Thursday, September 17, 2015

Kei + Colin VI: Blut geleckt 1

Hier geht es zum ersten Teil.


SAMSTAG
Colin stieg um kurz vor fünf Uhr in einem schickeren Stadtviertel, wo ruhige Alleen von Villen in europäischem Stil mit großen Gärten und kleinen Gartenhäusern in japanischem Stil gesäumt waren, in die U-Bahn.
Er war in zivil und trug Turnschuhe, Jeans, ein T-Shirt mit Bruce-Lee-Aufdruck und eine dünne, ausgeblichene Kapuzenjacke. Aus seiner hinteren Hosentasche guckte rechts eine Kette heraus und aus der linken ein dünnes Taschenbuch. Vorn hingen Kabel von seinen Ohren an seinem T-Shirt herunter, die in einer Tasche der Jacke verschwanden.
Colin lehnte sich in eine Ecke zwischen Sitzbank und Tür des Waggons und wartete mit Musik im Ohr auf den Vergnügungsviertelausstieg.

Kei, in schwarzer, halbwegs enger, mit Löchern, Schnallen und Ketten dekorierten Hose, Tanktop und jeder Menge Kleinkram um Hals und Arme, schlenderte durch einen weniger geduldeten und doch geliebten Teil der Stadt. Eines der Vergnügungsviertel. Wie die meiste Zeit war er auch jetzt allein unterwegs. Seine Kumpane überlebten meist nicht lang. Seine Haare waren auftoupiert und seine nicht wenigen Piercings an den Ohren mit hübschem Schmuck versehen. Eine Jacke trug er nicht. In seiner Tasche war genug Schutz vor Regen.
Er sah sich um. Nach Spaß. Sein Messer trotzdem immer griffbereit in der Hosentasche. Die Münze lugte zwischen den anderen Anhängern hervor.

Colin stieg aus und trottete hinter dem Tross von größtenteils gut gelaunten und aufgedonnerten Menschen her, ließ sich dabei aber Zeit, um zurückzufallen und damit ihrem Lärm und ihrer Nähe zu entgehen – weitestgehend – und kam schließlich auch an der Oberfläche an. Hier auf der mittlerweile langsam dunkelnden Straße, die schon stark mit Blink- und Neonlichtern beleuchtet war, nahm er sich die Knöpfe aus den Ohren und sah sich um.
Er ging zu einer Frau, die wie eine Officelady aussah, und frug sie etwas, nickte und bedankte sich, ging dann zur nächsten Ampel um mit den Dutzend anderen Leuten dort über die Straße zu gehen.

Keis Weg verschlug ihn in eine kleine Konzerthalle. Dort sollte ein Konzert einer Rockband stattfinden.
In dem schwarzen Ring in seiner Lippe steckte eine silberne Kugel. Das Dämmerlicht der Halle und der Straße dorthin ließen ihn sich wohl fühlen. Er mochte es nicht, wenn es draußen hell war, von der Sonne mal abgesehen.

Colin fand das fragliche Haus und ging hinein, gab seine paar Scheinchen Eintritt ab, ließ sich die Hand stempeln und gesellte sich auch in die kleine Halle, die eigentlich bloß ein Nebenraum einer Disco war, und machte die Bar ausfindig. Er steckte sich die schulterlangen blonden Haare nun aus dem Gesicht hinter die Ohren, da es hier viel dunkler als draußen war und er seine Sicht nicht noch weiter behindern musste. Er ging zur kleinen Theke in der hinteren Ecke und kaufte sich Brause. Sie kam in kleinen Plastikflaschen.

Kei stand mit Getränk vor der Bühne herum und unterhielt sich mit dem Gitarristen. Der Auftritt würde erst in einigen Minuten anfangen.
Er tauschte Gitarre gegen Getränk und spielte ein wenig auf der Gitarre herum. Er kannte den jungen Mann, da er oft dort war. Die Band spielte ebenfalls oft dort und Kei mochte die Jungs.
Man konnte sie auch als Freunde bezeichnen. Sie lebten immerhin noch.
Er schloss die Gitarre von Shin, so der Name des Gitarristen, an einen Verstärker an und spielte noch eine Weile, auf dem Bühnenrand sitzend. Nebenbei unterhielt er sich mit den anderen drei Musikern.
"Kei! Wenn du mal mitspielen willst, sag Bescheid," teilte einer von ihnen mit.
Der Vampir nickte und spielte lachend weiter.

