Wednesday, September 23, 2015

Kei + Colin XV: Erpressung




SONNTAG
Der Herr im mittleren Alter mit dem Ziegenbart war ihm nie aufgefallen.
"Ah, guten Morgen!" Er lächelte freundlich und winkte Colin, als kenne er ihn. Colin dachte scharf nach, aber konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, den Mann jemals gesehen zu haben, und lächelte und verbeugte sich höflich.
"Guten Morgen. Entschuldigen Sie, kennen wir uns? Sind wir Nachbarn?" fragte Colin und sah auf das Haus hinter dem Herrn. Der lächelte nur nett weiter.
"Wenn du hier in der Nähe wohnst, dann ja," sagte er fröhlich. Tatsächlich befand sich Colins Haus nur ein paar Häuser weiter. Es war Sonntagvormittag und Colin war gerade durch den Minipark zum Kombini und zurückgelaufen.
"Kommst du aus dem kleinen Park um die Ecke?" fragte er.
"Ja. Der ist gut für kleine Spaziergänge," bot Colin an. Der Mann lächelte.
"Ja! Ich gehe selbst gern spazieren. Besonders im Chikipark mit dem schönen großen Teich." Er sah Colin ein bisschen zu fest in die Augen. Colin bewegte seinen Kiefer und musterte das Gesicht des Mannes.
"Aha," sagte er gleichgültig.
"Dort gibt es interessante Naturschauspiele zu beobachten. Es ist mein besonderes Hobby, sie zu filmen," sagte er ruhig, immer noch Colin tief in die Augen sehend.
Colin schluckte und hoffte, sein Gesicht gab nichts preis.
"Wirklich? Das ist schön," bot er an, und schaffte es, gelassen zu klingen.
"Ja. Man weiß nie, was einem vor die Linse kommt. Gestern abend wollte ich Käuze filmen. Doch dann gab es etwas viel spannenderes zu beobachten."
Colins Mund öffnete sich von selbst und er war sich sicher, dass er feuerrot anlief. Er schloss den Mund wieder, biss sich auf die Zunge und ballte die Hände zu Fäusten.
"Aha," presste er heraus.
"Willst du sehen, was ich aufnehmen konnte? Ich habe es noch niemandem gezeigt." Der Mann sah amüsiert aus.
Er zog sein Smartphone aus seiner Jacketttasche, wischte darauf herum und hielt es Colin zum Draufschauen hin.
Ja. Das war eindeutig. Unverwechselbar.
Er ließ Colin die Aufnahme minutenlang sehen, bis ganz zum Schluss. Der dünne, blecherne Klang kroch Colin unter die Haut und ihm wurde halb bewusst, dass er noch nichtmal Angst hatte, dass jemand in der Nähe sein könnte um mitzuhören.
Als es endlich vorbei war, wischte der Mann wieder auf dem Display herum und steckte das Telefon zurück in seine Jackentasche. Colins Blick folgte ihm wie angeklebt bis es hinter dem teuren, schwarzen Stoff verschwand.
"Nun. Was hältst du davon? Ist es gut?"
Langsam, den Mann anstarrend, schüttelte Colin den Kopf.
"Nein? Du glaubst nicht, dass jemand daran interessiert wäre?"
Colin hatte Mühe zu atmen und eine Art milchiger Schleier legte sich über seine Sicht.
"Ja stimmt, Geschmäcker sind verschieden... aber man findet alle im Internet." Sein Lächeln war nicht einmal mehr ein normales Lächeln, es war das grausamste, schwärzeste, dreckigste Grinsen das ein menschliches Gesicht erzeugen konnte. So kam es Colin vor. Er weigerte sich, seinen eingebildeten Schutzschild aus Versteinerung aufzugeben um den Mann bei den Namen zu nennen, die gerade seinen Kopf fluteten.
