Thursday, January 28, 2016

Kei + Colin LXI: Leichte Beute


Kei ging sich abreagieren. Erst Stunden später kam er zurück. Kurz vor dem Morgengrauen setzte er sich draußen auf die Bank neben der Hintertür. Abreagiert hatte er sich an einer kleinen Rotte von Junkies, die der Meinung gewesen war, sich mit ihm anlegen zu müssen. Sie hatten es bereut.
Akira hatte im Zimmer aufgeräumt und sich irgendwo eine Flasche Rum besorgt, die er sich dabei genehmigt hatte. Zuvor hatte er die alte Indian ohne Abdeckplane auf den Hof direkt vor die Bank geschoben und eine Weile lang beschimpft und verflucht. Auf ihr herumzutreten hatte er sich nicht getraut. Das Ding war immer noch wertvoll, und obendrein das Geschenk für Kei, für das er offenbar eine beschissene Dummheit begangen hatte.
Nun saß er mit seiner beinahe leeren Rumflasche auf der Nischenbank unter dem Fenster und schlief. Das Geldbündel war zum Zweck der Alkoholbeschaffung dünner geworden und lag nun in seiner Hosentasche. Irgendwann vor dem Einkauf und dem Zusammenrollen am Fenster hatte er sich auch den bunten Kapuzenpullover wieder angezogen, sonst jedoch nichts.
Kei hatte das Motorrad noch nicht bemerkt, er hatte es zwar gesehen, aber kaum bewusst wahrgenommen.
Auf seiner Tour durch die Stadt hatte er einige Menschen umgebracht, aber auf die brutale Weise. Er selbst war in einer Schießerei mehrfach getroffen worden, während er in blinder Wut wild auf irgendwelche Typen eingedroschen hatte. Dazu hatte es noch jede Menge Alkohol gegeben.
Er zog die Knie hoch und lgte die Arme darauf. Sein Kopf folgte kurz darauf. So saß er eine Weile da.

Hinter dem Fenster regte sich etwas. Akira hob den Kopf und eigentlich auch den Rest seines Körpers, dachte er, bis er auf dem Boden lag und die Flasche ihm klirrend folgte. Der sich drehende Raum trieb ihm das Wasser in den Mund und ließ seine Eingeweide sich zusammenziehen. Erst krabbelte, dann stürzte er auf die Tür zum Hof zu, hebelte sie auf und stolperte blind von der Veranda, um den zertretenen, sandigen Boden davor mit Rum zu füttern.
Kei tat, als wäre er eingeschlafen, als er Akira kotzen hörte. Etwas in ihm verspürte ein kleines bisschen Genugtuung. Akira bemerkte ihn nicht, sondern würgte noch schmerzhaft trocken weiter, während er nach dem Holzpfeiler neben sich tastete, an dem er sich danach erfolglos hochzuziehen versuchte. Als der Rum weg war und er seinen Würgreflex unter Kontrolle gebracht hatte, lief ihm nur noch Wasser aus den Augen. Das Würgen ging fast nahtlos in Schluchzen über und er wischte sich mit seinem schönen bunten Ärmel über das Gesicht. Er rammte die Stirn gegen den Balken und kniete weiter so da.
Kei ließ ihn noch eine ganze Weile so dasitzen, bis er den Kopf hob, um ihn anzusehen. Er musterte ihn lange mit ausdruckslosem Gesicht, bis er irgendwann aufstand und sich neben ihn setzte... auf die nicht vollgekotzte Seite.
Mach sowas nicht nochmal,“ sagte er ruhig.
Akira war überrascht, denn er hatte Keis Präsenz bisher nicht wahrgenommen, aber zwischen seiner Aufgelöstheit und seiner ordentlichen Betrunkenheit war das kaum bemerkbar. Bevor er Kei ansah, wischte er sich unsanft mit einem Ärmel über das Gesicht.
Nein, werde ich nicht, bestimmt nicht, das schwöre ich, dachte er, aber sagen konnte er nichts. Er wollte Kei um den Hals fallen, aber auch das traute er sich nicht. Er nickte nur verloren und versuchte, zu schluchzen aufzuhören. Er wollte schließlich kein Kind mehr sein.
Kei nahm ihn in den Arm. Zum Teil auch deswegen, weil er die Tränen nicht sehen und sein Schluchzen nicht hören wollte. Der Vampir konnte damit nicht umgehen. Er war immer noch wütend und gekränkt, aber seine Aggression war verschwunden. „Geh schlafen. Du bist völlig dicht,“ sagte er leise.
„I really love you. Really,“ murmelte Akira alkoholgetränkt an seinem Hals. „I never wanna hurt you. Tha‘ was stupid. I know. But I didn‘t. I thought you‘d mind a wee bit. But not like this. Then when you saw the bike it got you you‘d be happy -“ blubberte er mit seinem Akzent voller flacher Vokale und rollender Rs. Kei drückte ihn und blickte dabei auf das Motorrad. Es fiel ihm nun zum ersten Mal auf. Die Situation überforderte ihn, nicht nur, weil er nicht wusste, was er dazu sagen sollte.
„Ich weiß,“ flüsterte er leise. Er wusste das wirklich, aber er verstand es nicht. Er verstand sich selbst gerade nicht und Akira noch weniger. Einerseits wollte er ihn in der Luft zerreißen, andererseits wollte er nicht, dass er wie ein Häufchen Elend in seinen Armen lag. Er wusste nicht, wie der Kleinere auf solche Ideen kam. Er hob ihn hoch und trug ihn hinein, um ihn auf das Bett zu legen.
