Friday, September 25, 2015

Kei + Colin XX: Kids


*Katakana = Jap. Silbenschrift, die für Fremdwörter/Wörter aus Fremdsprachen verwendet wird
** Romaji = Lateinische Schrift ("ABC")



Colin war offensichtlich verlegen und fast nervös darüber, zu spät zu kommen, und sah etwas verschämt aus, aber das setzte sich auch schnell wieder, als er anfing, sich auf den Stoff zu konzentrieren. Dann begann er auch damit, zwischendurch zu Kei zu sehen.
Als er sich zu langweilen begann, schrieb er auf ein Blatt:

Übersetzungsübung
important =
question =
have you ever =
boyfriend =

und legte es auf Keis Tisch.


Kei bemerkte das auf seinen Tisch geschobene Blatt erst gar nicht. Erst als er sich wieder in Richtung Klasse drehte und seinen Blick von den Wolken draußen nahm, fiel ihm auf, dass etwas neues auf seinem Block gelandet war. Als er es las, begann er damit, das Wörterbuch in seinem Kopf zu durchwühlen. Mit einem Bleistift schrieb er die Übersetzungen neben die Gleichzeichen.

Wichtig
Frage
Hattest du immer ? /jemals
fester Freund

Kei bemerkte nach bestimmt zwanzigmaligem Lesen, dass das eine Frage war und baute sie zusammen.
'Hattest du jemals einen festen Freund'
Nachdem er das 'Rätsel' gelöst hatte, kritzelte er ein unsauberes 'never' in Katakana* darunter und gab Colin das Blatt zurück.
Colin schrieb darunter 'never' in Romaji** und fügte 'Girlfriend?' hinzu, gab dann das Blatt zurück.
Kei schrieb wieder 'never' darunter, diesmal in Romaji und schob den Zettel zurück.
Colin begann, etwas zu schreiben, strich es dann aber großzügig durch. Er stützte sich auf die Kei zugewandte Hand, um sein Gesicht ein bisschen zu verdecken und achtete wieder auf den Unterricht.
Kei wusste nicht, weshalb Colin das wissen wollte. Fragte aber auch nicht nach. Er sah stumm nach vorn und tat, als ob er zuhören würde.
Colin schämte sich etwas dafür, danach gefragt zu haben...
Als der Unterricht endlich vorbei war, lehnte sich Colin in seinem Stuhl zurück und packte seine Sachen langsam zusammen. Keis Handy vibrierte in seiner Hosentasche. Eine SMS. Er stand auf und zog es aus seiner Tasche, schaute darauf. Nachdem er gelesen hatte, steckte er das kleine Gerät zurück in seine Tasche, nahm seine Sachen und ging eilig nach draußen. Warum hier...?
Colin sah ihm interessiert nach und packte sein Zeug gemächlicher zusammen.

Kei ging nach draußen, als sein Blick auf den schwarzen Wagen fiel. Daran gelehnt stand Hiroki und in einiger Entfernung ein Motorradfahrer.
"He, Keisuke!"
"Hallo, Hiroki," grüßte er den Mann, dessen Namen er mittlerweile gut kannte. Sein eigentliches Ziel stand kurz dahinter und beäugte ihn wartend.
"Hat Colin dir die Einladung gegeben?" fragte der Mann freundlich.
Kei schaute ihn fragend an. "Einladung?" Er hatte keine Ahnung. Hiroki schien auch nicht viel von ihm zu halten, jedenfalls nicht für eine passende Gesellschaft für Colin. Er war auch kein guter Umgang, aber das war eine andere Geschichte. Wenn Hiroki damit rechnete, dass Kei keine Ahnung hatte, was sein Ton vermuten ließ, warum fragte er dann?
Der Vampir blieb stehen, sah den Mann an. Er hatte eigentlich noch etwas zu tun. Der Blick des Motorradfahrers, der seinen Helm inzwischen abgenommen hatte, wurde ungeduldig.
"Das dachte ich mir." Hiroki griff in eine Innentasche seines lässigen Jacketts und zog einen kleinen weißen Umschlag hervor, den er Kei hinhielt.
"Er ist sehr eigenwillig, darum hat er nicht viele Freunde." Auf Japanisch hieß das offensichtlich 'er ist unerträglich, darum hat er gar keine.' "Du scheinst etwas unerschrockener zu sein. Bitte kümmere dich um ihn." Die Bitte formulierte er als die übliche Alltagsfloskel, während er sich leicht am Kinn kratzte.
Kei nahm den Umschlag, sich höflich bedankend, entgegen und schmunzelte. "Unerschrocken... ja, das könnte sein," sagte er und grinste innerlich. Eigenwillig... Ja... Das war Colin auf jeden Fall.
"Ich werd's versuchen. Ehm, ich muss dann mal weiter. Bis dann." Die Höflichkeitsfloskeln seiner Muttersprache verwendete Kei selten - nur, wenn er musste, denn er war lieber direkt, wenn ihm etwas nicht passte. Aber ein bisschen Höflichkeit hatte noch niemandem geschadet. Außerdem wollte er keinen dramatisch schlechten Eindruck machen, wenn es um Colins Leute ging.
Hiroki verabschiedete ihn mit einem freundlichen Nicken und sah ihm nur kurz nach, denn Colin kam nun aus dem Gebäude.
Kei steckte den Umschlag erstmal weg um ihn später zu öffnen und ging zu dem Motorrad.
(In dem Umschlag befindet sich eine verzierte Einladungskarte zur Hochzeit von "Catherine Eileen Hammerer und Hiroki Fujita" im mehrsternigen Hotel Miwa am Rand des Chikiparks.)

