Thursday, October 8, 2015

Kei + Colin XLVII: Freundschaft und Job



"Gehst du überhaupt noch zur Schule?" fragte Akira, als er in Boxershorts auf dem Bett saß.
"Bin krankgeschrieben. Ich hatte viel zu regeln, aber ich werd nächste Woche wieder hingehen. Die Leute werden merkwürdig, wenn ich nichts mache und auf die Bullen hab ich keine Lust."
"Die werden dich aber bestimmt noch besuchen."
"Ganz sicher, aber sie nerven nicht wegen Schulpflicht."
"Nein. Sie werden meinetwegen nerven."
"Warum sollten sie?"
"Weil ich weg bin. Du und Shingo werdet befragt werden."
"Ja. Shingo weiß nicht viel und ich bin überzeugend, so zu tun, als wüsste ich nichts und wäre schrecklich traurig, weil du tot bist. Deine 'Leiche' hatte diverse Narben, die du nicht mehr hast, die finden dich nie. Die ahnen auch nicht, dass du leben könntest."
Akira sah ihn mit einer Mischung aus Skepsis, Besorgnis, Bedauern und lauter anderen Sachen an.
"Sie finden dich nicht. Ganz sicher."
"Woher-" Ist doch egal. Er zog die Beine hoch und umarmte sie. "Hat Shingo mal nach mir gefragt?"
"Ja, sie haben alle gefragt."
"Aber Shingo hat dir nicht geglaubt, was du erzählt hast, oder?"
"Nein. Er wollte nicht glauben, dass du tot bist."
"Könntest du..."
"Was?"
"Mir dein Telefon leihen?"
"Klar. Liegt auf dem Schreibtisch."
"Danke." Akira stand auf und holte sich das Handy. Damit ging er aus dem Zimmer. Kei blieb auf dem Bett sitzen.
Während er Shingos Nummer wählte, kletterte Akira wieder aus dem Wohnzimmerfenster, das er von außen auf der Feuerleiter zuzog.
Kei ging ins Wohnzimmer und setzte sich da auf das Sofa.
Akira setzte sich auf die Metalltreppe, sodass er unterhalb des Fensters saß und nicht hindurchsehen konnte. Er sprach sehr leise.
"... Es tut mir leid. ... Nein. Doch. ... Nicht so richtig. ... Verstehe ich auch nicht."
Er lachte kurz leise.
"... Nein. ... Er hat damit auch nichts - nicht viel zu tun. Er wars nicht. ... Ich weiß nicht."
Kei dachte nach. Mit wem spricht er? Hat er Shingo angerufen? ... Er bringt sich noch um... Oder uns beide... Shingo... Vielleicht hält der die Fresse... Fuck...
Er lauschte weiter.
"Ja, irgendwie schon... Das können die nicht. Und ich will darauf nicht warten. Das will ich selbst machen..."
Nun wurde seine Stimme lauter und eindringlicher. "Das sind Yakuza! ... Da wird nichts passieren!"
Er sprach wieder leise, aber unruhig weiter. "... Es tut mir leid... Das geht nicht. ... Bitte nicht."
Kei stand mittlerweile an der Wand neben dem Fenster außerhalb von Colins Sichfeld.
Nachdenkend.
Colin schniefte leise.
Irgendwann fiel Keis Blick auf etwas, das ihm wie durch ein Wunder noch gar nicht aufgefallen war: Zeug aus Colins Haus, das in und rund um eine Reisetasche verteilt mitten im Wohnzimmer auf dem Fußboden lag. Notenbücher, CDs... Wann hat er das geholt?
Er klopfte leicht ans Fenster.
Etwas erschrocken sah Colin hoch.
"Ich muss - ja, warte." Er stand auf und sah Kei schuldbewusst und ein wenig trotzig an, während der das Fenster ganz öffnete. Kei schaute fragend zurück.
"Du weißt, dass es mehr als gefährlich ist, wenn er weiß, dass du lebst..." Er machte eine Pause. "Wann hast du das geholt?" Er deutete auf den Kram, der auf dem Boden lag.
Colin sah an Kei vorbei in den Raum. Das Telefon hatte er noch am Ohr. Er wusste nicht, wie Kei reagieren würde, aber er schien gelassen genug zu sein. Trotzdem fühlte er sich ertappt und sah Kei vorsichtig an.
Dann sagte Shingo etwas und er antwortete, den Blick noch starr auf Keis Gesicht gerichtet.
