Wednesday, January 27, 2016

Kei + Colin LX: Für ein Motorrad



28. JANUAR
PERU

Akira saß im Schneidersitz auf der halbverotteten Holzbank vor ihrem Pensionszimmer und starrte auf das leuchtende Wasser am Horizont, dem sich gerade die Sonne näherte. Es fiel ihm schwer, zu begreifen, dass das hier immer noch dasselbe Meer war, nur eben von der anderen Seite aus betrachtet. Kei kam bald darauf auf den Hof gefahren, mit einem alten Motorrad, das er irgendwem nach einer Schießerei geklaut hatte. Von seinem Boss in Tokyo hatte er einen neuen Motorradführerschein und einen für Autos bekommen. Genau wie einen neuen Ausweis mit einem neuen Namen. ‚Kageyama, Kaito‘ stand nun auf seinen Papieren. Gefälschten Papieren. Auch sein Freund hatte einen neuen Ausweis bekommen. Das einzige, das Kei beibehalten hatte, war sein Spitzname. Kei. Seine Haarfarbe war anders, nun waren sie deutlich mehr blau als schwarz. Das Motorrad stellte er ab, er hatte sich in Lima ein bisschen umgesehen, um herauszufinden, wie man hier an Geld kommen konnte.
Das Motorengeräusch riss Akira aus seinen müßigen Gedanken. Wer auch immer das war, er hoffte, dass er nicht um die Hausecke kommen und ihn ansprechen würde. Er verstand die Sprachen hier nicht, nicht einmal das Englisch, das sie hier zu sprechen vorgaben, und jede Auffälligkeit, die Kei und er sich leisteten, machte sie angreifbarer. Er zog sich die Kapuze seines bunten Andenpullovers über den Kopf und tief ins Gesicht.
„Ich bin‘s!“ rief Kei von unter seiner Kapuze und stellte sein neues Gefährt neben Akira ab. „Ich hab uns ein Motorrad und etwas Geld besorgt,“ verkündete der Vampir. Trotz der Temperaturen und des Klimas im allgemeinen hatte er sich schnell angewöhnt, meistens mit Jacke und Kapuze rauszugehen. Er hatte schnell gelernt, dass seine Tätowierung ihm die Aufmerksamkeit des Rechtssystems einbrachte.
Akira sah auf und ließ die Schultern hängen.
Das ist ja viel besser als -“ der Schrotthaufen, den ich dir zum Geburtstag schenken wollte. Es war bei Weitem nicht schöner als der alte Chopper, den Akira hinter dem Hühnerschuppen des Nachbarn versteckt hatte, aber es schien vollständig zu sein und funktionierte.
„Wie hast du das Geld verdient? Lass uns mal vergleichen, vielleicht ist der Job, der mir angeboten wurde, eine realistische Alternative.“ Akira lächelte sarkastisch.
„Mich hat so‘n Typ angesprochen, der wollte Koks geliefert haben.“ Er fügte an, dass er das dann erledigt habe und dafür gar nicht mal schlecht entlohnt worden sei. „Das Motorrad hab ich mehr oder weniger nur für den Weg hierher benutzt. Das wird in spätestens zwei Tagen vermisst werden und ich will es dann nicht mehr haben.“ Er setzte sich neben Akira und präsentierte seine Ausbeute. Neue Kippen und ein großes Bündel Geld, sowie eine Flasche Whisky. Akira lächelte.
Dann ist ja alles gut.“ Er nahm die Flasche und öffnete sie. „Wir sollten hier nicht bleiben, oder? Lima ist ein bisschen zu... groß.“ Wir hätten uns gar nicht erst hier niederlassen dürfen.
„Nein, sollten wir nicht,“ stimmte Kei ihm zu. „Das war nur die erste Station um aus Tokyo herauszukommen. Aber wo gehen wir hin?“
„Es ist vielleicht am klügsten, das überhaupt nicht zu planen. So ist es unmöglich, unseren Weg nachzuverfolgen,“ Akira trank einen Schluck Whisky und stellte die Flasche vor sich auf der Bank ab. „Es sei denn, sie haben uns irgendwann Sender eingepflanzt.“ Das meinte er offensichtlich nicht ernst. Er griff nach den Zigaretten. Kei schob ihm das Päckchen hin und griff seinerseits nach der Flasche.
