SONNTAG
Der Herr im mittleren Alter mit dem Ziegenbart war ihm nie
aufgefallen.
"Ah, guten Morgen!" Er lächelte freundlich und winkte
Colin, als kenne er ihn. Colin dachte scharf nach, aber konnte sich
beim besten Willen nicht daran erinnern, den Mann jemals gesehen zu
haben, und lächelte und verbeugte sich höflich.
"Guten
Morgen. Entschuldigen Sie, kennen wir uns? Sind wir Nachbarn?"
fragte Colin und sah auf das Haus hinter dem Herrn. Der lächelte nur
nett weiter.
"Wenn du hier in der Nähe wohnst, dann ja," sagte er
fröhlich. Tatsächlich befand sich Colins Haus nur ein paar Häuser
weiter. Es war Sonntagvormittag und Colin war gerade durch den
Minipark zum Kombini und zurückgelaufen.
"Kommst du aus dem kleinen Park um die Ecke?" fragte er.
"Ja. Der ist gut für kleine Spaziergänge," bot Colin an.
Der Mann lächelte.
"Ja! Ich gehe selbst gern spazieren. Besonders im Chikipark mit
dem schönen großen Teich." Er sah Colin ein bisschen zu fest
in die Augen. Colin bewegte seinen Kiefer und musterte das Gesicht
des Mannes.
"Aha," sagte er gleichgültig.
"Dort gibt es interessante Naturschauspiele zu beobachten. Es
ist mein besonderes Hobby, sie zu filmen," sagte er ruhig, immer
noch Colin tief in die Augen sehend.
Colin schluckte und hoffte, sein Gesicht gab nichts preis.
"Wirklich? Das ist schön," bot er an, und schaffte es,
gelassen zu klingen.
"Ja. Man weiß nie, was einem vor die Linse kommt. Gestern abend
wollte ich Käuze filmen. Doch dann gab es etwas viel spannenderes zu
beobachten."
Colins Mund öffnete sich von selbst und er war sich sicher, dass er
feuerrot anlief. Er schloss den Mund wieder, biss sich auf die Zunge
und ballte die Hände zu Fäusten.
"Aha," presste er heraus.
"Willst du sehen, was ich aufnehmen konnte? Ich habe es noch
niemandem gezeigt." Der Mann sah amüsiert aus.
Er zog sein Smartphone aus seiner Jacketttasche, wischte darauf herum
und hielt es Colin zum Draufschauen hin.
Ja. Das war eindeutig. Unverwechselbar.
Er ließ Colin die Aufnahme minutenlang sehen, bis ganz zum Schluss.
Der dünne, blecherne Klang kroch Colin unter die Haut und ihm wurde
halb bewusst, dass er noch nichtmal Angst hatte, dass jemand in der
Nähe sein könnte um mitzuhören.
Als es endlich vorbei war, wischte der Mann wieder auf dem Display
herum und steckte das Telefon zurück in seine Jackentasche. Colins
Blick folgte ihm wie angeklebt bis es hinter dem teuren, schwarzen
Stoff verschwand.
"Nun. Was hältst du davon? Ist es gut?"
Langsam, den Mann anstarrend, schüttelte Colin den Kopf.
"Nein? Du glaubst nicht, dass jemand daran interessiert wäre?"
Colin hatte Mühe zu atmen und eine Art milchiger Schleier legte sich
über seine Sicht.
"Ja stimmt, Geschmäcker sind verschieden... aber man findet
alle im Internet." Sein Lächeln war nicht einmal mehr ein
normales Lächeln, es war das grausamste, schwärzeste, dreckigste
Grinsen das ein menschliches Gesicht erzeugen konnte. So kam es Colin
vor. Er weigerte sich, seinen eingebildeten Schutzschild aus
Versteinerung aufzugeben um den Mann bei den Namen zu nennen, die
gerade seinen Kopf fluteten.
"Naja, ich will dich nicht aufhalten," sagte der Mann,
winkte noch einmal und drehte sich zum Haus um. Er begann, darauf
zuzugehen.
