Monday, January 4, 2016

Kei + Colin LVII: Experiment



Es dauerte nicht lang, bis Ryuji nach ihrem Verschwinden herausgefunden hatte, wo sich der Sohn seines alten Freundes verkrochen hatte. Jetzt hieß es warten, bis er und sein kleiner Freund sich wieder auf den Weg machen würden. Kira hatte ihm prophezeit, dass Kei es nicht lang mit seiner Verwandtschaft aushalten würde - und so kam es dann auch.
Akira setzte sich den Helm auf und setzte sich hinter Kei. „Wir sollten gleich zum Hafen oder noch besser ganz nach Süden.“ Dass er damit Kyushu oder gleich Okinawa meinte, hielt er nicht für erwähnenswert.
„Einen Versuch ist es wert, aber sie werden nicht lange brauchen um uns zu finden,“ sagte Kei beim Starten. Den Rucksack hatte er vor sich, damit Akira auch Platz hatte. Mit Keis Schwert neben seiner Geige auf dem Rücken brauchte Akira ein paar Sekunden des Herumrückens, bevor er sich an Kei festhielt.
„Dann musst du schnell sein.“
„Gut festhalten,“ sagte Kei und fuhr los. Langsam war er wirklich nicht und er fuhr nur dann vorschriftsmäßig, wenn es nötig war. Hinter ihm sah Akira sich um, wenn und soweit es möglich war, um Kei möglichst rechtzeitig Warnung geben zu können. Der Zustand der Straßen und des Verkehrs machten es allerdings schwer zu bestimmen, was warum außergewöhnlich war. Immerhin machte es ihnen das leicht, von der Polizei unbehelligt durch die Straßen zu preschen. Die Polizei hatte dringenderes zu tun.
Während Kei einfach nach Süden fuhr, saßen ihre Verfolger nicht untätig herum.
Ryuji und Kira waren den beiden sehr dicht auf den Fersen. Dies bemerkte Kei jedoch nicht, obwohl er wusste, dass sie nicht allzuweit weg sein konnten.
Dass sie keine zweihundert Meter entfernt waren, ahnte er nicht. Die beiden älteren Vampire waren mit einem Auto unterwegs, irgendeinem aufgerüsteten Sportwagen. Kira hielt eine Waffe in der Hand.
Im Vorbeirauschen fiel Akira ein unbeleuchtetes Schild auf. „In einem Kilometer ist die Straße gesperrt!“ rief er nach vorn. Vereinzelt waren Polizeiautos in der Nähe zu sehen.
„Fuck!“ Kei bog hart in die nächste Rechtskurve, die er sah und fuhr dort weiter. Kurz darauf lösten sich hinter ihnen Schüsse. „Scheiße!“ er versuchte, ihnen auszuweichen, doch das gelang ihm nicht lange. Drei Kugeln trafen den Hinterreifen, worauf das Motorrad mitsamt Fahrer und Akira zur Seite auf die Straße geschleudert wurde. Keis verzweifelter Gegenlenkversuch blieb fruchtlos. Er und Akira wurden vom Motorrad gerissen. Der Vampir schlug mit dem Kopf zuerst auf dem Boden auf und sah sein Motorrad noch in ein stehendes Auto krachen.