"Naja, ich will dich nicht aufhalten," sagte der Mann, winkte noch einmal und drehte sich zum Haus um. Er begann, darauf zuzugehen.
Colin brauchte eine Weile, um wieder Herr über seine Stimme und seinen Körper zu werden, und als er das endlich geschafft hatte, hatte der Mann schon das andere Ende des Kiesweges erreicht und die Tür geöffnet.
"Warten Sie!" Colin eilte ihm hinterher. "Löschen Sie das. Alles, alle Kopien die Sie gemacht haben." Seine Stimme war flach, aber er wusste, dass sie erbärmlich bettelte.
Der Mann tat überrascht.
"Oh, ich denke, das könnte ich tun. Für eine Entschädigung."
Da war es wieder, das kalte Stahllächeln. Colins Entrüstung und Ekel flammten auf und übermannten ihn für eine Sekunde.
"Wenn Sie Geld wollen, dann erpressen Sie jemanden, der welches hat!"
Der Mann besaß die Dreistigkeit, zu lachen. Colin starrte ihn wütend und verwirrt an. Der Mann grinste und deutete mit einer vagen Geste auf die direkte Umgebung. "Ich habe genug Geld." Er tätschelte die Jackentasche, in der sein Handy lag. "Du hast etwas anderes anzubieten."
Colin sah erst verständnislos auf die Jackentasche, Sekunden später verstand er. Um sicherzugehen, dass er ihn richtig verstanden hatte, musste er den Mann wieder anstarren, so fest dass seine Augen fast zu tränen begannen, und das sardonische Schmunzeln und das Nicken bestätigten Colins Verdacht. Sein Mund öffnete und schloss sich.
"Ekelhaft," krächzte er. "Sie sind widerlich."
Der Mann lachte unbekümmert.
"Ich werde dir einen Tag geben, darüber nachzudenken. Du gehst zur Schule, nicht? Den Schultag hast du als Bedenkzeit. Wenn ich bis morgen abend nichts von dir gehört habe, hat Gaytube ein paar neue Stars."

Keis Wohnung lag in tiefem Dunkel als ihr Bewohner wieder zu sich kam. In ein Handtuch eingewickelt lag der Schüler auf dem Sofa. Über ihm noch eine Decke. Er wischte sich die wirren Haare aus dem Gesicht und stand auf. Den Vorabend hatte er noch ausgiebig genutzt, nachdem er den kleinen Schotten in dem Park hatte stehen lassen.
Kei stand auf, ging ins Schlafzimmer und zog sich an. Um seinen Hals hängte er zwei kleine Anhänger. Eine etwas zu große schwarze Kapuzenjacke überstreifend ging er nach draußen. Er brauchte neue Zigaretten und Geld. Sein erster Weg führte ihn daher zur Bank. Sein letzter Auftrag hatte einiges eingebracht.
Nachdem er seine 'Einkäufe' erledigt hatte, ging er wieder nachhause. Anscheinend wurde er schon erwartet, denn ein junger Mann im Anzug stand vor seiner Wohnungstür.
"Willst du zu mir?" fragte der Vampir, der den Mann noch nie zuvor gesehen hatte.
"Ja. Du sollst das hier wegbringen, Sakai." Der Mann drückte Kei einen Umschlag in die Hand und ging wieder. "Drei Tage," sagte er noch. Kei steckte den Umschlag ein und ging in die Wohnung. Dort machte er ihn auf und setzte sich aufs Bett. Darin befanden sich eine ziemlich große Menge Kokain in kleinen Tütchen und ein Umschlag auf dem 'Deine Bezahlung' stand. Kei packte das Geld in seine Börse und fragte sich, weshlb er zur Bank gegangen war. er verstaute auch zwei Packungen Kippen und ein paar kleine Kokstütchen und machte sich dann wieder auf den Weg. Zur Arbeit. In eine kleine Werkstatt in der Nähe, wo er als Aushilfe arbeitete. Wer wollte, bekam auch ein bisschen weißes Pulver.