"Ja... gut. ... Bis später." Dann legte er auf und wischte das Telefon an seinen Shorts ab. Kei hielt seinem Blick gelassen stand, trotzdem war eine Portion Eindringlichkeit in seinen Augen.
"Wehe Shingo hält die Fresse nicht... deine Verantwortung."
Vorsichtig legte Colin das Handy auf die Fensterbank. Das war nun viel spannender anzuschauen als Keis Blick. Er sah es an.
"Er wird nichts sagen."
"Sollte er auch besser nicht, wenn ihm sein Leben lieb ist."
Plötzlich blickte Colin auf.
"Du tust ihm nichts," bestimmte er.
"Ich nicht, nein. Es gibt aber Menschen, die bestimmt nicht wissen sollten, dass du lebst."
"Das weiß er," brummte Colin. Er machte Anstalten, durch das Fenster zu klettern.
Kei trat zur Seite, um ihn durchzulassen.
"Wenn du ihn triffst, sei vorsichtig und nimm den Schlüssel mit." Am liebsten hätte Kei ihm noch ein Handy gegeben, aber er hatte nur das eine.
Der Wahnsinnige wurde immer mehr zum Fürsorglichen, stellte Colin überrascht und erleichtert fest. Wortlos schloss er das Fenster und umarmte Kei. Er war so kalt wie die Luft draußen, wurde aber schnell wärmer.
Kei erwiderte die Umarmung. Wortlos. Er genoss einen Moment lang die Wärme, die von dem anderen auszugehen begann.
Colin küsste ihn sanft. Zum Teil auch, weil er hinauszögern wollte, über die Dinge zu reden, die er heimlich aus dem Haus geholt hatte.
Nur kurz erwiderte Kei den Kuss ehe er ihn abbrach und auf das Zeug deutete, das da herumlag.
"Du marschierst einfach auf einem Tatort herum, der polizeilich versiegelt ist, um Zeug zu holen. Ich hoffe, dass das wichtiger Kram ist." Kei hatte nicht wirklich genau hingeschaut, was Colin da geholt hatte. Nur, dass es sein Zeug war, wusste er, und dass Notenbücher und CDs darunter waren. Nachvollziehen, warum der Kleinere sich so extrem leichtsinnig benahm, konnte er nicht. Vielleicht wollte er das auch nicht.
Verlegen ließ Colin ihn los und sah zu der halb ausgepackten Reisetasche. Es war 'wichtiger Kram.' Für ihn. Das wollte er sagen. Aber er konnte nicht. Kei hatte nämlich Recht. Das wusste er. Darum hatte er das heimlich gemacht, bevor Kei ihn davon hätte abhalten können. Kei zog sein Zigarettenpäckchen aus der Hosentasche und zündete sich eine an, ehe er noch einmal auf die Tasche zu sprechen kam.
"Du darfst das auch irgendwo hinsortieren, es muss da nicht liegen bleiben," sagte er, um anzudeuten, dass er kein Problem mit dem Zeug hatte. Sein Unterton verriet jedoch, dass er nicht so cool fand, was Colin gemacht hatte. Stumm ging der blasse Junge zu dem Haufen Krempel und hob die Bücher und Hefter auf, um sie in das Regal zu stellen. Für die CDs war dort auch noch bequem Platz. Beim Einräumen sah er Kei nicht an. Keis Handy klingelte. Er ging dran. Leise.
"Ja... Jetzt? ... Okay..." Schnell legte er wieder auf und steckte das kleine Gerät in seine Tasche, zog an seiner Kippe. Colin hatte bei dem kurzen Gespräch zu ihm hingesehen und wandte seinen Blick nun wieder den CDs im Bücherregal zu.
Kei steckte den Motorradschlüssel ein.
"Ich muss weg," teilte er Colin mit, während er sich anzog und den Helm nahm.
Kurz darauf war er aus der Wohnung verschwunden.
Der Schlüssel zur Tür lag auf dem Tisch.
Colin sortierte gemächlich und gewissenhaft die Noten und die Bücher, die er entwendet hatte und pflegte seine Geige, die noch in der Reisetasche gelegen hatte. Danach stellte er sie mit der gestohlenen in eine Ecke. Den vergilbten Zettel aus dem Kastenfutter nahm er später mit ins Bett. Zuvor verstaute er aber die Reisetasche mit den restlichen Dingen oben auf Keis Kleiderschrank, wobei eine schwere Kiste herunterrutschte und ihm krachend auf die Füße fiel.