Akira landete auf seiner rechten Schulter und rutschte und rollte noch etwas weiter, bis die Bordsteinkante ihn aufhielt, mit der sein Knie knackend Bekanntschaft machte. Sein Gesicht wäre ebenfalls dort aufgeschlagen, wenn der Helm nicht im Weg gewesen wäre. Dessen Visier brach nur laut, was kurz das Krachen des Motorrades und das Klingeln in seinen Ohren übertönte. Langsam rollte er sich auf die andere Seite und versuchte, sich dabei den Helm abzunehmen. Das schaffte er auch, aber zum Aufstehen reichte es nicht mehr. Kei war ebenfalls etwas über den Asphalt geschlittert und kam in einem anderen Auto zum Halten. Langsam drehte er sich auf den Rücken um den Helm abzunehmen.
„Akira? Lebst du noch?“ fragte er, als er sich langsam aufrichtete.
Der Wagen der beiden Angreifer kam kurz nach dem Unfall in einigen Metern Entfernung zum Stehen. Kira stieg als erster aus und besah sich den Unfall. Ryuji folgte wenig später.
„Wichser,“ kommentierte Kei das Eintreffen der beiden.
Ich bin noch da, wollte Akira melden, aber brachte nur ein Stöhnen heraus, während er sich auf seinen linken Arm stützte. Scheiße, tut das weh. Dass ein Auto angehalten und zwei Leute ausgespuckt hatte, nahm er wahr, aber er konnte nicht darauf reagieren. Sehen konnte er es auch nicht direkt, weil ihm aus einer Wunde auf der Stirn Blut ins rechte Auge floss.
Kira und Ryuji brauchten nicht viel Mühe, um die beiden einzusammeln. Akira mitzunehmen war nicht schwer und Kei wurde mit ein paar Schüssen bewegungsunfähig gemacht.
Zur Sicherheit bekam Akira von Ryuji noch einen heftigen Tritt in die Rippen. Nachdem er aus Reflex Luft geholt hatte und seine Brust sich dabei wie zerrissen anfühlte, wurde er vor Schmerz bewusstlos. Kei verlor ebenfalls das Bewusstsein, nachdem er durchlöchert worden war. Kira und Ryuji nahmen beide mit, mitsamt ihres wenigen Gepäcks, das sie dabeihatten, und verfrachteten sie ins Auto.
Kurz bevor sie ihr Ziel erreichten, fesselte Kira beide und nahm erst Akira und später Kei mit aus dem Auto. Sie brachten sie in den Keller eines großen Anwesens, dessen Eigentümer schon eine Weile nicht mehr lebten.
Akiras Verletzungen hatten sich schon teilweise zurückgebildet, und wenn er nun aufgewacht wäre, hätte er sich wieder bewegen können. Kei blieb lange bewusstlos, er hatte auf der Fahrt viel Blut verloren. Er und Akira wurden in weit voneinander entfernte und stark schallgedämpfte Räume getragen und dort mit sehr stabilen Ketten an unverkleidete Stahlträger gekettet.
Nach weniger als einer Stunde wachte Akira auf. Zuerst krochen nur der Geruch, die Kälte und die Härte des Fußbodens und des Stahls in seinem Rücken und um seinen Körper in sein Bewusstsein, und als der übrige Schmerz in seiner halb verheilten Schulter und in seiner Brust dazukam, stach er ihn innerhalb von Sekunden hellwach. Er blieb kühl, atmete nicht und gab keine Geräusche von sich, außer dem leisen Klirren der Ketten, als er sich um- und an sich heruntersah.

