Thursday, September 17, 2015

Kei + Colin VII: Blut geleckt 2


Hier geht es zum ersten Teil.


Sie gingen zurück in die Halle, wo die zweite Hälfte des Konzerts in vollem Gange war.
"Willst du was trinken?" Er erklärte sich selbst als bekloppt dafür, dass er wie ein verliebter Teenager versuchte, eine Art Konversation herzustellen. Nebenbei betrachtete er Colin und die Spuren, die er an ihm hinterlassen hatte. Morgen würden die noch deutlicher zu sehen sein.
Colin war wie automatisch mitgegangen, obwohl er das die ganze Zeit für eine ausgesprochen bescheuerte Idee hielt. Auf dem Weg zurück in die Halle hatte er seine zusammengeknoteten Jackenärmel sorgfältig vor sich drapiert, um das Zelt in seiner Hose zu verdecken.
Auf Keis Frage hin fasste er sich verlegen an den Nacken und runzelte die Stirn, als er dabei über mehr als eine wunde Stelle strich.
Er nickte und hielt sich davon ab, selbst den letzten Schritt zur Theke zu gehen. Kei hatte ihn überfallen und befummelt, dass er ihm jetzt ein Getränk spendierte war ja wohl das mindeste.

Kei ging Colin ein Bier holen und sich selbst irgendwas buntes hochprozentiges. Grinste dabei ein bisschen. Sich fragend, wie lange der Kleinere wohl was von den Andenken um seinen Hals haben würde. Eigentlich war ihm das egal, er hatte ohnehin vor, seine Spuren zu erneuern. Colin lief ihm ja ständig über den Weg. Gelegenheiten gab es genug und er konnte ja auch selbst für welche sorgen.
Auf dem Weg zur Bühne überreichte er ihm die Glasflasche und hielt in der anderen Hand ein mit etwas pink-blauem gefülltes Glas aus dem ein großer Strohhalm herrausschaute. Colin nahm die Flasche entgegen, so gefasst wie schon den ganzen Abend nicht mehr, seit er Kei begegnet war. "Danke."
Er musterte Keis Getränk und schmunzelte. Das versuchte er zu unterdrücken und um nicht breit zu grinsen oder gar zu lachen, nahm er einen großen Schluck Bier. Kei leerte Teile seines bunten Zeugs und stellte das halb leere Glas auf der Bühnenkante ab.
Über eventuelle Drogen in seinem Glas machte er sich keine Gedanken. Wer ihn abschleppen wollte, überlebte das sowieso nicht. Er begann wieder mit der Herumspringerei in Colins Nähe und bezog diesen in seine Aktionen mit ein, wenn er schon neben ihm herumstand.
Colin hatte seine kleine Bierflasche auch schnell leergetrunken und machte einfach mit. Irgendwie hatte der farbenfrohe Cocktail Kei in seinen Augen entschärft und Colin amüsiert. Irgendwann blieb er grinsend stehen, pulte die Kippenschachtel aus seiner Hosentasche, steckte sich zwei in den Mund, zündete sie an und hielt Kei eine davon hin.
Als Kei das Angebot des anderen wahrnahm, hielt er inne und nahm nickend die Kippe entgegen. Sein Getränk wurde einfach von einem der Bandmitglieder geleert. Den Vampir kümmerte das nicht wirklich. An dem für ihn nicht ganz so gesundheitsschädlichen Glimmstengel ziehend, schaute er mal auf die Bühne, mal zu Colin. Dass er sich so gar nicht Kei-typisch verhielt, vergaß er ein wenig - der Musik geschuldet. Colin begann, die Haare zur lauten, harten Musik zu schütteln und schien bald völlig entspannt zu sein, das heißt, nicht mehr auf der Hut, und er beobachtete Kei nicht mehr misstrauisch, sondern warf ihm nur zwischendurch gutgelaunte Blicke zu. Als er seinen Zigarettenstummel fallenließ und drauftrat, kam ihm ein wilder Gedanke und er sah Kei mit sowas wie einem abenteuerlustigen Lächeln an. Kei, der nicht allzu viel Platz für sich beanspruchte, während er seine Frisur gekonnt ruinierte, schaute ab und an zu Colin hinüber, bemerkte zwar dessen Gemütsveränderung, achtete aber nicht weiter drauf, dass er nun vor ihm stand. Eigentlich achtete er auf so gut wie gar nichts.