Déja vu? fuhr Akira im Suff durch den Kopf. Eine etwas andere Situation als am vorigen Abend. Er hielt sich an Kei fest, auch nachdem der ihn hingelegt hatte. Dabei wurde er benebelt der Blutspuren auf Keis nacktem Oberkörper gewahr und tastete halbbewusst nach Wunden. Er fand keine, nur das Blut.
Ich liebe dich. Das sollte ganz anders laufen,“ sagte er abwesend. Da stimmte der Vampir seinem Freund voll und ganz zu. Er ließ sich festhalten und blieb neben dem Kleineren sitzen. Er blutete und hatte ein paar Einschusswunden und einen Streifschuss an der Schulter, aber keine, die man sofort finden konnte.
Anatamo...“ Er flüsterte beinahe. Sonst wärst du längst nicht mehr hier...
Einer der Schüsse hatte ihn an der Hüfte getroffen und ein weiterer über der Brust in der Nähe des Schlüsselbeins. Akira hielt ihn noch ein bisschen, aber seine Hände rutschten nach und nach schlaff herunter. Bevor er einschlief, oder vielmehr bewusstlos wurde, dachte er noch, dass er wollte, dass Kei sich zu ihm legte. Aber sagen konnte er nichts mehr.
Kei strich ihm die Haare aus dem Gesicht und blieb bei Akira auf der Bettkante sitzen.

Als der Kleinere tief schlief, stand er auf und ging nach draußen. Sein Blick fiel auf die Ursache des Übels. Sein Geburtstagsgeschenk. Er wollte Akira hassen, konnte es aber nicht. Er schob das Motorrad ein Stückchen weiter in den Hof und nahm es genauer unter die Lupe. Die nächsten Stunden verbrachte er damit, Ersatzteile für die fehlenden zu besorgen und zu versuchen die Maschine wieder zum Laufen zu kriegen. Gegen Mittag und ein paar Straftaten später war er damit fertig.
Das Brummen weckte Akira schließlich auf. Mit einem Ruck, den er kurz darauf bereute, setzte er sich auf. Er rutschte vom Bett, stolperte über seine Schuhe zum Waschbecken, das luxuriös in einer Zimmerecke angebracht war, hielt seinen Kopf hinein und ließ kaltes Wasser darüberlaufen. Danach gurgelte er mit Zahnpasta und putzte sich rabiat die Zähne. Dann brauchten noch seine Fußsohlen eine gründliche Wäsche, und als er sich Socken und Schuhe angezogen hatte, ging er den Geräuschen im Hof nach. Ihm schwindelte noch etwas, also lehnte er sich an die Wand neben der Tür, nachdem er auf die Veranda gegangen war, um Kei zuzusehen. Der bemerkte ihn erst gar nicht. Er saß neben seinem geputzten und mit neuen Teilen ausgestatten Motorrad und begutachtete sein Werk. Neben ihm lagen einige Teile herum, die er gefunden hatte. Werkzeug, eine Pistole, ein Eimer mit Putzzeug. Kei hatte sich zum Arbeiten umgezogen. Er trug nur eine Trainingshose und ein Tanktop.
In Akiras Hose regte sich etwas und er verfluchte sich gleich dafür. Das war nicht der richtige Moment. Schmierig von Schweiß und Öl, in engem Hemd ohne Ärmel, mit einer Knarre neben sich auf dem Boden konzentriert an einem Motorrad schraub- Nein, nein, nein! Akira wischte sich hart über die Augen und fuhr sich mit den Fingern durch die nassen Haare. Immerhin schien das Geschenk zu gefallen. Wenigstens die eine Sache hatte er also richtig gemacht.
Irgendwann wurde Kei mit seiner Schrauberei fertig und machte sich ans Aufräumen. Zufrieden betrachtete er kurz, was er vollbracht hatte und brachte das Zeug wieder dahin, wo er es gefunden hatte. Außer der Knarre, die hatte er geklaut, also war es jetzt seine. Er steckte sie ein und ging in Richtung Tür um sie zu seinen Sachen zu legen. Erst da erblickte er Akira.
„Hey, geht's dir besser?“ fragte er. Von seinem Gesicht war nicht sehr viel zu sehen, weil er völlig ölverdreckt war. Akira nickte und lächelte mit einer Mischung aus Reue, Dankbarkeit und etwas dreckigerem, das mit dem Ziehen in seiner Hose zu tun hatte.
„Dir auch?“
Kei nickte leicht. Er bedankte sich für das Motorrad und blieb vor Akira stehen. Die Pistole ließ er in seiner Hosentasche verschwinden.
Akira konnte nicht direkt ‚Gern geschehen‘ sagen, nach letzter Nacht. Also nickte er nur verlegen und widerstand dem Drang, sich auf Kei zu stürzen. Das wäre jetzt nicht angemessen gewesen. Darum musste er sich von dem Anblick losreißen, und das tat er auch, mit Blick auf den Boden und wieder einer Hand in seinen Haaren.
Kei brachte die Waffe weg und stellte danach das Motorrad wieder ans Haus, damit es nicht nass würde, wenn es regnen sollte. Anschließend ging er an Akira vorbei, legte sich wie er war aufs Bett und wollte nichts sehnlicher als eine Weile zu schlafen. Akira ließ ihn das tun und überlegte, was sie als nächstes tun sollten. Nun hatten sie zwei fahrbare Untersätze und konnten endlich verschwinden. Wenn Kei ihn Fahren lernen ließ. Dieses Zimmer war noch für mindestens eine Woche bezahlt, also brauchten sie sich nicht einmal zu verabschieden, sie konnten einfach losfahren.