Nach etwa einer weiteren Stunde ging Kira zu Kei. „Wach auf! Wir machen einen Ausflug. Tu nicht so, als ob du nicht aufstehen könntest, Keisuke.“
Kei öffnete die Augen und sah nach oben. „Verpiss dich, Arschloch.“

Ryuji ging zu Akira. „Wir haben ein paar Fragen an dich,“ sagte er und blieb in ein paar Metern Entfernung stehen. Akira musterte ihn nur stumm und relativ ausdruckslos. Er war zu müde und zu gestresst, um sich zu fürchten oder wütend zu sein, nur mit dem rechten Auge zwinkerte er etwas ungeduldig, weil ihn das verkrustete Blut darüber störte. Wenn der Penner Fragen hatte, sollte er sie stellen und sehen, ob er eine vernünftige Antwort bekam.
Ryuji war die Ruhe selbst. Er musterte den Verletzen kurz. „Dass du hier bist, ist kein Zufall. Also. Woher kennst du Sakai?“ begann er.

Keine vierzig Meter weiter wurde Kei von seinem Vater mitgenommen, nachdem sich die beiden eine heftige Prügelei geliefert hatten.

Das war einfach.
„Aus der Schule,“ antwortete Akira heiser. Er sprach sehr leise, flüsterte beinahe, aber er war sich sicher, dass Ryuji ihn verstanden haben musste.
Ryuji nahm das zur Kenntnis. „Wie stehst du zu ihm?“ Wirklich interessieren tat ihn das nicht, aber es waren Dinge, die er herausfinden musste, immerhin konnte jedes kleine Detail wichtig sein.
Was soll die dämliche Frage? Du hast auf dem Schuldach gesehen, wie ich an ihm rum- Er sah Ryuji verwirrt an und blinzelte ein paarmal. Sein Kopf tat wirklich weh.
„Um mich das zu fragen, hast du mich hier festgebunden? Hast du uns nicht auf dem Dach gesehen?“
Ryuji ging darauf nicht weiter ein und dachte sich seinen Teil. „Du bist gestorben. Warum, glaubst du, bist du wieder da?“ fragte er weiter.
Akira seufzte genervt. „Ich habe keine Ahnung.“ Seine Augen begannen zu tränen.
Er hat selbst keine Ahnung... Da die Instanz sich sicher war, dass es mit Keis Lebendigsein zu tun hatte... „Wie ist das zwischen dir und Sakai entstanden?“

Kei fand sich an einem wenig einladenden Ort wieder, schon wieder angekettet und zusammengeschlagen.
„Was soll der Scheiß?“ raunzte er seinem Vater ins Gesicht.
„Antworten, Keisuke,“ erwiderte der.
„Antworten worauf?“

Entstanden? Was genau? Stirnrunzelnd musste Akira erstmal grübeln.
„Was...?“
„Die Beziehung zwischen dir und Sakai,“ erläuterte Ryuji ruhig. Akira verstand immer noch nicht, was es da zu erklären gab. Wie entstand so etwas? Er blickte müde blinzelnd vor sich auf den Boden. Der Schmerz zog sich schon zurück und er konnte sich problemlos regen und bequemer hinsetzen, soweit die Ketten das zuließen.
„Warum bin ich gefesselt?“ Seine Stimme kratzte noch, war aber nicht mehr so leise wie zuvor.
„Damit du nicht abhaust.“
„Wo ist Kei?“
„Nicht hier.“
„Ach,“ bemerkte Akira trocken.
„Er lebt – noch.“ fügte Ryuji hinzu.
Akira blickte auf. Hängt wohl von unserer - meiner? Kooperation ab.
„Wir haben in der Klasse nebeneinander gesessen.“
Ryuji machte sich ein paar Notizen und ging dann erstmal wieder um seine Infos weiterzugeben, und Kira anzurufen um zu erfragen, was er aus Kei herausbekommen hatte.
Kei war weit weniger kooperativ. Kira bekam von ihm nichts wirklich wissenswertes mitgeteilt.

Als Ryuji den Raum verlassen hatte, begann Akira damit, sich aus den Ketten zu winden zu versuchen. Sie waren zu fest, aber er schaffte es dennoch, aufzustehen. Das führte jedoch zu keinem brauchbaren Ergebnis, weil seine Gliedmaßen noch einmal einzeln eingewickelt waren, also setzte er sich wieder hin und sah sich weiter im Raum um. Nun, da die Spuren des Unfalls beinahe komplett verschwunden waren, hatte er keine Schmerzen mehr und konnte klar sehen.

Kei endete wieder zusammengeschlagen in der Ecke. „Kann man dir nicht mal Fragen stellen?“ Kira war genervt. Sein Sohn hatte zuviel von ihm, aber seine Mutter war sicher nicht ganz unschuldig daran, wie er sich entwickelt hatte.
Er informierte Ryuji, dass Kei wieder bewusstlos in der Ecke liege, nachdem er die Ketten tatsächlich zerstört hatte. „Auf jeden Fall dreht er völlig durch, wenn er sauer ist und nicht weiß, wo sein Freund sich rumtreibt.“
Kei wurde irgendwann aus der Stadt gebracht und lag mehr tot als lebendig unter der Aufsicht seines Vaters herum.

