Monday, September 28, 2015

Kei + Colin XXIX: Can you tell me where my love has gone




*Ohayou = (jap.) Guten Morgen



MITTWOCH
Zwei stunden später quakte der Wecker schrill "OHAYOOOO!* Ein neuer Tag, gib dein Bestes und rette die Welt! Ohayoooo! Gib den Bestes und rette die Welt! Ohayoooo! Gib dein Bestes und-" Klick. Colins Hand rutschte schlaff am Regal am Kopf seines Bettes herunter. Kei schlief weiter.
Langsam setzte Colin sich auf. Seine Hand landete auf Keis Gesicht.
"Hmm." Ein morgendlich genervtes Brummen schlug Colin entgegen. Im nächsten Moment war Kei wach und setzte sich auf.
Nachdem er sich kurz die Augen gerieben hatte, rutschte Colin aus dem Bett und taperte benommen zum Kleiderschrank. Als er ihn öffnete, fielen seine Hose und sein Sweatshirt vom vorigen Tag heraus. Er trat sie zurück und nahm sich Socken, Boxershorts und seine sauber und vollständig aufgehängte Uniform heraus. Kei schaute ihm kurz zu und stand dann ebenfalls auf.
"Ich muss gleich nachhause und mich umziehen," teilte er Colin mit.
"Hm," antwortete Colin abwesend.
Kei zog sich schnell die Kleidung vom Vortag über, nahm seine Tasche und verabschiedete sich von Colin.
"Wir sehen uns dann nachher," sagte er, während er auf dem Fensterbrett saß.
Plötzlich schien Colin aufzuwachen. "Warte." Er lief zu Kei. "Ich machs wie du." Er versuchte, ihn zu umarmen. Kei grinste ein wenig in sich hinein. Erwiderte die Umarmung kurz und war verschwunden.

