Monday, April 18, 2016

Kei + Colin LXXV: Aus der Hölle


Sie fuhren langsam, und ziemlich offensichtlich einige weite Umwege, auf denen sie erst Delilah und dann Jane verloren. Es dauerte wieder Stunden, bis sie nach Camden kamen. Erst um kurz vor elf fuhr Dennis auf den Parkplatz eines pakistanischen Supermarktes und parkte dort.
Kei sah auf. "Sind wir da?"
"Fast. Der Club ist auf der anderen Seite." Dennis stieg aus und schloss die Tür, dann ging er zum Kofferraum. "Wir können da hinten über die Mauer, wo die Europaletten und die Getränkekisten stehen."
"Dieser Aufzug für die Hintertür?" Kei steig ebenfalls aus und folgte zum Kofferraum, wo er sich zwei Waffen aus der Reisetasche nahm. Dennis zog sich das Jackett aus. Er nahm sich auch ein paar Pistolen samt Gurt und ein paar Magazine.
"Drinnen müssen wir immer noch einen passenden Eindruck machen. Wir können das Auto nur nicht vor der Tür stehen lassen, wenn wir hier auch wegwollen." Er schnallte sich den Gurt um, lud die beiden Glocks und steckte sich vier Ersatzmagazine ein. "Nenn mich Suzuki."
"Was für ein Allerweltsname. Aber gut, du bist der Boss." Kei war sich ziemlich sicher, dass die Typen mittlerweile wussten, unter welchem Namen er unterwegs war. "Matsumoto. Dein Untergebener für die nächste Stunde."
"Für die nächste Stunde?" Dennis zog sich wieder das Jackett über und schloss mit einem süffisanten Lächeln den Kofferraum. "Das bist du schon seit einer Woche."
"Nein, ihr lasst mich nicht tun, was ich will. Das ist ein Unterschied zu freiwilliger Bereitschaft das zu tun, was du willst." Die letzten Tage war Kei dazu gezwungen worden, sich zu benehmen.
"Untergebene erklären sich nicht jedesmal dazu bereit, eine Anweisung auszuführen." Gemächlich schlenderte Dennis auf den Seitenhof zu, auf dem Müllcontainer und besagte Europaletten zwischen vermülltem Gestrüpp untergebracht waren. "Sie müssen nicht immer neu überzeugt werden. Sie führen ihre Anweisungen aus und vertrauen darauf, dass ihr Boss weiß was er tut."
Kei sparte sich die Antwort und ging neben ihm her. Ich vertraue nicht darauf, dass du weißt, was du tust, aber ich hoffe für dich, dass du weißt worauf ihr euch eingelassen habt.
Als sie außer Sicht jeglicher Passanten und Einkäufer waren, sprang Dennis bequem über die etwa zwei Meter hohe Ziegelmauer, von der bereits der weiße Putz abbröckelte. Auf der anderen Seite sah er sich nonchalant um und schob sich die schwarze Brille höher auf die Nase. Hier war noch mehr trockenes Gesträuch mit Papierfetzen und Bierdosen, und in einer Ecke des Hofes stand ein Haufen Sperrmüll herum. Auf eine Tür in der dünnen Holzwand hinter diesem steuerte Dennis gelassen zu.
Kei tat es ihm gleich und sah sich um. Das war der marodeste Hinterhof, den er je gesehen hatte. Hier mit Colin und Verfolgern durchzukommen könnte schwierig werden, wenn das der einzige Ausgang war, wirklich groß war die Tür nicht gerade. Er folgte Dennis in kleinem Abstand.
Im nächsten Hinterhof, der etwas größer und frei von Abfall war, nickte Dennis zu einer Kellertreppe mit grünlackiertem Eisengeländer.
Als sie darauf zugingen, öffnete sich eine schwarze Erdgeschosstür neben dem Treppenaufgang und ein bulliger, glatzköpfiger Schwarzer trat heraus. Er musterte die beiden mit strengem Blick und trat dann stumm zur Seite, um für seine Begleiter Platz zu machen. Es waren zwei Frauen in mittlerem Alter, mit scheinbar sehr teuren, edlen Kostümen und Schmuckstücken am Leib. Dennis blieb stehen, lächelte freundlich und verbeugte sich. Die Damen nickten und gingen geziert die Treppe hinunter. Der Leibwächter behielt alle vier wachsam im Blick und ließ Dennis und Kei scheinbar den Vortritt.
Kei spielte den anständigen Japaner und verbeugte sich ebenfalls zur Begrüßung, ehe er hineinging. Lächeln tat er jedoch nicht.
Im sehr dunklen Vorraum, der wie die Miniaturversion eines alten Kinofoyers aussah, galt alle Aufmerksamkeit den beiden Damen und der Leibwächter beobachtete nun mehr die Kassiererin und die jungen Frauen, die den Damen ihre Jacken abnahmen, als die beiden Japaner. Ein Mädchen in roter Bluse und schwarzer Weste kam auch zu ihnen und grüßte sie lächelnd. Sie streckte ihre Hände aus, um Dennis aus dem Jackett zu helfen, doch er schüttelte nur den Kopf und winkte lächelnd ab. Kei wollte sein Jackett auch lieber anbehalten und sah sich im Raum um.
Dennis ging zur Kassiererin und zählte ihr umständlich einige Pfundnoten auf die Theke. Es sah sehr überzeugend aus, wie er die Zahlen auf den Scheinen studierte und die Frau scheinbar ahnungslos anlachte. Sie lächelte freundlich zurück und sortierte die Scheine weg. Dann gab sie ihm ein paar goldgemusterte blaue Plastikchips und zeigte nickend auf die große Doppeltür neben ihrer Theke.
Kei wartete bis Dennis wieder da war, sich fragend, wozu diese Plastikchips bestimmt waren. Sein werter Herr Verwandter würde ihm das sicher gleich berichten. In der Tat zeigte Dennis sie ihm, sobald er zu Kei zurückgekehrt war. Seine Maske aus freudiger Erregung aufrechterhaltend, erklärte er: "Die hier sind zum Wetten. Du kannst auf die Kämpfer setzen. Muss man nicht, aber die ersten zwei Chips sind im Eintrittspreis inbegriffen." Er hielt Kei zwei der vier Chips hin und lachte die beiden Damen an, die nun etwas freundlicher lächelnd an ihnen vorbeistolzierten und mit ihrem Leibwächter durch die edle Doppeltür schritten.
"Meinen Wetteinsatz behalte ich lieber für mich." Er nahm die Chips trotzdem an sich und steckte sie weg. "Du wirst mir sicher nicht erzählen, was wir genau vorhaben, oder?"
Dennis ging auf die Doppeltür zu und winkte Kei hinter sich her. "Wir warten, bis er rausgeschickt wird. Vorher bekommen wir ihn nicht zu Gesicht. Dann müssen wir sehen, wie viele Zuschauer es bei dem Kampf gibt und ob wir ihn unterbrechen können. Vielleicht können wir einen Zwischenfall verursachen, um ihn aus der Grube zu holen. Vielleicht können wir beobachten, wohin er hinterher weggesperrt wird und so herausfinden, wo sie ihn halten..." Dennis sah skeptisch aus. "Allerdings ist das... unwahrscheinlich. Er soll ja angeblich gegen das Konstrukt antreten."
Dass dabei die Wahrscheinlichkeit eines Hinterher-weggesperrtwerdens ziemlich gering ausfallen würde, musste er nicht aussprechen.
"Wir stellen wir das an? Reinspringen und um uns ballern ist wohl keine Option."
Dennis schüttelte den Kopf. Hinter der Doppeltür gab es noch einen Vorraum, weniger edel und ohne Teppichboden, aber größer und mit einer dunklen Spiegelbar, Sofas, Sesseln und Tischen, und mit einer großen Tafel auf der einen Wand und großen Flachbildschirmen an den drei anderen. Auf ihnen waren zwei verschiedene kleine Hallen zu sehen, die beide tiefe runde Becken in der Mitte des Fußbodens hatten. Um sie herum gab es metallene Geländer und viel Platz zum Gehen, dann tribünenartig an den hohen Wänden hochgebaute Zuschauerbänke, sogar mit Balkons, auf denen Sessel standen.
Eine der Gruben war wie ein Schwimmbecken gekachelt und braungefleckt, die andere sah einfach nur schwarz aus. Sie waren beide mit Kuppeln aus Eurodraht überzogen, der allerdings so grobmaschig darübergenetzt war, dass er die Sicht auf das Geschehen darunter nicht behinderte und ein normal großer Mensch mit angelegten Armen bequem hindurchpassen würde.
Auf den Monitoren war auch zu sehen, dass bereits einige Zuschauer auf den Bänken um die dunkle Grube herum platzgenommen hatten. Scheinbar wurden dort gerade verschiedene Scheinwerfer ausprobiert, und ab und zu drangen metallene Geräusche in diesen Barraum, wo sich die Gäste laut unterhielten und diskutierten. Vor der Tafel standen zwei Männer, die sie beschrifteten. In einer Zeile stand:
'Construct VS Ghoul'
Was haben sie mit dir angestellt? Kei sah sich um und verbarg seine Verachtung hinter einem Gesicht aus toter Gleichgültigkeit. Seit Colin gefangengenommen worden war, hatte er kein Bisschen Farbe mehr im Gesicht. Mit der dunklen Sonnenbrille und den schwarzen Haaren sah er aus, als wäre er entweder tot oder seit fünf Jahren nicht mehr in der Sonne gewesen.
Dennis' fröhliche Touristenmaske erstarrte für ein paar Sekunden, als er sah, wie die Einsätze auf das Konstrukt notiert wurden, und ging gemächlich auf eine Tür zu, in der eine Art Bullauge saß. Sie führte in die Halle mit der dunklen Grube.
Just in den Moment drang die Ansage durch alle Räume, dass es nun halb zwölf sei und die Kämpfe bald beginnen würden. Hinter Kei und Dennis drängten sich nun relativ gesittet mehr Gäste und strömten in die Bankreihen.
"Lass dir was einfallen, Meister der Pläne. Lange warte ich nicht." Kei ließ sich in der vorderen Bankreihe auf einen Sitzplatz fallen. Dennis setzte sich neben ihn und rieb sich angespannt über die Knie, während er sich umsah.
"Ich bin für jeden Vorschlag dankbar."
"Kriegen wir die Leute hier raus? Mit 'nem Feueralarm oder so? Ich schlag derweil Colin und den Gegner K.O. und bring ihn raus."