Sobald Akira entfesselt war und ihm sein Instrument zurückgegeben wurde, untersuchte er den Raum und die Wände, klopfte sie ab und untersuchte besonders die Tür, alles ruhig und gelassen. Er suchte nach Kameras und Mikrofonen. Fand aber nichts außer einer kleinen Kamera in einer Ecke an der Decke, die er nicht erreichen konnte. Er bedachte die Linse der Kamera mit einem Stinkefinger und ging zum Geigenkasten, nahm einen der zwei Bögen heraus und piekste damit auf die Linse.
Es passierte nichts.
Zwei Tage lang.
Nicht, dass er oder Kei das irgendwie wahrnahmen. Keiner von ihnen sah Tageslicht oder eine Uhr, und Ryuji und Kira teilten ihnen keine Uhrzeiten mit.
Irgendwann, nach dieser viel zu langen Zeit, die Akira mit stumpfsinnigem Herumwandern, Herumsitzen und dem gelegentlichen Beantworten Ryujis willkürlicher Fragen verbrachte, kam Ryuji zu ihm und erzählte ihm, dass Kei fast tot sei.
Akira sah ihn niedergeschlagen an. „Warum?“
Ryuji erklärte ihm, dass er herausfinden wolle, ob Kei ebenfalls zurück ins Leben kommen würde, wenn er stürbe.
„Wird er nicht,“ sagte Akira sofort mit Bestimmtheit. „Es wäre dämlich, ihn zu töten.“ Er hatte keine Ahnung, aber bezweifelte es stark. Währenddessen ging er ruhig auf Ryuji zu, mit den Händen in den Hosentaschen.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ Ryuji den Raum und verschloss wieder die Tür, ehe Akira ihn erreicht hatte. Als die Tür vor seiner Nase zufiel und wieder verriegelt wurde, stürzte Akira zu seinem Geigenkasten zurück, fummelte Keis Zettel und den Bleistiftstummel, den er darin aufbewahrte, heraus und schrieb auf die Rückseite des Blattes:
‚Was kann ich tun, damit ihr ihn nicht umbringt?‘ und hielt das Blatt vor die Kamera.
Er bekam keine Antwort, aber sie wäre ‚gar nichts‘ gewesen.

Kei lag ziemlich tot in einer Ecke. „Sagst du mir jetzt, was ich wissen will?“ fragte Kira.
„Fick dich!“ war alles, was Kei dazu zu sagen hatte, wofür er noch einen Tritt in den geschundenen Körper bekam. Kira ließ ihm keine Zeit sich zu regenerieren. Davon abgesehen brauchte er dafür auch Blut und das bekam er nicht.
Am Abend war Kei beinahe tot.
Kira rief Ryuji an und erklärte ihm, dass Kei nicht mehr lang durchhalten würde. Er machte ein Bild von dem sterbenden Jungen und sendete es Ryuji. Der druckte es aus und schob es Akira unter der Tür durch. Anschließend beobachtete er, was passieren würde.
Akira schob sich nach kurzem Betrachten den Zettel in die Hosentasche und begann, gegen die Tür zu treten. Natürlich brachte das nichts und er nahm den leeren Geigenkasten und warf ihn auf die Kamera, bis sie teilweise zerbrochen etwas heruntersackte.
Dann kehrte er zur Tür zurück und trat weiter grimmig dagegen. Irgendwann brach etwas in seinem Fuß und er beschloss, sich nicht dafür zu interessieren und weiterzutreten. Die Tür begann zu wackeln, aber wurde nicht im Geringsten beschädigt.
Ich werde euch beide lebendig auffressen!
Nach einer Weile ging er dazu über, die Tür mit der Schulter zu rammen.
Die Tür stellte sich als sehr stabil heraus, und Kei nach weiteren zwölf Stunden als sehr tot.
Ryuji teilte Akira mit, dass Kei verstorben war.
Stumm aber blitzschnell stürzte Akira sich auf Ryuji. Wenn er nicht so verzweifelt und hungrig gewesen wäre, hätte er es mit Reden versucht, aber da stand Fleisch vor ihm, das er hasste, also sprang er ihn frontal an und griff dabei nach Ryujis Jackett und mit der anderen Hand nach seinem Gesicht. Sein geöffneter Mund zielte auf Ryujis Kehle.
Ryuji war zu schnell für Akira, der eine Faust in die Stirn bekam, worauf der Vampir schnell wieder verschwand und die Tür fest verschloss. Draußen rief er Kira an und erstattete ihm Bericht.
Kei wurde weiterhin beobachtet, immerhin bestand die Möglichkeit, dass er wieder aufstehen würde.