„Dann lass uns morgen sehen, wo man von hier aus hinkommt.“ Der Vampir besaß zwar ein neues Telefon, ein billiges Wegwerfhandy, aber da er nicht oft draufschaute, hatte er nicht mehr so ganz auf dem Schirm, welcher Tag eigentlich war. Akira nahm zwei Zigaretten aus der Schachtel und steckte sie sich in den Mund. Mit dem Feuerzeug, das Kei ihm reichte – immer noch das edle Zippo aus Japan – zündete er sie gleichzeitig an. Eine davon reichte er Kei.
„Morgen ist zu früh.“ Er sah zwischen seinen schwach ausgeblichenen roten Strähnen zu Kei auf. Kei nahm die Zigarette an sich.
„Wieso?“ Er stecke sie sich zwischen die Lippen und das Zippo, von dem er sich nicht trennen wollte, wieder in die Hosentasche.
„Das siehst du dann.“ Akira zwinkerte und legte sich dann auf den Rücken. Die Beine ließ er gekreuzt, wie sie waren. Kei zog die Beine hoch, sodass er im Schneidersitz saß und begann mit Akiras Haaren zu spielen. Seine oberen Haarstufen waren dunkelblau und die Strähnen, die darunter hervorschauten, tiefschwarz.
„Wenn wir soweit sind... also, dass wir abhauen können... brauche ich erst noch einen...“ Einen Imbiss? Einen Menschen. „Etwas zu essen.“ Eigentlich brauchte er das jetzt, aber solange sie noch nicht sofort verschwinden konnten, konnte er sich einen so unordentlichen Mord nicht leisten. Dafür kannten sie sich in dieser Stadt nicht gut genug aus. Hungrig starrte er zu Kei hinauf und blies Rauch aus. „Trink von mir.“
„Das wird leicht zu kriegen sein.“ Kei war ziemlich fest davon überzeugt, denn diese Stadt war riesig und der Ort, an dem sie sich aufhielten, war nicht gerade ungefährlich und es liefen einige Drogensüchtige herum, die man ohne Aufsehen zu erregen umlegen konnte, wie Kei bereits festgestellt hatte. In seiner rechten Hand glühte die halb gerauchte Kippe fröhlich vor sich hin als er sich halbwegs hinlegte und über den Kleineren beugte. Wehe dir, wenn du zusammenklappst...
Akira beobachtete Kei und wandte seinen Blick zurück auf die Dächer, zwischen denen das Meer noch etwas zu sehen war, sobald er Keis Gesicht nicht mehr sehen konnte. Kei lächelte ganz leicht und küsste Akira. Der musste lächeln und erwiderte den Kuss mit offenen Augen. Ich sagte, trink von mir.
Tatsächlich kam der Vampir seiner Aufforderung nach und unterbrach den Kuss mit leichtem Grinsen um sich Akiras Halsbeuge zuzuwenden.
„Hn...“ Süßer Schmerz. Das krampfige Ziehen des Bisses ließ bald nach und wurde schnell durch einen prickelnden Rausch ersetzt, der rasch anschwoll und Akiras Sicht weiß umrahmte. Der gelbe Sonnenuntergangshimmel wurde greller und die Zigarette rutschte aus seinen Fingern. In seinem Unterleib rührte sich etwas und er blinzelte benebelt lächelnd. Kei ließ sich Zeit, ehe er nach einer ganzen Weile wieder von ihm abließ. Sehr viel Blut hatte er nicht getrunken, immerhin wollte er nicht, dass Akira ohnmächtig wurde, aber auch nicht gerade wenig. Grinsend leckte er mit der Zungenspitze über die kleine Wunde, die leicht blutete. Akiras Atem war etwas flacher und schneller geworden. Langsam drehte er den Kopf, um Kei wieder anzusehen.