Colin ging auf die Bühne zu, langsam, weil er gleichzeitig versuchte, die Flasche in einer seiner weiten Jackentaschen zu verstauen, obwohl sie dafür ein bisschen zu groß war. Er sah darum erst wieder auf, als er nur noch ein paar Meter von der Bühne und den Leuten, die davor verstreut, teils versammelt, herumstanden und -saßen, entfernt war, und das erste was er sah, war sein verrückter, mordlustiger Mitschüler. Er blinzelte.
"Der Verrückte," sagte er zu sich. Er drehte sich schnell wieder um und hoffte, dass Kei ihn noch nicht gesehen hatte. Verspätet fiel ihm ein, dass es vielleicht klug wäre, seine blonden Haare auch zu verstecken, und zog hastig noch die Kapuze hoch. Dabei rutschte ihm die Flasche aus der Tasche und rollte über den Boden. Colin lief ihr gebückt nach, mit ausgestreckten Armen und der großen Kapuze über dem Kopf.
Kei bemerkte ihn tatsächlich nicht und widmete sich weiter der ihm nicht gehörenden Gitarre.
Er sah sich nicht um und unterhielt sich weiter mit den anderen.
Als er die rollende Flasche sah, nahm er diese und gab sie dem ihr-nachlaufenden.
Er erkannte Colin. Das war auch nicht besonders schwer.
"Pass besser auf dein Zeug auf," sagte er und wandte sich wieder seinen Freunden zu.
Colin nahm die Flasche und bedankte sich erleichtert, bis er aufsah und ihm auffiel, dass er genau in die Mitte der Runde gelaufen war, der er ausweichen wollte. Er starrte Kei versteinert an und krallte sich an der Flasche fest. Ohne ein weiteres Wort ging er rückwärts.
Wobei er über den abgestellten Rucksack von irgendjemandem stolperte.
Kei untermalte Colins Abgang musikalisch und gab dann die Gitarre ihrem Eigentümer zurück.
Er schmunzelte über Colin. Auf die Frage, was mit dem los sei, antwortete er er hätte keine Ahnung.
Colin hatte sich gefangen, ohne hinzufallen, und machte sich zurück zur rückwärtigen Wand der Halle, leise fluchend.
"Fucking arse. Stalking bloodsucking piece of damn you mumblemumble..."
Kei half den Musikern beim Aufbau und setzte sich dann an den Bühnenrand. Colin beoachtend, den er sehr wohl in disem Dämmerlicht sehen konnte. Er nippte an seinem hochprozentigen Drink und wartete darauf, dass die Musik anfing.
Colin hatte sich hinten an die Wand gestellt, lehnte daran und sah einigermaßen genervt aus, schien das aber unter Kontrolle zu bekommen zu versuchen. Ab und zu trank er aus der Flasche. Er stierte wütend in die Luft vor seinen Füßen. Nach kurzer Zeit wurde sein Gesichtsausdruck sanfter und er lächelte ein bisschen. Dann schien es wieder, als fiele ihm etwas ärgerliches ein, und so wechselte es sich über Minuten ab, bis die Band endlich zu spielen begann.
Kei ließ seine Beobachtungen des jüngeren bleiben, als die Musik zu spielen begann. Er stellte sich vor die Bühne und schien die Umwelt um sich herum zu vergessen. Er ging jede Sekunde mit der Musik mit.
Nach den ersten paar Stücken hatte Colin sich weiter nach vorn gewagt. Nun waren viel mehr Menschen da und die kleine Halle war fast voll, aber man musste sich nicht drängelnd und schubsend fortbewegen. Er hatte sich die dünne Jacke um die Hüften geknotet und besaß die Flasche längst nicht mehr. Ohne es zu merken, hatte er sich nur ein paar Meter neben Kei plaziert und hatte sich dort ein paar anderen Jungen angeschlossen, die ausgelassen mit Bierbechern in den Händen herumsprangen.