Während Kei schlief, ging Akira los, um die restlichen Dollars gegen gute Lebensmittel einzutauschen. Oder einen Kanister Benzin. Was ihn gerade anlachen und sich als nützlich erweisen würde. Also spazierte er mit hochgestellter Kapuze in einen zentraleren Teil des Stadtteils hinunter.
Etwa drei Stunden später war er um den gesamten Rest seiner US-Dollar ärmer und einen Kanister Benzin sowie irgendein scheinbar mexikanisches Reisgericht reicher und schloss die Zimmertür hinter sich. Die dünne Tüte, aus der der würzige Duft des angeblich wirklich scharfen Essens drang, stellte er leise raschelnd auf den kleinen Schrank neben dem Kopfende des Bettes. Kei schlief die ganze Zeit und wurde erst wieder wach, als Akira den Raum betrat.
„Mhmm,“ murmelte er und drehte sich noch einmal um, als der Geruch von Essen in seine Nase drang. Akira musste lächeln und half ein bisschen nach, indem er den Plastikteller auspackte und dabei noch ein wenig raschelte. Das rundete er mit dem Zischen einer Limodose ab, die er zu guter Letzt öffnete. Langsam setzte Kei sich auf und rieb sich über die Augen. Das änderte nicht viel. Seine Hände sahen genauso schwarz verschmiert aus wie sein Gesicht. Verschlafen sah er Akira an und dann das Essen und die Limodose, dann wieder Akira. Der ließ sich im Schneidersitz auf das Bett nieder und reichte Kei mit sanftem Lächeln die Getränkedose, der sie mit ähnlichem Gesichtausdruck an sich nahm, einen Schluck trank und sie dem Kleineren zurückgab. Sein letztes richtiges Menschengetränk war schon eine ganze Weile her, wenn man harten Alkohol nicht zählte.
Irgendwie hatte sich ein Teil von Akiras Hirn vorgestellt, wie Kei die Brause wie in einem alten Colawerbespot an sich hinunter- Nein, nein! Falscher Moment. Nicht jetzt. Er begnügte sich damit, selbst einen Schluck davon zu trinken und zwang sich, Kei nicht weiter anzusehen.
„Bäh, was ist das?!“ Es war so süß, dass es fast dickflüssig war.
Irgendwas sehr süßes.“ Kei lächelte leicht. „Ich kann kein Spanisch. Limo oder sowas,“ schlug er vor. Er mochte das Zeug.
„Ja, aber...“ Akira stellte die Dose neben dem Reis-und-Bohnen-Teller ab und sah sie noch kurz an, ehe er sich abrupt umdrehte und Kei beim öligen Hals griff.
„Aber?“ wollte Kei wissen, der auf dem Bett saß und ein bisschen in Richtung Akira fiel, als der ihn packte. Akira küsste ihn. Ein bisschen zu verzweifelt. Kei stützte sich auf einem Arm ab, um nicht ganz auf der Matratze zu landen und erwiderte den Kuss, nicht lange, weil er ein wenig zu verdreht dasaß. Akira ließ ihn auch bald los.
Wir sind uns wohl einig, dass mein neuer Name nicht zu mir passt,“ murmelte er heiser. Er spielte auf seinen neuen Pass an, den Masahiro ihm beschafft hatte.
Angel Everett Wallace. Angel. For fuck's sake.
„Definitiv nicht,“ stimmte Kei zu und sortierte seine Beine so, dass es nicht mehr unbequem war.
„Deiner passt aber zu dir, Kageyama-san. Kaito.“ Akira rutschte etwas dichter heran und küsste ihn wieder. Nicht so gierig diesmal, sondern langsam und genüsslich. Kei erwiderte den Kuss. Wer auch immer jemals sein Kind mit nun Akiras Namen gestraft hatte, musste wirklich schlechte Laune gehabt haben. Er war froh darüber, dass er selbst es mit seiner neuen Identität gut getroffen hatte.
Akira ließ ihn wieder gehen, ehe er nicht mehr an sich halten konnte, und nahm schnell den Teller vom Nachttisch. Kei schaute ihm zu und sah auf das Essen.
„Was ist das?“ Der Geruch des Tellers war ihm völlig neu.
„Weiß ich nicht genau. Ich habe nur verstanden, dass es mexikanisch und scharf sein soll. Und wie ich sehe, besteht es aus Reis, Bohnen, und bestimmt sehr leckerer Pampe. Man isst es mit den Händen.“ Vermutete er. Mit drei Fingern nahm er etwas davon und aß es. Es war wirklich scharf. Und lecker. Und scharf. Er lächelte zufrieden. Es war kein Frischfleisch, es beinhaltete nicht einmal Fleisch, aber es befriedigte eine Art nostalgisches Bedürfnis nach Seelenfrieden. Kei war menschliches Essen nie gewohnt gewesen und betrachtete es als eine Art Zwischendurchzeug zum Naschen. Er nahm sich ebenfalls etwas davon, nachdem er sich die Hände gewaschen hatte und probierte es einfach.
„Scharf und lecker,“ beschloss er.
„Ungefähr so wie du.“ Akira schmunzelte.
„Sicher, dass du mich meinst?“ Kei schmunzelte ebenfalls.