Colin war vor ihn getreten, vorsichtig nur insofern, als dass er ihn nicht anrempeln wollte. Der Vampir hatte einen, man konnte meinen, glücklichen Gesichtsausdruck. Colin zögerte kurz, als er Keis Gesicht sah, und strahlte ihn eine Sekunde lang an, bevor er nach Keis Nacken langte und dicht an ihn herantrat.
Kei, nun zwar in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, fing an zu grinsen. Eine Mischung aus versaut und etwas freundlichem. Bevor Colin auf die Idee kommen konnte seine Offensive noch mal zu überdenken griff er sich den Kleineren, hielt ihn mit Leichtigkeit da, wo er war - und küsste ihn.
Colin kam es so vor, als hätten sie beide den gleichen Gedanken gehabt und lächelte triumphierend. Das ging allerdings unter, als Kei ihn plötzlich festhielt und seine Lippen auf einmal da waren. Colin erwiderte den Kuss, den er eigentlich selbst hatte beginnen wollen und war froh über die laute Musik, die sein unwillkürliches Seufzen bequem übertönte.
Kei grinste und erhielt den Kuss aufrecht. Atemluft wurde seiner Meinung nach sowieso überbewertet. Er verringerte den Abstand zwischen sich und Colin und vertiefte den Kuss weiter, seine Finger in die Gürtelschlaufen des anderen verhakt.
Es dauerte etwas länger als Colin vorgehabt hatte. Kei war noch näher gekommen und hielt ihn richtig fest. Colins Zelt meldete sich zurück, und mit einem ungeplanten "Hm!" ließ er Kei los und wollte zurücktreten. Der aber grinste nur und hielt ihn fest. Er hatte schließlich angefangen, jetzt musste er das auch ausbaden.
Als er merkte, dass er auch nicht wegkam, wenn er mit dem Unterarm gegen Keis Brust drückte - sondern sich damit nur an seinen Anhängern kratzte - musterte er Keis Gesicht. Er rollte kurz die Augen und seufzte.
"Meine Würde ist eh dahin," sagte er zu sich selbst, und "Ah fuck it," und küsste Kei wieder.
Colins Widerstand schmolz dahin. Kei grinste triumphierend und kommentierte des Kleineren Bemerkung nicht weiter. Er wollte die Stimmung nicht kaputtmachen. Den Kuss erwidernd und die laute Musik und das Dämmerlicht genießend, manövrierte er Colin in Richtung Bühne und nahm ihm so jegliche Ausweichmöglichkeit. Eine seiner Hände wanderte unter das T-Shirt des anderen. Colin schauderte ein bisschen und biss Kei etwas in die Unterlippe. "Lass das," zwang er heraus und versuchte, die Hand wegzuschieben. Kei biss halbwegs vorsichtig, aber stärker als Colin zurück. "Warum?"
Er hatte nicht vor, 'das' bleiben zu lassen, aber vielleicht hatte sein Mitschüler einen guten Grund.
Man konnte ja nie wissen.
"Weil-" Er biss wieder auf Keis Unterlippe und behielt sie zwischen den Zähnen. "-ich das sage." Er umfasste gleichzeitig Keis Handgelenk und versuchte es ein bisschen forscher.
Grinsend antwortete Kei: "Das... ist kein Grund." Er ließ sich von Colins Hand nicht stören und ließ die seine einfach, wo sie war.
"Weil ich dir sonst ein Knie in die Eier ramme, ist das ein Grund?" knurrte er, aber hörte nicht auf, seine Zungenspitze über Keis Lippe zu ziehen und seinen Unterleib an ihn zu drücken - letzteres aber eher unbewusst. Jetzt grinste Kei nur noch ein bisschen mehr. "Das glaub ich kaum," flüsterte er und drückte ihn ein bisschen mehr gegen die niedrige Wand, wobei er sich so hinstellte, dass Colin ihn gar nicht treten konnte - mit einem Bein zwischen denen des Jüngeren. Er stubste Colins Zungenspitze mit der eigenen und behielt seine Hand wo sie war, die andere noch immer an Colins Hosen verhakt. Colin stellte nun bei dem Versuch seine Drohung wahr zu machen fest, dass er sich kaum bewegen konnte. Er zog den Kopf zurück, um Kei wütend anzufunkeln, dann packte er ihn wie zuvor beim Nacken und küsste ihn wieder, hart, und biss so fest in seine Unterlippe, dass er Blut schmecken konnte. Kei funkelte zurück, aber nicht wütend. Eher so, als wollte er ihm wiederholt mitteilen 'Selber Schuld.'