Colin brauchte eine Weile, um wieder Herr über seine Stimme und
seinen Körper zu werden, und als er das endlich geschafft hatte,
hatte der Mann schon das andere Ende des Kiesweges erreicht und die
Tür geöffnet.
"Warten Sie!" Colin eilte ihm hinterher. "Löschen Sie
das. Alles, alle Kopien die Sie gemacht haben." Seine Stimme war
flach, aber er wusste, dass sie erbärmlich bettelte.
Der Mann tat überrascht.
"Oh, ich denke, das könnte ich tun. Für eine Entschädigung."
Da war es wieder, das kalte Stahllächeln. Colins Entrüstung und
Ekel flammten auf und übermannten ihn für eine Sekunde.
"Wenn Sie Geld wollen, dann erpressen Sie jemanden, der welches
hat!"
Der Mann besaß die Dreistigkeit, zu lachen. Colin starrte ihn wütend
und verwirrt an. Der Mann grinste und deutete mit einer vagen Geste
auf die direkte Umgebung. "Ich habe genug Geld." Er
tätschelte die Jackentasche, in der sein Handy lag. "Du hast
etwas anderes anzubieten."
Colin sah erst verständnislos auf die Jackentasche, Sekunden später
verstand er. Um sicherzugehen, dass er ihn richtig verstanden
hatte, musste er den Mann wieder anstarren, so fest dass seine Augen
fast zu tränen begannen, und das sardonische Schmunzeln und das
Nicken bestätigten Colins Verdacht. Sein Mund öffnete und schloss
sich.
"Ekelhaft," krächzte er. "Sie sind widerlich."
Der Mann lachte unbekümmert.
"Ich werde dir einen Tag geben, darüber nachzudenken. Du gehst
zur Schule, nicht? Den Schultag hast du als Bedenkzeit. Wenn ich bis
morgen abend nichts von dir gehört habe, hat Gaytube ein paar neue
Stars."
Keis Wohnung lag in tiefem Dunkel als ihr Bewohner wieder zu sich
kam. In ein Handtuch eingewickelt lag der Schüler auf dem Sofa. Über
ihm noch eine Decke. Er wischte sich die wirren Haare aus dem Gesicht
und stand auf. Den Vorabend hatte er noch ausgiebig genutzt, nachdem
er den kleinen Schotten in dem Park hatte stehen lassen.
Kei stand auf, ging ins Schlafzimmer und zog sich an. Um seinen Hals
hängte er zwei kleine Anhänger. Eine etwas zu große schwarze
Kapuzenjacke überstreifend ging er nach draußen. Er brauchte neue
Zigaretten und Geld. Sein erster Weg führte ihn daher zur Bank. Sein
letzter Auftrag hatte einiges eingebracht.
Nachdem er seine 'Einkäufe' erledigt hatte, ging er wieder
nachhause. Anscheinend wurde er schon erwartet, denn ein junger Mann
im Anzug stand vor seiner Wohnungstür.
"Willst
du zu mir?" fragte der Vampir, der den Mann noch nie zuvor
gesehen hatte.
"Ja. Du
sollst das hier wegbringen, Sakai." Der Mann drückte Kei einen
Umschlag in die Hand und ging wieder. "Drei Tage," sagte er
noch. Kei steckte den Umschlag ein und ging in die Wohnung. Dort
machte er ihn auf und setzte sich aufs Bett. Darin befanden sich eine
ziemlich große Menge Kokain in kleinen Tütchen und ein Umschlag auf
dem 'Deine Bezahlung' stand. Kei packte das Geld in seine Börse und
fragte sich, weshlb er zur Bank gegangen war. er verstaute auch zwei
Packungen Kippen und ein paar kleine Kokstütchen und machte sich
dann wieder auf den Weg. Zur Arbeit. In eine kleine Werkstatt in der
Nähe, wo er als Aushilfe arbeitete. Wer wollte, bekam auch ein
bisschen weißes Pulver.