„Lass uns reingehen. Und deinen Geburtstag gebührend begrüßen,“ knurrte er leise. Der Vampir hob seinen Freund hoch.
„Bis dahin sind es noch ein paar Stunden,“ sagte er grinsend, während er Akira auf das Bett legte und ihre Sachen von draußen hereinholte, bevor er die Tür hinter sich abschloss.
In der Zeit zog Akira sich langsam aus und schob seine Kleider von der bunten Überdecke auf den Fußboden. „Also müssen wir uns ranhalten. Das ist nicht viel Zeit.“ Er lächelte süffisant. „Und solange ich high bin, bin ich bestimmt zahm wie ein Lämmchen, es wäre dumm, das nicht auszunutzen.“
Während Kei Jacken und Tanktop in die Ecke warf, begann ein leichtes aber deutliches Grinsen sein Gesicht zu zieren, das dem Kleineren praktisch ins Gesicht schrie, dass er es für eine gute Idee hielt, Akiras benebelten Zustand auszunutzen.
„Solche Dummheiten sollte ich nicht begehen.“ Er setzte sich neben den Jüngeren aufs Bett, küsste ihn und drückte ihn dabei nach unten. Akira erwiderte den Kuss langsam und zog danach den Kopf etwas zurück.
„Es gibt aber einen Haken.“
„Ich höre.“ Kei hasste es, wenn Akira sowas sagte, aber seine gute Laune schmälerte das kein bisschen.
„Pace yourself. Or we won't last even an hour.“ Akira legte die Arme um Keis Nacken und küsste ihn, wieder sehr, sehr langsam. Mit leicht versautem Grinsen erwiderte der Vampir den Kuss.
Dann hätten wir mehr als genug Zeit für Runde Zwei... Den Gedanken behielt er vorerst für sich, es war noch mehr als genug Zeit bis der neue Tag anbrechen würde. Unter ihm lag Akira nun nackt auf der rauhen, bunten Decke, die Augen geschlossen und die Zungenspitze warm und nass auf seinen Lippen, und strich mit den Fingern langsam über seinen Nacken. Es verging nur eine kurze Zeit, bis Kei den Kuss vertiefte. Pace yourself hast du gesagt... aber nicht, wie lange...
Mit den Fingerspitzen kratzte Akira leicht über Keis Schultern, Brustwarzen, Bauch... und einen Fuß setzte er sanft auf Keis Schritt.
In seinem Kleiderhaufen am Fuß des Bettes war ein kleines Bündel von US-Dollarscheinen aus der Bauchtasche seines Andenpullovers gerutscht.
Der Vampir spürte das Kratzen kaum. Seit er gestorben war, war sein Schmerzempfinden noch schwächer geworden – auch, wenn sein Herz schlug. Er gab dem Kleineren ein paar Kratzer auf den Oberkörper zurück und biss ihm fast schon zärtlich in die Schulter, hinterließ aber nichts weiter als eine Reihe blauer Flecken. Dafür drückte Akira ihm mit dem Fußballen in den Schritt und setzte die Hände flach auf seine Brust, um ihn langsam, aber bestimmt wegzuschieben. Immerhin machte er keinen Hehl daraus, dass es ihn anmachte, was Kei gerade tat. Das zeigte sich in den Geräuschen, die aus seinem Mund gekrochen waren, seinem Puls, seinem flachen Atem, der Farbe in seinem Gesicht und dem, was sich gerade in seinem Schritt tat. Er sah Kei berauscht an. Der Vampir blickte ihm in die Augen, mit seinerseits leicht berauschtem Blick, der sagte: ‚Was?‘
Akira setzte sich auf und kniete sich hin, um Keis Gürtel zu öffnen. Dabei küsste er seine Schulter. Auf Keis Gesicht machte sich ein kaum sichtbares Grinsen breit und eine Hand vergrub er in Akiras Haaren, während er mit der anderen dessen Seite entlangfuhr.