Das Licht wechselte und klassische Musik begann zu spielen. Unter der Decke über der Kuppel strahlten zwei Beamer zwei gegenüberliegende Wände über den Tribünen an, die beiden, über denen keine Catwalks mit Balkons angebracht waren.
"Welcome, Ladies and Gentlemen, welcome! The match will begin in a short while, but until then, let us reprise and enjoy the previous fights of today's esteemed contestants!" tönte es aus Lautsprechern, während Bilder von einer riesigen, metallbewehrten Figur, die unter Kreischen und Knacken irgendwelche armen Teufel in ebendieser Grube zerfetzte, über die beiden Wände flackerten.
"Gute Idee... das mit dem K.O.-Schlagen kannst du vergessen. Die Ablenkung ist aber gut..." sagte Dennis.
"Wenn mir jemand das Konstrukt vom Hals hält, kann ich auch versuchen ihn zu überreden..." Denken tat Kei an etwas anderes.
"The Construct, undisputed champion for almost a year now, an immortal tank, it would seem, with sixty-four wins and only two losses under its steely belt -"
"Ich weiß nicht, ob sich das da -" Dennis nickte zu den Bildern an der Wand, die nun zeigten, wie unmenschlich riesige Pranken einen Mann in der Mitte durchrissen - "ablenken lässt. Aber ich kanns versuchen."
"Umbringen geht auch."
"Today facing a surprising newcomer, a human -" Nun war die gekachelte Grube zu sehen, in der sich zwei menschlich aussehende Kontrahenten gegenüberstanden. Ein sehr muskulöser Mann in Arbeitsstiefeln und Overall schwang eine dicke Kette, die sich um das Bein eines blassen blonden Jungen wickelte. Er war von Blutergüssen in Form der Kettenglieder bedeckt, was dadurch gut zu sehen war, dass er außer einer zerrissenen Jeans überhaupt keine Kleider trug.
"Das haben schon viele versucht. Ich weiß nicht, ob man das Konstrukt töten kann."
Von Colins Anblick auf dem Bildschirm war Kei entsetzt und auf eine merkwürdige Weise fasziniert, was vor allem der relativ kleiderlosen Brutalität geschuldet war. "Okay, irgendwie kampfunfähig für ein paar Minuten."
Der Mann riss den Jungen zu Boden und zog ihn zu sich. Als er vor ihm lag, schnappte etwas, das um die rechte Hand des Jungen geschnallt war, hervor und wurde unter das Kinn des Mannes gestoßen. Colin zog seine Klingen wieder herunter und blieb liegen, während der Mann über ihm wankte und einen Blutregen losließ.
"Das kriege ich hin. Einen Feueralarm gibt es sogar. Ich werde unseren Leuten draußen bescheid sagen. Die kümmern sich darum. Ich um das Konstrukt, und du schaffst ihn raus."
"Alles klar." Ein blutiger Colin. Welch herrlicher Anblick. Amok laufen konnte er danach. Würde er auch. Wenn auch nicht an diesem Tag. Colin war wichtiger. Er sah wieder kurz auf den Bildschirm mit dieser Mischung aus Verachtung und Faszination.
"Three wins and no losses so far, and this boy has bested even our seasoned favourite, James Phelps' Big Brother."
Nun zeigten die Bilder, wie Colin auf dem zusammengesackten Fleischberg kniete und ihm mit seiner Messerhand eilig den Rücken aufriss, um mit seiner freien Hand Rippenstücke herauszunehmen und dann einen großen Lungenfetzen hervorzuholen, den er sofort gierig zu fressen begann.
"You can see why we think it's time he met the Construct - we have only so many other opponents, after all." Einige Zuschauer lachten.
Kei wartete. "Gib mir ein Zeichen, wenn's losgeht." sagte er ruhig.
Dennis nickte und sah sich weiter die Montage an. Es wurden noch mehr Szenen gezeigt und dabei Musik gespielt, die nun vom klassischen Orchester abgerückt und zu finsterem Industrial übergegangen war.
Es kamen noch mehr Zuschauer dazu, bis es fast zwölf Uhr war. Die Musik schwoll weiter an und der Film hörte auf. Nun wurden dafür Scheinwerfer auf die Grube gerichtet.
Keis Gesicht war versteinert auf die Grube gerichtet. Er wartete. Die blauen Augen hinter der Sonnenbrille verborgen.
In der schwarzen Wand der Grube öffnete sich knarrend eine schwere Stahltür. Der Gang oder Raum hinter ihr war finster.
"The challenger, the human! Who devours his opponents - but will he choke on the hard steel of the Construct? I give you - The Ghoul!"
Die Zuschauer jubelten und klatschten, während aus der Schwärze hinter der geöffneten Tür Colin hevortrat - oder mehr, geschubst wurde. Seine Arme waren mit dicken Eisenriegeln hinter seinen Rücken gefesselt, seine Fußknöchel mit einer kurzen Kette, und um den Kopf trug er ein Eisengestell, das etwas an ein mittelalterliches Folterinstrument erinnerte.
Kei blieb sitzen, ließ sich nichts anmerken. Wäre er ein Mensch mit funktionierenden Emotionen hätte er sich jetzt übergeben. Aber er war kein Mensch und funktionierende Emotionen kannte er nicht. Das Entfesseln seines Freundes durften diese Wichser gerne übernehmen, für den Rest würde er sorgen.
Gegenüber von Colin, in der Wand, die Kei und Dennis nicht direkt sehen konnten, öffnete sich ebenfalls eine Tür. Die hinter Colin war noch offen. Von den Eisenbändern um seine Unterarme aus führten ein paar dünne Stangen in das Dunkel hinter ihm hinein. Er bewegte minimal den Kopf, als sich die zweite Tür öffnete, und riss die Augen auf, während er weiter nach vorn geschubst wurde. Gleichzeitig klickte und knackte es um ihn herum und seine Fesseln öffneten sich. Er riss sich den Käfig vom Kopf und warf ihn auf den festgetretenen Erdboden, wo er rasselnd liegenblieb. Ein kleineres Eisengerät wurde neben Colins Füße geworfen, bevor die Tür hinter ihm zufiel. Ihr Krachen schien nicht aufzuhören sondern nahtlos in ein lautes, kreischendes Rasseln überzugehen, das lauter wurde, als das Konstrukt in die Grube trat. Das Publikum johlte.
Colin war in die Knie gegangen, um seinen Klingenhandschuh aufzuheben und umzuschnallen, während er mit konzentriertem, hungrigem Blick das nicht mehr ganz menschliche Wesen aus Muskelbergen und Eisenplanken vor sich in Augenschein nahm.
"Jetzt," flüsterte Dennis und stand auf.
Kei wartete auf den Feueralarm, der die Menschen ablenken sollte. Er blieb sitzen, war aber dazu bereit sofort auf Colin zu springen - oder neben ihn.
Ein rotes Blinken, begleitet von einem durchdringenden Brummton, erfüllte die Halle.
"Fire!" rief einer der Buchmacher, der in die Halle gestürzt kam.
Die Zuschauer drehten sich verwirrt auf ihren Sitzen, einige standen auf und gingen eilig zum Ausgang.
Derweil schritt das Konstrukt mit erhobenem Arm auf Colin zu, der überrascht aufblickte. Kei sprang dazwischen. Den klingenbestückten Drähten über der Grube wich er dabei mit Leichtigkeit aus.
"Time to go! Kommst du freiwillig oder muss ich dich zwingen?"
Die meisten Zuschauer waren nun etwas hastiger unterwegs, während Rauch aus dem Vorraum in die Halle drang. Unpraktischerweise schien dies aber der einzige Ein- und Ausgang zu sein.
Dennis stand hinter dem Konstrukt am Geländer, das er krampfhaft umklammerte, während er angestrengt auf den Fleischbatzen starrte, der der Kopf des Konstrukts sein musste. Es schwang seinen stachelbewehrten Arm und rammte ihn desorientiert neben Kei in den Boden. Es krachte und kreischte, schwarze Krustenflocken stoben auf und Colin riss seine Arme vor das Gesicht. Er starrte Kei erstaunt an.
Das Konstrukt blieb so stehen und begann zu zittern.
Dennis ächzte angestrengt.
Kei warf sich Colin über die Schulter. "Wir reden später. Suzuki-kun! Wir gehen." Er machte mit Colin einen Satz aus der Grube. "Erkennst du mich?" Er mischte sich mit Colin unter dem Arm, dem er schnell sein Jackett übergeworfen hatte, zwischen die hinausdrängenden Besucher. Dies war der einzige Weg nach draußen.
Mit einem saftigen Knirschen und Erschaudern all seiner Metallteile platzte dem Konstrukt der Kopf und Dennis stöhnte erleichtert auf, während er schon zu laufen begann.
Colin ließ Kei ihn festhalten, sagte aber nichts und schien ihn auch gar nicht zu hören, er sah ihn nur zwischendurch mit großen Augen an. Ihn und die Nachzügler des Publikums, die vor ihnen in den verrauchten Vorraum eilten, wo man nichts mehr sehen und ganz sicher nicht mehr atmen konnte. Colins Füße waren von dem Klingendraht über der Grube aufgerissen worden, als Kei ihn herausgezogen hatte, aber das schien ihm überhaupt nicht aufzufallen. Er hinterließ nur humpelnd eine fleckige Blutspur.
Dennis flankierte ihn und versperrte so effektiv die Sicht auf seinen rechten Arm mit der Klingenhand.
Kei führte ihn nach draußen und rannte los sobald sie aus Gebäude und Rauch raus waren. Sehr schnell war er mit Colin in den Hinterhöfen verschwunden. "Das Auto. Schnell," teilte er Dennis mit.
Colin ging mit, versuchte aber unterdessen, das Jackett und Keis Griff abzustreifen. Scheinbar störten sie ihn.
Dennis nahm den direkteren Weg und sprang blitzschnell über die Zäune und Mauern auf den Parkplatz. Innerhalb von Sekunden saß er im Wagen, hatte ihn gestartet und war damit vor die Mauer gefahren, wo er per Knopfdruck die Rücksitztür öffnete.
Kei beförderte Colin ins Auto und setzte sich dazu. Sobald die Tür zu war ließ er ihn los. "Tut mir Leid, dass das so lange gedauert hat."
Dennis raste sofort los.