Der Faustschlag hatte Akira zurückgeworfen und bestimmt auch verletzt, aber er hängte sich sofort wieder an die Tür, wie er es in den letzten langen Stunden auch getan hatte, kratzte und schlug darauf mit den Händen und dem Kopf, den er gegen die Tür rammte, bis seine Stirn blutete, und dann noch weiter. Er fand eine hervorstehende Kante und biss hinein. In die Schlitze zwischen Tür und Rahmen quetschte er die Fingerspitzen und zog und kratzte knurrend weiter. Bald kniete er auf dem Boden und schien zu versuchen, sich durch die Tür zu fressen oder zu graben.
Der Stahl der Tür gab nur minimal nach.
Ryuji schilderte Kira weiterhin was passierte und erfuhr, dass sich bei Kei nichts tat und er einfach nur tot in der Ecke lag.
Allmählich wurde Akira langsamer, aber machte mit seinem blinden, selbstverletzenden Kratzen, Schlagen und Beißen weiter.
Zwei weitere Tage lang passierte nichts.

Danach kam Ryuji wieder.
Akira krabbelte von der Tür zurück, als er Ryuji sich nähern hörte, um vor der sich öffnenden Seite auf ihn zu lauern. Sobald Ryuji den ersten Schritt in den Raum machte, krallte er sich in sein Bein und biss wild hinein.
Ryuji trat dem Jungen mit dem freien Fuß gelangweilt ins Gesicht und bekam sein Bein so mit Leichtigkeit wieder frei. „Wenn du ruhig bist, lass ich dich zu ihm. Wenn nicht, siehst du ihn nie wieder.“
Akira rappelte sich auf und sah überrascht zu Ryuji auf. Er sah nicht besonders intelligent aus. Davon abgesehen, dass er sich tagelang nicht gewaschen oder die Kleider gewechselt und dafür nur gehungert und im Staub und im Mauerwerk herumgewühlt hatte, wirkte er auch seiner Körperhaltung und seinem Gesichtsausdruck nach wie ein verwirrtes Tier.
„Was? Du hast dich nicht verhört. Kira hat ihn hergebracht. Aber er ist tot,“ erklärte Ryuji ruhig, hielt aber Abstand zu Akira, falls dieser wieder auf die Idee kommen würde, auf ihn loszugehen.

Kei lag in Jeans und nichts anderem – der Rest seiner Kleidung lag in seinem Rucksack – auf einem Bett in einem der oberen Räume des Hauses. Kira hatte auch seinen Rucksack mitgenommen und diesen daneben gestellt. Bis auf Keis Waffen war noch alles da. Er selbst stand vor der Tür und wartete. Die Instanz wollte zwar wissen, was mit Kei passierte, wenn er starb, aber so war das nicht geplant gewesen.