"Hey Sakai! Komm mal eben hier rüber. Wir haben was
interessantes reinbekommen!" rief sein Vorgesetzter sobald er
den Schüler erblickte. Kei ging zu ihm und erblickte ein hübsches
Motorrad.
"Was ist
damit?"
"Mach das fertig. Die Seriennummer soll weg."
"Warum das?" Kei sah ihn an.
"Soll
weiterverkauft werden... irgendwo ins Ausland."
Kei fragte nicht weiter und tat, worum er gebeten wurde. Den Rest des
Tages war er damit beschäftigt, das schöne schwarzsilberne Motorrad
herzurichten.
Colin verbrachte den Rest des Sonntags, seit seiner Begegnung der
erpresserischen Art, mit Üben und Pauken und über seiner
unmöglichen Entscheidung zu brüten.
Ginge er nicht auf die Erpressung ein, zeigte er den Mann vielleicht
gar an, dann würde der das Video ganz sicher veröffentlichen. Davon
hätte Colin nichts.
Und wenn er dem Mann - Colin ekelte sich sogar davor, den Gedanken zu
Ende zu bringen... er konnte dann auch nicht sichergehen, dass er das
Video nicht doch öffentlich machen oder es nicht weiter als
Druckmittel benutzen würde.
MONTAG
Er grübelte die halbe Nacht darüber, bis er am Morgen in Hirokis
Auto auf dem Weg zur Schule einen Entschluss fasste.
Von dem Moment an, in dem er ausstieg, hielt er nach seinem
Wahnsinnigen Ausschau. Dass er selbst von diversen Mitschülern
angestaunt wurde, weil er wie der lebende Tod aussah - Schlafmangel,
Stress und wahrscheinlich eine angehende Erkältung machen sowas -
fiel ihm dabei nicht auf.
Kei kam etwas spät in den Unterricht. Er hatte es nicht eilig am
Morgen und so war er auf dem Weg zur Schule bei seinem spontanen
Frühstück auf einem Dach hängen geblieben. Mit blutigem Gesicht
wollte er nicht in die Schule.
Mit Kippe im Mund kam er zwei Minuten vor Unterrichtsbeginn in der
Schule an.
Colin hatte seine Tasche bei seinem Tisch und dann sich selbst vor
der Tür zum Klassenraum abgestellt und sich dort angelehnt, um
beinwackelnd auf Kei zu warten.
Er kam auch tatsächlich vor dem Lehrer. Als Colin ihn
heranschlendern sah, rauschte auf einmal die Erinnerung an
Samstagnacht auf ihn ein und er musste erst einmal schlucken. Er
schluckte, riss sich zusammen, setzte einen entschlossenen Blick auf
und ging auf Kei zu. Seine Verlegenheit und Nervosität waren sehr
offensichtlich. Ebenso wie die so gut wie durchgemachte Nacht und
eine Masse an Sorgen, die über das Wochenende nur noch gewachsen zu
sein schien. Er versuchte, nicht auf den Körperbau, das Gesicht,
die... das... egal, ALLES an Kei zu achten und ihn gleichzeitig fest
anzusehen.
Kei sah Colin von Weitem. Wartete der etwa?!
"Hast du vergessen zu schlafen?" kommentierte er dessen
Aussehen und blieb neben ihm stehen.
In Colins Kopf war nicht genug Arbeitsspeicher frei, um auf diese
Frage zu reagieren.
"Komm mit, ich muss dir was erzählen, es ist wichtig," bat
er und hielt Kei am Jackettärmel fest. Nur solange, bis der bestimmt
stehenblieb. Colins Stimme klang unterdrückt verzweifelt und so sah
auch sein Blick aus.
Kei besah sich Colin kurz und ging dann mit ihm mit. Er wollte sich
das Elend nicht den ganzen Tag ansehen und der Kleinere schien ein
ernsthaftes Problem zu haben.