Kurz vor Unterrichtsbeginn saß Colin zuverlässig an seinem Platz, in seinem mittlerweile üblichen Rollkragenpulli unter der Uniformjacke, ließ seinen Druckbleistift zwischen den Fingern hin und herwandern, hatte das Kinn auf die andere Hand gestützt und sah müde/nachdenklich/verträumt aus dem Fenster, während er mit Knöpfen in den Ohren Musik hörte. Kei kam quasi mit dem Lehrer in den Raum. Die Ruhe selbst, ließ er sich überhaupt nicht hetzen. Er war umgezogen und trug nur die Jacke seiner Uniform, deren Ärmel er hochgekrempelt hatte. Ungeachtet der Temperaturen und des Wetters draußen.
Er setzte sich auf seinen Platz und grüßte Colin nonverbal, da der Lehrer die Klasse bereits zur Ruhe ermahnt hatte. Als Kei sich in sein Blickfeld setzte, schmunzelte Colin ihn an und nahm die Knöpfe aus den Ohren, schaltete den mp3-player aus und richtete den Blick nach vorn. Der Vampir schmunzelte leicht zurück und richtete seinen Blick ebenfalls nach vorn. Aber nicht lange. Das Wetter war weit interessanter als das, was der Lehrer so von sich gab. Colin passte auch nicht auf. Er sah zwar ins Buch, aber nickte leicht mit dem Kopf und wippte im Takt mit einem Fuß, ohne irgendwas auf der Seite aufzunehmen. Stattdessen schrieb er mit dem Bleistift auf den Tisch. Kei blickte irgendwann wieder nach vorn. Doch wirklich aufmerksam war er nicht. Er wartete nur darauf, dass die Stunde vorbeiging. Trotzdem begann er ein bisschen mitzuschreiben und seinen Block vollzukritzeln.
Als es endlich läutete, war der Lehrer selbst überrascht und packte kommentarlos sein Buch unter den Arm, um einfach hinauszutapsen. Colin langte gleich wieder nach seinem mp3-player und steckte sich wieder die Knöpfe in die Ohren. Kei tat es ihm gleich, nur dass er nach seiner Zigarettenschachtel griff und sich erhob um zum Rauchen nach draußen zu gehen. Vorher jedoch nahm er einen von Colins Kopfhörern aus dessen Ohr.
"Ohayo!" grüßte er.
"-Mister, can you tell me where my love has gone? He's a-" quakte es aus dem Ohrstecker, bevor Colin überrascht und leise "Ohayo" entgegnete, mit einem warmen Lächeln.
"Kommst du mit nach draußen?" fragte Kei und gab den Ohrstecker zurück.
"-Japanese Boy. I woke up one morning-" Colin schaltete die Musik aus und stand gleichzeitig hastig auf. Kei grinste ganz leicht bei dem halb verstandenen Songtext und ging mit Colin nach draußen, wo er sich eine Zigarette anzündete und die Ruhe draußen genoss. Drinnen war es ihm entschieden zu laut, sobald die Lehrer gegangen waren.
Er küsste Colin. Sehr bereitwillig erwiderte Colin den Kuss, hielt ihn aber schön kurz und keusch.
"Ihr seid für das Konzert schon sehr gut vorbereitet," bot er an.
"Danke! Wir haben auch viel geübt," erwiderte Kei und fügte die Frage an, ob Colin auch viel üben musste, oder eher nicht. Colin gab ihm einen Blick, der klar andeutete, dass das eine dumme Frage gewesen sei.
"Jeder muss immer viel üben." Er lehnte sich an die Wand. "Shingo und ich haben rangeklotzt, und es ist was gutes dabei herausgekommen." Er nickte entschlossen. "Und Frau Hasegawa wird umkippen. So wie sies dafür verdient, dass sie mich aus dem Chor geschmissen hat."
"Warum hat sie dich ausm Chor geworfen?" Er zog an seiner Zigarette. Er war ein bisschen gespannt darauf, was Colin wohl auf die Beine gestellt hatte. "Verrätst du mir, was ihr geplant habt?"
"No," sagte Colin und lächelte. Dann wackelte er mit den Augenbrauen und stieß sich von der Wand ab, um wieder reinzugehen. Kei beendete seine Zigarette noch und ging dann hinterher. Er würde wohl warten müssen, auch wenn ihm das nicht gefiel. Geduld war nunmal nicht seins.
"Schade. Ich hätts gern gesehen, wenn die Aula nicht überquillt."
"Ah, aber wo bleibt denn der Spaß, wenn man sich nicht in aller Öffentlichkeit blamiert?" Colin grinste schelmisch. Kei grinste bei dem Gedanken, wie Colin sich tatsächlich absichtlich blamierte, allerdings schlichen sich ihm dabei ein paar wirklich blamable Szenen in den Kopf, und so schob er das Ganze schnell wieder in die hinterste Ecke seiner Gedanken.
"So kann man das auch sehen. Aber wenn, dann richtig."
Daraufhin schmunzelte Colin nur enigmatisch, als er sich wieder an seinen Platz setzte.
Die Lehrerin war bereits da und ließ Arbeitsblätter verteilen. Wie meist die Ruhe selbst, ließ auch Kei sich auf seinem Platz nieder und warf einen Blick auf das Arbeitsblatt, das seinen Weg auf seinen Tisch gefunden hatte. Es war ein Englischvokabelblatt zum Übersetzen, mit ein paar kurzen Lückentexten.
Colin schnaufte gelangweilt, kritzelte innerhalb von ein paar Minuten alles voll und schielte zwischendurch zu Kei, um zu sehen, wie er voranschritt. Kei stellte sich deutlich besser an als sonst, wenn auch nicht perfekt, aber so langsam machte er sich. Zufrieden lehnte Colin sich auf den Tisch, als er fertig war und gesehen hatte, dass Kei wusste, was er tat, verschränkte die Arme, legte das Gesicht drauf und holte dreist ein bisschen Schlaf nach.

NACHMITTAG/SCHULSCHLUSS
Colin rieb sich die Augen als er langsam seinen Krempel zusammenpackte.
"Probt ihr jetzt noch?"
"Die anderen ja, ich nicht. Ich muss ja noch weg," erklärte Kei und schaute kurz auf sein Telefon.
"Achso." Das hatte Colin vergessen. Er nickte und schulterte seine Tasche. "Also bis morgen."
"Bis morgen," erwiderte Kei, nahm ebenfalls sein Zeug und war ziemlich schnell verschwunden.