Er fand immer mehr Gefallen an Colin. Seine Hand, die an den Jeansschlaufen festhing, wanderte zu dessen Gesicht und hielt ihn da fest, wo er war, während die andere ein Stück weiter unter das Hemd kroch um sich der Erkundung zu widmen. Er erwiderte den Kuss wie er von Colin begonnen worden war, mit dem Gedanken, dass man dieses Spiel auch zu zweit spielen konnte. In seiner Körpermitte machte sich Wohlgefallen bemerkbar.
"HM!" beschwerte Colin sich vor Unbehagen und Schmerz und ließ Kei wieder los, um noch einmal einfach zu schieben, aber es war kein Platz zwischen ihnen. Die Mischung aus Erregung und Entrüstung ließ ihn verzweifelt quietschend aufseufzen und zum allerletzten Strohhalm greifen. Er griff in Keis Haare und zog feste.
"Wir sind nicht allein, Perversling!"
Kei machte ein Geräusch, das leichte Schmerzen verlauten ließ und grinste, nachdem seine Haare keinem Zug mehr ausgesetzt waren. "Das kann man ändern."
Von Colin abzulassen kam ihm gar nicht in den Sinn.
"Okay! Ändern wir das!" rief er etwas atemlos. Er schubste Kei bei den Schultern und schien es furchtbar eilig zu haben. Er wand sich, um seinen Unterleib von Keis fernzuhalten, damit keine Peinlichkeit passierte, aber bewirkte damit fast das Gegenteil.
Kei lachte ein bisschen. Griff sich Colin und hielt ihn fest. Grinsend schleppte er ihn nach draußen, wo er blitzschnell mit ihm aufs Dach sprang.
"So. Erledigt." Noch immer hielt er den anderen ganz dicht bei sich. Colin machte ein unmissverständliches So-ein-Mist-Gesicht. Während der Flucht aus dem Gebäude hatte Kei ihn die ganze Zeit festgehalten. Und jetzt vom Dach zu entkommen... er linste über die Kante des Flachdaches.
"Eigentlich wollte ich jetzt türmen," gab er trocken zu.
Kei küsste ihn einfach, hatte nicht vor, ihn abhauen zu lassen. "Hm. Du bist klar im Nachteil, ich würd mir das noch mal überlegen." Er deutete auf den Vorsprung des Daches, nach unten waren es gut sechs Meter.
"Kannst du mal bitte einfach aufhören? Ich bleibe hier. Lass mich nur kurz los, ja?" Er guckte Kei ernst an und rührte sich nicht. Er leckte sich kurz über den Riss in seiner Unterlippe.
Kei ließ ihn tatsächlich los. Weglaufen konnte er ja nicht.
Er begügte sich vorerst damit, den Jungen zu betrachten.
"Meinetwegen," sagte er.
Colin atmete auf, als er wirklich losgelassen wurde. Er machte nur einen kleinen Schritt rückwärts und zog sein T-shirt herunter (das eigentlich schon vernünftig saß). Es gab ihm einen Vorwand, an sich hinunterzusehen anstatt in Keis Richtung.
"Es ist peinlich, okay? Mir ist das hier peinlich. Wie kann ich mir von dir einen runterholen lassen, du überfällst mich auf dem Klo und bedrohst mich mit Messern und machst dich wahrscheinlich sowieso nur über mich lustig -" schwang einen anklagenden Zeigefinger - "Da kannst du noch so gut aussehen -" brach ab und drehte sich zur Seite, mit einem Ah-Mist-Gesichtsausdruck.
Kei grinste. Das war sein Problem? Er überlegte kurz tatsächlich auf alle von Colins Äußerungen zu antworten, ließ es aber dann bleiben.