Colin rappelte sich auf und setzte sich hin. Staunend betrachtete er das Innere des Autos, hielt sich am Sitz vor sich fest, wenn es in Kurven und beim Bremsen und Beschleunigen heftig wackelte, und schließlich sah er Kei genau an.
"... Macht nichts," sagte er.
Auf einmal lachte er kurz, was genausogut ein Schluchzen sein konnte, und hielt sich dann mit einem ungläubigen Starren den Mund zu. Seine Augen wurden nass.
Kei nahm ihn in den Arm und hielt ihn leicht fest. Macht doch was... Ich hätte früher da sein müssen...
Colin umklammerte ihn seinerseits, richtig fest.
Das ist ein Puls. Ich habe einen Puls. An Keis Hals holte er tief und schaudernd Luft.
"Festhalten," warnte Dennis, bevor er viel zu schnell in eine Neunziggradkurve ging und sich die linke Seite des Autos von der Straße hob.
Kei drückte ihn ein wenig dichter an sich. Blut durch seinen Körper fließen zu spüren war ein angenehmes Gefühl. Er mochte es sehr. Kei hielt Colin fest, als sich der Wagen hob.
Dennis fuhr stumm weiter und während die Gebäudekulisse draußen abnahm, wurde er langsamer und hielt sich irgendwann an die Verkehrsregeln.
Colin hielt Kei weiter fest.
Das ist mein H- SEIN HERZ! Ich kann sein Blut hören. Das riecht so gut. Sein Gesicht behielt er an seinem Hals vergraben, im weißen Hemdskragen, der nun allmählich feucht wurde.
Kei störte es nicht, dass sein Hemd - es war nicht einmal seins - nassgeweint wurde. Dem Vampir wurde allmählich warm und es kehrte etwas mehr Farbe in sein Gesicht zurück - er sah nicht mehr ganz tot aus.
"Wir sind 'ne Weile unterwegs. Du kannst schlafen, wenn du willst."
"Nein," flüsterte Colin.
Er wollte nicht schlafen. Er war nicht müde. Wenn er jetzt schlafen würde, wäre das hier vorbei. Vielleicht würde er nicht aufwachen. Vielleicht würde er da aufwachen, wo er hingehörte.
Nein. Diese Autofahrt konnte seinetwegen ewig dauern.
Er lockerte seinen Griff um Kei.
Der lehnte sich leicht an Colin. "Okay." Die Fahrt würde noch eine Weile dauern. Eine ganze Weile. Schlafen ist gar keine schlechte Idee... Er wollte nicht einschlafen, auch wenn neben Colin einschlafen eine herrliche Aussicht war.
Colin behielt Kei im Arm und sein Gesicht auf dessen Schulter, bis Dennis den Mercedes Stunden später schließlich anhielt. Er hatte zwischendurch die Augen geschlossen, aber sehr genau darauf geachtet, dass er nicht einschlief.
"Wir bleiben erstmal hier. Morgen können wir vielleicht ins Schloss zurück," erklärte Dennis, als er den Motor ausschaltete. Draußen dämmerte es.
"Alles klar. Sind sie uns gefolgt?" Kei erhob sich vorsichtig. "Komm mit. Wenn du müde wirst, dann schlaf. Ich pass auf."
Vorsichtig und langsam stieg er aus dem Wagen.
"Sehr wahrscheinlich. Ob wir sie abgeschüttelt haben, wird sich jetzt bald herausstellen." Dennis sah sich um, während die beiden ausstiegen. Sie waren wieder beim Safehouse vom Vormittag. Weder Delilah und Jane noch ihre Motorräder waren zu sehen.
Colin folgte Kei. Er humpelte nicht mehr und die Schnitte an seinen Füßen waren verheilt. Er nahm Keis Hand mit seiner freien (an der rechten trug er immer noch den Klingenhandschuh) und sah sich auch um. Es war niemand auf der Straße zu sehen. Gerade gingen die Straßenlaternen an.
Kei hielt Colins Hand fest. "Haben Delilah und Jane einen Umweg genommen?" erkundigte er sich, sein Interesse galt jedoch seinem Freund. Den führte er in das Gebäude. Sicher war sicher. Colin und er sollten vielleicht nicht gesehen werden.
Die quakende Dame schien nicht anwesend zu sein. Das Haus war dunkel. Dennis folgte ihnen hinein und schloss die Tür ab.
"Sie kommen nicht her. Sie waren mit dafür zuständig, von uns abzulenken... Ich sage besser nicht, wo sie hin sind... wenn man verfolgt wird, ist es am besten, sich zu trennen, und nicht zu wissen, wo die anderen hingehen." Er warf seine Mütze auf einen Hutständer und deutete auf die Treppe. "Da oben sind Schlafzimmer. Und ein Badezimmer."
Er drehte sich um. "Ach ja, ich muss mich noch ums Auto kümmern. Ich bin gleich zurück." Er gab Kei den Hausschlüssel und ging wieder hinaus.
Kei nahm den Schlüssel entgegen und führte Colin ins Haus nach oben, wo seine erste Tat war, den Anzug loszuwerden.
Colin blieb bei der Tür des Schlafzimmers stehen und sah unschlüssig aus. Er sah Kei beim Ausziehen zu. Währenddessen begann er, etwas auf und ab zu gehen. Die Messer an seiner Hand schnappten vor und zurück.
Kei zog seine Hose vom Morgen wieder an. "Meinst du, dass du die Messer brauchst?" fragte der Vampir leise. Dass seine eigenen Kleidungsstücke von Waffen nur so wimmelten, ließ er unbeachtet. Colin offen bewaffnet zu sehen war er nicht gewohnt.
"Ich weiß nicht," erwiderte Colin sachte. Wahrscheinlich nicht. Aber das hatte er zwischendurch immer wieder geglaubt, und dann - "Ich weiß nicht," sagte er noch einmal, etwas nachdrücklicher.
Er starrte fasziniert auf die bunte Geisha auf Keis Rücken.
Sollte er sie haben. Kei machte das nichts aus. "Dann behalt sie bei dir. Vielleicht brauchst du sie noch." Er war nicht davon überzeugt, aber wenn die Kerle noch mal auftauchten, konnten Waffen nützlich sein. Kei schaute ihn leicht lächelnd an. "Das kennst du doch schon," kommentierte er Colins Blick.
Colin nickte langsam. Sein Blick war nun ein wenig misstrauisch und er schien Kei vorsichtig zu mustern.
"Nicht für mich. Die anderen tun dir auch nichts. Aber wenn wir unangenehmen Besuch kriegen, dann kannst du deine Messer brauchen," erklärte Kei mit leicht fragendem Gesicht.
"Kriegen wir den?" fragte Colin in einem Ton, der Kei unterstellte, darauf die Antwort zu wissen. Er machte einen Schritt auf Kei zu.
"Ich gehe nicht davon aus, dass wir ihn sehr bald kriegen, aber kriegen werden wir ihn."
Colin machte noch einen Seitwärtsschritt auf Kei zu.
"Wie heißen meine Freunde?" fragte er.
"Welche meinst du?"
"Von zuhause. Wie heißen sie... wie heißt mein bester Freund?" Er kam noch ein Stück näher und streckte die freie Hand vorsichtig nach Keis Schulter aus, wo die Tätowierung etwas heraufkroch.
"Shingo. Er war in unserer Klasse."
Colins Finger strichen über die filigranen Ausläufer der großen Tätowierung und seine Augen wurden groß.
Kei lächelte ein wenig und musterte Colin. "Was is?"
Mit plötzlich wieder feuchten Augen sah er Kei ungläubig an, mit einer Mischung aus Schrecken und Freude in seinem Blick.
Kei schaute ihn fragend an. "Ich kann immer noch keine Gedanken lesen," verkündete er lächelnd.
Colin nahm seine Hand zurück und begann zu weinen. Ungeduldig und ungeschickt rupfte er an seinem Messerhandschuh herum, um ihn sich von der Hand zu reißen. Das funktionierte nicht gleich, weil er die Schnallen nicht zu fassen bekam, und so beugte er sich hinunter und klemmte ihn sich zwischen die Knie, um ihn abzuziehen. Als das auch nicht ging, knurrte er ein frustriertes Schluchzen und schlug mit dem Eisengestell auf den Bettpfosten.
Kei nahm seinen Arm, nachdem er sich neben Colin auf den Boden fallen gelassen hatte, hielt ihn fest und war beim Schnallenöffnen behilflich.
Colin schniefte und atmete schaudernd aus. Kaum dass der Handschuh gelöst war, drehte er sich zu Kei um und drückte sich an ihn. HOLY SHIT, THIS IS REALLY REAL. IT'S REAL THIS TIME.
Kei umarmte ihn. Er wusste nicht so ganz, wie er mit dem gerade aus der Hölle befreiten Colin umgehen sollte. Er war einfach froh, ihn wieder bei sich zu haben. Keis Gedanken liefen in viele Richtungen auf einmal.
Colins dagegen rannten im Kreis um eine winzige, wichtige Tatsache herum: Kei war echt.
Er hielt Kei fest und weinte weiter. Das konnte er nicht abstellen, und es machte ihm auch überhaupt nichts aus, dass er gerade Rotz und Wasser heulte und wimmerte wie ein Hund, er merkte es nicht einmal wirklich. Kei war wirklich echt.


Kei + Colin LXXIV: Ich hol ihn da raus


Es waren einige Tage vergangen. Kei war meist schlecht gelaunt und saß, wenn er nicht mit Dennis und co. trainierte, meist auf dem Dach des gigantischen Hauses. Es war ihm nicht gestattet worden, das Gelände zu verlassen und wenn er es versuchte, wurde er aufgehalten. Den Tisch in seinem Zimmer gab es mittlerweile nicht mehr. Nur die Trümmer zierten noch den Boden. Dennis hatte ihm vor Tagen versichert, dass sie nach Colin Ausschau halten würden - mehr hat man ihm nicht gesagt.
Seit drei Tagen ließ ihn jeder weitestgehend in Ruhe, wenn er nicht trainieren sollte. Auslöser war eine brutale Schlägerei gewesen, die Kei sich mit einem Vampir geliefert hatte, nachdem der ihn am Verlassen des Geländes gehindert hatte.
Wie jeden Abend saß der junge Vampir nun auf dem Dach, eingehüllt in seine Lederjacke, deren Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hatte.