"Hey Sakai! Komm mal eben hier rüber. Wir haben was interessantes reinbekommen!" rief sein Vorgesetzter sobald er den Schüler erblickte. Kei ging zu ihm und erblickte ein hübsches Motorrad.
"Was ist damit?"
"Mach das fertig. Die Seriennummer soll weg."
"Warum das?" Kei sah ihn an.
"Soll weiterverkauft werden... irgendwo ins Ausland."
Kei fragte nicht weiter und tat, worum er gebeten wurde. Den Rest des Tages war er damit beschäftigt, das schöne schwarzsilberne Motorrad herzurichten.

Colin verbrachte den Rest des Sonntags, seit seiner Begegnung der erpresserischen Art, mit Üben und Pauken und über seiner unmöglichen Entscheidung zu brüten.
Ginge er nicht auf die Erpressung ein, zeigte er den Mann vielleicht gar an, dann würde der das Video ganz sicher veröffentlichen. Davon hätte Colin nichts.
Und wenn er dem Mann - Colin ekelte sich sogar davor, den Gedanken zu Ende zu bringen... er konnte dann auch nicht sichergehen, dass er das Video nicht doch öffentlich machen oder es nicht weiter als Druckmittel benutzen würde.

MONTAG
Er grübelte die halbe Nacht darüber, bis er am Morgen in Hirokis Auto auf dem Weg zur Schule einen Entschluss fasste.
Von dem Moment an, in dem er ausstieg, hielt er nach seinem Wahnsinnigen Ausschau. Dass er selbst von diversen Mitschülern angestaunt wurde, weil er wie der lebende Tod aussah - Schlafmangel, Stress und wahrscheinlich eine angehende Erkältung machen sowas - fiel ihm dabei nicht auf.
Kei kam etwas spät in den Unterricht. Er hatte es nicht eilig am Morgen und so war er auf dem Weg zur Schule bei seinem spontanen Frühstück auf einem Dach hängen geblieben. Mit blutigem Gesicht wollte er nicht in die Schule.
Mit Kippe im Mund kam er zwei Minuten vor Unterrichtsbeginn in der Schule an.
Colin hatte seine Tasche bei seinem Tisch und dann sich selbst vor der Tür zum Klassenraum abgestellt und sich dort angelehnt, um beinwackelnd auf Kei zu warten.
Er kam auch tatsächlich vor dem Lehrer. Als Colin ihn heranschlendern sah, rauschte auf einmal die Erinnerung an Samstagnacht auf ihn ein und er musste erst einmal schlucken. Er schluckte, riss sich zusammen, setzte einen entschlossenen Blick auf und ging auf Kei zu. Seine Verlegenheit und Nervosität waren sehr offensichtlich. Ebenso wie die so gut wie durchgemachte Nacht und eine Masse an Sorgen, die über das Wochenende nur noch gewachsen zu sein schien. Er versuchte, nicht auf den Körperbau, das Gesicht, die... das... egal, ALLES an Kei zu achten und ihn gleichzeitig fest anzusehen.
Kei sah Colin von Weitem. Wartete der etwa?!
"Hast du vergessen zu schlafen?" kommentierte er dessen Aussehen und blieb neben ihm stehen.
In Colins Kopf war nicht genug Arbeitsspeicher frei, um auf diese Frage zu reagieren.
"Komm mit, ich muss dir was erzählen, es ist wichtig," bat er und hielt Kei am Jackettärmel fest. Nur solange, bis der bestimmt stehenblieb. Colins Stimme klang unterdrückt verzweifelt und so sah auch sein Blick aus.
Kei besah sich Colin kurz und ging dann mit ihm mit. Er wollte sich das Elend nicht den ganzen Tag ansehen und der Kleinere schien ein ernsthaftes Problem zu haben.