"Ich mach mich nicht über dich lustig. So ein Arscloch bin ich auch wieder nicht." Spaß hatte er schon, aber anders. Er grinste bei Colins letztem unvollendetem Satz. Plötzlich hinter ihm stehend, umarmte ihn einfach. "Wie wär's wenn du das Denken einfach bleiben lässt?"
Colin erstarrte.
"... Warum." sagte er hohl. "Ich werde meine Hose einsauen und nie wieder zur Schule kommen können, weil ich mich jedesmal in Grund und Boden schäme, wenn du wieder so bescheuert grinst."
Colin fügte noch zerknirscht hinzu: "Außerdem bin ich Jungfrau. So." Colin drehte sich in Keis Umarmung zu ihm um. "Ha! Und außerdem bin ich gar nicht schwul!" probierte er, guckte Kei aber sehr zweifelnd an.
Kei befand, dass Nachdenken Colin nicht bekam. "Du denkst zuviel," kommentierte er grinsend. "Wenn du nicht schwul bist, bin ich ein Mensch und religiös." Colins Jungfräulichkeitsgeständnis überraschte ihn keineswegs. Es hätte ihn mehr gewundert, wenn es nicht so gewesen wäre. Er hielt ihn weiter fest und war gespannt, wann ihm wohl die nicht funktionierenden Argumente ausgehen würden. Colin hob rasch den Zeigefinger und seine Augen weiteten sich.
"Ha! Du bist kein Mensch! Du stehst gar nicht auf mich, du willst mich nur auslu-äh-" Er zog es vor, das Wort nicht zu beenden. Er fühlte sich so schon rot werden.
Kei konnte ein Lachen nicht unterdrücken. "Dir müsste für das Gegenteil Beweis genug sein, dass du noch am Leben bist." Colin sorgte mit seinen Äußerungen nur noch mehr dafür, dass Kei nicht wirklich gewillt war, ihn einfach so laufen zu lassen (und sein Werk irgendwann anders zu vollenden). "Bring mich nicht auf dumme Gedanken," hauchte er ihm ins Ohr - dreckig grinsend.
Colin schauderte, zum gefühlten dutzendsten Mal.
"Die hast du von ganz allein," konterte er. Keis Hals war so nah.
Kei grinste immer noch. "Das stimmt, aber du inspirierst meine dummen Gedanken." Er lächelte.
"Ich werde so schlecht sein," informierte er Keis Hals.
"Übung macht den Meister," informierte er Colins Haare.
"Willst du damit andeuten, dass du viel Übung hattest?" Colin bewegte sich nicht weiter, als dass seine Hände unentschlossen über Keis Hemd seinen Bauch und die Brust hinaufwanderten.
"Wenn man das viel nennen will, ja." Kei wollte ihm nicht unbedingt verraten, wie er sich seine Zeit vertrieb, wenn ihm sehr langweilig war und schon gar keine Zahlen nennen (von bevor ihm Colin über den Weg gelaufen war).
"Jeder, von dem du trinkst, stirbt?" fragte er leise.
"Hm, fast alle. Ich hätte, gelinde gesagt, ein Problem, wenn das auffliegen würde." Offensichtlich, denn immerhin hätte er eine ganze Menge Anzeigen am Hals, wenn er die Menschen leben ließe und noch einige Probleme mehr.
"Also musst du sie nicht umbringen. Du tust es nur, damit sie dich nicht verraten können." Colin küsste Keis Hals.
Dass er gern tötete, musste er Colin jetzt nicht erzählen. "Genau." Kei begann damit, den Kleineren im Nacken zu kraulen und irgendwann seine Hand von oben ein Stückchen in dessen Hemd wandern zu lassen.
"Du hast dich also unter Kontrolle wenn du trinkst, und kannst aufhören, wann du willst," tastete Colin sich weiter vor. Er zog den Kopf etwas zurück und küsste Kei, nahm dabei langsam die gerissene Stelle, die er verursacht hatte, zwischen die Lippen und leckte sachte darüber.
"Meistens," antwortete er wahrheitsgemäß. Er konnte auch unfreiwillig sehr blutrünstig werden. Ausgehungert zum Beispiel. Das kam selten vor. Schließlich lebte er in einer Stadt mit vielen Menschen. Er erwiderte den Kuss lächelnd. Er war so frei, Colin eine Weile die Oberhand zu überlassen. Wartete ab, was der nun anstellen würde.