Akira tat kurz so, als würde er nachdenken und nickte dann. „Ja. Obwohl, warte mal, lecker... jaa, doch.“
Dass das auch auf Akira zutreffend war, sprach Kei jetzt nicht laut aus. Der Kleinere wusste das sicher. Vielleicht.
Gemächlich aß der Junge weiter und genoss dabei das wilde Stechen in seinem Mund. Zwischendurch sah er Kei an.
„Läuft sie jetzt?“
Kei genehmigte sich ab und zu ein bisschen von Akiras Essen. „Ja. Ich mache nachher ‘ne Probefahrt.“
„Echt schnell. Darf ich mit dem anderen Rad fahren? Wenn ich das kann, können wir hier abhauen.“ Kei überlegte kurz.
„Ich wollte das eigentlich loswerden, aber wir können es auch einfach umlackieren...“ Er machte eine kurze Pause. „Zum Üben ist das aber gut... es macht nichts, wenn‘s ein bisschen kaputtgeht.“ Und Motorräder gab es hier genug. Man musste sie nur finden.

Motorradfahren war leicht! Und Kei schien ein guter Lehrer zu sein. Akira war begeistert. Das ständige laute Brummen und Rattern des kleinen, klapprigen Motors machte ihm fast gar nichts aus, soviel Spaß machte das Fahren. Rutschend und Staub aufwirbelnd – aber mit Absicht – hielt er auf dem Hof an.
„Also, meinetwegen können wir sofort verduften. Nachdem ich gegessen habe.“
Kei war erstaunt, wie schnell Akira mit dem kleinen Motorrad zurechtkam. „Dann pack schon mal dein Zeug zusammen, wir fahren nachts,“ verkündete Kei und stellte sein eigenes Motorrad ab. Es fuhr sich wirklich gut. Akira stellte die Maschine ab und ging zur Hintertür zu ihrem Mietzimmer. Ein prüfender Blick in den Himmel sagte ihm, dass es noch später Nachmittag war. In der offenen Tür hielt er inne und drehte sich noch einmal um.
„Keisuke.“
Kei war ihm nachgegangen und blieb bei ihm stehen. „Ja?“
„Willst du mich irgendwas fragen?“ Akiras freudige Energie von vorhin war weg, dafür klang er nun eher schüchtern und zögerlich. Kei dachte kurz nach.
„Ja... Was ist da wirklich gewesen?“ Seine Stimme war ruhig. Er war sich nicht sehr sicher, ob er das wirklich wissen wollte.
Akira ließ einen vorbereitenden Atemstoß heraus und blickte zu Kei auf. Innerlich kam er sich verdammt mutig vor, aber den Türknauf musste er trotzdem weiter festhalten. Wie genau wollte Kei das nun wissen? Chronologische Details? Nur seine Motivation und wer hatte wie welches Angebot gemacht? Ob er geschluckt hatte, ob Bobby ihn zusätzlich noch angegrabscht hatte?
Er zögerte mit seiner Antwort.
Kei wartete geduldig. Akira sah ihn immer noch direkt an.
„Ich bin zu ihm gegangen, um zu fragen, ob er Arbeit für mich hat. Er sagte bloß, dass das Geschäft sowieso schlecht wäre und darum nichts zu tun wäre. Aber ich könne ihm Gesellschaft leisten, wenn ich Zeit hätte. Und er war wirklich freundlich. Gar nicht anzüglich oder so. Er fand mein Englisch gut, und er glaubt ja, dass ich auch Amerikaner bin.“ Er pausierte kurz, um Keis Gesicht zu studieren.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Er wartete immer noch geduldig darauf, dass Akira die Geschichte beenden würde.
„Wir haben uns erst nur unterhalten, während er irgendwas gearbeitet hat. Er hat unter einem Auto gelegen und ich habe Bier getrunken und ihm Dinge angereicht. Das funktionierte nicht so gut. Ich kann einen Schraubenschlüssel von einem Schraubenzieher unterscheiden, aber das wars dann auch... egal, er hat jedenfalls viel erzählt, so von den schlechten alten Tagen und so. Und dann hat er irgendwann angefangen zu weinen.“ Akira schüttelte den Kopf. „Ach, egal. Nach ein paar Stunden hatten wir seine halbe Lebensgeschichte durch und... dann hat er mich ganz vorsichtig gefragt.“ Er untersuchte wieder Keis Gesicht – das sich immer noch nicht veränderte. Kei wusste nicht, warum, aber er musste die Geschichte zuende hören.
„Vorher hatte ich schon das Motorrad gesehen. Davon hatte er zwischendurch geschwärmt. Ich hatte gesagt, dass es genau das richtige wäre. Also hat ers mir... dafür... angeboten. Das Geld hat er hinterher draufgelegt.“
Kei nickte. Dass du so eine Scheiße baust... nur um mir eine Freude zu machen...
„Ich habe mir nichts weiter dabei gedacht,“ gab Akira zu. „Ich wusste natürlich, dass du nicht in Begeisterung ausbrichst, aber ich dachte einfach, dass dus nachvollziehen kannst... so als mechanische Dienstleistung für etwas, das wir wirklich brauchen.“ Er sah zu Boden, auf Keis Stiefel, und sprach leise weiter. „Ich weiß, dass ich dir... ich weiß, dass du... ich dachte...“ Er gab auf. Er war bei den Gedanken Ich weiß, dass ich dir gehöre und Ich weiß, dass du besitzergreifend bist schon rot geworden. Sie auszusprechen wäre zu peinlich.