"Hallo, Sakai. Hast du an das Geld vom Chef gedacht?" wollte der Mann von ihm wissen und blickte unerbittlich drein.
"Hab ich, ja. Wie kommst du auf die dumme Idee, das am öffentlichsten Ort an dem ich mich aufhalte, machen zu wollen?" Kei zog einen Briefumschlag aus der Tasche und überreichte ihn dem Mann. "Danke. Steig auf, es gibt was zu tun."
Der Vampir stutzte, stieg aber auf das Motorrad. "Geht das auch genauer?" Kei war ziemlich schnell genervt von sowas.
"Später. Jetzt fahren wir erstmal."
Auf der Fahrt erfuhr Kei auch, was es denn so wichtiges zu tun gab.

FREITAG
Am nächsten Morgen, Freitag, fiel Colin die schwarze Limousine vor dem Haus des Erpressers auf. Er ging nun immer auf der entgegengesetzten Straßenseite, um dem Mann ein kleines Bisschen aus dem Weg zu gehen. Er verband damit aber nichts besonderes und verzog nur etwas das Gesicht in Erinnerung an die ekelhaften Begegnungen mit dem Mann.
In der Bahn konzentrierte er sich auf das Positive, dem er heute entgegensehen konnte. Er freute sich ehrlich auf den Tag.
Kei kam spät in die Schule, denn die Nacht war ziemlich lang gewesen. Von dem Motorradfahrer, der ihn gestern abgeholt hatte, wurde er an der Schule abgesetzt. Das wäre nicht nötig gewesen, aber Kei wollte sein Geheimnis wahren, weshalb er auch völlig fertig tat, was er gar nicht war.
Seine Gedanken waren bei Colin, Kyo und dem Kerl im Hotel...
Als er also irgendwann während der ersten Stunde endlich hereinrauschte, sah Colin zu ihm auf. Die Lehrerin bemühte sich nicht um einen Kommentar, sondern fuhr mit dem Unterricht fort, als sei nichts und sprach lediglich etwas lauter, während der Nachzügler hereinkam.
Colin, wieder im zuverlässigen Rollkragenpullover unter der Uniformjacke, lächelte ihn an und musterte ihn, als er näherkam. Kei blickte müde drein, unter seinem rechten Auge klebte ein Pflaster. Er schaute Colin kurz an, erwiderte das Lächeln kurz und setzte sich. Etwas verschämt steckte Colin sich die Haare hinter die Ohren. Dann nahm er sein Buch und hielt es Kei entgegen, um ihm zu zeigen, was gerade gelesen wurde, und sah dabei weiter aufmerksam nach vorn zur Lehrerin.
Kei nahm ebenfalls sein Buch vor die Nase und begann zu lesen. Seine Aufmerksamkeit galt allerdings mehr seinen Gedanken.
So hätte das nicht enden dürfen...
Als Colin zwischendurch zur Seite sah, fiel ihm die geistige Abwesenheit seines Sitznachbarn natürlich auf. An sich war es nichts besonderes, dass Kei nicht aufpasste, aber er war zu spät gekommen, sah müde aus und hatte scheinbar eine Verletzung.
Er schrieb 'Was ist passiert?' auf einen Zettel und legte ihn Kei auf den Tisch.
Kei nahm den Zettel und las. Eine ganze Weile starrte er darauf und überlegte. 'Zu viel.' schrieb er drauf und gab ihn zurück. Wohl wissend, dass das keine bfriedigende Antwort war.
Colin warf Kei einen besorgten Blick zu.
Er folgte weiter dem Unterricht. Die Stunde dauerte nicht mehr lang und als sich die Lehrerin zum Gehen wandte, beugte er sich sofort zu Keisuke und sagte leise:
"Ich mag lange Geschichten."
Sein Gesichtsausdruck war ernst und erwartungsvoll.
"Diese wirst du nicht mögen," sagte Kei ebenso leise. Er wollte das Colin nicht auch noch erzählen, der kannte schon viel zu viele Details aus seinem Leben, die er nie erfahren sollte.
Kei wollte ihm nichts sagen. Fair enough, dachte Colin bei sich. "Dann erzähl sie mir nicht. Aber vielleicht könnte ich dir trotzdem helfen?" Er musterte Keis Gesicht mit einem vorsichtigen Blick von unten herauf.
"Nein, kannst du nicht," begann Kei, ließ dann aber jegliche Fortsetzung bleiben. Er sprach ruhig, ohne Aggression in der Stimme. Colin konnte ihm nicht helfen und wissen sollte er besser auch nichts. Er sollte schon gar nicht wissen, dass der Nachbar, der das Video gedreht hatte, seinen Verletzungen wohl erliegen würde.
Der Vampir sah nur so ramponiert aus, weil er hatte erklären müssen, dass Kyo nur seinen Plan ausgeführt und mit all dem im Grunde nichts zu tun hatte.
"Nicht einmal mit einem Rat oder sowas? Ich kann auch ein richtig guter Zuhörer sein und den Mund halten, wenn ich will. ... Ist schwer zu glauben, ich weiß." Colin lächelte aufmunternd.
"Das ist in der Tat schwer zu glauben," kommentierte Kei und ließ das Weitersprechen einfach bleiben. Er wollte weder darüber reden, noch Colins Leben in Gefahr bringen, das musste nicht sein. Wenn einer Colin das Leben nehmen sollte, dann war er das und niemand sonst. Der nächste Lehrer kam Kei zu Hilfe, indem er seinen Hefterstapel vorn auf sein Pult knallte und alle zur Aufmerksamkeit aufrief.
Colin fügte sich brav und passte auf, ohne Kei weiter zu belästigen. Nicht jedoch ohne ihm zwischendurch musternde Blicke zuzuwerfen. Kei war tatsächlich zum ersten Mal erleichtert, einen Lehrer zu sehen, da dieser ihn aus der unangenehmen Situation des Nicht-erklären-wollens befreite. Er tat aufmerksam und dachte weiterhin nach.
Als die Mittagspause begann, stand Colin zögerlich auf. Sich ebenfalls - deutlich schneller - erhebend, packte Kei sein Zeug zusammen und rauschte anschließend aus dem Raum. Nach draußen.
Sich eine Zigarette anzündend zog er sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.
An einer abgelegenen Ecke rief er den Boss an. "Hier is Kei. Du hast gesagt, einer von beiden muss gehen. In welchem Krankenhaus liegt der aufgeblasene Saftsack?" erkundigte er sich leise.