Kei war ebenfalls ausgelassen am Herumspringen. Bewegte sich dabei von der Stelle und wanderte mal hier und mal dort hin. Seine strahlend blauen Augen leuchteten.
Er landete irgendwann vor Colin, den er tatsächlich kaum bemerkte. Seine Aufmerksamkeit war nach vorn gerichtet. Der knapp 1,70 Meter große Japaner bekam von ein paar Seiten Bier von herumspringenden Menschen ab. Sein eigenes Getränk stand auf der Bühne.
Colin stellte bald fest, wer ihm da die Sicht versperrte und grunzte verärgert. Er nahm einen weiteren großen Schluck aus einem geborgten Bierbecher und kämpfte mit der kindischen Versuchung, Kei zu schubsen.
Er erlag ihr nicht. Der Kerl provozierte ihn und das nervte ihn, weil er wusste, dass er wahrscheinlich mehr Angst vor ihm haben müsste. Er war so schrecklich seltsam und gefährlich - und da wurden Colins grimmige Gedanken beim Anstarren von Keis Rückseite brüsk unterbrochen, indem ihn jemand von hinten so hart anrempelte, dass er vorwärts stolperte und zum Festhalten nur Kei vor sich hatte.
Colins Gesicht landete auf Keis Rücken und seine Arme flogen um seine Hüften, wo er sich sofort festklammerte. Er wollte sofort - schneller als sofort! - wieder loslassen, doch blieb mit seinem Festivalarmband an irgendetwas an Keis Hosenbund hängen.
Kei, der das Angerempeltwerden auf Konzerten gewohnt war, merkte sofort, wer sich da an ihn klammerte. Er befand die Situation für gar nicht mal übel, jedoch konnte er sich nicht umdrehen. Irgendwas zog an seiner Hose - ein bisschen.
Er tastete danach und fand als erstes Colins Hand. Absichtlich vorsichtig tastete er weiter, nach dem Ursprung der unfreiwilligen Anhänglichkeit. Er fand das Armband, das sich wie auch immer an einen seiner Gürtel gehängt hatte. Langsam nästelte er es frei und drehte sich um. Colin weiter festhaltend.
"Welch ein überraschender Anblick," 'flüsterte' er ihm ins Ohr.
Colin richtete sich wieder auf, sehr errötet und verlegen.
"Es tut mir Leid," bekam er vor lauter Peinlichkeit nur in peinlich hoher Stimme heraus und schauderte, als Kei ihm wieder durchs Ohr kroch - Colin sah rechts und links an ihm vorbei und sah dabei etwas gequält aus. Er kaute sich auf den Lippen herum und traute sich nicht, seine Hand zurückzunehmen.
"Das war ich nicht - mit Absicht ..."
Kei war das durchaus bewusst, ausnutzen tat er es trotzdem. Er hatte kein Problem damit, wenn Colin gegen ihn fiel. "Wirklich? Schade." Nach einer Weile ließ er Colin wieder los. Nicht ohne ihm einmal über sein hübsches Gesicht zu streichen. Er widmete sich wieder der Musik. Blieb aber in Colins Nähe.
Colin musste Kei doch eben ansehen, als er ihm ins Gesicht - was?! Als Kei sich wieder umdrehte, machte er einen Schritt zurück und fasste sich sachte an die Wange.
Er schnorrte noch etwas Bier von seinen neuen Kumpanen um nicht zuviel darüber nachzudenken, was er eventuell, unter Umständen, einem möglicherweise schwulen Vampir für Signale übermittelt haben mochte. Gleichzeitig fiel ihm allerdings nicht auf, dass er Kei nun die ganze Zeit nachdenklich bis interessiert begaffte.