Kei schluckte den Impuls hinunter, den Türrahmen zu zerschlagen und nahm stattdessen Akira in den Arm. Er wusste nichts zu sagen, was nicht völlig bescheuert klang oder etwas war, das sein Freund schon wusste. Also ließ er es einfach bleiben.
Überrascht erwiderte Akira die Umarmung.
„Es tut mir Leid. Anscheinend kenne ich die Spielregeln noch nicht,“ murmelte er gedämpft an Keis Schulter, dessen Geruch ihm nun etwas zu Kopf stieg. Er brauchte bald wieder Fleisch.
„Die sind nicht schwer,“ sagte Kei leise und hielt ihn noch ein Weilchen fest, ehe er ihn wieder losließ.
„Ach, kann ich das Handbuch dann haben, wenn dus schon auswendig kannst?“ Akira war dankbar, einen kleinen Abstand zu Kei zu gewinnen und stopfte seine Habseligkeiten in seinen Rucksack. Der Vampir packte ebenfalls sein Zeug zusammen und zog sich seine Jacke über. Die Waffe, die er geklaut hatte, hatte er einfach in seinen Rucksack gesteckt. Er brauchte sie nicht dringend, aber sie zu haben war praktisch.
Als sie damit fertig waren und ihre respektiven Taschen geschultert hatten, drehte Akira sich noch einmal langsam im Raum.
„... Abendessen.“
„... Ist eine gute Idee.“ Kei verließ den Raum langsam. Draußen schaute er sich um. „Unten in der Stadt, gleich wenn man die Straße hier runterkommt, treffen sich oft Junkies.“
Akira ging mit ihm vorn hinaus und schloss von außen ab, ehe er um das Haus herum in den Hof ging, wo die Motorräder standen. Kei folgte ihm. „Was machen wir mit dem Schlüssel?“ fragte er. Man konnte ihn behalten, aber ihn zu entsorgen, wäre vielleicht sinnvoller. Akira lachte kurz.
„Wir geben ihn den Besitzern zurück.“
„Oh, okay.“ Das ging natürlich auch.
Auf dem Weg die Straße hinunter hielt Akira kurz vor der Nachbartür an, um den Zimmerschlüssel darunter hindurchzuschieben, klopfte seine Bauchtasche ab um zu schauen, ob die Straßenkarte noch drinnensteckte und folgte dann Kei in Richtung Stadt.
Kei fuhr nicht allzu schnell, da Akria noch Anfänger auf seinem Gefährt war und auf den Straßen immer irgendwer herumlief. Als sie in der Stadt ankamen, stellte er das Motorrad vor einer Kneipe ab. Akira stellte das kleine, das er liebevoll Gnome getauft hatte, daneben, und zwar mit der Nase nach vorn, sodass er bei Bedarf ohne zurückzusetzen türmen konnte. Die Sonnenbrille, die er bei der Fahrt getragen hatte, hängte er in den Kragen des Pullovers.
Kei, der sich irgendwann in Lima auch noch eine Sonnenbrille gekauft hatte, damit man seine Augenfarbe nicht sah, trug sie noch. Die Haare fielen darüber, aber solange Kei noch etwas sah, war ihm das gekonnt egal. Die Kugel unter seiner Lippe passte farblich zum Rest. Schwarz. Die einzige Farbe an ihm war das Blau in seinen Haaren. Er stieg neben Akira ab – er weigerte sich, dessen neuen Namen, den er bei der Flucht bekommen hatte, zu akzeptieren – und betrat mit ihm zusammen den Laden. Akira blieb dabei schräg hinter ihm und hatte die Kapuze schön tief im Gesicht sitzen. Immerhin sah er nicht gerade furchtbar erwachsen und volljährig aus und da half es, wenn man sein Gesicht nicht gleich sah, und um ihn unter die Lupe zu nehmen erstmal an Kei vorbeimusste. Doch weder er noch Kei wurden am Eingang kontrolliert. Mit den Händen in der Bauchtasche des Pullovers sah er sich nach Kandidaten zum Verspeisen um. Der Vampir tat, als sei er öfter hier gewesen und steuerte die Bar an, um sich und Akira etwas zu trinken zu holen. Akira schälte sich aus seinem Fahrwasser, sobald er sah, wo er hinsteuerte, und schlenderte eine lässige Volte zu einem leeren runden Tisch an einem hohen Fenster, der von Saloonstühlen umstellt war. Er suchte sich einen Stuhl aus, dessen Rückenlehne schräg zur Wand stand und lehnte sich darauf zurück, um den Raum und die Menschen darin weiter zu betrachten. Kei kam kurze Zeit später mit zwei Gläsern Whisky zurück und setzte sich zu Akira. Der lehnte sich zu ihm.
„Es ist kaum jemand hier,“ flüsterte er.
„Warte eine Weile, die kommen noch. Es ist gerade einmal sieben Uhr,“ meinte Kei dazu und sah sich um. Viele Gäste hatte das Lokal nicht, aber der Vampir wusste, dass sich das noch ändern würde, der Arbeitstag der Menschen hier ging gerade erst zuende. Akira nahm sein Glas und hob es an, hielt dann aber inne, als ihm der Geruch in die Nase stieg und ihm ein klein wenig flau wurde. Zögerlich stellte er das Glas wieder vor sich ab.
„Immer noch übel?“ erkundigte sich Kei, während er ein paar Leute beim Hereinkommen beobachtete, die sich in die Nähe der Bar setzten.