"Was is
so wichtig?" wollte er wissen, als sie außer Hörweite
sämtlicher Mitschüler waren. Mittlerweile waren so gut wie alle in
ihren respektiven Unterrichtsräumen verschwunden. Colin zog Kei
hinter einen Getränkeautomaten und drückte ihn daneben an die Wand,
oder versuchte es zumindest. Er sprach leise, mit Dringlichkeit in
der Stimme als ginge es um einen tödlichen Spionageeinsatz.
"Erinnerst du dich-" er verzog das Gesicht - "Natürlich
erinnerst du dich - bei mir in der Gegend wohnt ein Kerl, der uns
gefilmt hat. Er will das Video ins Internet setzen. Es sei denn ...
äh, wir tun was dagegen. Hilfst du mir? Ich habe einen Plan."
Er hatte seine Hand die ganze Zeit auf Keis Brust behalten. Nun fiel
ihm das auf und er zog sie schnell zurück, sah Kei dann wieder
eindringlich an.
Kei grinste, während er sich von Colin an die Wand drücken ließ.
"Als ob ich das vergessen würde," sagte er, dem Kleineren
tief in die Augen sehend.
Als er hörte, dass der Kerl eine Kamera auf sie gerichtet hatte,
wäre er gern explodiert, ließ sich aber nichts anmerken. Der Moment
im Park war seins gewesen. Und bestimmt nicht für einen Kerl
bestimmt, der einfach nur ein bisschen zu geil auf junge Männer war.
"Ich höre."
Er war sich ziemlich sicher, dass der Plan nicht beinhaltete, den
Mann grausam sterben zu lassen... wobei das Keis Lieblingsoption war.
Colin atmete auf und sah sichtlich erleichtert aus.
"Ich sags dir in der Mittagspause. Auf dem Dach."
Unterricht zu schwänzen, und wenn auch nur für ein paar Minuten,
schien für Colin derart abwegig und unrealistisch, dass er nicht
einmal an die Möglichkeit dachte. Er wandte sich zum Gehen.
"Warum sagst du es mir nicht jetzt, wenn es so wichtig ist?"
Kei verstand die Logik von Colin kein bisschen. Er hielt seinen
Mitschüler am Handgelenk fest.
"Weil die erste Stunde jetzt anfängt," antwortete Colin
verständnislos. Diese Erklärung reichte aber noch nicht, wusste er.
"Ich wollte nur vorher wissen, ob - wie - ob du - " Er
wusste nicht, was genau. Ob er sich auf ihn verlassen konnte? Ob er
ihn im Stich lassen würde? Ob es Kei egal war und er auf sich
gestellt war? Alles davon. Er sah auf Keis Hand, die ihn festhielt.
"Das musste ich vorher wissen, okay?" Er tat einfach so,
als ob er alles ausgesprochen hätte.
"Also ich hätte das schon gerne geklärt und zwar schnell, wenn
mich einer beim Sex filmt. Ich steck da genauso drin wie du und ich
habe kein Interesse an einer Pornokarriere," erklärte Kei. "Auf
den Unterricht kannst du heute wohl verzichten. Das hier ist ein
bisschen wichtiger als deine Pünktlichkeit!" Noch immer hielt
er ihn fest.
Colin runzelte die Stirn. "Na gut." Innerlich war er froh,
dass Kei selbst eingefallen war, was Colin sich als Argument für den
Notfall zurechtgelegt hatte.
"Aber nicht hier. Wir gehen aufs Dach." Wieder machte er
Anstalten, loszugehen.
Auf dem Dach
des Hauptgebäudes angekommen, lehnte Kei sich neben die Tür an die
Außenwand des Treppenhäuschens.
Colin stand seinerseits nah bei Kei an die Wand gelehnt.