"Was is so wichtig?" wollte er wissen, als sie außer Hörweite sämtlicher Mitschüler waren. Mittlerweile waren so gut wie alle in ihren respektiven Unterrichtsräumen verschwunden. Colin zog Kei hinter einen Getränkeautomaten und drückte ihn daneben an die Wand, oder versuchte es zumindest. Er sprach leise, mit Dringlichkeit in der Stimme als ginge es um einen tödlichen Spionageeinsatz.
"Erinnerst du dich-" er verzog das Gesicht - "Natürlich erinnerst du dich - bei mir in der Gegend wohnt ein Kerl, der uns gefilmt hat. Er will das Video ins Internet setzen. Es sei denn ... äh, wir tun was dagegen. Hilfst du mir? Ich habe einen Plan." Er hatte seine Hand die ganze Zeit auf Keis Brust behalten. Nun fiel ihm das auf und er zog sie schnell zurück, sah Kei dann wieder eindringlich an.
Kei grinste, während er sich von Colin an die Wand drücken ließ. "Als ob ich das vergessen würde," sagte er, dem Kleineren tief in die Augen sehend.
Als er hörte, dass der Kerl eine Kamera auf sie gerichtet hatte, wäre er gern explodiert, ließ sich aber nichts anmerken. Der Moment im Park war seins gewesen. Und bestimmt nicht für einen Kerl bestimmt, der einfach nur ein bisschen zu geil auf junge Männer war. "Ich höre."
Er war sich ziemlich sicher, dass der Plan nicht beinhaltete, den Mann grausam sterben zu lassen... wobei das Keis Lieblingsoption war.
Colin atmete auf und sah sichtlich erleichtert aus.
"Ich sags dir in der Mittagspause. Auf dem Dach." Unterricht zu schwänzen, und wenn auch nur für ein paar Minuten, schien für Colin derart abwegig und unrealistisch, dass er nicht einmal an die Möglichkeit dachte. Er wandte sich zum Gehen.
"Warum sagst du es mir nicht jetzt, wenn es so wichtig ist?" Kei verstand die Logik von Colin kein bisschen. Er hielt seinen Mitschüler am Handgelenk fest.
"Weil die erste Stunde jetzt anfängt," antwortete Colin verständnislos. Diese Erklärung reichte aber noch nicht, wusste er. "Ich wollte nur vorher wissen, ob - wie - ob du - " Er wusste nicht, was genau. Ob er sich auf ihn verlassen konnte? Ob er ihn im Stich lassen würde? Ob es Kei egal war und er auf sich gestellt war? Alles davon. Er sah auf Keis Hand, die ihn festhielt. "Das musste ich vorher wissen, okay?" Er tat einfach so, als ob er alles ausgesprochen hätte.
"Also ich hätte das schon gerne geklärt und zwar schnell, wenn mich einer beim Sex filmt. Ich steck da genauso drin wie du und ich habe kein Interesse an einer Pornokarriere," erklärte Kei. "Auf den Unterricht kannst du heute wohl verzichten. Das hier ist ein bisschen wichtiger als deine Pünktlichkeit!" Noch immer hielt er ihn fest.
Colin runzelte die Stirn. "Na gut." Innerlich war er froh, dass Kei selbst eingefallen war, was Colin sich als Argument für den Notfall zurechtgelegt hatte.
"Aber nicht hier. Wir gehen aufs Dach." Wieder machte er Anstalten, loszugehen.

Auf dem Dach des Hauptgebäudes angekommen, lehnte Kei sich neben die Tür an die Außenwand des Treppenhäuschens.
Colin stand seinerseits nah bei Kei an die Wand gelehnt.