Pace yourself... sagte Akira sich selbst. Er fand es zunehmend schwieriger, seine eigene Anweisung zu befolgen und hörte fast auf zu denken, bis er Keis Hose endlich geöffnet hatte. Als er Keis Hals küsste, wurde ihm bewusst, dass er vorhatte, Keis Geburtstag gegensätzlich zu seinem eigenen verlaufen zu lassen. Das hier sollte nicht die traurige, verzweifelte, eilige Befriedigung eines finsteren Triebes sein. Dem Vampir lag sowas und Akira hatte nichts gegen die Gewalt und den Schmerz, aber vielleicht wusste Kei einfach nur nicht, dass es auch anders ging. Akira küsste weiter seinen Hals, langsam und keusch nur mit den Lippen und der Zungenspitze, und schob ihm die Hose soweit hinunter, wie es Keis kniende Position zuließ. Mit Geduld hatte Kei es bekanntlich nicht so, aber er gab sich Mühe und wartete. Er kraulte den Kleineren im Nacken und lehnte sich ein Stück nach hinten, um ihm das Herunterschieben der Hose etwas zu erleichtern. Akira zog sie herunter und musste dabei etwas rupfen, weil sie so eng war. Bei den Stiefeln war dann Schluss. Er rutschte vom Bett und kniete sich davor. Er stellte sich Keis Füße nacheinander auf die Brust, schnürte ihm dort die Stiefel auf und zog sie ihm ab. Kei half ihm dabei ein wenig, indem er ihm das Herumbewegen seiner Beine erleichterte und das Becken anhob, als Akira ihm die Hose herunterzog. Während ihm die Stiefel ausgezogen wurden, stützte er sich nach hinten gelehnt auf beide Arme. Das Geldbündel fiel ihm noch nicht auf, weil seine Augen halb geschlossen waren.
Keis Hosen warf Akira achtlos zur Seite, dann erhob er sich und drückte mit der Hand etwas auf Keis Schulter, während er auf ihn kletterte. Er lächelte etwas, sah aber hauptsächlich erregt aus. Kei grinste immer noch leicht und machte ihm etwas Platz, indem er ein Stückchen nach hinten rutschte. Mit seinem tiefblauen Blick beobachtete er Akira genau. Mit einer Hand fing er an, die Konturen von Akiras Oberkörper nachzufahren und mit leichtem Druck Kratzspuren zu hinterlassen. Akira setzte sich rittlings auf seine Oberschenkel und küsste ihn tief, mit Zunge und mehr Eifer, als er vorgehabt hatte. Dabei sah er ihm weiter in die Augen, die ihm in diesem Halbdunkel entgegenleuchteten. Gierig erwiderte Kei den Kuss und hielt dabei den Blickkontakt aufrecht. Sein Blick war eine Mischung aus benebelt und erregt, die Augen halb geöffnet. Der Herzschlag des Vampirs war etwas schneller geworden und sein Körper ein, zwei Grad wärmer. Akiras Blut war für ihn wie eine Droge. Er hatte seinen Hormoncocktail getrunken. Was Kei nicht von Anfang an gewusst, sondern erst vor einigen Jahren gelernt hatte, war, dass die Zusammensetzung des Blutes, das er zu sich nahm, direkte Auswirkung auf ihn hatte.
Akira ließ Keis Mund in Ruhe und fuhr mit den Lippen über dessen Wange zum Ohr. „Leg dich hin,“ flüsterte er.
Was hast du vor? Kei leistete dem Folge und beobachtete Akira. Er folgte jeder Bewegung des Kleineren mit den Augen, kaum merklich. Der kletterte von ihm herunter und kniete neben Kei, ohne die Hände von ihm zu nehmen. Er ließ sie auf seiner Haut bis zwischen die Beine hinunterfahren und beugte sich mit ernstem Blick über ihn, um seinen Bauch weit unter dem Nabel zu küssen. Der Vampir legte den Kopf nach hinten auf die Decke, schaute mit den Augen aber noch immer in Richtung seines Freundes. Kei lag nicht ganz auf dem Bett, seine Unterschenkel hingen hinunter - was ihn aber nicht störte, schließlich war das nicht unbequem.