Kei widmete sich fürs erste ganz der Musik und vergaß dabei, dass Colin noch da war. Er nahm einen obligatorischen Schluck Bier. Brauchte er nicht, schmeckte aber. Der Vampir schien in der Musik zu versinken. Tanzte und sprang herum. Je nach Tempo und Rhythmus.
Als die Band eine Pause machte, ließ Kei sich rücklings auf die Bühne fallen. "Shin. Bier. Danke," sagte er und nahm das bald gereichte Getränk entgegen. Leerte es auch ziemlich schnell. Außer Colin kannte immerhin niemand sein kleines Geheimnis. Sein Blick wanderte durch den Raum, blieb an Colin hängen.
Der saß im Schneidersitz bei den vier Jungen, denen er sich angeschlossen hatte und rauchte. Die geschenkte Zigarettenschachtel lag auf seinem Knie und seine freie Hand deckte sie sachte zu. Er vergaß, den Blick abzuwenden, als Kei zu ihm hinsah, und sah einfach zurück. Allerdings errötete er etwas, senkte den Blick kurz und zog an der Kippe, sah dann wieder zu Kei auf.
Kei lächelte, als Colins Blick seinem begegnete. Lächelte einfach. Das Blutrünstige war aus seinem Blick verschwunden. Für den Moment jedenfalls. Er fischte sich ebenfalls eine Kippe aus der Schachtel in seiner Hosentasche und sah weiter in Richtung Colin.
Den Moment erhielt er aber nicht allzulang aufrecht. Eine Minute vielleicht. Dann drehte er sich um und angelte nach Shins Gitarre, die in seiner Nähe stand.
Colin lächelte zaghaft zurück und sah Kei weiter an, auch als er nach der Gitarre griff. Kei legte den Kopf in den Nacken und spielte ohne hinzusehen vor sich hin. Irgendwann musste er aufhören, weil Shin seine Gitarre zurückhaben wollte.
"Kei, steh auf, wir wollen weitermachen." Angesprochener bekam einen leichten Tritt und schickte sich an, sich zu erheben.
Colin unterhielt sich kurz mit den Jungen als sie alle wieder aufstanden. Die anderen Zuschauer versammelten sich auch wieder vor der Bühne und johlten und klatschten. Kei lehnte nun, Kippe in der Hand, an der Bühne und lächelte leicht.
Colin war kurz hinter einer größeren Person verschwunden, und als Keis Sicht auf die Gruppe wieder freigegeben wurde, auch nicht mehr zu sehen.
Er ging im Vorraum forsch in Richtung Klo.