Colin brach den Kuss ab und wandte sich Keis Ohr zu, streifte dabei mit den Lippen seine Wange ein wenig: "Trink von mir."
Er schob seinen Körper sehr dicht an Keis.
Kei, der auch ohne Aufforderung auf diesen Gedanken gekommen wäre, schließlich war Colins Blut für ihn ein wenig mehr als nur Lebensmittel, tat, als würde er sich das ein Weilchen überlegen, während er anfing Küsse auf dem Hals dem Kleineren zu verteilen. Mit einem kleinen Grinsen kommentierte er Colins Bitte: „Wehe du beschwerst dich, wenn du morgen früh nicht aufstehen kannst. Ich pass auch auf dich auf, wenn du bewusstlos wirst.“ Bevor noch eine weitere Sekunde verging, vergrub er seine Zähne in einer großen Vene und bediente sich an dem flüssigen Leben, das durch Colins Körper schoss.
Der Schmerz ließ Colin ein wenig zusammenzucken, bevor er langsam ausatmete und sich entspannte. Er küsste Keis Halsbeuge und Kiefer dort, wo sein Gesicht sowieso gerade war.
"Das fühlt sich sogar gar nicht mal schlecht an," murmelte er mit einer Stimme, die das eindeutig als Untertreibung entlarvte.
Kei fand das gar nicht mal schlecht zu hören. Hieß für ihn, dass er soviel bekommen konnte, wie er wollte.
Er wusste allerdings nicht, wie viel Blut er Colin tatsächlich wegnehmen konnte, bevor der in seinen Armen zusammenklappte. Das interessierte ihn nur bedingt und zwar insofern, dass er ihn nicht töten wollte. Bewusstlos war nicht so dramatisch.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und einer sehr großen Menge Blut ließ er von dem nun doch etwas blass aussehenden blonden Jungen ab. Sein Blick war leicht berauscht. Festhalten tat er ihn immer noch.
Colin hielt sich auch fest, die Arme über Keis Schultern gelegt, aber eigentlich lehnte er mehr an ihm. Als der Mund verschwand, tat es wieder kurz weh, und Colin stieß sich ein bisschen ab, um Kei anzusehen. Das war ein Fehler. Mit benebeltem Blick wankte er und machte zwei unsichere Schritte rückwärts. Mir ist schwindelig, dachte er, und wollte es auch sagen, aber raus kam nur "Mür 'schn."
Kei hielt ihn fest und setzte sich mit Colin im Arm auf den Boden, lehnte ihn dabei an sich, bevor dieser ans Fallen denken konnte. „Alles klar?“ fragte er leise. Er war selbst nicht ganz klar bei Verstand. Mehr so, als hätte er Aufputschmittel genommen. Oder andere Glücksdrogen. Sein Gesicht war etwas blutverschmiert. Mit einem Halstuch, dass er aus der Hosentasche zog, wischte er sich den Mund ab.
Colin kicherte ein bisschen und bemerkte gar nicht, dass er etwas dagegen haben sollte, an den Freak angelehnt zu sein, weil er sonst umkippen würde.
"Ooh, warum, das sah gut aus," beschwerte er sich gutgelaunt über das Tuch und leckte sich mit Blick auf Keis Mund die Lippen. Er reckte sich idiotisch lächelnd vor und gab Kei einen Kuss und murmelte, ohne sich da wegzubewegen: "Ich habe gewonnen."
Kei machte ein fragendes Gesicht. „Was hast du gewonnen?“ Er konnte sich nicht vorstellen, dass Colin wieder mit den Tussen aus ihrer Klasse gewettet hatte. Den anderen ansehend wartete er auf eine Antwort, als es leicht zu regnen begann.
Colin hob einen triumphierenden Zeigefinger und lächelte Kei von seiner Schulter aus benebelt an. "No sex, sexy vampire."
"Ich hab noch massig Zeit, Kleiner. Du lebst ja noch." Kei grinste leicht versaut zurück. Er hatte den Plan noch nicht aufgegeben und würde das so schnell auch nicht tun. Er biss leicht in Colins erhobenen Zeigefinger und behielt ihn einfach im Mund - als wollte er unterstreichend sagen 'Das Spiel ist noch nicht vorbei.'
Colin guckte dumm auf den Finger zwischen Keis Zähnen und zog ein paarmal halbherzig daran.