Ungeniert aber ernst streichelte Akira langsam Keis Haut zwischen den Schenkeln und sein Geschlecht, und gelangte mit Lippen und Zunge nun auch dorthin. Gemächlich und sanft küsste und leckte er seinen Penis, diesmal ohne zu versuchen, sich hinter seinen Haaren zu verstecken oder zu vergessen, was er da tat. Das Grinsen, das bis gerade auf Keis Gesicht zu sehen gewesen war, wandelte sich in ein sanftes Lächeln und er ließ die Augen zufallen, während sein Blut sich dort sammelte, wo Akira gerade zu Gange war.

Verschwitzt, mit etwas zerwühlteren Haaren und feucht und klebrig an gewissen Stellen glänzend, wankte Akira wenige Stunden später zu der niedrigen Bank, die direkt unter das Fenster gemauert und mit einer bunten Flickendecke belegt war. Hier in Peru war alles bunt. Er kniete sich darauf und lehnte sich auf die Fensterbank, um draußen im Himmel die ungefähre Uhrzeit abzuschätzen. Und einfach, um nach draußen zu sehen und das Fenster für Kühle und Luft zu öffnen.
Kei lang zufrieden auf dem Bett. Er hatte sich auf den Bauch gedreht und nach seinen Kippen geangelt, die in seiner Hosentasche steckten. Dabei fiel sein Blick auf das Geldbündel auf dem Boden bei Akiras Pullover.
„Wo hast‘n du das Geld her?“ erkundigte Kei sich gelassen und steckte seine Zigarette zwischen die Lippen als er sie anzündete.
„Von dem alten Nordamerikaner in der Werkstatt. Dem habe ich im Laden ausgeholfen, während du Kisten geschleppt und Drogen vertickt hast,“ antwortete Akira, gelassen aus dem Fenster blickend. Es war nicht vollständig gelogen. Er hatte dem Mann im Laden ‚ausgeholfen‘, aber nicht mit Handwerksarbeit. Akira wusste so gut wie nichts über Fahrzeuge und ihre Mechanik. Jedenfalls fand er dennoch, dass er das Geld mit ehrlicher, wenn auch dreckiger Arbeit verdient hatte, und hoffte, dass seine teilweise Lüge so nicht so leicht herauszuhören war.
„Seit wann hast du Ahnung von Autos?“ fragte Kei weiter. Der Alte war ihm von Anfang an suspekt gewesen und die Art, wie er Akira angesehen hatte, erst Recht.
Akira wandte den Blick zu ihm. Das diffuse Licht der nächtlichen Stadt ließ seine Haare und Haut ein bisschen violett schimmern. Sein Gesichtsausdruck war ernster, fast kühl und reserviert.
Ich habe keine Ahnung von Autos. Ich habe nur aufgeräumt und saubergemacht,“ log er. „Schrauben und sowas...“ Scheiße, halt den Mund. Betont gelassen lehnte er sich neben dem Fenster an die Wand.
„Hm.“ Kei glaubte ihm irgendwie kein Wort. Dass Akira ihm nicht die Wahrheit sagte, konnte mehrere Dinge heißen und Kei ging nicht gerade von den harmlosen aus. „Und was hast du sonst noch gemacht?“ Sein Blick wurde dunkler. Er jagte Akira einen ziemlich erfrischenden Schauer durch den Körper, den man ihm ansehen konnte und der ihn vage daran denken ließ, dass er das Fenster auch gleich wieder schließen konnte, so frostig wie es gerade im Raum wurde. Seine Haut fühlte sich an als sei sie von Pelz oder Stacheln bedeckt, die sich nun allesamt in Abwehrhaltung aufstellten. Auf dem Bett vor ihm lag wieder das Raubtier, und er bekam zwar etwas Bammel, aber es machte ihn auch ziemlich an. Dieser Zustand machte es ihm schwer, sich noch mehr Lügen aus den Fingern zu saugen und so entschied er sich für rigide Verteidigung.
„Wie meinst du das?“ fragte er knapp und leise.
„Du bist ein schlechter Lügner, Akira. Also raus damit,“ forderte Kei knapp und kühl, während er an seiner Zigarette zog.