Als es bereits nachtdunkel war, blitzten zwischen den Bäumen und Hecken, die die schmale Landstraße säumten, über die er mit Delilah hier angekommen war, winzige Lichter, die stetig näherkamen. Sie bogen auf den Weg ein, der zum Schloss führte und stellten sich als die Scheinwerfer eines silbernen Vauxhall heraus. Er kurvte um den trockenen Springbrunnen herum, der auf dem kiesigen Platz zwischen Haupthaus und Ostflügel stand, sodass er zum Herausfahren nicht mehr rangieren musste. Ein junger Mann in Geschäftsanzug stieg aus und ging gelassen, aber zielstrebig auf die Doppeltür zu. Kei beobachtete ihn dabei und wartete bis der Mann im Haus war, ehe er beinahe lautlos auf das Vordach sprang und sich kurz hinter ihm vor die Eingangstreppe fallen ließ um ihm nachzugehen - sehr leise.
Als die Tür hinter ihm hallend ins Schloss fiel, drehte sich der Mann, der bereits in der Mitte der Halle stand, zu ihm um. Es war der Japaner, dem er in Brasilien begegnet war. Der Mann musterte ihn freundlich. Keis Miene hellte sich nicht auf. Er nickte dem Mann lediglich zu. Der Mann erwiderte den stummen Gruß, als Rupert von der Galerie aus zu ihnen herunterrief: "You come alone?"
"Yeah," rief der Mann zurück und begann, die Treppe hinaufzugehen. "The others are taking a detour."
Kei schlenderte die Treppe hinauf. Er wollte endlich wissen was los war und wo sein Freund steckte. Er hatte das Hingehaltenwerden satt.
"Wir haben deinen Freund gefunden," teilte ihm der Mann auf dem Weg nach oben mit. Er steuerte das Arbeitszimmer an, in dem Kei bei seiner Ankunft aufgeklärt worden war. Rupert war schon hineingegangen und hatte die Tür für sie offen stehengelassen. Dennis kam ihnen auf der Galerie entgegen und machte ein erfreutes Gesicht, als er die Nachricht hörte.
"Das wurde auch Zeit. Lebt er noch?" Keis Gesicht zeigte keinerlei Emotionen, wenn man mal davon absah, dass er ständig angepisst aussah.
Der Mann zögerte. Vielleicht auch deswegen, weil sie nun gleichzeitig mit Dennis in den Raum eintraten und Dennis stark nach frischem Blut roch. Er sah Dennis kurz an und setzte sich dann auf einen der Sessel vor dem Kamin.
"Ja. Kann man so sagen." In seinem Ton schwang eine unsichere Zweitbedeutung mit.
Dennis schloss hinter ihnen die Tür. Rupert saß hinter dem Schreibtisch.
"Kann man so sagen?!" Kei wurde leicht sauer und ging auf den mit ihm Eingetretenen zu. Der blickte zu ihm auf, blieb aber unbeeindruckt. Er nickte.
"Ja. Er ist am Leben." Etwas in seinem Gesicht verriet allerdings, dass ihm dieser Ausdruck nicht ganz passend erschien. "Kommt noch jemand?" fragte er Dennis, der sich an den Schreibtisch lehnte, wie es seine Art war, und den Kopf schüttelte.
Rupert sah ratlos zwischen den Japanischsprechenden hin und her und senkte dann resigniert den Blick auf ein Schriftstück, das vor ihm lag.
"Du bist auch tot, wenn wir ihn da zu spät rausholen," versicherte Kei dem Mann mit finsterem Blick.
Der Japaner sah Kei beinahe mitleidig an. Oder vielleicht war er nur selbst etwas mitgenommen. Immerhin sah er ziemlich blass aus. Er sah zu Dennis.
"Das irritiert mich gerade wirklich... ich hab solchen Hunger..." murmelte er.
Dennis deutete mit einem Daumen über seine Schulter auf Rupert, der von dem Gespräch keine Notiz zu nehmen schien.
"Du kannst gleich trinken. Rede erst."
Der Japaner lehnte sich erschöpft zurück und lockerte seine Krawatte. "Er ist in London. Oder sie bringen ihn immer wieder dahin. Kennst du noch den Club in Camden?"
Dennis' ernster Blick sah bestätigend aus.
"Nein. Sagt mir nichts," gab Kei von sich.
"Du warst auch noch nie da," sagte der Mann verwirrt. Er wandte sich wieder an Dennis. "Ich habe ihn in den Grubenkämpfen gesehen. Heute mittag. Das soll schon sein drittes Mal da gewesen sein."
Dennis sah etwas bestürzt aus und runzelte dann verwirrt die Stirn.
"Aber er ist doch ein Mensch - und er lebt noch?!"
Der Japaner nickte ungläubig.
Kei stutzte. "Was?! London, ja? Ich hol ihn da raus." Er sah die Leute im Raum an, wütend darüber, dass Colin erst jetzt gefunden worden war.
"Nein nein nein, halt, warte mal." Dennis hielt eine Hand hoch. "Das ist doch offensichtlich eine Falle. Sie würden ihn doch nicht öffentlich vorführen, wenn sie dich nicht damit anlocken wollten."
"Aber er ist -" Der Japaner setzte sich auf und rutschte auf dem Sitz vor. "Nächstes Mal schicken sie ihn gegen das Konstrukt. Von MacPherson." Er sah Dennis mit großen Augen an, als könne er nicht glauben, was er eben selbst gesagt hatte. Dennis' Augen wurden ebenso groß.
"Ist mir scheißegal! Die können mich nicht fangen, wenn sie tot sind. Wenn er draufgeht, weil ihr nicht wollt, dass ich verrecke, dann seid ihr alle tot - dann habe ich einen Grund dazu." Jetzt seid ihr zu weit gegangen...
Alle sahen ihn erschrocken an, sogar Rupert. Dessen Blick drückte aber mehr ahnungsloses Interesse als Schrecken aus.
"Wir holen ihn raus," versicherte Dennis ihm, wenn auch mit großer Unsicherheit in der Stimme.
"Spinnst du?! Morgen mittag ist das Konstrukt dran und MacPherson ist bestimmt auch selber da!" sagte der Japaner und stand auf.
"Gut. Dann kriegt er mein Schwert zu fressen!"
Dennis schüttelte warnend den Kopf. "Das hilft nicht. Wir brauchen einen ordentlichen Plan, also beruhige dich."
"Mein Freund ist halb tot und in der Gewalt von skrupellosen Wichsern und du sagst mir, ich soll mich beruhigen!? Haha." Kei sah den Japaner tödlich an.
'Setz dich hin,' befahl Dennis' Stimme in seinem Kopf.
"Warum sollte ich?" entgegnete Kei laut und blieb stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. Er hasste Dennis' Telepathiespielchen - wenn er ihm damit auf den Sack ging.
"Weil du so keine Hilfe bist, sondern ein Rotzbalg mit dem keiner was anfangen kann!" gab Dennis aufgebracht zurück, was für ihn äußerst untypisch war. "Wenn du Colin retten willst, müssen wir das vernünftig planen, sonst gehen er und du und wir alle hier dabei drauf! Motoki. Wer ist mit dir zurückgekommen?"
Der Japaner setzte sich wieder.
"Delilah, Jane und Brian. Aber die werden da nicht mitmachen."
"Delilah schon. Und mehr brauchen wir auch nicht." Dennis klang nun wieder gefasst und musterte Kei nachdenklich.
Hinter Dennis lehnte Rupert sich zurück und krempelte sich einen Ärmel seines Flanellhemdes hoch.
Motoki starrte derweil auf Ruperts Unterarm, bis er zum Schreibtisch stürzte, sich vor Rupert auf die Knie fallen ließ und herzhaft in das dargebotene Handgelenk biss.
Damit das noch länger dauert? Kei blieb weiterhin stehen und entgegnete nichts weiter.
'Wir wissen nicht, wo sie ihn festhalten, wenn er nicht im Club ist, und das ist erst morgen mittag wieder der Fall!' entgegnete Dennis ihm in ärgerlichem Gedankenton. Er stieß sich vom Schreibtisch ab und ging nachdenklich zum Kamin, dann zurück und setzte sich auf einen der Sessel.
"Delilah und ich... Delilah, du und ich... vielleicht Jane... Pass auf..." Er sah Kei an.
Kei drehte sich blitzschnell um.
"Was ist? Tick jetzt nicht wieder aus. Ich versuche hier einen Plan auszutüfteln. Also pass auf: Wir müssen uns unkenntlich machen. Uns drei kennt man."
Kei hätte beinahe den Türrahmen zertrümmert. Ließ das aber und richtete seine Aggressionen gegen sich selbst. Schnelle Heilungskräfte waren sehr praktisch, wenn man seine Wut nicht gegen andere richten durfte, weil man sie noch brauchte. Stattdessen landete das Messer aus seiner Hand in seinem Bein.
Dennis sah mit missbilligendem Blick zu. Motoki und Rupert nahmen die beiden nicht mehr wahr. Rupert hatte die Augen geschlossen und den Kopf auf die Stuhllehne zurückgelegt, während Motoki sich genüsslich an seinem Blut labte.
"Ganz toll. Hast dus jetzt? Konzentrier dich. Colin muss sich auf dich verlassen können," sagte Dennis ruhig.
Kei setzte sich auf den Boden und sah ihn etwas ruhiger an.
Dennis rieb sich die Augen.
"Danke. Also hör zu. Du, Delilah und ich gehen morgen mittag dahin. Wir müssen überzeugend verkleidet sein, denn jeder weiß, wer wir sind. Und diese Grubenkämpfe sind voll von den Leuten, die wir vernichten wollen. Und die uns vernichten wollen. Kannst du mir folgen?"
Hinter dem Schreibtisch ließ Motoki von Rupert ab und atmete erleichtert durch. Indem er noch einmal über die Wunde leckte, hörte sie auf zu bluten und er stand langsam auf. Rupert blieb noch etwas in seinem Stuhl liegen.
"Ich bin nicht bescheuert. Red weiter."
"Mit voll von ihnen meine ich voll. Der Laden wird von der Instanz und ihren Sympathisanten und Handlangern bevölkert sein. Also keine Ausraster bitte."
"Ich kann nichts versprechen." Wenn ich durchdrehe, dann gründlich... keine Sorge...
"Dann können wir uns nicht auf dich verlassen. Und Colin auch nicht."
"Colin ja. Du nicht."
Dennis sah auf. "Delilah und Jane sind zurück."
