Thursday, October 8, 2015

Kei + Colin XLVI: Pläne



"Warum?" Er sah Kei an, als müsste er das wissen. Kei zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß nicht."
Colin ließ die Hände sinken und hielt sich dabei ein Handgelenk.
"Du warst vorhin eifersüchtig."
"Nur ein bisschen."
"... Das ist gut." Er küsste Kei wieder. Der erwiderte den Kuss und lächelte. Colin stützte sich auf dem Boden ab und küsste wieder abwärts, über Keis Kinn und Hals hinunter. Kei spielte weiter mit Colins Haaren herum und mit der anderen Hand spielte er an Colins Hosenbund. Colin rutschte kniend weiter an Kei hinunter, um ihn unten weiterzuküssen. Auf dem Weg schob er die Ketten und Anhänger beiseite. Kei nahm die Hand aus Colins Hose, da sein Arm nicht unendlich lang war, behielt aber die andere in seinen Haaren. Über dem Hosenbund änderte Colin die Richtung und biss ihn ganz sachte in die Hüfte.
"Lecker," sagte er leise mit einem Grinsen.
Kei hatte die Augen wieder geschlossen, grinste bei Colins Kommentar.
"Wehe dir du beißt mir da'n Stück raus," sagte er scherzend.
"Was machst du dann?" fragte Colin herausfordernd.
"Ich fürchte, dann musst auf dein Blut verzichten. Gleiches Recht für alle."
"Das heißt Fleischschuld. Ein überholtes Prinzip." Er setzte sich auf, auf Keis Beine, und sah stirnrunzelnd zur Seite. "Nein, warte. Das war andersrum."
"Überholt oder nicht, es ist fair," sagte Kei grinsend und schaute Colin fragend an. "Was wird das?"
"Das stimmt nicht ganz. Fleischschuld bedeutet-" Er tippte überlegend mit einem Finger auf seiner anderen Hand herum. "- für seine Schuld oder seine Schulden mit seinem eigenen Fleisch zu bezahlen. Dafür-"
"Hieße dann, du schuldest mir'n Stück Hüfte und zahlst mit Blut." Kei grinste.
"Nein, das hieße, ich müsste mit einem Stück aus meiner eigenen Hüfte dafür bezahlen. Wahrscheinlich sogar mehr, weil es kein fairer Handel wäre, sondern ich dich sozusagen beraubt hätte. Diese Schuld muss auch noch-"
Kei nickte. "Ahh. Schade. Blut gefiele mir besser." Er grinste.
"Wenn du mir unerlaubt Blut abnimmst, musst du in Fleisch bezahlen, wenn wir dieses abartige Recht anwenden."
"Wann gab es dieses Recht? Klingt nach ziemlich alt."
"Keine Ahnung. Vielleicht gab es das nie. Es ist nur ein Konzept, soweit ich weiß. Vielleicht gibt es das nur theoretisch." Colin kletterte von Kei herunter, um sich neben ihn zu setzen.
Kei nickte. Etwas umständlich legte er einen Arm um Colin. Der knöpfte sich die Hose wieder zu und legte dann die Hände in den Schoß.
"Es wäre wohl gut, zu verschwinden, was? Ich meine aus Tokyo."
"Vielleicht, ja. Aber ich bin mir noch nicht ganz sicher. Mal davon abgesehen, dass Polizei und Nachbarn mich hassen, würde ich wirklich gern mal hier weg... und irgendwann komme ich wieder."
"Jetzt sagst du wieder, dass du unendlich lang Zeit hast."
"Hab ich auch. Die kann man gut zum Reisen nutzen. Wo willst du hin?"
"Äh."
"Wo liegt denn 'Äh'?"
Colin guckte nur verdutzt. "Du meinst, nachdem du deinen Abschluss gemacht hast und so... oder?"
"Das wäre dann in anderthalb Jahren. Meinetwegen können wir auch jetzt gehen. Ist nur die Frage, wohin. Und wie wir das anstellen wollen."
Darüber hatte Colin nicht nachgedacht. Er war noch nicht dazu bereit, über so etwas nachzudenken. Er war noch nicht dazu bereit, zu akzeptieren, dass - alles. Er sah Kei mit einer Mischung aus Entrüstung und Hilflosigkeit an.
"Ich hab 'ne Idee. Wir hauen einfach ab, wenn der Zeitpunkt gut ist. Das entscheiden wir spontan."