„Ich habe Hunger,“ brummte Akira bloß. Sein Blick blieb auch an den Männern haften. Sie schienen tatsächlich gerade eben zusammen von der Arbeit gekommen zu sein und nun ihr Feierabendbier oder Mescal oder was auch immer man hier so trank zu sich nehmen zu wollen. Sie waren ungeeignet, denn es war Akira zuwider, ehrliche, hart arbeitende Familienväter, Ehemänner, Brüder und Söhne, die offensichtlich Kumpel hatten die sie mochten, wehzutun. Doch sie bestanden aus viel gutem Fleisch. Sie trugen alle entweder kurze oder hochgekrempelte Ärmel, sodass zumindest dort ihre recht beachtlichen Muskeln sehr gut zu sehen waren. Akira konnte sehen, wie sich die Stränge unter der glänzenden braunen Haut bewegten. Zwischen ihnen lagen weichere Stellen, die sich senkten und wölbten... er bemerkte nicht, wie er unter seiner Kapuze hervorstarrte, nur wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief.
Der kleinen Gruppe Kumpel folgten noch weitere Menschen. Es waren nur wenige Frauen darunter, drei vielleicht. Kei, der seine Sonnenbrille abgenommen und in den Kragen seines T-shirts gesteckt hatte, schaute gelangweilt. Er war nicht so ausgehungert wie Akira und beobachtete ihn und die anderen Menschen als ginge ihn das alles gar nichts an. Trotzdem zog der hübsche junge Japaner mit den blauen Haaren mehr Aufmerksamkeit auf sich als ihm lieb sein konnte. Er steckte sich eine Zigarette an. Das Aufschnappen des Feuerzeugs lenkte Akira vom Glotzen ab.
„Kann ich auch eine haben?“ Er musste seinen Mund beschäftigen, sonst fing er noch an zu sabbern. Kei reichte ihm das Päckchen.
„Da.“
„Thanks.“ Vorsichtig, damit er dabei nicht zitterte, zündete er sich eine an und gab das Päckchen und das Zippo zurück. Der beißende Rauch half dabei, seinen Mund auszutrocknen. Dafür fing er an, mit einem Bein zu wackeln. Er musste wie ein Crackjunkie aussehen, solange man sein Gesicht nicht genauer betrachtete. Kei nahm beides wieder an sich und steckte es in seine Jackentasche.
„Du musst was essen,“ sagte er leise und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Einer der Gäste klebte mit seinem Blick in der Richtung in der er und Akira saßen. Akira begann zu nicken und senkte den Blick, um sein Gesicht zu verbergen, als er den Mann zu ihnen schauen sah.
„Den da?“
„Wen von uns starrt er die ganze Zeit an?“ Kei hatte nicht genau hingesehen. Der Typ sah nicht aus wie einer, der einem geregelten Leben nachging.
„Dich,“ behauptete Akira einfach. Er wusste es nicht, hielt das aber für am wahrscheinlichsten. Nun genehmigte er sich doch einen kleinen Schluck aus dem Glas, nur um es nicht so verdächtig lange unberührt zu lassen. Es war süßer Bourbon, also eigentlich recht erträglich.
Nun schaute Kei tatsächlich direkt hin und siehe da – der fremde Typ sah ertappt weg. „Ich glaub, er ist schüchtern. Leichte Beute.“ Der Vampir leerte sein Glas und schaute sich weiter um.
„Für dich.“ Akira lachte nervös. „Schwerenöter.“ Er musterte den Typen. Kei schmunzelte ein bisschen.
„Übung ist alles.“
Akira lächelte ihn süffisant an. „Und worin besteht die genau, oh mein Meister?“
Kei lachte ein bisschen. „Erzähl ich dir ein anderes Mal. Den anzusprechen ist auf jeden Fall nicht schwierig, der ist ganz allein da.“
„Dann los, zeig mir wies geht. Ich werde zusehen und lernen.“ Akira lehnte sich zurück und streckte die wackelnden Beine aus. Kei schaute amüsiert drein.
„Muss ich dir jetzt wirklich dein Abendessen klarmachen?“ Wenn Akiras Abendessen kein Englisch konnte, wäre Kei verloren, wobei er gut in nonverbaler Kommunikation war. Akira schmunzelte nur, nahm mit abgespreiztem kleinem Finger einen Schluck Whisky und stand dann schwungvoll auf.
„Nein, mein Meister, ich werds selbst machen.“ Schon war er abenteuerlustig auf dem Weg zu dem Mann am Tresen, der etwas für Kei übrig zu haben schien, und zog sich dabei die große Kapuze von den roten Locken herunter. Kei amüsierte sich und sah dem Kleineren dabei zu, während er sein Glas leerte und so tat, als sei er schrecklich abwesend.
„Hi. Do you speak English?“ fragte Akira den lederbejackten, halbjungen braunen Mann mit einem offenen Lächeln. Das hatte er nicht verlernt. Der Mann musterte ihn überrascht und schien sich sortieren zu müssen, bevor er antworten konnte.
„... Yes.“
„Oh, good, that will make it so much easier,“ stöhnte Akira erleichtert. „We saw you looking at my friend.“ Er gab einfachen Vokabeln den Vorzug, damit die Verständigung schön effizient ablief.
„... Sorry,“ sagte der Mann zögerlich. Er hielt sich an seinem Glas fest, das etwas weißliches mit Obststücken enthielt. Das schienen hier viele zu trinken. Akira winkte beschwichtigend ab und lehnte sich neben den Mann an die Theke.