Colin sah Kei nach, bis Shingo ihn in den Arm knuffte. Sie schlenderten zusammen zum Kiosk, um sich Brötchen zu kaufen. Er dachte immer wieder an Kei, darum wäre Colin beinahe nicht aufgefallen, wie häufig und lang Shingo heute seinen Arm auf seine Schultern legte. Sie redeten, wie fast immer, über das Neujahrskonzert und verfeinerten ihren Plan.
Nachdem Kei die notwendigen Informationen bekommen hatte um seine Aufgabe zu erledigen, legte er auf und ging zurück in Richtung Schulgebäude, die mittlerweise dritte Zigarette rauchend. Auf dem Weg kam er an Shingo und Colin vorbei. Ersteren bedachte er mit einem tödlichen Blick, Colin mit einem halbwegs freundlichen. Er lief weiter, da er mit seinen Bandkollegen ebenfalls noch an der Setliste für das Konzert feilen wollte.
Colin hielt kurz an, als Kei an ihnen vorbeikam, und sah ihm wieder nach, bis Shingo ihn wieder knuffte.
Ich verwirre ihn, ja? Was für ein Heuchler...

Kei saß irgendwo im Gebäude mit Tama und den anderen herum, Blätter um sie herum ausgebreitet, waren sie am Diskutieren, welche Songs nun gespielt werden sollten.
Kei versuchte sich abzulenken, und nicht an Colin zu denken.
Colins und Shingos Spaziergang führte sie irgendwann genau da vorbei - oder besser: Colin sah die Band herumsitzen und schlenderte mit voller Absicht auf sie zu. Shingo hatte wieder lässig seinen Arm um ihn gelegt und als sie sich RooD näherten, griff Colin aus Trotz nach dessen Hand und hielt sie fest. Er würdigte Keisuke keines Blickes, als er im Vorbeigehen schelmisch grinste und deutlich vernehmbar sagte: "Wie lange kann man hier suspendiert werden? Zehn Tage, was meinst du?"
Shingo lachte: "Das ist nicht Frau Hasegawas Stil."
Kei erdolchte Shingo förmlich mit Blicken, hatte aber gerade ganz andere Sorgen als Colin. Auch wenn der sich nicht aus seinen Gedanken streichen ließ. Macht er das jetzt absichtlich?
"Hallo? Erde an Kei. Ich hab dir schonmal gesagt, dass du aufhören sollst, dich wie ein Idiot zu benehmen." Die tiefe Stimme des Vocalisten war auch leise durchdringend genug um Kei aus seinen Gedanken zu reißen.
"Fresse, Saki."



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