Das überforderte Colin sichtlich. Er glotzte weiter. Kei lachte.
"Ach egal."
"Für dich ist immer alles ganz einfach, was?" Colin klang teils erstaunt, teils vorwurfsvoll.
"Nicht alles. Aber das meiste."
Colin hörte auf, Kei zu mustern und blickte nach vorn. "Ich muss Geld verdienen."
Kei dachte kurz nach, was es da für Möglichkeiten gab. Nicht viele.
"Ich kann nicht viel machen, weil ich keine Identität habe," sprach Colin den Gedanken laut aus, "und in die Öffentlichkeit kann ich mich auch nicht stellen. Ich könnte vielleicht für deinen Boss putzen oder sowas."
"Ich frag ihn mal, ob er Arbeit hat. Da lässt sich sicher was machen."
"Ich kann auch so tun, als könnte ich kein Japanisch," schlug Colin wahnsinnig hilfreich vor.
"Ich glaub kaum, dass das was hilft. Aber wenn du's musst ist das sicher hilfreich um Menschen loszuwerden."
"Oh, ja." Colins Ton deutete an, dass er damit schon Erfahrung gemacht hatte.
"Ich könnte das gut überall machen. Nur hier nicht."
"Nur dass du 'überall' wirklich nicht verstehst," warf Colin mit einem gemeinen Lächeln ein.
Kei lachte. "Ja, umso authentischer, und ich hab ja einen Übersetzer."
"Ich koste fünftausend die Stunde."
"Fünftausend was?"
"Yen, du Vogel. An Feiertagen und wenn ich keine Lust habe, siebentausend."
"Wer is hier der Vogel. Deine Preisvorstellungen von Stundenlohn sind utopisch." Er grinste.
"Falsch. Ich habe das recherchiert." Er verschränkte die Arme. "Noch bessere Dolmetscher können noch teurer sein." Dass diese dann meistens gleich vier oder fünf Sprachen fließend beherrschten, verschwieg er geflissentlich.
"Hey, das wäre auch ne Idee Geld zu verdienen, als Dolmetscher. Die braucht man doch immer... für Geschäftsbeziehungen ins Ausland und so."
"Ja..." Als Toter mit nur zwei Sprachen und ohne professionelle Ausbildung sollte das aber schwierig sein.
"Warum musste erst das alles passieren, damit wir so reden können?" überlegte Colin leise. Er sah auf seine Hände, mit denen er auf seiner Hose herumkratzte.
"Erwartest du darauf wirklich eine Antwort?"
Ja. Colin sagte nichts. Da war ein trockener Blutstreifen auf seinem Oberschenkel. Mein Geburtstag wäre vielleicht nicht so passiert, der Perverse hätte uns nicht gefilmt, du hättest ihn nicht umgebracht, die wären nicht zu mir nach Hause gekommen...
Kei dachte auch nach. Es war sehr viel passiert, das er nicht so gewollt hatte. Ändern konnte man nichts davon mehr. Er überlegte, wie alles angefangen hatte. Colins Geburtstag, auf dem Teich im Park...
Kei setzte sich auf.
Colin lehnte sich zur Seite, von Kei weg, um nach seinem T-shirt zu fischen. Er zog sich das T-shirt wieder an und wischte etwas darauf herum, aber es hatte weder Blut noch irgendetwas anderes abbekommen. Kei hatte sein Shirt in der Hand, zog es aber noch nicht an.
"Wie hast du's geschafft, dass das sauber bleibt?"
"Die Jacke hat wohl alles abgekriegt." Er begutachtete dieselbe und stellte fest, dass er Recht hatte.
Kei schmunzelte. "Nächstes Mal aufpassen, sonst wirst du verhaftet."
Mit den Fingern fuhr er sich durch die blutroten Haare, um sie notdürftig zur Ordnung aufzurufen.
"Ich existiere nicht. Wie soll man mich da verhaften? Irgendjemand wird aber verhaftet, denn Hashibahara liegt immer noch ausgeweidet da rum. Und er hat Pep und Gras dabei. Das wird die Suche noch anheizen."
"Man kann dich festnehmen, nur um festzustellen, dass du nicht existierst, aber wenn man dich erwischt nehmen sie dich mit."
Plötzlich sah Colin erschrocken auf. "Das Messer."
Kei zog es aus seinem Stiefel. "das hier?"