„Womit? Ich habe dir gesagt, wie ich das Geld verdient habe,“ entgegnete Akira trotzig. Er sah ein, dass er nicht lügen konnte und es deshalb vielleicht auch besser gar nicht mehr versuchen sollte, aber was hatte Keisuke überhaupt für ein Recht, ihn so zu verhören? Er drehte sich an der Wand so, dass er nun mit dem Rücken an ihr lehnte, und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
„Du hast mir einen Teil gesagt. Also raus mit dem Rest.“ Kei spürte, wie er langsam wütend wurde. Warum sagte er ihm nicht, was war? Der Vampir konnte sich denken, was sein Freund angestellt hatte, aber er wollte es von ihm hören, sollte sich der böse Gedanke als wahr herausstellen.
Akira sah an die gegenüberliegende Wand und blieb noch eine Weile ruhig. „... Es war nur ein Job.“ Er sah zu Kei. „Leicht verdientes Geld.“
Nun wurde Keis Blick ganz dunkel und kalt. Er stand auf, zog sich notdürftig wieder an und ging vor die Tür. Dabei sah ihm Akira wortlos zu. Wo gehst du hin, du Arsch, bleib hier! Sein Trotz hielt ihn davon ab, Kei aufzuhalten zu versuchen. Aber nicht sehr lang. Gleich nachdem sich die Tür hinter dem Vampir geschlossen hatte, stürzte er zu seinen Kleidern und zog sich hastig die Jeans an, bevor er hinausstürmte, ohne auch nur die Hose zu schließen.
„Warte! Kei!“
Der drehte sich um. Er stand einige Meter von der Tür entfernt. „Was?“ Seine Laune war alles andere als gut.
Akira blieb direkt vor der Tür stehen. Sein Herz und sein Atem rasten.
Ich habe nicht mit ihm geschlafen. Es war nicht sowas, das schwöre ich.“ Er legte sich die ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand auf die Brust. Und das war wirklich nicht gelogen! Er wusste doch, dass sein Körper Kei gehörte. Er hatte dem Alten nur einen Blowjob gewährt, und das war ja wohl kaum der Rede wert!
Kei zog an seiner Zigarette während er dort stand und musterte seinen Freund mit eiskaltem Blick. Warum machst du sowas? Der Vampir hatte sich nur Stiefel und Hose wieder angezogen und die Straßenlaterne beleuchtete ihn ein bisschen. „Was war‘s dann?“ Er versuchte einen Moment noch ruhig zu bleiben und war irgendwie froh, dass der Kleinere an der Tür stehen geblieben war, denn sonst läge er jetzt wahrscheinlich zusammengeschlagen auf dem Boden.
„Es war nur ein Blowjob!“ sagte Akira mit ausgebreiteten Armen und den Ansätzen eines Lächelns. Er schien das wirklich für keine große Sache zu halten und kein schlechtes Gewissen zu haben.
Kei sagte dazu nichts. Er drehte sich um und sah in die Ferne.
„Warum?“
Das verwirrte Akira. Warum? Er ließ die Arme sinken.
„Es war nichts persönliches. Ich habe ihm nur einen runtergeholt. Und er hat richtig gut bezahlt.“ Das Geldbündel bestand nur aus 1-Dollarnoten, aber der wichtigste Teil der Bezahlung war die modifizierte Indian gewesen, die unter einer fleckigen Plastikplane im Hinterhof stand und auf Keis Geburtstag wartete. Kei hatte das Geldbündel nicht genau betrachtet, aber es war dick und sah dementsprechend nach viel aus. Er musterte den Kleineren, ohne einen bestimmten Gesichtsausdruck, und spürte seinen Körper abkühlen, als sein Herzschlag verschwand.
„Es gibt noch mehr Wege, an Geld zu kommen...“
Akira machte ein frustriertes, fast verzweifeltes Geräusch.
„Ich weiß, das weiß ich doch... Aber er hatte etwas, das ich haben musste, damit hat er mich bezahlt -“ Frustriert trat er barfuß gegen die Tür hinter sich.