Kei hob den Kopf ein wenig und zog dabei das Messer aus seinem Bein. Nach einer kurzen Pause sah Dennis ihn wieder an. "Delilah ist dabei. Aber nicht, wenn du mitkommst," informierte er ihn mit einem neutralen Blick auf den blutenden Schlitz in Keis Hose.
"Dann wird sie wohl hierbleiben müssen," informierte Kei Dennis gleichgültig. Er würde Colin da nicht hängen lassen.
Dennis betrachtete ihn ernst.
"Willst du das allein machen? Du spielst genau in ihre Hände und machst das was sie wollen, wenn du da hingehst. Und die Chance, Colin rauszuholen, ist verschwindend gering, wenn wir nicht dabei sind."
"Du willst mir nicht erzählen, dass ich hier bleiben soll, während ihr versucht ihn da rauszuholen."
"Genau das erzähle ich dir. Du bist unberechenbar und unvorsichtig. Ohne dich haben wir eine Chance. Mit dir kann man nicht arbeiten, also wärst du gezwungen, allein hinzugehen. Ich würde dich mitnehmen, aber zu zweit ist das ein Selbstmordkommando."
Kei hörte ihm kaum noch zu.
Auf einmal tönte eine unbekannte weibliche Stimme in Keis Kopf:
'174 Camden High Street in Regent's Park.'
"Also, was sagst du? Willst dus allein machen und dich umbringen lassen? Oder können wir uns auf dich verlassen?" fragte Dennis.
'Go through the Underworld Club, out the back door and down the stairs,' sagte die monotone weibliche Stimme.
Kei überlegte. Er hatte die Adresse, nur was machte er jetzt damit? Das allein zu machen war Selbstmord, das wusste er, aber er würde auf keinen Fall rumsitzen und warten. Das ging einfach nicht. "Ich komme mit und mir ist egal, was du davon hältst."
"Du folgst meinen Anweisungen," sagte Dennis bestimmt, mit eindringlichem Blick.
"Nur, wenn sie nicht 'Warte draußen' sind," entgegnete Kei.
Dennis atmete auf. "Nein. Keine Angst, du wirst arbeiten." Er stand auf und ging zügig zur Tür. "Komm mit, es geht los."
Kei folgte ihm.
"Hol dein Zeug, wir treffen uns vor der Garage." Ohne eine Entgegnung abzuwarten, eilte Dennis die große Treppe hinunter.

Kei ging in sein Zimmer und packte seine Waffen zusammen. Mithilfe seiner Jacke und Stiefel verstaute er sie so, dass er fast unbewaffnet aussah, als er zur Garage kam.
Delilah und eine knochige Frau mit blondem Kurzhaarschnitt standen in Motorradmontur bei Dennis, der sich gerade seine Lederjacke überzog. Er schien unbewaffnet zu sein. Delilah hatte jedoch ihre Pistole am Oberschenkel und die andere Frau, die aussah als wäre sie vielleicht Mitte dreißig bis vierzig, trug mehrere Messer und weitere schmale Gerätschaften an Riemen an den Oberschenkeln und im Kreuz. Sie setzten sich alle ihre Helme wieder auf.
"Jane und Delilah bringen uns hin und übernehmen das 'Draußen Warten'," sagte Dennis und stieg auf. "Sie holen auch das Fluchtauto."
Kei nahm sich ein weiteres Motorrad und einen Helm. Er hatte sein Schwert dabei. "Gut."
Ohne weitere Umschweife fuhren sie los. Delilah übernahm die Führung und Jane bildete die Nachhut.
'This time we'll take the direct route, because we have too little time,' sagte die monotone Stimme in Keis Kopf, 'but we'll stop at a safehouse to get your clothes. We're there in under three hours.' Delilah hielt vorn drei lederumhüllte Finger hoch, damit alle hinter ihr sie sehen konnten.

Nach wenigen Stunden Fahrt hatten sie in einem Vorort bei einem Reihenhaus haltgemacht, wo Dennis und Kei sich Anzüge mit Krawatten und edle schwarze Lederschuhe anziehen sollten. Die alte Frau in dem Haus gab ihnen beiden auch noch schwarze Sonnenbrillen, nachdem sie ihre leuchtend blauen Augen stirnrunzelnd begutachtet hatte. Zu guter Letzt kam sie noch mit einer Schiebermütze und machte Anstalten, sie Kei aufzusetzen. Dabei quakte sie etwas in einer asiatischen Sprache.
Kei, der sich schon wie ein Clown vorkam, lehnte winkend ab und verwies darauf, dass seine Haare ganz schwarz seien wie für einen Japaner nicht ungewöhnlich. In den letzen Wochen war er nicht dazu gekommen, sich die Haare wieder bunter zu machen, weshalb die Farbe seit ein paar Tagen komplett herausgeschnitten war. Im Anzug sah er, seiner Meinung nach, seriös genug aus.
Die Frau ließ sich davon kaum beirren. Sie nahm zwar die Mütze zurück und zwang sie dafür Dennis auf den Kopf, gestikulierte aber weiter auf Keis Gesicht und sah dabei auf seinen Lippenring. Kei schaute sie unbegeistert an. Da war ja was. Er nahm den Ring nur sehr widerwillig ab und steckte ihn in sein Portemonnaie, das in seiner eigenen Hosentasche steckte. Ihre Kleider würden sie hier lassen können. Der Vampir ging davon aus, dass hier nichts wegkam. Die Frau sah er mit einem 'Jetzt zufrieden?'-Blick an.
Sie musterte ihn mit einem sehr strengen, skeptischen Blick, hielt dabei aber wenigstens den Mund und brummte schließlich. Dennis musste den gleichen Blick über sich ergehen lassen. Endlich winkte die Frau sie davon und sammelte ihre beiden Kleiderhaufen ein.
Dennis deutete zur Tür und schritt zügig voran.
Kei ging ihm nach. "Was kommt jetzt? Ne stilechte Limousine?" kommentierte Kei seinen Aufzug, der nicht zu einer Rettungsaktion und eigentlich auch nicht zu ihm passte.
Wie auf ein Stichwort warf Delilah, die am Straßenrand auf ihrem Motorrad saß, Dennis einen Schlüssel zu, den er im Vorbeigehen lässig auffing. Mit einem gedämpften Klicken leuchteten ein paar Meter weiter die Scheinwerfer eines schwarzen Mercedes mit getönten Scheiben auf.
"Waffen sind im Kofferraum."
Kei fühlte sich gleich besser. Das war ein realer Gangsterfilm. Japan war so lange her!
"Ich fahre!" Er wollte immer mal mit so einem Auto vorfahren, auch, wenn er Motorräder besser fand - das musste man gemacht haben.
"Pff, niemals." Dennis lachte ein bisschen und stieg ohne Umschweife auf der Fahrerseite ein. Aus der engen Gasse neben dem Haus kam Jane herausgeschlüpft und verriegelte das kleine Holztor mit einem Vorhängeschloss. Sie begab sich wieder zu ihrem Motorrad.
"Ich hab 'nen Führerschein!" protestierte der Vampir leise, stieg auf der Beifahrerseite ein und verbannte damit eventuelle Mitfahrer auf die Rückbank. Ob seine südamerikanische Fahrerlaubnis hier überhaupt gültig war, interessierte ihn nicht besonders.
Dennis schmunzelte etwas und stellte seinen Sitz und die Spiegel ein. Er schaltete das Auto aber noch nicht ein, sondern sah Kei ernst an.
"Bevor wir das hier machen..."
"Was is jetzt schon wieder?" fragte Kei und sah nach draußen.
"... muss ich etwas wissen."
"Was?"
"Warum ist dir der Mensch so wichtig?"
"Weiß ich nicht. Er ist es einfach."
Die Antwort schien Dennis nicht zu gefallen.
"Hast du begriffen, dass ihr konditioniert wurdet? Dass ihr beide dazu manipuliert wurdet, Freunde zu werden?"
"Ist doch egal, warum. Das ändert nichts daran, dass er mir wichtig ist."
"Dein Vertrauen in allen Ehren, aber genau das könnte etwas daran ändern. Sofern wir wissen, könntet ihr im Handumdrehen wieder umgedreht werden." Dennis schnippte mit den Fingern. "Wir wissen schon, dass das hier eine Falle ist, aber vielleicht ist sie noch viel ausgeklügelter als wir denken. Vielleicht braucht es nur den richtigen Auslöser, um diese künstliche Verbindung aufzulösen."
Kei zweifelte daran, dass all das, was er mit Colin durchgemacht hatte nur auf einer künstlichen Verbindung beruhte. Der Anfang von allem, okay. Aber nicht alles. Das war einfach unmöglich.
Dennis sah ihn ernst an und schien sein Gesicht genau zu studieren.
Kei erwiderte den Blick.
"Sie werden ihn trotz Allem nicht umbringen. Ich hab ihm versprochen, dass ich der einzige bin, der das jemals machen wird."
Dennis' Gesicht verzog sich zu einem beinahe komischen, schockierten Ausdruck.
"Na, das ist ja beruhigend. Aber sei dir bewusst, dass Colin sich mittlerweile geändert haben kann. Vielleicht will er gar nicht mitkommen, wenn wir tatsächlich die Chance bekommen, ihn da rauszuholen. Wenn das passiert, müssen wir ihn dalassen und verschwinden. Unser Leben hängt davon ab, dass du das verstehst."
"Ich werde ihn schon überreden. Mach dir darum keine Sorgen."
"Er ist irgendwie zu einer Killermaschine geworden. Das hast du mitgekriegt, oder?"
"Das wäre nicht das erste Mal. Bisher bin ich immer mit ihm fertig geworden, und wenn ich ihn K.O. schlagen musste."
Dennis sah nach vorn und schien nachzudenken. Er sah nicht glücklich aus.
"Wenn du einen dämlichen Alleingang startest, sind wir weg. Verstanden?"
"Ja. Du erwähntest sowas bereits."
"Gut." Grimmig startete Dennis den Motor und fuhr langsam los. Kei lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Wehe du stirbst. Ich prügel dich zurück ins Leben...


Thursday, April 7, 2016

Kei + Colin LXXIII: Noch mehr Familie

[In diesem Kapitel gibt es viel englischen Dialog.]

Colin sah kurz ernst zu Kei, griff dann beherzt in die Tüte, die er mitgebracht hatte und begann eilig damit, sich die Sachen daraus anzuziehen. Kei sprang auch auf und schulterte seinen Rucksack mitsamt Schwert. Es war einfacher einen zu töten als viele. Vielleicht würde der Typ aber auch sein Wort halten und sie nicht umlegen wollen.
