher jemand vermissen...
Kei ging zu Akira zurück.

Der befand sich mittlerweile inmitten der tanzenden Menschen, wo er mit seiner Flasche herumstand und fröhlich zur Musik nickte. Der Vampir umarmte ihn von hinten und küsste ihn. Grinsend drehte Akira sich in seinen Armen um und erwiderte den Kuss vernünftig.
Kei erhielt den eine ganze Weile aufrecht, bis Akira schließlich den Kopf zurückzog und sich wieder etwas drehte, damit er noch einen Schluck trinken konnte.
„Der Typ kennt uns, wir werden gesucht.“
„Bwah,“ sagte Akira weise, als er fast wieder ausspuckte, was er gerade im Mund hatte. „Der Asiate?“
„Ja.“
„Wo ist er? Ist er allein?“ Akira sah sich um.
„Er ist drei betrunkenen Frauen in diese Richtung -“ er deutete in eben jene - „nachgelaufen.“
„Äh... gut, dann... können wir ja vielleicht unbeobachtet verduften.“
Das wunderte Kei etwas. Damit hatte er nicht gerechnet. „Wo willst du hingehen?“
Akira stellte die leere Flasche auf den Tisch hinter sich.
„Na, weg. Hier können wir doch jetzt nicht mehr bleiben.“
„Lass uns nach Europa gehen. Irgendwann in der nächsten Zeit,“ warf Kei in den Raum, der keiner war.
Nun superernst und stirnrunzelnd ging Akira los.
„Gut, aber wie? Ich weiß nicht, ob unsere Visa das zulassen.“
„Falls nicht, kommen wir da schon irgendwie hin. Ausreisen können wir.“
„Das kann man immer. Aber an Häfen und Flughäfen lassen sie nicht jeden einreisen.“ Akira knirschte mit den Zähnen. Er war immer noch hungrig. Wenigstens waren sie jetzt allein und nicht mehr inmitten von appetitlichen Menschenkörpern.
„Um uns festzuhalten, müssen sie uns aber erstmal fangen, und ohne Visum einzureisen ist vielleicht sogar sinnvoller, weil man dann nicht weiß, wo wir gerade sind.“
„Dann musst du mir das mit der übermenschlichen Vampirgeschwindigkeit mal beibringen,“ schloss Akira schmunzelnd.
In der Nähe ihres kleinen Bootsschuppens schien außer ihnen niemand zu sein. Aus seiner Hosentasche pulte er den Schlüssel für das Vorhängeschloss.
„Ich denke nicht, dass wir die wirklich brauchen,“ mutmaßte Kei. Wie ein Irrer durch den Flughafen zu rennen würde nur im Notfall wirklich Sinn machen.
Nachdem er das Schloss in der Hütte an einen Nagel in der Tür gehängt hatte, schob Akira einen Riegel vor und betrachtete mit ruhigem, leicht bedauerndem Blick den Raum, in dem außer etwas abgedecktem Gerümpel nur eine Matratze und eine Hängematte mit Decken, ein kleiner Kühlschrank und ihre Rucksäcke, das Schwert und ihre Instrumente herumstanden, -lagen und -hingen. Und hier und da ein T-shirt und eine leere Bierflasche. Er sah zu Kei und seufzte.
„Schade,“ sagte er leise.
„Ja,“ entgegnete Kei, der die Zeit hier wirklich genossen hatte. Er befürchtete, diese Freiheit aufgeben und zurück in ein geordnetes Leben kehren zu müssen. Sofern es das für ihn jemals gegeben hatte.
Er wollte das nicht. Weiterfahren war schon in Ordnung, aber es sollte so wie jetzt bleiben.
„Müssen wir uns beeilen?“ fragte Akira nach einem weiteren Rundumblick.
„Nein, ich denke nicht. Er wird uns kaum hinterherlaufen.“ Dessen war sich Kei sicher. Trotzdem wollte er nicht zu viel Zeit verschwenden.