"Also. Er hat mir angeboten, ihn dafür zu bezahlen, dass er das
Video löscht. Natürlich kann ich mich nicht darauf verlassen, dass
er das wirklich tut, also werde ich so tun, als würde ich darauf
eingehen, aber einen Treffpunkt an einem neutralen Ort vereinbaren,
nicht in seinem Haus. Während er mit mir weg ist, steigst du bei ihm
ein und zerstörst sämtliche Hardware, die du findest. Zur
Sicherheit. Ich werde beim Treffen auch versuchen, an sein Handy zu
kommen und es formatieren oder auseinandernehmen.
Auf diese Weise habe ich, der einzige mögliche Verdächtige, ein
Alibi, weil ich mit ihm selbst zusammen war. Natürlich wird er
wissen, dass ich hinter dem Einbruch stecke, aber dann wird er nichts
mehr haben, um mich unter Druck zu setzen. Er kann außerdem auch
nicht wissen, ob mein Komplize nicht vielleicht das Video als
Beweismaterial zurückbehalten hat.
Es gilt nur, ihn dazu zu überreden, sich woanders zu treffen - wenn
er es nicht selbst vorschlägt, und ihn da lang genug festzuhalten.
Letzteres wird kein Problem sein."
Colin hatte das sachlich nüchtern vorgetragen und dabei konzentriert
in den Himmel vor sich gestarrt, und sah Kei nun an.
Kei nickte. "Klingt gut." Er machte eine Pause. "Außer
der Tatsache, dass du mit ihm allein wärst. Willst du, dass er dich
umbringt?" Kei hielt das durchaus für möglich. Mal abgesehen
davon, dass dem Vampir der Gedanke missfiel, Colin mit irgendeinem
Perversen teilen zu müssen. Allein, dass diese Möglichkeit bestand,
behagte ihm nicht. Zugeben wollte er das aber nur ungern.
Colin schüttelte sachte den Kopf.
"Er wird
mich nicht umbringen," sagte er überzeugt. Was er tatsächlich
machen würde, war viel ekelerregender. Colin rümpfte unbewusst die
Nase, als er daran dachte.
"Vielleicht. Was auch immer er von dir will kann aber auch nicht
gesund sein." Kei gefiel das ganz und gar nicht. Er wollte nicht
teilen und schon gar nicht mit so einem. Eher würde er den Kerl der
Länge nach aufschlitzen. Er dachte kurz nach. Genau wissen, was der
Kerl wollte, tat er nicht, aber er hatte ein mehr als gutes
Vorstellungsvermögen.
'Was immer er von dir will'? Colin hob eine Augenbraue. Hatte
er sich etwa verplappert?
"Na gut. Wir machen das so, wie du gesagt hast," lenkte Kei
nach einer Weile ein. Er hatte eine Idee...
"Sehr gut. Ich muss mich bis heute abend bei ihm melden. Am
liebsten würde ich es dann auch gleich hinter mich bringen. Je
weniger Zeit er hat, das Video irgendwo hochzuladen, umso besser.
Wann hast du abends Zeit?"
Kei dachte kurz nach. "Den ganzen Abend." Zumindest hatte
er keine Termine. Arbeiten konnte er auch zwischendurch und nachdem
die Angelegenheit erledigt war.
"Jeden Tag? Es kann sein, dass er sich auf heute abend nicht
einlässt."
"Kein Problem. Du hast ja meine Nummer. Sag einfach Bescheid."
Natürlich hatte er nicht jeden Tag den ganzen Abend Zeit, er musste
immerhin arbeiten, aber das war ein bisschen zu wichtig um es wegen
ein wenig Arbeit liegen zu lassen.
Colin wirkte noch erleichterter, und auch müder. Er ließ mit einem
dünnen Lächeln die bisher hochgezogenen Schultern entspannt fallen
und sah zu Kei auf.
"Danke."
Kei schenkte ihm den Hauch eines Lächelns und machte sich dann auf
den Weg zurück in den Unterricht. Auf dem Weg dahin schrieb er
seinem Kumpel Kyo eine SMS. 'Halt dir die nächsten Tage frei. Ist
wichtig. Kei'
Colin blieb den ganzen Schultag lang matt und müde, doch je näher
der Nachmittag rückte, umso stärker kehrte seine Anspannung zurück.