„Oh, it‘s okay, he doesn‘t mind. It‘s just... he‘s my boyfriend, you know? We‘re... a couple.“ Er sprach offen und jovial und in normaler Redelautstärke, sodass Kei ihn höchstvermutlich sehr gut verstehen musste.
Und er verstand ihn tatsächlich sehr gut. Genau wie jeden anderen in normaler Lautstärke sprechenden Gast. Die vielen Gespräche um sich herum blendete er aus, so gut es ging, nur dem von Akira hörte er wirklich zu. Er nippte an dem Glas, das eigentlich Akiras war und schaute sich weiter um. Trotzdem behielt er den Kleineren immer im Blick.
„Okay,“ sagte der Mann und lächelte etwas. Wahrscheinlich in automatischer Entgegnung auf Akiras strahlendes Lächeln.
„Why were you looking at him?“
„Uh... he look... different. But is good, is nice.“ Akira schmunzelte freundlich und das schien den Herrn in der braunen Lederjacke etwas aufzulockern. „He look very cool. Is different, not like other boys here. Is very cool.“ Er lächelte breit und etwas verlegen.
Kei schmunzelte innerlich, während er den beiden zuhörte. Du hast ein freundliches Abendessen...
„Yeah, I know.“ Akira musterte den Mann und fragte sich, wie er nun weiter verfahren sollte. Wie machte Kei das? Ganz einfach, er war ein Bewunderungsmagnet. Offensichtlich musste er sich nur in irgendeine Kneipe setzen und schon klebten die Blicke an ihm, und wenn er wollte, auch die Menschen. Er war wie Fliegenpapier. Dann musste er sie nur noch mit in eine dunkle Ecke nehmen und fertig. Akira war selbst nicht abstoßend, vielleicht gar gutaussehend, was er nicht besonders beurteilen konnte, aber äußerlich eben fast noch ein Kind. Und neben Keisuke Sakai wurde sowieso jeder unsichtbar.
Was also tun? Er rieb sich nachdenklich das Kinn und warf Kei einen hilfesuchenden Blick zu. Der Mann trank derweil gemütlich von seinem... Zeug. Kei hatte die beiden aus dem Augenwinkel beobachtet. Der Blick seines Freundes blieb natürlich nicht unbemerkt. Nach einer kurzen Weile schlenderte Kei zu seinem Freund und ließ sich neben ihm nieder um sich noch einen Drink zu bestellen.
„Alles klar?“ Kei sprach Japanisch. Er mochte es, von niemandem verstanden zu werden. Das war sehr praktisch. Akira sah zwischen ihm und dem Mann hin und her, als würde er sie nonverbal einander vorstellen. Sie hatten sich ja nicht einmal selbst vorgestellt. Der Mann nickte und prostete Kei zu. Dabei musterte er ihn neugierig weiter.
„Nein, ich weiß nicht, wie ich ihn hier rauskriegen soll. Irgendwie glaube ich nicht, dass er Drogen verkauft oder sich von ‚Komm Baby, ich hol dir einen runter‘ beeindrucken lässt.“
Kei setzte ein freundliches Gesicht auf. „Nach draußen, ja?“ Er bedachte Akira mit einem vielsagenden Blick. Er prostete zurück und schaute den Mann an. „Kommst du mit raus, eine rauchen?“ fragte er ihn in seinem Japanerenglisch.
„He asks if you would like to have a smoke with him, outside.“ Akira mimte eine Zigarette zwischen zwei Fingern. Der Mann sah von ihm zurück zu Kei und lächelte.
„Yes, good!“ Er stand vom Barhocker auf und richtete seine Jacke. Er schien sich ehrlich zu freuen und neugierig auf den seltsamen Asiaten zu sein. Kei hatte seine Jacke gar nicht ausgezogen. Er bedeutete Akira, auch mitzukommen, schließlich war das sein Abendessen. Etwas peinlich berührt folgte Akira den beiden nach draußen. Vor der Tür befingerte er schonmal vorsorglich das kleine Jagdmesser, das von seinem Gürtel hing. Kei verteilte Kippen und ließ sein Feuerzeug die Runde machen. Er lehnte an seinem Motorrad und wartete ab. Der Rest war Akiras Job.
Was?! Hier vorne an der Straße?! Ich bin nicht so ein Verführer wie du, Mann! Ich kann nicht mal eben zwinkern und – Scheiße. Akira saugte gierig an der Zigarette. Was hatte er für Optionen? Die billige Sexmasche hatte bisher für ihn funktioniert, aber dieser Mann hier war nicht an ihm interessiert, geschweige denn daran, mit ihm auf Tuchfühlung zu gehen. Er guckte immer noch Kei an als wäre der ein schickes neues Kunstwerk in der Galerie, und gewährte Akira nur ab und zu einen kurzen Blick, um nicht unhöflich zu wirken.
„Do you know where I could get some...“ Akira wackelte etwas mit den Fingern, um irgendwelche Drogen anzudeuten, wollte sich aber nicht auf eine bestimmte festlegen. Erstens, um sich die Möglichkeiten schön offen zu halten, sodass er auf einen direkten Vorschlag des Mannes eingehen konnte, und zweitens, weil er sich mit Drogen kaum auskannte und sich nicht gleich verraten wollte.
Kei kümmerte sich nicht im geringsten darum, was der Typ von ihm denken mochte und wartete ab, was jetzt weiter passierte. Tatsächlich konnte der Fremde anscheinend Akira aus seiner Misere mit den nicht benötigten Drogen heraushelfen.