„Gut. Lasst uns gehen. Dich zu töten ist einfacher als die da draußen.“
Der Japaner besaß die Stirn, leise zu lachen.
In Windeseile hatte Colin das Sweatshirt und die Hose angezogen und seine Schuhe folgen lassen. Auf dem Weg zur Treppe neben der Tür, die dort hinaufführte, zog er sich seinen Rucksack mit der Geige auf.
Kei hatte keine Lust, mit dem Japaner darüber zu diskutieren, wer wen besser killen konnte und schwieg. Er folgte ihm und Colin die Treppe hinauf. „Wohin gehen wir?“
„Kann ich jetzt nicht sagen. Vielleicht hören sie zu,“ sagte der Japaner und nickte zu der Öffnung in der Decke, als sie darunter ankamen. „Bleibt geduckt, wenn ihr oben seid.“
Colin griff sich eine Kupferleitung, die in der Wand befestigt war, und nutzte die Räuberleiter, die ihm der Typ anbot, um sich hinaufzuziehen. Kei nutzte seine eigene Sprungkraft, um dort hochzukommen und sah sich vorsichtig um. Zu sehen war niemand, aber das hieß gar nichts. Es konnten genausogut überall Vampire sein. Sich extrem leise bewegend, ging er ein paar Schritte - immer auf Unsichtbarkeit bedacht.
Colin sah sich auch um und blieb stumm, hatte das mit dem lautlos Bewegen aber nicht so raus wie Kei und der andere Japaner, und so knirschten seine Schritte auf dem kiesigen Untergrund des Daches.
„Dahinten die Leiter runter, da gibt es Motorräder. Das blaue nimmst du,“ sagte der Japaner leise, während er gebeugt neben Kei zur gegenüberliegenden Brüstung eilte. „Sie müssten -“
„Mumf!“ gab Colin hinter ihnen von sich. Kei drehte sich um.
Ein großer, sehr rothaariger Mann in der Uniform eines Sicherheitsdienstes - oder zumindest etwas, das sehr danach aussah - hielt Colin den Mund zu und hielt ihm mit dem anderen Arm die Arme fest, während er ihn rückwärts zog. Aus der Luke, aus der sie gekommen waren, kletterten gerade weitere Personen, alle in Stiefeln, Cargohosen und praktischen Jacken mit vielen Taschen und Gurten, und sie kamen stumm und ernst auf sie zugelaufen. Einer von ihnen packte sich Colins Beine, damit das Wegtragen schneller ging.
Mit erschrockenem Blick packte der Japaner Kei beim Oberarm und zerrte ihn zur Brüstung.
„Schnell runter!“
„Fuck! Soll er sterben oder wie?“ Kei war im Begriff auf die Typen loszugehen.
„Sie bringen ihn nicht um! Wenn du dich jetzt auch schnappen lässt, kriegen wir ihn nie wieder raus, also komm runter!“ Er hielt Kei weiter fest, mit stahlhartem Griff, und zog noch einmal, um ihn mitzunehmen, während er vom Dach sprang.
Kei folgte ihm. Mehr gezwungen als freiwillig. Hat er auch nur einen Kratzer, seid ihr alle tot.
Unten standen zwischen Stapeln von Europaletten, Containern mit Bauschutt, Plastiktonnen und knorrigen Sträuchern tatsächlich Motorräder, vier Stück, und zwei davon waren besetzt. Die zwei Leute trugen die gleiche anonyme, schwarze Motorradkleidung und Helme. Sie hielten ihnen drei weitere, identische Helme entgegen und starteten ihre Räder.
Der Japaner war wie Kei elegant auf den Füßen gelandet und sofort losgesprintet. Er griff sich einen der Helme, setzte ihn sich auf und sprang auf das silberne Motorrad.
„Sie haben den anderen!“ rief er.
Nicht lange. Kei wusste, dass er gegen viele Vampire chancenlos war, wenn er sich ihnen allein entgegenwarf. Mit einem Helm schwang er sich auf das andere Motorrad und startete es umgehend. Den dritten, nun überflüssigen Helm schnallte der Fahrer irgendwie an seinen Tank, während er schon losfuhr.
„Sakai!“ rief der Japaner, „du folgst dem anderen silbernen. Viel Glück!“
Schon erschienen wie durch Teleportation mehrere der martialisch gekleideten Personen hinter ihnen an der Mauer, einer auf einem mit Schrott gefüllten Baucontainer, und zwei waren in der Ausfahrt erschienen und schnitten ihnen den Weg ab. Der Fahrer, dem Kei folgen sollte, beschleunigte einhändig, während er direkt auf die beiden zuhielt, und zog gleichzeitig eine Pistole von irgendwo an seinem rechten Bein, mit der er wahllos vor sich feuerte. Der Japaner und der Fahrer auf dem anderen blauen Motorrad teilten sich rechts und links von ihnen auf und rasten ebenfalls einfach auf die Straße zu – von der sie noch ein leichter, aber hoher Bauzaun trennte. Die Ausfahrt bot die einzige Lücke in besagtem Drahtzaun.
Die beiden Vampire, die dort auf sie warteten, wichen den Schüssen lässig aus und einer kam nah genug heran, um Keis Vordermann im Vorbeifahren zu streifen. Er bekam ihn aber nicht ganz zu fassen, denn der Rückstoß eines Schusses, der zufällig genau im Hals des zweiten landete, ließ seinen Arm unerwartet zur Seite zucken. Zwei Sekunden später war er auch schon auf der Straße und raste geradeaus weiter.
Währenddessen waren der Japaner und der mit Colins Helm am blauen Tank auch herausgekommen. Einer hatte den Zaun vor sich einfach umgefahren und der andere ihn mit seiner Geschwindigkeit aufgeschoben. Der Japaner drehte, beschleunigte und fuhr rechts die Straße hinunter. Der andere driftete auch in eine Kurve, aber nach links, und war nach wenigen Sekunden bereits hinter einigen geparkten Lastern verschwunden.
Kei blieb mit etwas Mühe, was den schießenden Vampiren geschuldet war, hinter dem Fahrer, dem er folgen sollte. Als derjenige, der Keis Vordermann zu Fall bringen wollte, erfolglos blieb, zog Kei eine Waffe aus dem Hosenbund und schoss dem Kerl in den Helm, wich ihm aus und verfolgte das blaue Motorrad weiterhin. Sein Vordermann schien keine Rücksicht auf ihn zu nehmen oder darauf zu achten, dass er hinter ihm blieb, und fuhr einfach hakenschlagend weiter. Er behielt die ursprüngliche Richtung weitestgehend bei, bog jedoch in mehrere Quer- und danach Parallelstraßen ein und wurde zwischendurch langsamer. Nach etwa zwanzig Minuten kamen sie in eine ländlichere Gegend, die Gebäude dünnten aus, und während der Himmel dunkler wurde, wurden die Straßen ruhiger. Keis Vordermann hielt sich nun an die Verkehrsregeln. Sobald es beinahe nachtdunkel war, winkte er einmal mit dem linken Arm und bog dann links auf einen kleinen, leeren Rastplatz ein.
Kei hatte, als sie nicht mehr verfolgt wurden, keine Schwierigkeiten damit, dem Vordermann zu folgen. Er bog auf den leeren Rastplatz ein und hielt direkt neben ihm.
„Wer sind die Typen und wer seid ihr?“ fragte er fordernd. Die Person stieg ab und nun war ziemlich offensichtlich, dass es sich hierbei um eine Frau handelte. Doch sie nahm ihren Helm nicht ab, öffnete ihn auch nicht, sondern zog nur eine Plastiktüte hinter einer Schnalle an ihrem Sattel hervor und nahm wortlos ein paar Nummernschilder und einen kleinen Akkuschrauber heraus.
„Hey! Ich hab dich was gefragt! Was wird hier gespielt?“ Kei wollte Antworten und er würde erst Ruhe geben, wenn er wusste, was los war. Doch sie antwortete nicht, sondern machte sich sofort daran, die Nummernschilder an beiden Motorrädern auszutauschen. Dafür brauchte sie keine ganze Minute. Die abgeschraubten Schilder wanderten zusammen mit dem winzigen Schrauber in die Tüte und wurden darin an den Sitz geklemmt.
„Verdammte Scheiße!“ Kei packte sie am Handgelenk und drehte sie mühelos herum. „Jetzt rede endlich!“
Die Frau ließ ein paar Sekunden verstreichen und betrachtete Kei durch ihr in der Dunkelheit beinahe undurchsichtiges Visier mit ausdruckslosen Augen. Dann riss sie ihren Arm plötzlich nach hinten und zog Kei so auf sich zu und von seinem Motorrad herunter, und duckte sich dabei mit einer leichten Drehung unter ihn, um ihn über die Schulter zu werfen. Kei behielt sein Gleichgewicht, nutzte den Schritt, den er machen musste um nicht zu fallen, um Schwung zu holen und drehte sich beim über die Schulter geworfen Werden so, ihr den Am verdrehend, dass er stehend hinter ihr landete. In einer flüssigen Bewegung drehte sie sich mit, um sich ihren Arm nicht auskugeln zu lassen, und richtete sich wieder auf. Sie hatte immer noch keinen Laut von sich gegeben. Sie sah Kei wieder neutral an. Nun öffnete sie mit der freien Hand ihr Visier und blickte pointiert auf ihr umklammertes Handgelenk.
„What the bloody hell is going on here?!“ versuchte Kei es noch einmal mit Worten und sah ihr eiskalt in die Augen. Sie rollte leicht mit den Augen, sah ihn dann mit gehobenen Augenbrauen streng an und tippte sich mit einem Finger auf das freie Handgelenk. Dann nickte sie zweimal seitwärts und sah dabei auf das Motorrad hinter ihm.
„You are not goin‘ to tell me anything, are you?“ Kei ließ sie mit verächtlichem Blick los, da er so nicht weiterkommen würde. Entweder verstand sie ihn wirklich nicht, oder sie war eine gute Schauspielerin. „Do you understand me?“
Mit ungeduldigem, strengem Blick gewährte sie ihm ein langsames, ernstes Senken des Kopfes, das möglicherweise so etwas wie ‚Ja, du brüllst ja laut genug‘ oder vielleicht ‚Beweg dich, wir haben nicht den ganzen Abend Zeit‘ bedeutete. Es schien jedenfalls eine Antwort zu sein, und sie bestieg daraufhin sofort wieder ihr Gefährt. Nachdem sie ihr Visier wieder heruntergezogen hatte, vollführte sie mit der Hand eine kompliziert ausschauende Geste vor der Brust und zeigte dann auf die Straße, ehe sie den Motor startete und das Licht einschaltete.