Als es zum Ende der letzten Stunde läutete, feuerte er seine
Habseligkeiten hastig in seine Tasche und beeilte sich, die Schule zu
verlassen.
Kei wurde von seinem Kumpel Kyo abgeholt, der mit einem Motorrad
vorfuhr. Auf dem Heimweg erklärte Kei ihm, wofür er ihn brauchte.
"Ich sag dir Bescheid, wann. Wenn er den Kleinen anfasst, schlag
ihn K.O.," gab er ihm ziemlich einfache Instruktionen. Kyo
nickte und setzte Kei an seinem Arbeitsplatz ab.
"Sakai!" Sein Kollege kam den Jungs schon entgegen. "Das
Motorrad, das wir gestern reinbekommen haben, wird nicht mehr
abgeholt. Der Kerl dems gehört wurde eingebuchtet. Der Chef sagt,
dass du es haben kannst, er hat keine Verwendung dafür. Fertig
machen musst du es selbst. An die Arbeit. Geh, wann du willst. Heute
ist nicht viel zu tun," endete sein Kollege und ging selbst
wieder an seine Arbeit. Der Vampir schaute zu Kyo und dann wieder zu
nun seinem Motorrad, das da stand, so gut wie fertig.
Nach ein bis zwei Stunden machte er sich wieder auf den Weg. Seine
Bandkollegen hatten die Probe heute ausfallen lassen. Kei fuhr auf
seinem neuen Motorrad nachhause. Stellte es in der zu seiner Wohung
gehörenden sonst nie genutzen Garage ab und ging in seine Wohnung.
Es war gerade 18 Uhr.
Wenig später klingelte das Telefon.
Kei nahm ab ohne draufzusehen. "Ja?"
"Alles klar. Er ist mit heute abend einverstanden. Wir sind um
punkt sieben vor seinem Haus verabredet. Es ist in meiner Straße,
etwas weiter vorn, Nummer 19. Wir fahren mit der U-Bahn. Die Fahrt
zum Holiday Inn dauert etwas über zwanzig Minuten. Wenn wir in die
Station gegangen sind, kannst du einsteigen.
Dann hast du gut zwei Stunden Zeit. Schätze ich.
Geht das in Ordnung?"
"Ja. Das reicht. Viel Glück," sagte Kei. Nachdem er
aufgelegt hatte, schreib er Kyo eine SMS mit den Daten. Der
versicherte, dass er ein Auge auf Colin haben und sich bei Kei melden
würde, sollte etwas daneben gehen.
Kei zog seine Jacke gar nicht erst aus und machte sich schonmal auf
den Weg in Colins Straße, und wartete auf die Nachricht, dass Kyo am
Hotel angekommen war, die bald darauf bei ihm eintraf.
Der Mann mit dem gepflegten Bart, mit dem Colin unterwegs war, trug
einen feschen, teuren Anzug und schien überhaupt sehr selbstsicher
und gutgelaunt zu sein. Er wirkte überhaupt nicht wie jemand, der es
nötig hatte, Menschen zu erpressen, um sie ins Bett zu kriegen.
Er öffnete
dem Jungen galant die Tür und bot ihm einen Sessel im Foyer zum
Warten an, während er ein Zimmer bestellen würde. Colin blieb
stehen und konnte nicht umhin, trotzig dreinzublicken. Mit den Händen
vorn in der Sweatshirttasche sah er sich im Saal um und blickte auch
nach draußen, bemerkte Kyo aber nicht. Jedenfalls fiel er ihm nicht
besonders auf.
Nach ein paar Minuten kam der Mann mit einer Schlüsselkarte von der
Rezeption zurück und ging auf Colin zu, der unweit der Fahrstühle
herumlungerte. Als er bei ihm ankam, drehte Colin sich geschmeidig
zum Fahrstuhl um und ging los, doch das half nicht viel, denn in der
Aufzugkabine legte er ihm trotzdem einen Arm um die Schultern.
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