„Aber er weiß, wer und wo wir sind,“ sagte Akira ruhig. Er ging zur Hängematte und schaltete das kleine Taschenradio ein, das von einer der Kordeln herunterhing.
„Er hat aber auch gesagt, dass er selber gerade untergetaucht ist und kein Interesse an dem Kopfgeld hat, das man auf uns ausgesetzt hat.“ Und Kei glaubte ihm das sogar.
Akira nicht. Das machte sein Schmunzeln offensichtlich.
„Kein Interesse am Kopfgeld, uh huh.“
„Vorausgesetzt, er ist wirklich in einer Lage wie wir, dann kann man ihm glauben,“ sagte Kei ruhig. Sollte dem nicht so sein... tja... dann hatten sie ein Problem.
Akira schien sich trotzdem nicht sonderlich zu sorgen. Er trat die zerknüllte Decke zur Seite und ließ sich im Schneidersitz auf die Matratze fallen, um sich nach kurzem Suchen eine Zigarette aus Keis Schachtel irgendwo zwischen einer Socke und dem Geigenkasten zu nehmen. Kei packte erst sein Zeug zusammen, ehe er sich daneben setzte.
„Wie lange waren wir jetzt hier?“
Akira zuckte mit den Schultern und reichte die Zigarette weiter.
Nachdem sein erster Vertrag bei der Plattenfirma in Bolivien ausgelaufen war, hatte er einen neuen abgelehnt. Er hatte den Job geliebt und die Berühmtheit hatte ihm auch gefallen, doch sie hatte bald gefährlich weit über die Landesgrenzen hinausgereicht. Außerdem war Kei nach ein paar Monaten des anonymen Festsitzens in La Paz etwas nervös geworden. Also hatten sie sich nach Osten aufgemacht und die letzten Monate in Brasilien verbracht.
„Es war jedenfalls gut.“ Plötzlich blickte er auf. „Hey, wo liegt Jamaika?“
Kei nahm sie an sich und zog einmal daran, ehe er sie zurückgab. „Ostküste der USA meine ich.“
„Da lässt sich bestimmt leicht einreisen,“ hoffte Akira. Er hatte eine ziemlich romantisierte Vorstellung von dem Land und war im Laufe des letzten Jahres auf den Geschmack von Sonne, Gras und lässiger Musik gekommen.
„Lass es uns versuchen.“
Akira grinste ihn an.
„Müsste einfach sein. Allerdings ist das Land nicht so groß.“ Kei grinste. „Den Flughafen auseinadernehmen und dann untertauchen dürfte also schwer werden.“
Akira lachte.
„Und wenn wir mit einem Boot fahren...“ schlug er vor, „Vielleicht können wir... irgendwie trampen oder so. Es gibt bestimmt viele Bonzen, die mit ihren Privatyachten hier unterwegs sind.“
„Ja, aber wie kommen wir an Bord?“
Akiras nachdenklicher Blick blieb an Keis Ellenbogen hängen.
„Wir... verdingen uns als Matrosen.“ Das meinte er nicht ganz ernst. Er kannte sich mit Seefahrt kein bisschen aus und jeder, der zwei Gestalten wie sie ohne Visa, ohne Arbeitserlaubnis und ohne Fragen zu stellen anstellen würde, konnte selbst nicht ganz legal unterwegs sein. Aber das musste ja nicht schrecklich sein. Illegale Geschäfte mit Jamaika mussten nicht gleich mit Heroin und Menschenhandel zu tun haben. Und außerdem gab es nun nicht mehr viel, vor dem sie Angst haben mussten.
Während er Keis Arme betrachtete, brannte die Kippe zwischen seinen Fingern unbeachtet herunter.
Kei grinste. „Wir werden Piraten!“
„Uh huh.“ Akira grinste. „Au.“ Er ließ den glimmenden Stummel fallen. Kei lachte ein bisschen.
„Das kommt davon, wenn man starrt.“
„Ich habe nicht gestarrt.“ Akira hob den rauchenden Filter auf und warf ihn in den Plastikbecher, der ihnen zuletzt als Aschenbecher gedient hatte.