Akiras Blick wurde schnell wieder humaner. Man konnte ihm ansehen, dass in ihm die wilde Gier und Wut der letzten langen Stunden mit menschlicheren Gefühlen wie Sorge, Verzweiflung und Hoffnung darum rangen, ausgedrückt zu werden. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
„Ich will zu ihm,“ flüsterte er mit rauher Stimme.
Ryuji öffnete die Tür vorsichtig und beäugte Akira genau. „Komm mit.“ Sein Blick sagte etwas wie ‚Wehe du versuchst abzuhauen.‘
Unsicher ging Akira mit dem Mann mit. Er fühlte sich zu schwach und zu müde, und zu überwältigt von diesem plötzlichen Freigang durch ein Gebäude, das er sich hinter der Metalltür ganz anders vorgestellt hatte, um ihn wieder anzufallen. Außerdem würde ihn das von Kei fernhalten.
Er war so hungrig.
Es war so schwer, die Treppenstufen zu erklimmen.
Er war so hungrig.
Ryuji führte ihn mehrere Treppen hinauf bis zu einer Tür, vor der ein Mann Wache stand. Er sah Kei sehr ähnlich. Akira starrte ihn an. Er war zu weggetreten, um jetzt Gefühle zu hegen.
„Kira,“ sagte er nur zu sich selbst.
Kira öffnete ihm die Tür. Wortlos.
Kei lag reglos auf dem Bett. Er sah misshandelt aus. Akiras Augen wurden heiß, als würden sie ihm mit Tränen volllaufen, als er ihn sah. Aber er hatte zuwenig Flüssigkeit im Körper. Es stach ihn nur ein riesiger schwarzer Keil aus Hass und Abscheu gegenüber Keis Vater.
Er wankte in den Raum, auf das Bett zu, und kniete sich auf die Kante, während er Kei anstarrte. Der lag da, als würde er friedlich schlafen, wenn nur all die Verletzungen nicht so offensichtlich gewesen wären.
Nach wenigen Minuten warf Ryuji etwas in den Raum hinein, das klatschend neben Akira auf dem Boden landete. Es war ein großes blutiges Stück Fleisch, noch warm. Erst reagierte Akira nicht und starrte Kei nur weiter an, bis ihm der Geruch in die Nase stieg und er plötzlich tief Luft holte. Er hatte seit Tagen nicht geatmet. Sein Herz begann zu schlagen, langsam aber sicher, und er schaute aus Reflex auf das Fleischstück, aber sein Blick schnappte sofort zu Kei zurück, den er bei der Schulter rüttelte.
‚Kei,‘ sagte sein Mund lautlos. „Kei. Kei.“ Er wurde allmählich hörbarer.
Der Vampir war eiskalt und blieb das auch eine Weile. Erst nach einigen Minuten zuckte er zusammen und meldete sich mit einem schmerzerfüllten Stöhnen wieder zurück.
Herzschlag tat weh, wenn er tagelang ausgesetzt hatte. Die Augen öffnete er nur einen kleinen Spalt weit. Völlig orientierungslos blickte er sich kurz um, ehe er die Augen wieder schloss und sich zusammenrollte. „Es is kalt...“ brachte er kaum hörbar heraus.

Ryuji und Kira beobachteten das Ganze.

Nun weinte Akira tatsächlich ein bisschen. Eilig fischte er nach dem Fleischstück und hielt es Kei hin.
„Ach nein...“ Er ließ es los, riss sich die staubige Jacke herunter und deckte Kei damit in Windeseile zu. Dann biss er sich selbst hart in den Unterarm und hielt ihn Kei vor die Nase. Kei hatte sich so sehr zusammengerollt, dass er beinahe ganz unter die Jacke passte. Er zitterte ein bisschen und nahm Akiras Arm dankbar entgegen. Besonders viel Blut trank er nicht, es reichte aber aus um nicht ganz so sehr zu frieren.
„Arigatou,“ sagte er leise.
Akira nahm seinen Arm zurück und griff sich unterwegs das Fleischstück, aus dem er sofort mit den Zähnen gierig große, nasse Fetzen riss, die er eilig verschlang. Er selbst bekam nicht mit, wie er dabei aussah. Er fraß.
Kei nahm nichts davon mehr wahr. Er war eingeschlafen.

Ryuji und Kira teilten derweil der Instanz die neuesten Ereignisse mit.



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