Kei, der sich kurz in der Halle umsah, fiel auf, dass Colin verschwunden war. Jedenfalls war er nicht mehr, da, wo er vor einer Minute noch gewesen war. Er wand sich durch die Menge und fand sich irgendwann nahe dem Klo wieder. Mit dem Gedanken, warum zur Hölle er das eigentlich tat. Was ihn nicht davon abhielt. Er erblickte Colin in eben jener Richtung, die er selbst eingeschlagen hatte. Wartend beobachtete er den Kleineren.
Er ging ihm ungeniert hinterher. Lehnte sich an die Wand des Vorraums. Er musste ihn nicht beim Pissen beobachten - oder beim Kotzen. Wartend stand er da, ein Bein an der Wand und die Arme vor dem Körper verschränkt. Colins Schuhe waren unter der Tür der Kabine hindurch zu sehen. Er stand seitwärts vor der Toilette, der Trennwand zugewandt, und außer etwas Rascheln schien er keine Geräusche zu verursachen. Er atmete schnell, aber versuchte, das möglichst leise zu tun, und erzeugte etwas mehr und ... wiederholteres textiles Rascheln, als es zum Hoseöffnen nötig gewesen wäre.
Kei lauschte den kaum hörbaren Geräuschen, die zweifellos von Colin kamen und mehr als eindeutig waren. Er grinste - ziemlich breit. Lehnte sich unbemerkt an die Tür der Kabine, in der Colin stand - und klopfte, sich räuspernd, an die Tür.
Colin hielt sofort inne und die Luft an. Alles an ihm versteinerte, bis auf seinen Puls. Sein Mund sagte lautlos: 'Fuck.'
Er machte ein säuerliches Gesicht und packte sich langsam und vorsichtig wieder ein.
"Was ist?!"
Kei hing mit einem Satz an der Tür und schaute darüber.
"Nichts," grinste er. Mit einem Blick, der sagte, dass er genau wusste, womit Colin gerade beschäftigt war. "So viele Leute hier und du vergnügst dich allein," fügte er immer noch grinsend an.
Colin wandte Kei blitzschnell den Rücken zu und beeilte sich beim Zuknöpfen etwas mehr, auch wenn es unangenehm war.
"Allein würde ich das nicht nennen, wenn sich noch Stalker oben an die Tür hängen und zugucken," brummte Colin grimmig.
"Du warst auch nicht zu überhören," stichelte der Größere. Eindeutig im Vorteil und überlegend, wie er den ausnutzen konnte. "Stört dich etwa, dass ich hier rumhänge?" fragte Kei grinsend nach.
Sein Grinsen war ziemlich dreckig.
Colin stieg auf die Klobrille, drehte sich dabei um, schoss Kei einen tödlichen Blick der frostigen Verderbnis zu und trat mit aller Kraft gegen die Tür.
Kei lachte. Hielt sich etwas fest - und schwang sich einfach über die Tür, sodass er nun zwischen Colin und dieser stand. "Ich bin ja schon unten - du musst nicht gleich gewalttätig werden," sagte er mit mehr als zweideutigem Unterton. Colin schnaubte wütend und hob wieder den Fuß, um offensichtlich noch einmal zuzutreten - nur diesmal etwas tiefer.
Kei war schneller dicht bei ihm, als Colin treten konnte. "Du musst schon schneller sein, wenn du mich treten willst," grinste er und beförderte den Kleineren beinahe sanft gegen die Wand.
Colin ruderte etwas mit den Armen, als er für einen Moment fürchtete, er würde ins Klo abrutschen, "Wha- Fuck," aber ging dann dazu über, sich an Keis ärmellosem Hemd festzuhalten, bis ihm auffiel, woran er sich da festhielt und sich ihm zu entwinden versuchte. Er war so genervt. "Bloody cunt of a fucking stalker! Arschloch!" fügte er hinzu, damit Kei ihn auch verstand, und funkelte ihn wütend an.
Kei grinste immer noch. "Das merkst du erst jetzt? Übrigens stalke ich dich nicht, ich war zuerst in der Halle, ziemlich sicher." Er hatte gute Laune. Immer noch hielt er den Kleineren da wo er war, verringerte den Abstand noch ein wenig und schaute ihm ins Gesicht. Colin hörte auf zu zappeln und sein Gesichtsausdruck wandelte sich von glühender Wut in etwas ruhigeres und dunkleres.
Er hob eine Hand und zählte an den Fingern ab:
"Du beglotzt mich im Unterricht, du kommst zu meinem Vorspiel, gehst mir in die Mittagspause nach und bist dann rein zufällig am Freitagabend auch bei der Schule und jetzt rein zufällig beim selben Konzert und nun auch noch rein zufällig hier im Klo - obwohl du bestimmt noch nichtmal einen Stoffwechsel hast -" Colins Blick fiel auf die Münze zwischen dem vielen Schmuck, der vor Kei baumelte, und er griff sie sich.
"Ach ja, und nicht zu vergessen - du kommst zu meinem Konzert und bringst mich fast hiermit um-" Er hielt die Münze hoch. "-und bedrohst mich vor der Schule-" seine Stimme wurde leiser.
"Auf dem Konzert und an der Schule war ich zufällig," entgegnete Kei und grinste immer noch. "Und umgebracht würde ich das nicht nennen, auch nicht fast. Das hätte anders ausgesehen, ich war ganz vorsichtig. Und auf deinem Konzert ist sie mir runtergefallen, fast tot sahst du auch da nicht aus." Er fügte noch an: "Du hättest sie mir gleich wiedergeben können, selber Schuld. Beschwer dich nicht."
Colin ließ die Münze los und rammte seinen Hinterkopf mit einem frustrierten Grunzen gegen die Wand.
"Und was willst du jetzt von mir? Ich habe nichts von dir eingesteckt." Er klang immer noch genervt, aber nicht mehr so feurig wütend. "Oh, die Zigaretten? Willst du sie zurück?" bot er mit einem unlustigen Grinsen an.
"Nein nein, die waren ein Geschenk. Das fordert man nicht zurück. Solltest du wissen." Er lächelte kurz, ehe sein Grinsen zurückkehrte. Er stand mittlerweile so dicht bei ihm, dass er Colins unbeendetes Werk vernahm. Der hielt die Luft an und starrte Kei an.
"Du bist so pervers, weißt du das? Wer geht Leuten aufs Klo nach?" zwang er heraus, und versuchte sich so wenig wie möglich zu bewegen. Aber atmen musste er wieder. Kei war viel zu nah. "Zu nah..."
"Ich nehm das als Kompliment," hatte Kei dazu zu sagen und grinste nur noch mehr, als Colin sich halbwegs beschwerte, er würde zu dicht bei ihm stehen. Der Vampir erlaubte sich die Dreistigkeit ihm noch einen Zentimeter näher zu kommen und die Situation ein bisschen auszunutzen. Er bewegte sich absichtlich mehr als nötig. Colin atmete kontrolliert aus und biss sich dabei auf die Zunge, um wenigstens kein Geräusch dazu zu machen. Er machte fast ein bisschen mit, aber versuchte davon abzulenken, indem er Kei wieder verächtlich ansah. "Du hast sie nicht mehr alle. Wer grinst denn die ganze Zeit so debil?"
Er hoffte, dass Kei nicht auffiel, dass er gar nicht mehr abzuhauen versuchte und ließ seine Arme darum da wo sie waren: Neben sich an die Wand gedrückt und möglichst unauffällig unbeweglich. Kei ließ auch noch den letzten Abstand zwischen sich und Colin dahinschmelzen, wohl merkend, dass dessen Gegenwehr verschwunden war. Das war fast schon bisschen traurig, aber störte ihn keineswegs. Obwohl er sehr geduldig sein konnte, wenn er etwas wollte. Unter gewissen Umständen. Diesen zum Beispiel.
"Du siehst bei Weitem nicht mehr so sauer aus wie vor einer Minute. So scheiße, wie du behauptest, kann ich also gar nicht sein." Sein Grinsen hatte nichts Mordlustiges, aber trotzdem etwas, das einem einen Schauer über den Körper jagte. Er sah Colin direkt in die Augen. Keine zwei Zentimeter von dessen Gesicht entfernt. Festhalten tat er ihn noch immer, nur für den Fall.
Colin fühlte sich genötigt, sehr, sehr leise zu sprechen und die Augen halb zu schließen. Das schien irgendwie am besten zu passen.
"Du bist nicht scheiße. Nur pervers und wahnsinnig."