Kei stieg ebenfalls wieder auf und startete den Motor. Er hoffte für sie, dass es dort wo sie ihn hinzubringen gedachte, irgendjemanden gab, der Japanisch sprach und dass der Typ, der Colin und ihn aus der Halle geholt hatte, nicht der einzige war.
Wieder in dem Gesetz angemessener Geschwindigkeit fuhren sie weiter. Dabei wechselten sie nach langen Strecken gelegentlich die Richtung, sodass sich der Mond jede halbe Stunde woanders über ihren Köpfen befand. Schließlich, mitten in der Nacht, fuhren sie etwas um eine Ortschaft namens Lancaster herum, und irgendwann über eine schmale und unbeleuchtete, aber gut gepflegte Landstraße, auf ein zwischen Feldern und einem Park sitzendes Anwesen zu, das den Hinweisschildern nach zu urteilen ‚Lancaster Castle‘ sein musste. Die Gebäude lagen im Dunkeln, aber gegen den dunkelblauen Himmel hob sich genug von der Silhouette ab, um zwei viereckige Burgtürme zu erkennen.
Was wollen wir in einem abgelegenen Schloss? Kei fuhr bis fast vor die Tür und stellte das Motorrad dort ab. Nachdem er den Helm abgenommen und an den Lenker gehängt hatte, sah er sich um und wartete auf seine stumme Begleitung. Diese stellte ihr Motorrad unzeremoniös neben seinem ab und nahm auch den Helm ab. Beim Heranfahren war über der grün gestrichenen Holztür mit Klopfer, die in einem Seitenflügel dieses moderneren Teils des Schlosses saß, eine Laterne angegangen. Nun konnte man der Frau nicht nur überdeutlich ihre asiatische Herkunft ansehen, sondern auch eine starke Ähnlichkeit mit dem Japaner vom Nachmittag, sowie mit jemand anderem...
Sie lächelte ein wenig, nur angedeutet und ansatzweise, und zeigte auf die Tür, auf die sie zutrat, um sie einfach aufzudrücken.
Kei stockte als er erkannte, wen er da vor sich hatte. „Du erklärst mir jetzt, was hier los ist.“
Sie blickte auf ihn zurück und gestikulierte wieder mit einer Hand, ehe sie in den Flur trat, in dem ebenfalls automatisch sanftes gelbes Licht anging. Sie sah nach oben an die Decke und zeigte hoch. Kei folgte ihr und sah nach oben. Sie nickte zu einem Ausgang in eine Art Halle, die zum Teil holzgetäfelt und mit Wandteppichen behängt war. Dort befand sich auch eine breite Treppe, zu der sie nickte. Ihre Schritte hallten. Hier war es, abgesehen von dem dünnen Schein durch die hohen schmalen Fenster in der Wand hinter der Treppe, dunkel.
Während in Kei die Aggressionen anwuchsen, da man ihm nichts erzählen wollte, ging er den ihm gewiesenen Weg.
Als sie den zweiten Teil der Treppe hinter sich gebracht hatten und auf einer kurzen Galerie ankamen, von der aus man in vier Richtungen zu verschiedenen Räumen gelangen konnte, konnte man wieder warmes Licht sehen. In zweien der Flure brannten kleine Lampen, die elektrisch waren aber grüne Glasschirme hatten, die an Gaslampen des neunzehnten Jahrhunderts erinnerten. Außerdem fielen aus ein paar Räumen schwache Lichtstreifen unter den Türen hindurch auf den Dielenboden. Auf eine dieser Türen steuerten sie gelassen zu.
Kei zog sein Schwert sehr leise und tippte Ms. ‚Ich-rede-nicht-mit-dir‘ damit an. „Was wird hier gespielt?“ Er sprach sehr ruhig.
Sie hielt gerade vor der Tür und hatte eine Hand auf die Klinke gelegt. Ihr eben noch so gelassener Gesichtsausdruck versteinerte wieder zu einer eiskalten Maske. Mit hochgezogender Augenbraue blickte sie auf die blanke Klinge, und dann in Keis Gesicht. Langsam hob sie ihre freie Hand und zeigte damit auf die Tür. Dann formte sie die Hand zu einer lockeren Faust und klopfte in die Luft.
„You can come in,“ tönte es von drinnen.
Kei betrat den Raum und ließ sein Schwert sinken, behielt es aber in der Hand. „Tell me what the bloody fuck is going on.“
Auf einem großen, antiken Schreibtisch aus dunklem Holz in diesem großen, antiken Raum aus dunklem Holz, Teppichen, Büchern und einem großen Kamin saß ein dünner, faltiger Mann mittleren Alters mit ausdünnendem Haar und der gleichen Motorradmontur die Keis Begleiterin trug. Nur hatte er seine Jacke auf dem hohen Schreibtischstuhl abgelegt und hatte nun über der Hose nur doch ein olivgrünes T-shirt an. Er hatte scheinbar mit einer Zigarette herumgespielt, die er sich nun hinter ein Ohr steckte. Er hielt inne und musterte Kei mit dem Schwert.
„Okay... Welcome... We will. But could you put that away first? Is Dennis with you?“
Die Frau schüttelte den Kopf.
„Why should I?“ fragte Kei gelassen und musterte den Mann. Er hatte ihn noch nie gesehen.
„Because that is the polite thing to do when you're in somebody's house. I'm afraid I'm not very good at sharing information when I've got pointy steel stuck up my nose. So if you want to know what's going on, it would be wise to stop threatening me.“
„I could stick this up your arse if that's making you talk faster.“ Kei machte keine Anstalten sein Schwert wegzustecken, blieb aber ein Stück vom Tisch entfernt stehen. Der Mann schmunzelte und steckte sich gemächlich die Zigarette an.
„It's not. Sorry.“
Die junge Frau schnaubte kurz und schloss die Tür, ehe sie ihre Jacke öffnete, über die Armlehne eines Sessels am Kamin warf und sich auf ebendiesen Sessel setzte. Sie sah dezent genervt aus.
„I thought the Japanese were all manners, but you are more insolent than any five-year-old I've ever seen.“
„I must apologise. I have never been raised accordingly to Japanese standards.“ Keis Stimme war purer Sarkasmus, trotzdem steckte er sein Schwert weg. Seine Kleidung war bestückt mit vielen Waffen, die im Notfall reichen würden. Die Frau schnaubte wieder, diesmal mit einem eindeutigen Blick an die Decke. Der Mann schmunzelte wieder.
„Please, have a seat. I'll answer your questions.“ Er nickte und deutete auf den Sessel, der dem besetzten vor dem Kamin gegenüberstand. Vom Schreibtisch neben sich angelte er sich einen Kristallaschenbecher, den er sich auf einen Oberschenkel setzte. Kei ließ sich in den Sessel fallen.
„Who are you and why am I here?“ Er hatte sehr viele Fragen.
„My name is Rupert Ingram. I am not a vampire.“ Er deutete auf die junge Frau, die Kei halb liegend und weiterhin ohne nennenswerten Gesichtsausdruck musterte. „This young lady here is Delilah Sakai. She is a vampire. ... As you may have guessed.“
Sie nickte kurz.
„Oh great. Yes. Another lovely family member of mine. Go on.“ Kei zündete sich ebenfalls eine Zigarette an.
„There's an ashtray on the mantelpiece.“ Rupert Ingram nickte zum Kaminsims. „She and Dennis are your siblings. You are here because we don't want them to capture you. ‚They‘ meaning our respective parents and grandparents.“
Kei nahm sich den Aschenbecher. „I know about my parents wanting to capture me. One is dead.“
„Yes, we know. It caused quite a stir. You and your friend did good work on them. Do you know why they want you?“
„No. Where is Colin now?“
„Probably in a transporter, or already in some cellar, hidden away from eyes and ears... I reckon they don't really want him. He's human, after all.“
„Since when? He was killed, undead, feeding on human flesh. It is new that he acts human again.“
Rupert neigte interessiert den Kopf, aber ging nicht darauf ein.
„You do know that vampires have an obscenely long lifespan, don't you?“
„Well no but I assumed that. No one ever told me anything of what it means to be a vampire. Except for the blood.“
„Well, as far as anyone knows, they might well be immortal, like lobsters. However, they have an uncanny knack for killing each other off. And they usually have very few offspring. It is unusual for them to breed as well as your family does. In short, vampires are slowly going extinct. They are desperate to bolster their numbers.“ Rupert popelte eine neue Zigarette aus seiner Hosentasche und zündete sie sich an.
„Then they should have more sex. That's how offspring is made. Vampire offspring, too.“ Für Kei war diese Idee sehr naheliegend, dafür musste es ausreichend Vampire geben - genug heterosexuelle. Rupert lachte. Delilah grinste.
„Well, that doesn't work as well as with humans, I'm afraid. But vampires are very libidinous creatures. They fuck like rabbits-“ Delilah rollte mit den Augen und Rupert grinste sie an. „Well, it doesn't seem to be enough. They get killed faster than they are born. And because of that...“
„They should make a plan to stop the killing for a few hundred years.“
„How very mature of you. That would seem to be the logical response, but no. That won't happen. Instead, what they've been doing in the last few hundred years, is try and find a way to expand their lives beyond death.“
„Oh yeah I forgot. I am a living dead vampire. We are bloody hard to kill and I am an even harder challenge. What happened to me?“
„They did. We don't know what exactly it is they did to you. But it was deliberate. They did it to Colin, too.“
„He was or still is human. Or is again. He turned into himself again after arriving here but still needs flesh and is shocked to do so. It affected him differently.“
„Yes. They are going to study that. Apparently it only works in pairs. They need pairs. Like siblings, long time lovers, close friends... like you and Colin. Our guess is that they paired you with him because there was no suitable vampire to attach you to. Whatever it is they do, it has to happen from very early on, from the moment of birth, or even before that.“
„So everything is planned... Seems like vampires often turn out gay. Well, they won't get what they want. And they won't have Colin to watch for a long time.“
Rupert lächelte amüsiert.