Erleichtert sog Colin Luft ein und griff danach.
"Das zweite steckt im andern, willst du's wiederhaben?"
"Nur meins."
Kei gab es zurück.
"Danke." Colin klappte es auf und rubbelte es an seiner Hose ab. Dadurch riss er sie mit der gezähnten Klinge etwas auf. "Scheiße." Er klappte es zusammen und steckte es in die Hosentasche.
"Was?"
Akira fummelte das Loch in der Hose etwas größer und wischte sich über den blutenden Kratzer darunter.
Kei grinste. "Aufpassen."
"Sagst du, nachdem es passiert ist," knurrte Akira.
"Ja." Kei grinste.
Akira nahm seine verschmierte Jacke noch einmal in Augenschein und stand dann auf, um sie sich um die Hüfte zu knoten. Auf diese Weise konnte man das Blut auf ihr nicht gleich sehen und er musste sie nicht im Arm tragen. Kei blieb sitzen, zog aber sein T-shirt über und wandte den Blick nach oben. Akira folgte seinem Blick, nachdem er sich wieder hingesetzt hatte, in einen Schneidersitz.
"Ich kann... vier Stück sehen. Fünf. Sechs."
"Sieben. Das sind zu wenige. Ein schwarzer Himmel voll mit Sternen - Hab ich noch nie gesehen..."
"Ich schon. In Gairlock. Da wohnt mein Opa. Als wir ihn mal besucht haben und zu mehreren waren, haben wir in einem Cottage an der Küste gewohnt, das war außerhalb der Stadt. Da konnte man sehr viele Sterne sehen. Gairlock selbst ist aber auch ganz klein. Da gibt es keine Lichtverschmutzung."
"Zeig mir das mal."
Akira lächelte. "Stimmt, du wolltest mal nach Schottland."
"Ja. Ich will überall mal hin."
"Warum?"
"Na damit ich sagen kann: Ich war schonmal da. ... Ich will einfach die viele Zeit irgendwie nutzen und mir die Welt ansehen. Die ist immerhin groß."
"Nur damit du angeben kannst?" Akira schmunzelte. Das klang nach einem Kei, den er in der Schule kennengelernt hatte.
"Na klar. Und, weil ich's sehen will. Das ist der einzige Grund."
"Do you know what a Scots' queer is?" fragte Akira mit schwurbeligem Akzent.
"No." Kei musste beinahe losprusten, schaffte es aber gerade so, das bleiben zu lassen.
"It's a man who prefers women to whisky," antwortete Akira mit derselben breiten, R-rollenden Aussprache. "That's something you should know when in Scotland, love."
Jetzt lachte Kei.
"It's true! So you're alright, you're not queer."
"What if I prefer blood to whisky?"
"Then you're English. That's the worst sin in the world."
"All right. I'll take both."
"On the rocks." Akira grinste. Er lehnte sich zu Kei vor. Kei küsste ihn.
"Träumst du manchmal von dem, was mit deiner Mutter passiert ist?"
"Manchmal, ja."
"Kommst du damit klar?"
"Irgendwie ja."
"Aber es geht nicht weg."
"Nein. Und es wird nie weggehen, das Bild wird mich verfolgen, egal, wie lange ich lebe."
Langsam fuhr sich Akira durch die Haare und sah zu Boden. Kei stand daneben und betrachtete ihn. Er behielt die Hand in seinem Nacken und sah mit ernstem Gesicht auf seine Füße. Der Vampir schaute ihn an.
"Was ist?"
"Ich habe mich letzte Nacht erinnert," sagte Akira leise. "Später dachte ich, das wäre nur ein Alptraum gewesen, aber das wars nicht."
"Nein, war's nicht. Und ich bin indirekt mitveratwortlich dafür... So zumindest stellten sie's dar, bevor sie straben..."
"Wer?" Akira sah verwirrt auf.
"Die, die das Massaker angerichtet haben..."
"Das stimmt ja auch. Sie wollten dich." Das ist nicht richtig. "Aber du hast sie nicht umgebracht."
"Ich bin nicht ganz sicher, ob es wirklich die waren, die ich umgebracht habe. Sicherlich sind nicht alle tot."
"Wenn nicht, dann will ich den Rest haben," kündigte Akira finster an.
"Dann finden wir raus, wo und wer sie sind... Dann kannst du sie haben."



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