"Oh, damit kann ich leben," erwiderte Kei beinahe ebenso leise. Vor draußen war Musik zu hören. Er verkleinerte den Abstand zu Colins Gesicht ein wenig und kostete die Situation voll aus. Nebenbei fiel ihm ein, dass seine untere Körperhälfte auch noch beweglich war und dieses Wissen setzte er auch prompt um. Einen knappen Zentimeter von Colins Gesicht entfernt. Colin schloss die Augen mit etwas gequältem Ausdruck und ließ so etwas ähnliches wie ein Seufzen verlauten. Er lehnte den Kopf so weit zurück wie möglich und wandte sein Gesicht ab. Er wollte zwar eigentlich nicht aufgeben, aber jetzt war es längst egal und er packte Keis Hemd an den Seiten, um ihn da zu halten, wo er war. Kei ließ bereitwillig Colins Handgelenke los. So hatte er die Hände wieder frei und konnte sich Anderem widmen. Während er eine Hand in seines Mitschülers Hose verschwinden ließ, drehte er mit der anderen dessen Gesicht bestimmt, aber unbrutal, wieder in seine Richtung und überwand den letzen Zentimeter an Luft auch noch. Colin machte ein etwas überraschtes Geräusch, war aber eigentlich gar nicht überrascht. Nur verdammt unsicher. Er öffnete den Mund ein kleines bisschen, schloss die Augen und nahm an, dass das so in Ordnung war, denn Keis Hand lenkte ihn ohnehin zu stark ab, um jetzt Küssen zu üben. Er drückte sich gegen seine Hand und versuchte wieder, sein Atmen zu unterdrücken. Unwillkürlich zog er Kei beim Hemd dicht an sich.
Den störte die offensichtliche Unerfahrenheit des Jüngeren kein bisschen. Er grinste ein wenig und biss ihm beinahe zärtlich auf die Unterlippe. Schmeckte dessen Blut.
Der Japaner machte es sich ein wenig einfacher und öffnete Colins Hose einfach ein Stück weit, schaffte mehr Platz und beschäftigte sich weiter damit ihm den Kopf zu verdrehen, während zwischen die beiden vielleicht noch ein Stück Papier passte, wenn überhaupt. Colin zuckte etwas zusammen und stöhnte bei dem Biss leise, was ihm sofort peinlich war, und er versuchte, davon abzulenken, indem er zurückbiss, allerdings nicht so effektiv wie der Blutsauger. Dafür krallte er sich in Keis Seiten fest und hoffte, dass das ein bisschen wehtat. Kei kommentierte das jedoch nur mit einem Grinsen und setzte sein Tun fort. An Colins Hals und in seiner Hose, mal schneller, mal langsamer. An seinem Hals hinterließ er eine Reihe blauer Flecken. Ab und an ließ er die Haut des Kleineren reißen. Er mochte das Gefühl von Colins Fingern, wie er - vergeblich – versuchte, ihm ein wenig wehzutun. Spuren würde es vielleicht hinterlassen.
Colin wand sich ein bisschen und schaffte es, wirklich nur ein paar kleine leise Geräusche zu machen, vom schweren Atmen mal abgesehen. Er ging mit Keis Bewegungen mit bis er seine Knie nachgeben fühlte. Etwas fühlte sich nach zuviel an.
"Hmf," gab er eloquent von sich und ließ Kei los um seine Arme zwischen sie zu zwängen und ihn wegzuschieben. Er rutschte fast an der Wand hinunter. Kei war gerade noch so dazu in der Lage, den Kleineren abzufangen und wieder halbwegs aufzurichten. Ein ganz klein wenig beleidigt, dass er sein Tun abbrechen musste. Mit einem eindeutig fragenden Bick sah er Colin an und gab ein unglaublich intelligendes "Was is?" von sich.
Colin sah ihn nicht direkt an, sondern sprach heiser und leise mit Keis Hals und seinen Ketten und Anhängern. "Eh, ich, das ist etwas... ein bisschen zu..." Er schnaubte frustriert und kaute auf seiner Zunge herum, aber packte Kei vorn beim Hemd. "... ich weiß nicht. Irgendwas."
Kei erwiderte ohne Gemeinheit in der Stimme: "Sag Bescheid, wenn's dir eingefallen ist. Wir können ja sonst auch erstmal wieder zurückgehen." Er lächelte tatsächlich, wenn auch nur ganz, ganz kurz. Er hatte alle Geduld der Welt. Früher oder später bekam er sowieso, was er wollte. Da war er sich mehr als sicher. Colin hielt Keis Hemd weiter fest und nickte langsam, bevor er sich wieder zurück an die Wand lehnte ohne Kei einmal direkt anzusehen, und durchatmete.
Er ließ los und begann mit angespanntem Gesicht damit, sich vorsichtig wieder anzuziehen.


Hier geht es zum nächsten Teil.

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