"Also. Er hat mir angeboten, ihn dafür zu bezahlen, dass er das Video löscht. Natürlich kann ich mich nicht darauf verlassen, dass er das wirklich tut, also werde ich so tun, als würde ich darauf eingehen, aber einen Treffpunkt an einem neutralen Ort vereinbaren, nicht in seinem Haus. Während er mit mir weg ist, steigst du bei ihm ein und zerstörst sämtliche Hardware, die du findest. Zur Sicherheit. Ich werde beim Treffen auch versuchen, an sein Handy zu kommen und es formatieren oder auseinandernehmen.
Auf diese Weise habe ich, der einzige mögliche Verdächtige, ein Alibi, weil ich mit ihm selbst zusammen war. Natürlich wird er wissen, dass ich hinter dem Einbruch stecke, aber dann wird er nichts mehr haben, um mich unter Druck zu setzen. Er kann außerdem auch nicht wissen, ob mein Komplize nicht vielleicht das Video als Beweismaterial zurückbehalten hat.
Es gilt nur, ihn dazu zu überreden, sich woanders zu treffen - wenn er es nicht selbst vorschlägt, und ihn da lang genug festzuhalten. Letzteres wird kein Problem sein."
Colin hatte das sachlich nüchtern vorgetragen und dabei konzentriert in den Himmel vor sich gestarrt, und sah Kei nun an.
Kei nickte. "Klingt gut." Er machte eine Pause. "Außer der Tatsache, dass du mit ihm allein wärst. Willst du, dass er dich umbringt?" Kei hielt das durchaus für möglich. Mal abgesehen davon, dass dem Vampir der Gedanke missfiel, Colin mit irgendeinem Perversen teilen zu müssen. Allein, dass diese Möglichkeit bestand, behagte ihm nicht. Zugeben wollte er das aber nur ungern.
Colin schüttelte sachte den Kopf.
"Er wird mich nicht umbringen," sagte er überzeugt. Was er tatsächlich machen würde, war viel ekelerregender. Colin rümpfte unbewusst die Nase, als er daran dachte.
"Vielleicht. Was auch immer er von dir will kann aber auch nicht gesund sein." Kei gefiel das ganz und gar nicht. Er wollte nicht teilen und schon gar nicht mit so einem. Eher würde er den Kerl der Länge nach aufschlitzen. Er dachte kurz nach. Genau wissen, was der Kerl wollte, tat er nicht, aber er hatte ein mehr als gutes Vorstellungsvermögen.
'Was immer er von dir will'? Colin hob eine Augenbraue. Hatte er sich etwa verplappert?
"Na gut. Wir machen das so, wie du gesagt hast," lenkte Kei nach einer Weile ein. Er hatte eine Idee...
"Sehr gut. Ich muss mich bis heute abend bei ihm melden. Am liebsten würde ich es dann auch gleich hinter mich bringen. Je weniger Zeit er hat, das Video irgendwo hochzuladen, umso besser. Wann hast du abends Zeit?"
Kei dachte kurz nach. "Den ganzen Abend." Zumindest hatte er keine Termine. Arbeiten konnte er auch zwischendurch und nachdem die Angelegenheit erledigt war.
"Jeden Tag? Es kann sein, dass er sich auf heute abend nicht einlässt."
"Kein Problem. Du hast ja meine Nummer. Sag einfach Bescheid."
Natürlich hatte er nicht jeden Tag den ganzen Abend Zeit, er musste immerhin arbeiten, aber das war ein bisschen zu wichtig um es wegen ein wenig Arbeit liegen zu lassen.
Colin wirkte noch erleichterter, und auch müder. Er ließ mit einem dünnen Lächeln die bisher hochgezogenen Schultern entspannt fallen und sah zu Kei auf.
"Danke."
Kei schenkte ihm den Hauch eines Lächelns und machte sich dann auf den Weg zurück in den Unterricht. Auf dem Weg dahin schrieb er seinem Kumpel Kyo eine SMS. 'Halt dir die nächsten Tage frei. Ist wichtig. Kei'
Colin blieb den ganzen Schultag lang matt und müde, doch je näher der Nachmittag rückte, umso stärker kehrte seine Anspannung zurück. Als es zum Ende der letzten Stunde läutete, feuerte er seine Habseligkeiten hastig in seine Tasche und beeilte sich, die Schule zu verlassen.