"Bist du nicht sowieso unsterblich oder sowas?"
Er blieb einfach an Kei gelehnt sitzen.
"Ja. Ich hab also noch sehr, sehr viel Zeit. Du stirbst aber irgendwann, also hab ich nicht unendlich viel Zeit." Er ließ Colins Finger wieder los.
Der Regen wurde stärker.
Colin blinzelte langsam und beugte den Kopf vor. "Das klingt fast kitschig."
Kei lachte. "Wir sitzen hier in strömendem Regen. Das ist auch kitschig," kommentierte er das Wetter, während seine Kleider immer nasser wurden.
"Ist doch schön erfrischend. Du hast eine Abkühlung nötig," bemerkte Colin mit Blick in den Himmel und hob eine Hand in den Regen. "Ist das jetzt deine persönliche Mission, mich flachzulegen?"
"Mission? Nein," entgegnete er grinsend, mehr sagte er dazu nicht. Was er vielleicht hätte sagen können, hätte sich nur total bekloppt angehört. Wobei Colin ihn nach dem heutigen Tag eh für bescheuert halten musste.
Aber noch schlimmer machen musste er es auch nicht.
Colin rollte mit den Augen. "Dann eben Ziel, was auch immer."
"Finds raus, wenn du wieder laufen kannst ohne umzufallen." Er grinste.
Colin sah Kei kurz etwas genervt an und dann wieder nach vorn. "Ich werds merken, wenn du demnächst so weitermachst wie heute. Oh. Wie schmecke ich eigentlich?" fragte er plötzlich, mit bloßer Neugier und ohne Genervtheit in der Stimme.
Kei verkniff sich den Kommentar, dass Colin das schneller herausfinden würde, als ihm lieb sei und antwortete auf die zweite Frage kurz. "Verdammt gut."
Colin zögerte, bevor er Kei wieder sein Gesicht zeigte. Dann knuffte er ihn mit einem Schmunzeln mit dem Ellenbogen in den Brustkorb. "Ich wette, das sagst du zu jedem."
Kei entgegnete: "Ja, wenn ich die Leiche entsorgt habe sage ich 'Schade, warst lecker.'"
Colin lachte leise.
Mittlerweile hatte sich der Regen zu einem ausgewachsenen Wolkenbruch entwickelt.
Kei lächelte in den Himmel und war tatsächlich mal ruhig.
Colin legte seinen Kopf auf Keis Schulter zurück und öffnete den Mund weit.
"Schmeckt genau wie Duschwasser," kommentierte er.
"Ne, das schmeckt mehr nach Seife," meinte der Vampir. "Willst du noch hier bleiben, oder ins Trockene?" fragte er und sah in die Lichter der Stadt, die bei diesem Wetter nachts besonders schön waren.
Colin schloss die Augen und rollte seinen Kopf etwas in Keis Richtung, sodass sein Gesicht so ziemlich in seiner Halsbeuge vergraben lag.
"Ich will nach Hause."
Kei stand auf und trug den Kleineren huckepack. "Okay, dann brauch ich ne Wegbeschreibung," meinte er.
"Woah." Colin war damit nicht völlig einverstanden, konnte aber nicht schnell genug reagieren. "Du willst mich tragen?" Um nicht hinunterzufallen, legte er Arme und Beine um Kei.
"Wenn du allein gehst, liegst du in fünf Metern auf dem Boden." Mehr sagte er dazu nicht, hielt ihn gut fest und sprang vom Dach.
Colin klammerte sich fest. "Okay okay," rief er hastig und nannte seine Villenvierteladresse. "Die U-Bahnstation würde aber eigentlich reichen..." fügte er hinzu. Colin fühlte die nassen, klebenden Kleider warm werden, wo er an Keis Rücken gedrückt war, und fand das überraschend uneklig.
Kei kannte den Weg dahin, war aber so gut wie nie dort. Mit seinen eigenen Verhältnissen war das nicht zu vergleichen. Er bewohnte eine kleine Zweizimmerwohnung, und das war in Tokyo schon beinahe luxuriös, besonders für einen Schüler.