Only ganja, good ganja,“ sagte er mit einem entschuldigenden Achselzucken. „No chemical,“ fügte er abwinkend hinzu. Tatsächlich wirkte Akira eher wie jemand der Speed oder Pep oder etwas anderes weißes haben wollte als wie ein Kiffer. Er wusste auch gar nicht, was ganja war, doch er begann begeistert zu nicken.
„Just what I need. Come, let‘s go around the corner over there,“ schlug er vor und ging auf die nächste dunkle Nische zu. Tatsächlich folgte der Mann ihm gemächlich. Ihre Barbekanntschaft schien nicht so ganz zu glauben, dass Akira wirklich Gras haben wollte, ging aber dennoch mit. Kei ging den beiden hinterher und stellte zufrieden fest, dass weit und breit niemand zu sehen war, der sie stören konnte.
„Du siehst eher nach Crack aus,“ kommentierte er grinsend. Ihre Bekanntschaft war eindeutig zu nett... Kei zog an seiner Kippe.
Und du nach Heroin. Don‘t listen to him. Show me the stuff.“ Als sie im Schlagschatten des Gebäudes angekommen waren, langte Akira unter sein Hemd, als wollte er in seine Hosentasche greifen, und ließ die Zigarette im Mund stecken, während er in Wahrheit das Messer zog. Just in dem Moment hatte der Mann in seiner Jackeninnentasche gewühlt und nicht genau hingesehen, weshalb er auch nicht mehr dazu kam, laut zu werden. Innerhalb von wenigen Sekunden hatte Akiras kleines Messer ihm die Kehle tief quer aufgeschlitzt.
Kei grinste.
„Well done.“ Er schaute dem Kleineren beim Morden zu und sah sich ab und zu um, um zu sehen, ob ihnen jemand auf die Nerven gehen wollte.
Geschmeidig drehte sich Akira ein wenig, um dem sprühenden Blut aus dem Weg zu gehen. Ein paar Tropfen landeten dennoch auf seiner Stirn. Kaum war der Mann verwirrt torkelnd zu Boden gesunken, packte der Junge ihn bei der Stirn und rammte seinen Kopf gegen die Hauswand. Das Messer kam nun wieder zum Einsatz, indem er das T-shirt des Mannes vom Kragen bis zum Saum aufriss und dabei gleichzeitig ein paar Zentimeter tief Brust und Bauch öffnete. Fasziniert sah Kei ihm dabei zu. Zuletzt stieß Akira das Messer noch tief in den Brustkorb, der saftig knackte und knirschte, und hebelte ihn ein wenig auf. Sein Gesicht sah dabei ein kleines bisschen angestrengt aus, aber hauptsächlich gierig und von den Anblicken, die er selbst erzeugte, ziemlich hypnotisiert. Als er ein brauchbares Loch in die Rippen des netten und nun sehr blutgetränkten Peruaners gerissen hatte, eines das groß genug war, griff er mit einer Hand hinein und rupfte seine Lungen heraus. Kei sah zwischen seinem menschenzerfetzenden Freund und der Straße hin und her. Ersteres war aber deutlich interessanter und so endete er damit, ihm einfach nur gebannt zuzusehen. Das ganze Blut des jungen Mannes auf dem Boden fesselte ihn zusätzlich. Jetzt ist er interessant... dachte Kei bei sich.
Erst gierig, und dann nach und nach genüsslicher, kaute und riss Akira Fetzen aus der Lunge, die er weich und glänzend mit beiden blutverschmierten Händen vor sich hielt. Auf seinen Fersen sitzend kniete er aufrecht neben dem Mann, den er ausweidete, und kümmerte sich nicht darum, was dabei auf seine schwarze Hose und seinen Pullover, die beide eigentlich noch ganz neu waren, tropfte. Zwischendurch seufzte er leise aber genussvoll. Sein Gesicht war mittlerweise bis zu den Wangenknochen großzügig mit Blut beschmiert. Sein Blick wanderte über das Organ in seinen Händen und flackerte gelegentlich zur Leiche, als versuche er, sich für den nächsten Gang zu entscheiden. Der Vampir ließ ihn machen und betrachtete ihn weiter, leckte sich über die Lippen.
Als etwa ein Drittel eines Lungenflügels weg war, ließ Akira das Organ einfach aus seinen Händen rutschen und griff wieder in den zerstörten Brustkorb, bekam trotz der Glitschigkeit einen Muskel zu fassen und säbelte ihn ab. Er klatschte in den Schoß des Mannes und Akira hob ihn rasch auf, um sich das kurze, breite Stück gleich ganz in den Mund zu stecken. Fast ohne zu kauen schlang er so noch weitere Muskelfetzen hinunter, den Blick wie in Trance auf die eingesaute Leiche und ihre Bestandteile fixiert, bevor er ihr endlich das Herz herausriss. Dieses sah er verliebt an, während er es langsam an seinen Mund hob, um dann beinahe zärtlich hineinzubeißen und daran zu saugen. Kei sah wie gebannt auf das Blut, das aus dem Herzen herunterlief und auf Akira, der es aufaß.
Als das Herz halb aufgegessen war, sah Akira zu ihm auf. Sein Blick war finster aber friedlich, gleichzeitig verschwörerisch und lustvoll, und er lächelte dunkel, während er langsam weiteraß. Kei erwiderte das Lächeln und wartete, bis der Kleinere mit dem Essen fertig war.



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