Kei wurde von seinem Kumpel Kyo abgeholt, der mit einem Motorrad vorfuhr. Auf dem Heimweg erklärte Kei ihm, wofür er ihn brauchte. "Ich sag dir Bescheid, wann. Wenn er den Kleinen anfasst, schlag ihn K.O.," gab er ihm ziemlich einfache Instruktionen. Kyo nickte und setzte Kei an seinem Arbeitsplatz ab.
"Sakai!" Sein Kollege kam den Jungs schon entgegen. "Das Motorrad, das wir gestern reinbekommen haben, wird nicht mehr abgeholt. Der Kerl dems gehört wurde eingebuchtet. Der Chef sagt, dass du es haben kannst, er hat keine Verwendung dafür. Fertig machen musst du es selbst. An die Arbeit. Geh, wann du willst. Heute ist nicht viel zu tun," endete sein Kollege und ging selbst wieder an seine Arbeit. Der Vampir schaute zu Kyo und dann wieder zu nun seinem Motorrad, das da stand, so gut wie fertig.
Nach ein bis zwei Stunden machte er sich wieder auf den Weg. Seine Bandkollegen hatten die Probe heute ausfallen lassen. Kei fuhr auf seinem neuen Motorrad nachhause. Stellte es in der zu seiner Wohung gehörenden sonst nie genutzen Garage ab und ging in seine Wohnung. Es war gerade 18 Uhr.
Wenig später klingelte das Telefon.
Kei nahm ab ohne draufzusehen. "Ja?"
"Alles klar. Er ist mit heute abend einverstanden. Wir sind um punkt sieben vor seinem Haus verabredet. Es ist in meiner Straße, etwas weiter vorn, Nummer 19. Wir fahren mit der U-Bahn. Die Fahrt zum Holiday Inn dauert etwas über zwanzig Minuten. Wenn wir in die Station gegangen sind, kannst du einsteigen.
Dann hast du gut zwei Stunden Zeit. Schätze ich.
Geht das in Ordnung?"
"Ja. Das reicht. Viel Glück," sagte Kei. Nachdem er aufgelegt hatte, schreib er Kyo eine SMS mit den Daten. Der versicherte, dass er ein Auge auf Colin haben und sich bei Kei melden würde, sollte etwas daneben gehen.
Kei zog seine Jacke gar nicht erst aus und machte sich schonmal auf den Weg in Colins Straße, und wartete auf die Nachricht, dass Kyo am Hotel angekommen war, die bald darauf bei ihm eintraf.
Der Mann mit dem gepflegten Bart, mit dem Colin unterwegs war, trug einen feschen, teuren Anzug und schien überhaupt sehr selbstsicher und gutgelaunt zu sein. Er wirkte überhaupt nicht wie jemand, der es nötig hatte, Menschen zu erpressen, um sie ins Bett zu kriegen.
Er öffnete dem Jungen galant die Tür und bot ihm einen Sessel im Foyer zum Warten an, während er ein Zimmer bestellen würde. Colin blieb stehen und konnte nicht umhin, trotzig dreinzublicken. Mit den Händen vorn in der Sweatshirttasche sah er sich im Saal um und blickte auch nach draußen, bemerkte Kyo aber nicht. Jedenfalls fiel er ihm nicht besonders auf.
Nach ein paar Minuten kam der Mann mit einer Schlüsselkarte von der Rezeption zurück und ging auf Colin zu, der unweit der Fahrstühle herumlungerte. Als er bei ihm ankam, drehte Colin sich geschmeidig zum Fahrstuhl um und ging los, doch das half nicht viel, denn in der Aufzugkabine legte er ihm trotzdem einen Arm um die Schultern.



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