Kei hatte sich mit zwei Messern und einer geladenen Waffe bestückt, bevor er losgegangen war. Sie hatten im Schreibtisch gelegen. Er ahnte nicht, dass Colin den beträchtlichen Rest seines Arsenals beinahe gefunden hatte.
Er fuhr in ein Geschäftsviertel am Rande eines Vergnügungsbezirks und traf sich dort mit dem Anrufer. Ein direkter Untergebener seines Kumi-chou und dieser selbst erwarteten ihn in einem der hohen Gebäude. Mit den Händen in den Hosentaschen betrat er sein Büro.
"Da bin ich."

Den Geräuschen nach zu urteilen... Colin fürchtete um den Zustand des Inhalts nach dem Sturz, also öffnete er die Schachtel vorsichtig. Den drückenden Schmerz in seinen Füßen ignorierte er. Er ließ auch sehr schnell nach. Als er die verschiedenen Waffen sah, klappte er die Kiste schnell wieder zu.
Sie war sehr schwer, aber er schaffte es, sie wieder auf den Schrank zu wuchten, ohne dass etwas herausfiel - oder sie wieder herunter. Die Pistolen und Messer und was auch immer da sonst noch drin war, schockierten ihn nicht. Er hatte ja gewusst, dass Kei so etwas besitzen musste. Sie machten nur die ganze Scheiße, von der er jetzt bestimmt jede Nacht träumen würde, noch ein wenig präsenter.
Nunmehr mit wieder völlig heilen Füßen und das gefaltete Papier aus seinem Geigenkasten festhaltend, kletterte er ins Bett und roch an dem Kissen, ehe er einschlief.

"Akaya, das hier ist ein alter Bekannter." Masahiro deutete auf den Mann neben sich. "Sein Name ist Andou und er arbeitet seit Jahren mit mir zusammen. Es gibt ein Problem, für das er mich um Hilfe gebeten hat. Ich denke, dass du dafür am besten geeignet bist."
Akaya hörte ihm genau zu. Er verbeugte sich zur Begrüßung.
"Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Andou-san." Der Vampir hasste solche falschen Förmlichkeiten, dennoch wendete er sie an, wenn es nötig war. Sie waren eines der wenigen Dinge, die man ihm wirklich beigebracht hatte.
"Ich habe ein Problem mit einem Haufen bewaffneter Schläger, irgendeiner kleinen Gang, die meinen Laden terrorisieren," erklärte der Mann und wirkte dabei leicht peinlich berührt.
"Akaya," sagte sein Boss, "Erteile diesen Leuten eine Lektion. Leg sie um, wenn es sein muss. Und nur dann. Sie sollen sich in einem Club aufhalten. Hier die Adresse. Das sind sie." Er ließ dem Vampir einen Zettel und ein paar Bilder überreichen, der sich daraufhin mit Verbeugung verabschiedete und auf den Weg machte.
Drei Stunden später war der Auftrag erledigt und Kei machte sich auf den Heimweg.



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