Unter der Kälte seines Gesichts konnte man erahnen, dass Kei verletzt war, auch wenn er sich bemühte, Akira das nicht sehen zu lassen. Es gelang ihm nicht, seine Gefühle ganz abzustellen. Mit einem Schlag gegen die Laterne hatten sie keine Straßenlaterne mehr, dafür aber eine Straßensperre, die kein Licht mehr machte. Das Krachen und Kreischen des Mastes ließ Akira zusammenzucken und ehrlich bleich werden. Vermutlich hätte er das sein sollen. Zum Glück war hier auf dieser schäbigen Staubstraße sonst niemand zu sehen.
„Komm mit nach hinten, ich zeige es dir... Okay?“ versuchte er vorsichtig. Er flüsterte fast, aber quietschte dabei angsterfüllt.
Kei blieb stehen, wo er war. In seinem Kopf herrschte ein Durcheinander aus Gedanken, die auf einmal gedacht werden wollten und gleichzeitig war dort Leere.
In Akiras Kopf sah es anders aus. Seine Zweifel reihten sich fieberhaft zu soliden Ketten von möglichen Handlungsabläufen, die er vermeiden musste. Er konnte nicht nachvollziehen, warum Kei sich so aufregte. Aber er konnte es sich vorstellen. Vielleicht hatte er wieder einen grauenhaften Fehler begangen. Für ein Motorrad? Er fand nicht, dass er dieses Mal untreu gewesen war, aber Keisuke schien das anders zu sehen. Für ein Motorrad. Er wollte ihm ein fantastisches Geschenk machen! Er musste seine Worte mit Bedacht wählen.
„... Warum bist du so wütend?“ wagte er leise.
Das fragst du mich jetzt wirklich...?! Es schien tatsächlich Akiras Ernst zu sein. Für Kei völlig unverständlich. Er konnte und wollte dem anderen nicht erklären, was einfach offensichtlich war. Das nächste, was ihm zum Opfer fiel, war eine schiefe Bank am Wegrand. Er wollte es vermeiden, Akira wieder so zuzurichten wie zuhause in Tokyo. Die blauschwarzen Haare fielen ihm wirr ins Gesicht. „Das fragst du ernsthaft?!“ gab er zurück.
Wieder zuckte Akira zusammen. Die Arme schnappten ihm eng an den Körper und er starrte fassungslos auf Keis Wutausbruch.
„Ja! Ich habs für dich gemacht!“ sagte er verzweifelt. Das hatte er eigentlich mit Nachdruck rufen wollen, aber bei dem Anblick des Berserkers vor ihm wollte seine Stimme nicht so wie er.
Im Grunde war Kei gerade vollkommen egal, warum Akira getan hatte, was er getan hatte. Obwohl er es auch wissen wollte. „Das ist mir gerade scheißegal!“
Dieses beschissene Motorrad! Akira schossen Tränen in die Augen. Das hier sollte nicht passieren. Ich versteh‘s immer noch nicht. Ich habe dich nicht betrogen!
Ihm fiel nichts mehr ein, das er sagen konnte. Sich zu entschuldigen würde jetzt nichts bringen. Es würde unehrlich klingen. Er schluckte nur und wich wieder etwas zurück, damit Kei sich nicht gleich auf ihn stürzte, wenn er sonst nichts mehr zum Zerstören in greifbarer Nähe hatte. Doch anstatt sich auf ihn zu stürzen und ihn zusammenzuschlagen, musterte Kei den Jungen kurz, den er gut sehen konnte, trotz der Dunkelheit, und drehte sich dann um. Ging die Straße hinunter. Akira sah ihm nach. Sein Körper entspannte sich unwillkürlich, aber in seinem Kopf schrie etwas. Einen Teil davon ließ er auch nach außen dringen, während er frustriert gegen die Wand trat.
„Argh! Fuck!“ Mit mittlerweile herunterlaufenden Tränen ging er um das Haus herum, zum Motorrad neben dem Hühnerverschlag, und raufte sich dabei die Haare. „Stupid, stupid, STUPID!“


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