WENIGE STUNDEN SPÄTER
Bei Kei zuhause klingelte es sturm.
Kei erhob sich von seinem Bett, wo er Gitarre spielend gelegen hatte, und ging zur Tür, öffnete. Sehr eiligen Schrittes schnaufte jemand in rasendem Tempo zu Keis Wohnung hoch. Der Vampir war in der offenen Wohnungstür stehengeblieben, um zu sehen, wer da geklingelt hatte. Erstaunt stellte er fest, dass es Shingo Murata war.
"Was willstn du hier?" Und woher weißt du, wo ich wohne...?
Als er in Doppel- und Dreifachschritten die letzte Treppe nahm, sah er Kei gehetzt an, als hätte er ein Gespenst gesehen. Er war offensichtlich schon eine Weile gelaufen und musste erstmal zu Atem kommen.
"Colin ist entführt worden... hech... er hat mich zu dir geschickt... hah..."
"Wer hat dich geschickt? Colin?" Er ahnte Böses. Shingo nickte und stützte sich auf die Knie, immer noch keuchend.
"Er hat mir deine Adresse... gesagt... als wir gerannt sind... er ist nicht... sehr sportlich... Ich darf nicht zur Polizei, hat er gesagt... und nicht zu den... Eltern, nur Sakai, sagte er..." Endlich richtete Shingo sich wieder auf, mit rotem Kopf. "Drei Männer, zwei im Anzug, einer mit lila Jogginganzug, schwarze Limo, Honda, mit getönten Scheiben -" begann er.
Kei dachte nach. "Komm rein. Setz dich hin. Ich muss eben telefonieren, wenn du was trinken willst, bedien dich einfach. Küche is da lang." Er deutete Shingo den Weg und nahm sein Telefon.
Seinem Gesprächspartner teilte er alles mit, was Shingo erzählt hatte.
"He Shingo! Haben die Typen irgendwas gesagt?"
Shingo hatte Wasser direkt aus dem Hahn aus seinen Händen getrunken und sich das schweißnasse Gesicht etwas abgewaschen.
"Der eine Anzug sagte, dass sie Colin haben wollen und ich egal sei. Das war alles. Wir sind bis zum Virgin Music Store gekommen. Von da aus sind sie Richtung Ostviertel gefahren. Er hat sein Handy noch bei sich." Daraufhin ließ Shingo sich auf den nächsten Stuhl fallen und beugte sich erschöpft vor. Besagter Virgin Store befand sich am anderen Ende der Innenstadt.
Kei hatte das Telefon noch am Ohr.
"Handyortung, wenn wir Glück haben, ist's noch an. Es geht ihnen nur um Colin. Ich glaube ich weiß, wer dahinter steckt," sagte er.
Nachdem er noch einige Minuten telefoniert hatte, steckte er das Telefon weg und nahm sich eine Zigarette.
"Ich kümmer mich darum, Shingo. Keine Polizei und lass Colins Eltern da raus. Ich will mich nicht auch noch mit denen auseinandersetzen müssen."
Shingo sah ihn müde, gestresst und zweifelnd von unten an, wo er auf seine Knie gestützt herumsaß.
"Warum sollte ich zu dir und nicht zur Polizei? Was hat Colin mit der Yakuza zu tun?"
"Er eigentlich gar nichts." Kei zog an seiner Zigarette lehnte sich an die Wand. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass Colin von den Leuten vom Vortag entführt worden war, von den Kollegen derjenigen, Kei im Garten abgeschlachtet hatte. Das war momentan die plausibelste Erklärung.
Ein paar Minuten später klingelte es wieder.
Shingo schüttelte den Kopf. "Du gehst ganz schon gelassen damit um, dass du ihn da reingeritten hast." Er wischte sich über das Gesicht.
"Soll ich etwa panisch durch die Gegend rennen?" fragte der Vampir und ging an die Tür. Davor einer seiner Vorgesetzten. Er ließ ihn herein und gesellte sich mit dem Mann zurück an den Küchentisch an dem Shingo saß. Die beiden besprachen kurz, wie sie mit der Situation umgehen sollten und beschlossen, sich ihr sofort anzunehmen.
"Shingo, ich muss dich rauswerfen, ich muss los."
Eilig sprang Shingo auf. "Ich kann euch helfen!"
Der Mann im Anzug wendete sich an Shingo. "Das ist zu gefährlich, Kleiner. Nicht nur für dich."
"Und was mache ich dann?" fragte er hilflos.
"Abwarten, Tee trinken, Fresse halten," bot Kei an.
"Rede nicht so mit mir, Arschloch! Deinetwegen ist das passiert!" Er ging trotzdem zur Tür. Colin hatte ihm gesagt, er solle tun was Sakai sagt. Nicht, dass er ihm das auf die Nase binden musste, auch wenn er der Aufforderung nachkam.
Kei und der Mann im Anzug gingen ebenfalls zur Tür, nachdem Kei Schlüssel und dergleichen zusammengesucht hatte. Unten stiegen sie in einen Wagen und waren ziemlich schnell verschwunden. Shingo ließen sie einfach unten stehen.
Entgegen aller Hoffnung versuchte Shingo, Colin anzurufen und ihm Nachrichten zu schicken, aber es funktionierte nicht.


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