„You're very spirited. Very determined. That is good. That's very good. We might get him back that way.“
Auf dem Flur waren zügige Schritte zu hören. Delilah stand auf und ging zur Tür, um sie zu öffnen.
„If they want him dead they must kill me first and I seem to be immortal. That is kind of a challenge.“ Kei drehte sich in Richtung Tür. „Next question. Why don't you want to kill me?“
Rupert lachte leise.
„Because we're not assholes. We're trying to bring them down. We've all been victims of their insanity in one way or another. As far as we're concerned, you're one of us.“
Der Japaner kam in den Raum marschiert, sah sich eilig um, und sein Blick blieb auf Delilah hängen. Er schnippte sie auf die Stirn.
„You didn't take the foils off!“
Sie blinzelte und rieb sich die Stirn, zeigte dann anklagend auf Kei, und gestikulierte wieder in Gebärdensprache. Rupert lachte und Dennis starrte Kei an.
„Sie sagt, du hast sie abgelenkt.“
„Wenn die sich ablenken lässt, kann ich da nichts für,“ sagte Kei zu dem Japaner und drehte sich wieder um. „I am not part of anyone's group. I am interested in killing those fuckers and in living.“
„Good, then we have a common goal! And a common enemy. No one's asking you to join us permanently,“ sagte Rupert. Delilah ging zu ihrem Sessel zurück und legte sich wieder quer auf ihn. Dennis schloss die Tür und gesellte sich zu Rupert an den Schreibtisch, gegen den er sich lehnte.
„I didn't plan to do so. So those two are parts of my family...“ sagte er mehr zu sich selbst. „Are you as fucked up as the rest of them?“
Alle lachten. Bei Delilah wuchs sich das zu nicht mehr als ein bisschen lauterem Atmen aus.
„Probably. But we're not experimenting on people and torturing them,“ sagte Dennis. Er musterte Kei nun interessiert.
Delilah setzte sich auf und gestikulierte hastig. Ihr Gesicht war nur ein klein wenig belebter. Dennis und Rupert nickten zustimmend.
„I guess that's good.“ It appears to me that I am the most fucked up of the Sakai offspring. But I can live with that. Kei formulierte den Satz in Gedanken, ließ ihn aber auch dort. „What's she saying?“
„Sie hat gesagt, dass wir ein Teil - dass wir verstehen, dass wir ein Teil dieser Welt sind und dass wir Menschen nicht nur als Vieh sehen, von dem wir uns ernähren. Wir müssen mit ihnen leben,“ erklärte Dennis.
„Ich tue beides,“ sagte Kei.
Dennis lächelte.
„Wir ernähren uns auch von Menschen. Aber sie sind auch Personen. Wie er hier.“ Er nickte zu Rupert neben sich, der den Kopf hob und die Augenbrauen hochzog.
„What?“
„I said, you're people!“ sagte Dennis laut.
„Crikey, no need to shout!“
„I don't mind killing people. No matter if they are human or not.“
Sie sahen Kei ernst an. Dennis blickte zu Rupert, der ihm ganz sachte zunickte.
„I did not say that I am going to kill you...“ Jedenfalls nicht heute.
Delilah sah ihn müde an.
„You know, you don't have to kill a person to feed on them,“ sagte Dennis.
„I do. But I like them dying.“
Stille.
„Well... I take that back. Delilah and I are not as fucked up as the rest of the family. You are, though,“ gab Dennis müde zurück.
„I never denied that. I am my father's son after all. Even if he's an arsehole.“
„I'm my father's son, too. And I'd like to think I'm not that much of an arsehole.“ Dennis klang etwas eisig. Rupert zündete sich in betretener Zurückhaltung eine dritte Zigarette an.
Delilah gestikulierte etwas, zögerlich, und Rupert musste leise lachen.
„You are a little bit,“ übersetzte er.
„So what kind of like Kira looking siblings are you?“
Delilah legte den Kopf etwas schief.
„He's our father,“ sagte Dennis.
„And you say vampires don't breed well? Kira has many children it seems. At least four.“
„Yes, and with him you and your friend took down the best breeding machine our enemy's ever had. Well done,“ sagte Rupert. Er besaß die Stirn, ein paarmal zu klatschen.
„We took him down for a different reason.“
„Doesn't matter,“ sagte Dennis, „You took him down.“
Delilah gestikulierte.
„She says that gives us hope that we might have a chance at getting your friend back,“ übersetzte Dennis.
„What was his part in all this? Oh and I guess you know why my mother really had to die. ... I'll get him back anyway.“
„Kira murdered her because she didn't want you to be a part of the experiment. When Masako found out about it she was going to join up with us. We had an escape plan and everything, but it was ruined when he killed her, and we couldn't get to you anymore,“ erklärte Dennis. „Kira and Ryuji are one of the pairs, too.“
Kei nickte. „They are both dead. I guess they will stay that way.“
„Yes, we heard. Well done,“ wiederholte Rupert.
Delilah gestikulierte und Rupert nickte daraufhin.
„Wir haben Zimmer für - ein Zimmer für dich,“ sagte Dennis.
„Why did they choose Colin? He is not a vampire.“ Kei neigte dazu, Delilah nicht zu beachten, Weil er nicht darauf warten wollte, dass die fertig wurde mit der Gestikuliererei.
„Uhm...“ Rupert schien kurz zu überlegen. „They needed a partner for you, and as I said, we think there was no suitable vampire, so they took a human baby. We found out that his father is somehow involved in all this, despite being human. He offered him up before he was born.“
„It was a little hurried, I think, because you were already there and slowly getting too old for the process... whatever it is. They needed someone quickly,“ steuerte Dennis bei. „So they used him, prepared you for each other, and then let you two meet.“
Kei nickte. Das ergab alles Sinn. Irgendwie. Auf eine perverse Art. Es war aber zugleich erschreckend. Dass er Colin überhaupt nicht aus Versehen begegnet war, schmeckte ihm nicht, änderte aber nichts. Er wollte Colin da rausholen. Dass diese Wichser wohl noch mehr Experimente an ihm durchführen würden, passte ihm gar nicht.
Delilah, die ihn die ganze Zeit still beobachtete, schien sich einen Reim auf seine unausgesprochenen Gedanken zu machen. Sie sagte etwas mit ihren Händen.
„I already said, they're probably not interested in him that much. They want you. It's not humans they want to make immortal, but vampires,“ übersetzte Rupert.
„I think they're going to use him as bait,“ fiel Dennis ein. „To lure you out of hiding.“
Delilah setzte sich auf und gestikulierte hastig.
„Yeah,“ sagte Rupert, „that's how we can find him.“
„They're going to dangle him in front of our noses to get you to come and then capture you.“
„Except they won't capture me.“
„Why is that?“ fragte Dennis.
„Because! He's not going to come out. We are,“ sagte Rupert mit einem aufgeregten Lächeln. „Keisuke will stay safely hidden away while we rescue his friend.“ Er sprach ‚Keisuke‘ sehr englisch aus.
„I will not miss that party! And Rupert...“ Er sprach das sehr japanisch aus, „Call me Kei.“
Rupert schmunzelte. „Alright. Keh.“
„Bedtime,“ verkündete Dennis, nachdem Delilah wieder gestikuliert und eine universelle Schlafgeste in Form von an einer Wange zusammengelegten Händen vollführt hatte. „Let me show you to your room.“
Schlafenszeit für Kei bedeutete wach im Bett liegen und warten bis es wieder hell wurde. „Okay.“
Delilah und Rupert standen langsam auf und Dennis ging zur Tür.
„Neben dem Bett gibt es eine Kordel. Wenn du Blut brauchst, oder irgendetwas anderes, zieh dran und du bekommst es,“ erklärte Dennis ihm auf dem Weg durch den Flur.
Ihr könnt Colin nicht herzaubern... Kei nickte und ging ihm nach.
Delilah und Rupert winkten und gingen in eine andere Richtung, während Dennis an einem sehr nahen Zimmer haltmachte. Der Raum war nicht besonders groß, aber sehr edel und antik eingerichtet. Der Parkettboden war mit dicken Teppichen ausgelegt und zwischen zwei hohen Fenstern stand ein großes Himmelbett mit verdammt vielen Kissen darauf. Es gab noch andere Einrichtungsgegenstände, wie einen kleinen Schreibtisch, einen Kleiderschrank, ein Bücherregal und eine Kommode mit Spiegel, vor der ein gepolsterter Stuhl stand. Durch die Fenster blickte man auf den riesigen Park und konnte links ein paar Lichter der kleinen Stadt Lancaster sehen.
„Wir halten ab sofort Ausschau nach allem, was auf Colin hindeuten könnte,“ versicherte Dennis ihm. „Direkt nebenan ist ein Badezimmer. Durch diese Tür hier. Das hast du für dich allein.“
Kei ließ den Rucksack auf den Boden fallen, sich aufs Bett und bedankte sich für den Badhinweis. Duschen. Und das lange. Das hatte er vermisst.
„Mein Schwert macht euch nicht nervös genug um es mir wegzunehmen zu versuchen, oder?“
Dennis lachte leise. „Nein, es beruhigt mich eher, dass du wehrhaft bist.“ Er wandte sich zum Kleiderschrank. „Die Sachen da drin kannst du auch benutzen. ... Ach. Falls du darauf angespielt hast, dass wir uns vor dir fürchten sollen...“ Er schmunzelte Kei enigmatisch an. „Was hättest du für einen Grund, deine einzigen Verbündeten umzubringen?“
„Ich habe noch keinen, aber ihr könntet einen Grund haben, mich zu entwaffnen.“
„Der da wäre?“
„Ich kann keine Gedanken lesen. Ich weiß nicht, ob das, was ihr erzählt alles so wahr ist. Auch, wenn es schlüssig ist.“ Mir wurde schon zu viel Scheiße erzählt um euch zu vertrauen.
‚Es ist wahr. Aber es ist vernünftig, misstrauisch zu bleiben,‘ tönte Dennis‘ Stimme. Er lächelte. Sein Mund hatte sich nicht bewegt. Kei stutzte und schaute für einen kleinen Moment verwirrt drein. Ich muss mich dringend ausruhen...
Dennis grinste. „Gute Nacht!“
„Oyasumi.“
Dennis verließ das Zimmer und schloss die Tür. Seine Schritte entfernten sich. Kei zog seine Kleidung fast ganz aus und legte sich dann wieder hin.
Die nächsten Stunden verbrachte er damit, die Decke anzustarren.