"Damit du in der Bahn einschläfst oder auf dem Weg von der Bahn nachhause. Ich bring dich nachhause und hau dann ab." Kei wollte ihm nicht sagen, dass es ihm nicht passte, ihn allein durch die Stadt rennen zu lassen. Nicht bei dem Wetter, mit den Menschen, und Colins Alter brauchte er gar nicht zu erwähnen.
"Es ist aber einigermaßen weit-" merkte er zaghaft an.
"Ach was. Ich bin ein kleines bisschen ausdauernder als ein Mensch. Das wird mich jetzt nicht umbringen," entgegnete er und machte sich auf den Weg, wobei er die Straßen in normalem Tempo entlangging. Colin fand sich damit ab, und war froh, dass bei dem Wetter zumindest weniger Zeugen für seine Lage auf der Straße waren und der Regen bestimmt auch sein übriges tat, sie anonym aussehen zu lassen. Trotzdem legte er seinen Kopf auf Keis Schulter, mit dem Gesicht in seiner Halsbeuge. Damit er anonym blieb. Genau aus dem Grund.
"Für einen Vampir bist du ziemlich warm," murmelte er auf Keis Haut.
"Du wärmst mich auf," meinte er dazu. Er hatte nicht gar keine Körpertemperatur, aber eine relativ niedrige. Für die Wärme sorgte Colin, der ziemlich warm war. Kei mochte das. Auch wenn er nicht frieren konnte, Wärme war was schönes. Er lief die Straßen weiter entlang und nahm Abkürzungen über ein paar Zäune.
Colin döste fast ein.
"Erzähl mir von der Münze."
"N andres Mal." Kei wollte die Geschichte nicht erzählen. Nicht jetzt.
Er wich ein paar Polizisten aus - schließlich waren sie beide minderjährig und es war mitten in der Nacht.
"Ich höre gut zu und quatsche nicht dazwischen," versprach Colin. Er klang allerdings etwas müde.
"Du schläfst gleich," wich er aus. "Ich erzähls dir wann anders," fügte er an und sprang in derselben Minute über einen hohen Zaun. Der Weg war wirklich weit, aber machbar.
"Warum nicht jetzt? Ich finde, es geht mich schon ein bisschen was an."
"Darum." Kei wollte weder seine Stimmung ruinieren, noch viel von sich erzählen, was er unweigerlich müsste, wenn er die Geschichte erzählen würde.
"Ich erzähls dir wann anders - du kannst löchern, wie du willst."
Colin hatte den Kopf gehoben und klang wieder wacher. "Hey, du hast mich dafür bedroht und mein Blut draufgeschmiert. Ich will nur wissen, was es damit auf sich hat."
"Trotzdem muss ich dir das nicht jetzt erzählen." Kei sprach ganz ruhig. Colin würde das schon früh genug rausfinden.
Er legte den Kopf zurück auf die Schulter. "Für jemanden, der mir ins Klo nachgeklettert ist, stellst du dich jetzt ganz schön an." Er murmelte weiter. "Aber irgendwie ist es beruhigend zu wissen, dass dir auch was heilig ist."
Kei sagte nicht viel dazu. "Jeder muss irgendetwas heiliges haben." Das war alles.
Der Regen wurde etwas schwächer. Colin nickte ein bisschen. Er atmete langsam auf Keis Hals. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Kei an der genannten Adresse an.
"So! Wir sind da. Aufwachen," sagte er und blieb vor dem riesigen Haus stehen, das er ein wenig bewunderte, vor allem, wenn er an seine eigene unordentliche Bude dachte. Colin tat so, als würde er aufwachen und rutschte von Kei herunter. Er zupfte Keis klebendes Tanktop etwas von seinem Rücken.
"Danke," sagte er leise. Er rupfte die verknoteten Ärmel seiner Jacke auseinander und zog sie sich an.
"Gern geschehen," sagte Kei. "Kann ich dich hier allein lassen?" fragte er.
Colin nickte, ohne ihn anzusehen und zog sich die Kapuze über die nassen Locken, was praktischerweise die Sicht auf Keis Spuren rund um seinen Hals etwas einschränkte. Colin wusste noch gar nicht, dass sie überhaupt da waren. Er ging zur Sprechanlage neben dem gusseisernen Tor und drückte auf einen der Knöpfe.
Kei wartete noch, bis Colin verschwunden war, ehe er in die Nacht verschwand.
Lächelnd.

No comments:

Post a Comment